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Full text of "D. Jacob Christian Schäffers Abhandlungen von Insecten : erster[-dritter und lezter Band] .."

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EOLEECTON 
OF 


WILLIAM SCHAUS 
© 
PRESENTED 
INO/TIEUE 
NATIONAL MUSEUM 
MCMV 


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D. Jacob Christian Schäffers 


a weyter Band. 
Nebſt XVIII. Kupfertafeln mit ausgemahlten Abbildungen. 
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Regensburg, verlegts Johann Leopold Montag, 1764. 


D. Jacob Ehriitian Schäffer 


Abhandlungen 


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Zweyter Band. 


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„ 20 WER 


Verzeichnis der Abhandlungen und Ordnung 
der Kupfertafeln. 


IJ. Maurerbiene Tab. I. II. III. IV. V. 

II. Fiſchförmiger Kiefenfuß J. 

III. Krebsartiger Kiefenfuß I. II. In. IV. V. VI. VII. 
IV. Wuͤrmer in Zaͤhnen 1. 


V. Sattelfliege 

VI. Afterjuͤngferchen 
VII. Kaͤulenkaͤfer 
VIII. Eulenzwitter 


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Gnaͤdige/ 


9. nem fehr wichtigen Theile der Kraͤuterlehre, nämlich mit 
FAND: der Lehre von den Schwämmen,befchäftiger habe. Nachdem 
ich in dieſem weitlaͤuftigen, und faſt noch ganz unbekannten, Felde, ſo weit 
gekommen bin, als bey der Manntgfaltigkeit der hervorgetretenen Schwuͤ— 
rigkeiten mir moͤglich war: ſo bin ich zur Betrachtung des Thierreiches 
zuruͤckgekehret. Nirgends trift man deutlichere Spuren der goͤttlichen 
Allmacht und Weisheit an, als hier; nirgends mehrere und ſtaͤrkere Waf— 
fen den ausſchweifenden Hochmuth der menſchlichen Vernunft zu beſtrei— 
ten! Allenthalben zeigen ſich einem forſchenden Auge die allerweiſeſten 
Abfichten; allenthalben die allerbeſten und ſieherſten Mittel dieſe Abſich— 
ten zu erreichen; allenthalben blicket Ordnung, Schoͤnheit und Regelmaͤſ— 
ſigkeit hervor, und oft da am ſtaͤrkſten, wo alles unordentlich, unregelmaͤßig⸗ 
und ungeſtaltet ſcheinet. 


Es wuͤrde mir nicht ſchwer ien, dleſer mit unzaͤhligen Beyſpielen, 
twelche ſelbſt den alleraufgeklaͤrteſten menſchlichen Verſtand in ein heiliges 
Die Maurerbiene. 4 Er⸗ 


2 0 e A 


Erſtaunen ſetzen müffen, zu beſtaͤrken. Ich will aber nur bey einem eins 
zigen Inſecte ſtehen bleiben; und ſelbſt von dieſem werde ich nur in kurs 
zen Saͤtzen reden. 


Es giebt eine Gattung Bienen, die der unfterbliche Reaumur (*) 
zuerſt und bis igo noch ganz allein, beſchrieben hat. Sie hat von ihm 
wegen der Art, wie fe die Wohnung für ihre Nachkommenſchaft zuberei⸗ 
tet, den Namen der Maurerbiene, (abeille masonne) erhalten (0). 
Sie unterſcheidet ſich von der Sonigbiene, in mehr als einem Stuͤcke; 
vornaͤmlich aber darinn: daß fie nicht in Geſellſchaft mit andern Bienen, 
ſondern einſam, lebet; daß fie nicht zahm“, ſondern wild tſt; daß ihre 
Haushaltung nicht aus drey unterſchiedenen Geſchlechtern „ wie 
bey den Honigbienen, ſondern nur aus zweyen, naͤmlich aus Maͤnngen 
und Weibgen beſtehet; und daß die Befruchtung des Weibgen nur von 
einem Maͤnngen geſchiehet, da ſich im Gegentheile bey den Honig— 
bienen der ſo genannte Koͤnig, oder Weiſer, oder, der Warheit gemaͤ— 
fer zu reden, das Weibgen mit einer großen Menge von Maͤnngen gats 
tet. Das Weibgen (***) der Maurerbiene iſt um ein Drittheil größer, 
als das Maͤnngen (Y); dieſes iſt mehrfarbig und groͤßtentheils gelbig, je— 
nes, des Weibgen, iſt meiſt einfaͤrbig und ſchwarz, oder ſtahlblau. 


So bald die Maurerbiene in den erſten Tagen des Aprils zum 
Vorſcheine kommt; ſo iſt ihr erſtes Bemuͤhen auf die Fortpflanzung 
ihres Geſchlechtes gerichtet. Sie ſuchet ihren Gatten und wird von ihm 
geſuchet, um befruchtet zu werden; und ſie ſuchen ſich einander nicht lan⸗ 
ge vergebens, da beyde ſchon, als Würmer nahe bey einander und gleich— 
ſam in einem Hauße wohnen (FF), und insgemein zu gleicher Zeit 
und faſt zu gleichen Stunden, als gefluͤgelte Inſeeten, nämlich als Bies 
nen, das Licht der Welt erblicken. 


Wann 


(0 Niem. des Inſegt. Tom. VII. P. I. Mem. 3. () Tab. I- IV. 
G Tab. H. Pig. 1. H. In ( e eee 
„ie I. IL DI. av. e ne 


* 3 

Wann das Weibgen befruchtet iſt, wird es von dem Männgen fich 

ſelbſt und feinem Schickſaale uͤberlaſſen, und keines nimmt ſich des andern 

weiter an. Die Honigbiene verfaͤhret hierinn anders; Maͤnngen und 

Weibgen bleiben bey einander, und beſorgen in Gemeinſchaft der Arbeir= 
ſamen die Ernaͤhrung und Auferziehung der Jungen. 


Die erſte Sorge des befruchteten uud ſich ſelbſt uͤberlaſſenen Weib⸗ 
gens iſt, ſich der Eyer auf eine ſolche Weiſe zu entladen, die der Befchaf 
fenheit der Nachkommenſchaft, die es daraus erwartet, gemaͤß iſt. Es 
ſaͤumet dahero nicht den Bau derjenigen Wohnung anzufangen, worinn 
ihr neues Geſchlechte gebohren werden, ſich aufhalten, naͤhren, und uns 
ter verſchiedenen Veraͤnderungen ſo lang ſicher und bequem leben koͤnne, 
bis es zu dem gehoͤrigen Alter und zu demjenigen Stande der Volkom⸗ 
menheit gediehen ſey, in welchem es, nachdem es ſich in ein gefluͤgeltes 
Inſect verwandelt, ſich ſelbſt verſorgen und ſein Geſchlechte weiter fort⸗ 
pflanzen kann. 


Cs iſt vieleicht denen, welche auf dem Lande wohnen, oder die auf 
dasjenige, was in der Natur vor ihren Augen iſt, Aufmerkſamkeit zu wen— 
den gewohnet find, nicht ganz unbekannt, daß an denen Waͤnden und 
Mauren, die der freyen Luft und dem offenen Felde ausgeſetzet ſind, nicht 
ſelten ſolche, mit Sande vermiſchte, Erdklumpen geſehen werden, welche von 
einer muthwilligen Hand, oder von einem andern ungefaͤhren Zufalle 
herzukommen ſcheinen (). Allein, vieleicht iſt noch Niemand von ſelbſt 
auf den Gedanken gekommen, daß dieſes etwas anders, als ein durch und 
durch vollgefuͤllter Erdklumpen ſey. Und doch, M. H., iſt es nichts wer 
niger, als ſo etwas. Es iſt das Gebaͤude und die Wohnung eines leben— 
digen Gefchöpfes; und dieſes Gebaͤude iſt fo kuͤnſtlich zuſammengeſetzet, und 
fo regelmäßig und vorſichtig in Zellen und Kammern abgetheilet, daß deſ⸗ 
ſen genaue Betrachtung den geſchickteſten Baumeiſter zur Beſchaͤmung 
und Demuͤthigung dienen kann. 


A 2 Ge⸗ 


C) Tab. I. Fig. I. II. IV. 


4 e Bu > 


Geruhen Sie, M. H., einen Blick auf dasjenige, ſo ich in 
meinen Haͤnden habe, zu werfen (). Stellen Sie ſich vor, daß fie fol 
ches an der Maure eines Gebaͤudes, oder an einem Felſen kleben ſehen. 
Würden Sie nicht das Ulrtheil faͤlen, daß Muthwillen, oder ein Unges 
fähr, die ſen ungeſtalteten Klumpen hervorgebracht habe; oder, daß es allen. 
falls ein Beweis der Nachlaͤßigkeit eines Maurers ſey, der den Anwurf 
des Moͤrtels nicht gehoͤrig ausgegleichet habe. Allein, ich darf dieſen 
Erdtlumpen nur umkehren, und Ihnen diejenige Seite ſehen laſſen, mit 
welcher er an dem Steine befeſtiget geweſen iſt, um Sie auf andere Ge 
danken zu leiten (*). Sie ſehen hier verſchiedene Höhlen und Vertie⸗ 
fungen (); deren einige leer (5), andere mit einem Haͤutgen, durch 
welches etwas ſchimmert, uͤberdecket find (FF); und die alle, in einem all⸗ 
gemeinen Vergleiche mit einander, von etwas Regelmaͤßigem und Or⸗ 
dentlichem zu zeigen ſcheinen. Und eben dieſes iſt das kuͤnſtliche Ge⸗ 
baude, und die, der Arbeit nach, vortrefliche Wohnung der 
Maurerbiene. 8 


Bilden Sie ſich nicht ein, M. H., daß jede Maure und 
jedes Gebaͤude; noch mehr, daß jeder Stein in einer Maure und 
Gebaͤude; ja noch mehr, daß auch nur eine jede Lage einer Maure, 
eines Gebaͤudes oder Felſens, der Maurerbiene zur Anlegung und Verfer⸗ 
tigung ihrer Wohnung gleichgültig und anſtaͤndig ſey. Dein, fie zeiget 
ſich in dieſem Stuͤcke, und alſo gleich bey dem Anfange ihrer Arbeit, und 
in der Anlage ihres Gebaͤudes, und dieß fo gar nach zureichenden 
Gruͤnden, hoͤchſtvorſichtig, puͤnktlich, und ich darf ſagen, hoͤchſtklug 
und weiſe. f 


Einfallende Mauren und Gebaͤnde find nie diejenigen, worauf die 
Maurerbiene ihre Wohnung gruͤndet. Findet man dann und wann an 
dergleichen Orten ſolche Sandklumpen, fo darf man nur das Innere ders 
ſelben anſehen, um ſich zu uͤberzeugen, daß ſie veraltet und eher e 

ö auet 


(Tab. I. Fig. . (09 Fig. HI. (9 a. b. c. d. e. f. (De 
im b. a | | 


D N 57 


Bauer worden find, als die Mauer und das Gebaͤude baufaͤllig geworden iſt. 
Eine Menge Beobachtungen und die beſtaͤndige Erfahrung, haben mich 
gelehret, daß dieſe Biene ihr Gebaͤude nur allein feſten und dauerhaften 
Mauren und Gebaͤuden anvertrauet, und daß ſie, wo ſie die Wahl hat, die 
hohen, ſtarken, und ſteilen Kelfen, eben um ihrer Dauer und Beſtaͤndig⸗ 
keit willen, allen Mauren, und aus Quaterſteinen aufgefuͤhrten Palaͤ— 


ſten, vorziehet. 


Iſt eine Maure oder Gebaͤude mit Moͤrtel beworfen, ausgeglei— 
chet und alſo uͤberzogen, daß die Steine voͤllig damit uͤberleget ſind; ſo 
bleibet der Maurerbiene auch dieſer Umſtand nicht unbemerklich. Fallen 
Moͤrtel und Kalch leicht von den Steinen ab; ſo wuͤrde ihr Gebaͤude die— 
ſer Gefahr auch unterworfen ſeyn. Steine und Mauren, die mit Moͤr— 
tel und Kalch gaͤnzlich uͤberleget find, geben alſo auch keinen Wohnungs; 
platz für fie ab; ſondern ſolche rauhen und bloßen Steine, woran ihr Ges 
baͤude eine hinreichende Befeſtigung erhalten und vor fruͤhzeitigen Abfall 


geſichert ſeyn kann. 


Die ordentlichen Mauren und geringern Gebaͤude, wenn ſie 
auch gleich vom Baue her, oder durchs Alter, Mörtel» und Kalchfrey ges 
worden, ſind bekanntermaßen aus ungleich großen, oft ſehr kleinen, Stei— 
nen zuſammengeſetzet, und es iſt nichts leichters, als daß dergleichen klei— 
ne Steine durch allerhand Zufaͤlle, locker werden und herab fallen koͤn⸗ 
nen. Auch dieſer Umſtand entgehet der Maurerbiene nicht. Wenig— 
ſtens iſt es anmerkungswuͤrdig, daß man ſelten, und gar nicht, an Steis 
nen, die nicht eine gewiſſe Groͤße haben, dergleichen Maurerbienenneſter 
antrift. Und eben dieſes ſcheinet auch die Urſache zu ſeyn, warum die Mau, 
rerbiene zu ihren Neſtern lauter Steine, ſo in Mauren und Gebaͤuden mit 
einander verbunden ſind, zu ihrem Anbaue erwaͤhlet; nie aber einzelne, 
und im Freyen vor ſich allein liegende, Steine; es waͤre denn, daß ſie eine 
ſolche Groͤße haͤtten, vermoͤge welche ſie, auch allein genommen, ein großes 
Stuͤck einer Maure oder eines Gebäudes vorſtellen. Wenigſtens hat wes 
der Reaumur, noch ich, jemalen ein Neſt an einem einzelnen Steine, 
ohne unter der angefuͤhrten Bedingun efunden. 

h gefüh 1 55 gef Noch 


6 n . 


/ — 

Noch mehr, M. H., wird ihre Verwunderung ſich vergroͤßern, 
wann ich Ste zu verſichern die Ehre habe, daß die Maurerbiene, nach 
unzähligen Beobachtungen und Erfahrungen, die Gegenden des Him⸗ 
mels auf das genaueſte und untruͤglichſte kennet und zu unterſcheiden 
weis. Woher kommt es anders, als von der genauen Kenntnis der 
Himmelsgegenden, welche der Maurerbiene beywohnt, daß man keines 
dieſer Neſter, auch nicht einmalen, gegen Mitternacht findet; ſondern, 
daß die Mittagslage die gewoͤhnlichſte, haͤufigſte und ordentlichſte iſt, 
wo dieſe Maurerbiene anbauet; und daß, wenn auch einige Neſter, obwohl 
ungleich ſparſamer, gegen Morgen oder Abend gefunden werden, ſol— 
ches gewis ſolche dagen und Gegenden ſind, die zugleich ſehr lange der 
Mittags ſonne ausgeſetzet find. Ich werde unten der Nahrung dererjenis 
gen Wuͤrmer gedenken, vor welche dieſe Wohnung gebauet wird, und die 
aus ſolchen Dingen zuſammen geſetzet iſt, die zum beſtimmten Gebrauche 
der öftern Waͤrme und einer gewiſſen Weiche beduͤrfen. Und 
wenn auch dieſes nicht wäre, fo iſt denen / welche eine Kenntniß von Inſecten 
haben, bekannt genug, daß einige derſelben zu ihrem Leben und zu ihren Vers 
wandelungen, viel Waͤrme, ſonderlich zu gewiſſen Zeiten, gebrauchen. 
Unſere Maurerbiene ſcheinet von dieſem allen etwas zu wiſſen, da ſie, 
angefuͤhrtermaßen, gerade die wärmefte Himmels gegend zu ihrem 
Baue erwoäbler, die kaͤlteſte aber weislich vermeidet. Ja, ihre 
Kenntniß gehet, dem Angefuͤhrten nach, weiter! Sie kennet nicht nur 
Morgen, Abend, Mittag und Mitternacht; ſondern ſie weis, 
dem Gemeldten zu Folge, ſo gar auch von der Waͤrme und 
Rälte dieſer Gegenden, und deten Wirkung auf ihr Gebaͤu⸗ 
de, zu urtheilen. 


Von dem Bauorte der Maurerbiene wende ich mich, M. H., zu 
ihrem Gebäude ſelbſt. Wie viele Urſachen zur Verwunderung wer 
den ſich auch hier zeigen! 


Moͤrtel, jener aus Sand, Kalch und Waſſer anfangs fluͤßige 
und weiche, zuletzt hart und verſteinerte Leim, iſt bekanntermaßen zur 
Zu⸗ 


n 7 


Zuſammenfuͤgung, Verbindung, und Befeſtigung der Steine einer 
Maure oder eines Gebaͤudes ganz unentbehrlich nothwendig. Oh— 
ne demſelben wuͤrde es mit den praͤchtigſten Pallaͤſten mißlich ausſehen 
und dieſelben von ſchlechter Veſtigkeit und Dauer ſeyn. Wer bar un 
ferer Maurerbiene dieſe erſte und noͤthigſte Bauregel gelerner? 
Wer hat ihr etwas von Moͤrtel, und den weſentlichen Theilen 
deſſelben, beygebracht? Und wer hat ihr die Aunft gewieſen, 
einen dem Moͤrtel völlig gleichen Bauleim zu machen? 


Woraus iſt das ganze Gebaͤude der Maurerbiene verfertiget? Daß 
es aus Sand beſtehe, ſiehet das bloße Auge. Daß der Sand mit Erde 
vermiſchet ſey, entdecket der Geruch, zur Noth das bloße Auge und das 
Zerreiben mit der Hand; und, wem alles dieſes noch nicht uͤberzeugend 
genug ſeyn ſollte, das Aufweichen und Schleimen mit Waſſer. Und daß 
dieſer erhaͤrtete Sandklumpe n anfaͤnglich, durch eine hinzugefommenegeud)s 
tigkeit, von weicher und etwas fluͤßiger Beſchaffenheit geweſen ſeyn 
muͤſſe, daß wird, auch ohne Beweis, nicht leicht Jemand in Zweifel stes 
hen. Hier iſt alſo Sand, hier iſt Erde, welche die Stelle des zu Erde 
gebrannten Kalchſteines vertritt; hier iſt Waſſer, welches Sand und 
Erde anfaͤnglich weich, und mit der Zeit erhaͤrtet verbunden hat. Allein, 
wem iſt unbekannt, daß bloße Erde und Sand nimmermehr zu einem veſt⸗ 
bindenden Moͤrtel werden koͤnnen? So bald das Waſſer, welches Sand 
und Erde anfaͤnglich zu einer weichen Maſſe, und, vermoͤge der, obgleich 
geringen, Leimkraft des Waſſers, etwas verbunden hatte, abgedunſtet und 
verrauchet iſt; ſo findet man auch dergleichen Klumpen ſehr zerbrechlich, und 
koͤnnen ohne große Muͤhe und Gewalt zerrieben und zerſtoͤret werden. Es 
iſt dahero der Kalch bey dem Moͤrtel mehr, als bloße Erde. Er hat eine, 
von keinem Naturkuͤndiger noch ſichtbar gemachte und ins finnliche geſetz 
te, geheime bindende oder leimende Kraft. Wer hat es aber der Maus 
rerbiene gelehret, ſich ſelbſt eine Feuchtigkeit zu zubereiten, und zu ſeiner Zeit 
aus ſich ſelbſt herzunehmen, die nicht wie bloſſes Waſſer, nur Sand und 
Erde vermiſchet und zu einer weichen Maſſe machet; ſondern die auch 
eben fo etwas leimendes und bindendes mit ſich führer, welches den Kalch 

zu 


8 d e 


zu mehr, als einer bloßen truckenen Erde machet, und die der Erde und 
dem Sande, bey Abdunſtung des Waͤſſerigen, die naͤmliche Erhaͤrtung 
und verbindende Kraft giebet, welche dem Kalche eigen if. Gewois, 
m. 5 die Maurerbiene, ohne einen Vitruv geleſen zu ha⸗ 
ben, handelt hierinn wie der geſchickteſte Baumeiſter! 


Das Gebände der Maurerbiene fol, wie ſich in der Folge zeigen 
wird, nicht nur eine Wohnung, ſondern zugleich auch theils ein Vor⸗ 
rathshaus und eine Speiſekammer, theils ein ſicherer Verwandelungs⸗ 
ort, der Nachkommenſchaft ſeyn. Erlauben Sie, M. H daß ich bey 
jedem dieſer Stucke etwas ſtehen bleibe. f 


Was die Wohnung betrift, fo ſoll dieſelbe den kuͤnftigen Bewoh— 
nern zuerſt zu einer gemeinſchaftlichen Behauſung dienen, darinnen 
mehrere gleichſam unter einem Dache oder einer Decke leben koͤnnen: 
hiernaͤchſt aber ſoll zugleich jeder Innwohner von den uͤbrigen gaͤnzlich ab⸗ 
geſondert ſeyn, jeder feine eigene Zelle (*) oder Kammer haben; und 
jedem ſoll dieſe feine eigene Zelle zugleich eine ſolche Vorraths- oder Spei» 
ſekammer (**) und ein ſolcher Schutzort der Verwandelung (***) ſeyn, 
daß keiner der Huͤlfe des andern beduͤrfe, noch einer vor dem andern etwas 
zu befürchten haben möge. Wie klug feger die Maurerbiene alles 
dieſes ins Werk! Sie erweiſet ſich hierbey gleich das erſtemal, 
und ohne allen vorhergegangenen Unterricht, ſo bauverſtaͤndig, 
als vieleicht kein ausgelernter Baumeiſter in gleichem Salle 
ſich bezeigen würde! 


Wenn die Maurerbiene nach vielen vorgenommenen Beſichtigun— 
gen, ſich einen tauglichen Ort zu Anlegung der Wohnung oder des Neſtes, 
erwaͤhlet hat; fo fängt fie, und zwar ohne alle Huͤlfe, den Bau ſelbſt an. 
Alle die verſchiedenen Verrichtungen, wozu bey Auffuͤhrung eines Gebaͤu— 
des fo viele Haͤnde erfordert werden, verrichtet fie allein. Sie iſt 
Baumeiſter, Sandfuͤhrer, Kalchloͤſcher, Moͤrtelruͤhrer, Sand⸗ 

Jans 


CD Tab. I. Fig. II. a. b. 4 S 


a 9 


langer, und Maurer. Lind alle dieſe mannigfaltigen Arbeiten 
verrichtet ſie mit einer bemundernemürdigen Geſchicklichkeit, 
und Geſchwindigkeit! 


Wie fleißig und geſchaͤftig, M. H., iſt unſere Maurerbiene auf 
einem Sandhuͤgel, oder uͤberhaupt an einem ſandigen Orte. Wie ge— 
nau betrachtet ſie jedes Sandkoͤrngen, wie behende kehret ſie es mit ihren 
Zaͤhnen und Vorderfuͤſſen nach alen Seiten um! Das zum Baue un— 
taugliche Sandkoͤrngen übergeher und wirft fie auf die Seite; das ihr 
anſtaͤndige hingegen, hält fie mit dem einen Vorderfuße feſte, und wens 
det es hierauf mit den Zähnen hin und her. Anfänglich war dieſes Sands 
koͤrngen ſtaubig und trocken; itzo iſt es feucht und naß, und die daran geſeſ— 
ſene Stauberde iſt aufgeweichet. Sie bleibet hierbey nicht ſtehen. Itzo 
bewaͤſſert und befeuchtet ſie mit einem, aus ihrem Munde zwiſchen den 
Zaͤhnen hervordringenden, klebrigen Safte ein Koͤrngen nach den andern; 
zugleich bewaͤſſert und befeuchtet ſie hin und wieder den beyliegenden Staub 
und Erde, ſie druͤcket ſolche an das Sandkoͤrngen an, und ſetzet auf dieſe 
Weiſe mehrere Sandkoͤrngen in Verbindung. 


Alles dieſes verrichtet ſie in wenigen Augenblicken, und nunmehro 
iſt das einzelne und kleine Sandkoͤrngen, durch Verbindung mit mehrern, 
zu einer ziemlichen Groͤße gelanget und zu einem faſt erbſengroßen moͤrtel— 
artigen Kluͤmpgen erwachſen. Und was wird nun unſere Biene anfangen? 
Sie nimmt dieſes Stuͤckgen Moͤrtel zwiſchen ihre, zu dieſer Verrichtung 
ganz eigentlich, als eine Steinzange, gebaueten ſtarken Zähne (), er 
hebet ſich und flieget davon. 


Hier ſehen Sie, M. H., das Wahre, aber auch das Fabelhafte, 
in der Erzählung Plinius, daß die Honigbiene bey ſtarken Stuem 
und Wetter einen Stein zwiſchen die Zähne nahme, um ſich 
dadurch ſchwerer zu machen, und dem Winde und Stutrme 
Troz bieten zu koͤnnen. Es iſt, dem Angefuͤhrten nach, wahr, daß 

Die Maurerbiene. Dies 


CH Tab. II. Fig. IX. X. 8 u 


10 W 


Bienen zu gewiſſen Zeiten mit Steinen zu fliegen pflegen; allein ſehr 
falſch iſt es, daß es die Honigbiene ſey, und daß dieſe Steine zu einer 
Art des Gegengewichts wider die Gewalt des Windes und Sturmes 
dienen ſollen. Sie ſind zu einem ganz andern Endzwecke beſtimmet, wie 


ich gleich zu melden die Ehre haben werde. 


Dort an jener Maure, an jenem vom Kalche und Moͤrtel entbloͤß⸗ 
ten Steine (*), fetzet ſich unſere Maurerbiene mit ihrer Laſt zwiſchen den 
Zähnen nieder. Wie munter läuft fie hin und her; wie genau betrach⸗ 
set fie die ganze Fläche des Steines. Itzo ſtehet fie ſtille. Der Ort des 
Steines, fo unter ihren Zähnen iſt, wird naß und feuchte; die Zähne 
fangen an, ſich gegeneinander ſtark zu bewegen; das Stuͤckgen Mörtel 
zwiſchen den Zaͤhnen kommt bald oben, bald unten, bald auf die Seite 
zu liegen; auf dieſe Weiſe wird es immer naͤſſer und durch und durch 
feuchte, und nun auf einmal druͤcket unfere Biene dieſes Stuͤckgen Mörs 
tel ungemein artig an derjenigen Stelle dem Steine auf, die ſie vorher 
angefeuchtet, oder vielmehr mit einem klebrigen leimigen Safte überdüns 
cher, hatte. Sie hat ſich alſo Sand geholet, fie hat Kalch geloͤſchet, 
fie hat Moͤrtel geruͤhret, fie hat, nach Art der Maurer, Moͤrtel an⸗ 
geworfen, und der Grundſtein zu ihrem Gebaͤude iſt nunmehro geleget. 


Unſere Maurerbiene verlaͤſſet uns; allein fie wird bald wiederkom— 
men. Dort kommt fie hergeflogen. Sie hat ein zweytes Stuͤckgen Moͤr⸗ 
tel zwiſchen ihren Zaͤhnen; und in einem Augenblicke hat ſie daſſelbige auf 
die vorige Art mit jenem verbunden, nachdem ſie ſo wohl das vorige 
Stuͤckgen Moͤrtel, als neben demſelben den Stein, angefeuchtet hat. Und 
itzt entfernet ſie ſich von neuem! 


Wir wollen die Zeit ihrer Abweſenheit zur Betrachtung ihrer Arbeit 
anwenden. Es iſt noch keine Viertelſtunde, daß wir hier bey dieſem Steine, 
und dem darauf angefangenen Gebaͤude, unſerer Biene ſtehen; und doch 
iſt ſchon eine runde Zelle einige Linien hoch aufzefuͤhret, die einem umge— 

kehr⸗ 


Y Tab. I. Fig. I. II. 


un Ge ne 11 


kehrten Fingerhute ziemlich Ähnlich iſt. Da wir noch das Innere ſehen 
koͤnnen, fo wollen wir ſolches in Augenſchein nehmen. Hier finden wir 
unten einen cirkelrunden, und ſo genau ausgeglichenen und glatten Boden, 
als ob er, nach Kufnerart, auf das fleißigſte eingeſprenget, und vorher, 
nach Hafnerart, auf das beſte laßiret waͤre. Wie glatt, gleich und 
ſchoͤn poliret oder laßiret iſt nicht die ganze innere Seitenhoͤhlung dieſer 
angefangenen Zelle (). Nun begreifen wir es, warum unſere Biene 
ihren Kopf ſo oft in das Innwendige ſteckte, ſo oft ſie ein neues Stuͤckgen 
Moͤrtel anſetzte; warum fie hierauf mit ihrem Vorderfuße arbeitete, druͤck— 
te, und ſonderlich mit dem linken Vorderfuße innwendig ſchnell hin und 
herfuhr. Sie ſahe nach, ob inwendig alles ſchoͤn, rund und 
eben ſey; fie gleichete aus, politte und laßirte es; ihr Vorder⸗ 
fuß vertratt bey dieſer Arbeit die Kelle und das Streichbtet 
des Maurers! 


Treten Sie, M. ., mit mir auf die Seite; unſere Maurerbiene iſt 
ſchon wieder da; aber nicht wie vorhero mit Moͤrtel. Sie ſelbſt iſt wie 
mit gelbem Mehle uͤberſtaͤubet, und zwiſchen ihren Zähnen hat fie, ſtatt 
des vorigen Moͤrtels, ein gelbes Kluͤmpgen, fo wachsartig ausſiehet. 
Itzo ſtecket unſere Biene den Kopf mit dem gelben wachsartigen Kluͤmp— 
gen in die Zele; und, nachdem fie das Kluͤmpgen abgeleget, fo benaget fie 
ſich mit ihren Zähnen allenthalben; der Blumenſtaub vergehet; zwiſchen ihren 
Zaͤhnen zeiget ſich, je weuiger des Blumenſtaubes an ihrem Leibe wird, ein 
immer groͤßerwerdendes wachsartiges anderweitiges Kluͤmpgen, welches 
fie ebenfalls in die Zelle bringet. Nun flieget fie, nachdem fie ſich abges 
ſtaͤubet hat, in ihrer ſtahlblauen natürlichen Farbe wieder auf und davon. 


Und was finden wir in der Zelle? Ein gelbes, wie aus Honig mit 
Blumenſtaub vermiſchtes, wachsartiges, Kluͤmpgen: Koͤnnen wir zwei— 
feln, daß unſere Maurerbiene hier ſchon anfaͤnget, aus der Wohnung 
zugleich auch eine Vorraths- und Speiſekammer zu machen? Und 
muͤſſen wir uns nicht uͤbet die Vorſicht unſerer Biene en 

B 2 da 


0 Tab. I Fig. III. e. 


11 D 

daß fie itzt ſchon den Vorrath der kuͤnftigen Nahrung einttaͤ⸗ 
get, da die Zelle noch eine ſolche Soͤhe hat, daß fie den Bo⸗ 
den erreichen kann; welches, wenn die Zelle noch ein und zwey⸗ 
mal fo hoch wäre, ungleich febwerer, und wenn fie voͤllig aus⸗ 
gebauet wäre, faſt gar nicht mehr angehen wuͤrde. en 


Die Zele iſt anitzo mit jener Honig -und Blumenſtaubmaſſe ziemlich 
angefuͤllet. Nun wollen wir ſehen, was unſere Maurerbiene weiters 
vornehmen wird? 


Hier kommt fie abermals angeflogen; und zwar wieder, gleichwie 
das erſtemal, mit einem Stuͤckgen Moͤrtel. Nunmehro faͤnget ſie aufs 
neue an die Zelle zu bearbeiten und höher aufzufuͤhren. Ikt iſt dieſelbe 
wirklich wieder einige Linien höher! Die Biene hat dieſes kaum vers 
richtet, als fie ſchon wieder, ſtatt des Moͤrtels, gelb beſtaubt und mit ei 
nem gelben Kluͤmpgen zwiſchen den Zähnen, ankoͤmmt, und ſolches in die 
Zelle bringet. f 


Nun iſt die Zelle gegen einen Zoll hoch und ganz mit einer gelben, 
aus Honig und Blumenſtaub vermiſchten Maſſe angefuͤllet (L). Was 
wird unſere Biene weiters thun? 


In was fuͤr einer artigen Wendung und Stellung erblicken wir ſie 
160? Sie klammert ſich mit den Fuͤßen auf dem obern Rande der Zelle 
feſt an; fie ſtrecket den Kopf und den groͤßten Theil des Leibes über die 
Zelle dergeſtalt hinaus, daß nur die Spige des Hinterleibes in die Zelle 
hinein reichet. Itzt beweget ſich der Hinterleib und wird bald laͤnger, bald 
kuͤrzer, und wie aufgeblaſen. An der Spitze des Hinterleibes erſcheinet 
etwas weißes; es dringet immer weiter heraus; itzt faͤllet es in die Zelle; 
und unſere Biene machet ſtch davon. Was mag das wohl ſeyn, was uns 
ſere Biene aus ihrem Leibe gedruͤcket hat? Hier iſt ein Vergroͤßerungs— 
glas, laſſen Sie uns damit nachſehen! 


O wie 
C Tab. I. Fig. III. c. 


d N 13 


O wie unerwartet! Wir ſehen hier einen kleinen laͤnglichrunden Koͤr⸗ 
per liegen, der einem Eye anderer Jnſecten vollkommen aͤhnlich iſt. 
Ohnlaugbar hat die Biene in dieſem Eye, dem daraus entſtehenden Dies 
nenwurme dieſe Zelle zur Wohnung und Vorrathskammer angewieſen. 
1 nne 0 215 Ä SHE 7 


Unſere Biene erſcheinet ſchon wieder, und hat abermals ein Stuͤck— 
gen Moͤrtel zwiſchen ihren Zaͤhnen. Sie faͤnget an, die Zelle zuzuwoͤl— 
ben. er iſt die Zelle wirklich völlig zugeſchloſſen, und nach dem Gleich— 
niſſe eines Faſſes zu reden, nicht nur unten, fondern auch oben mit einem 
Boden verſehen. Und auf die Weiſe, wie wit dieſen obern Boden ha— 
ben bauen geſehen, muß zwiſchen dem Hönigfutter, und dem Eye 
wenig oder gar kein leerer Kaum ſeyn () n Gr 


Bis hieher haben wir die Gedult gehabt, zuzuſehen, wie unſere 
Maurerbiene eine Zelle gebauet, wie ſie ſolche mit Vorrathe verſehen, 
ein Ey hineingeleget, und fie zugewoͤlber hat. Nunmehro ſehen wir 
auch ſchon die Anlage und den Anfang zu einer zweyten Zelle, die unſe— 
re Biene ausbauen will. Und auf dieſe Weiſe faͤhret ſie in ihrer Arbeit 
fort, bis fie eine gewiſſe Zahl der Zellen zu Stande gebracht. 

Aber nun faͤngt fie eine neue Arbeit an. Sie bemuͤhet ſich uber die 
angelegten Zellen eine gemeinſchaftliche moͤrtelartige Decke zu 
bauen, und auf dieſe Weiſe alle Zellen unter ein gemeinſchaftliches Dach 
zu bringen (**), Sie verfaͤhret bey dieſer neuen Arbeit in allen Stuͤcken, 
wie bey dem Baue der Zellen; und dieſe werden durch die daruͤber gezo— 
gene Decke dergeſtalt umkleidet, daß man zuletzt von ihnen ſelbſt nicht das 
Geringſte gewahr wird. 


Ich habe, M. H., oben geſaget, daß dieſes Gebaͤude der Maus 
rerbiene den Innwohnern theils zur Behauſung, theils aber zur Spei— 
ſekammer dienen ſolle. Beydes, hoffe ich, wird nun begreiflich ſeyn. 
Allein, ich habe oben noch einen dritten Endzweck dieſes Gebaͤudes ange 
geben. Ich habe geſaget: es ſolle daſſelbe auch einen Sichetheitsort 
der Verwandelung abgeben. Was heißet dieſes; wie werde ich es 
B 3 erwei⸗ 
N Pab. 1 Fig e ie n. 


14 n 


erweiſen koͤnnen; und was werden wir in 8 Abſi in e 
antreffen? 


Goͤnnen Sie mir, AT H., noch einige Augenblicke Gedult; ; und 
ich verſpreche Ihnen, Sie in ein weites re der e ee 
Dinge zu fuͤhren. 1 6 en N 


Ich nehme aus der Inſectengeſchichte, als bekannt, an: daß die 
Bienen zu derjenigen Art Inſecten gehoͤren, aus deren Eye ein Wurm 
kommt, aus deſſen Wurm zu feiner, Zeit eine ohne alle Nahrung fortdau⸗ 
rende, jedoch weder vollkommen lebende, noch auch völlig todte, Puppe, 
und . etwas Drittes wird, das einen Mittelſtand zwiſchen Leben 
und Tod ausmachet; und daß endlich aus dieſer Puppe wieder ein le- 
bendiges Geſchoͤpfe, und zwar eben ein ſolches wird, als dasjenige 
war, von welchem anfänglich das Ey geleget wurde. Und eben dieſe Ver⸗ 
änderungen der Inſecten werden die Vet wandelung genennet. Wie vie⸗ 
les koͤnnte ich, M. H., ſagen, wenn ich alles anfuͤhren wollte, was Man⸗ 
nigfaltiges und Verwunderungswürdiges ſich bey dieſen Verwandelun⸗ 
gen der Inſecten veroffenbaret. Allein, ich bleibe bey unſerer Maurers 
biene ſtehen. al 


Auch dieſe hat ihren Urſprung aus einem Eye genommen; ſie kam 
aus demſelben als ein Wurm (9; aus dem Wurme wurde eine Pup⸗ 
pe (**); und aus der Puppe ein geflügeltes Inſecte, das, was ſie iſt, 
nämlich eine Biene ihrer Art (***). Und hierinnen ſtimmet ihr Schick⸗ 
ſal mit demjenigen überein, fo ihren Nachkommen zu Theile wird. Ale 
lein, wer hat der Maurerbiene dieſes alles bekannt gemacht? 
Wer hat fie den verſchiedenen Uebergang ihrer Jungen aus ei⸗ 
nem Stande in den andern durch beſondere Verwandelungen 
zum voraus gelehrer? Wer hat fie angewieſen, für alles das 
Verſchiedene genau zu ſorgen, alles dasjenige zu veranſtalten 
und zu verſchaffen, was Jedes ihrer Nachkommen in jenen 

ver⸗ 
„Tab. IV. Fig. XI. XII. ((% Tab. V. Fig. III. IV. (*) Tab. II. 
Fig. I. II. III. IV. V. VI. i ; 


BE 2" 15 


veraͤnderlichen Umfländen, als Wurm, als Puppe, als Biene, 
verſchiedentlich bedürfen werde? Warlich hier ſtehet der menſch⸗ 
liche Verſtand ſtille! . 


Sie ſehen hier, m: S. / ein mit r Vorſt cht abgelöferes ordentliches 
und narürliches Gebäude , oder Neſt, der Maurerbiene (*). Auf der 
äußern Seite ſehen Sie an dieſem Neſte weiter nichts, als die zwar nicht 
ganz gleiche, aber doch auch nicht ſehr rauhe gewoͤlbte Oberdecke, wel— 
che dort bey jenem Neſte ganz (**) , hier aber bey dieſem Neſte (***) 
mit einigen großen und kleinen Loͤchern verſehen iſt. Hier aber, auf der 
untern Seite, wo es dem Steine angebauet geweſen (7), ſehen Sie, im 
Großen genommen, eine ziemliche Flaͤche. Sie ſehen weiters, daß dieſe uns 
tere Flaͤche gewiſſe Hoͤhlungen hat, deren einige, obgedachtermaßen, leer 
find (TI), andere mit einem zarten und halbdurchſichtigen Haͤutgen, durch 
welches etwas gelbliches oder weißliches, oder auch dunkeles, ſchimmert (}}}), 
angefuͤllet find. Hier in einer dritten Hoͤhle, fehen Sie etwas wachs 
und honigartiges (J), und wenn Sie etwas davon verſuchen wuͤrden, ſo 
wurde auch der Geſchmack fo ſeyn. Noch in einer andern Hoͤhle, ſehen 
Sie eine ganze Menge kleiner haͤutigen Kuͤgelgen (LI), 


Laſſen Sie uns erſt diejenige Hoͤhle in Augenſchein nehmen, wel— 
che leer iſt (J..). Sie ſehen, daßiſie laͤnglichrund iſt, doch fo, daß fie 
insgemein oben und unten einen kleinern Durchſchnitt hat, als in der Mit— 
ten, wo ſie bauchig iſt; und daß alſo eine jede Hoͤhle, im Kleinen, einem 
laͤnglichen Weinfaſſe ziemlich gleichet. Sie ſehen ferner, daß der untere 
Boden inwendig glatt, gleich, und etwas glaͤnzend, der obere aber 
gewoͤlbet iſt; und daß das Gleiche, Glatte und Glaͤnzende auch von dem 
ganzen Innern oder den Seitenwaͤnden der Zelle gilt. Das Anmer— 
kungswuͤrdigſte aber iſt dieſes, daß wenn wir einige dieſer Hoͤhlen, 
oder Zellen, auch nur dem Augenmaſſe nach, noch gewiſſer aber mie 
dem Maaßſtabe, abmeſſen und gegeneinander vergleichen, wir finden, 


daß 


(O Tab. I. Fig. II. (Y Fig. I. (9 pig. II. (I) Fig. III. (IIe. f. 
DL De dpa dibe 


16 e 


daß es unter ihnen beſtimmte größere, und be e a Höhlen 
oder Zellen giebt! Ain 


Saffen Sie uns eine ſolche Zelle anſehen, die mit einem duͤnnen Saur⸗ 
gen umgeben iſt (). Hier finden wir auf der einen Seite, und gleichſam 
in einem Winkel kleine ſchwarze Kluͤmpgen, die wie Unrath ausſehen (8). 
Und was mag wohl dasjenige ſeyn, ſo in dieſen Haͤutgen verborgen lieget, 
und welches in der einen Zelle gelblich und in einer andern Zelle weißlich, 


durchſchimmert! Wir ne eines OR Däurgen „ nehmen, und 
aufſchneiden. DE 185 „ 1 bist 


Hier (***) ſehen ſie ein laͤnglichrundes Geſpinnſte, ſo pergamenthaͤu⸗ 
tig und halbdurchſichtig iſt, und einer ſo genannten Dattel der Seiden⸗ 
wuͤrmer ſehr gleich kommtz und wenn wir mehrere gegeneinander halten, 
fo werden wir finden, daß ebenfalls einige groͤßer (4), andere kleiner (hi) 
find. Ich will eines davon aufſchneiden. Wir. flnden darinn einen 
weiſſen. Wurm (rh, der ziemlich groß und dick iſt, und welcher todt zu 
ſeyn ſcheinet. Ich will ein anderes aufſchneiden, wo etwas gelbes durch 
ſchimmert. Auch hier finden wir einen Wurm (J), der dem vorigen volls 
kommen gleich, nur gelblich, ausſiehet, und der ſehr merklich kleiner if, 
Ich ſchneide ein drittes auf, welches nicht ſo, wie die vorigen durchſich⸗ 
tig iſt; und hier treffen wir etwas an, das weder ein Wurm, noch eine 
vollkommene Biene iſt, ob es gleich mehr Bienenartiges, als Wurmaͤhn— 
liches hat, und welches, wann man es beruͤhret, einige Bewegung ma⸗ 
chet und damit ein dunkeles Kennzeichen des Lebens von ſich giebet, und 
eine Puppe, oder der verwandelte Bienenwurm iſt. Ich ſchueide ein vier— 
tes auf, hier zeiget ſich eben das, was wir in den vorigen ſahen, nur merk— 
lich kleiner (II). Ich ſchneide ein fuͤnftes auf, allwo etwas ganz dunkel 
und ſchwaͤrzliches durchſcheinet. Und hier, MT. H., erſcheinet eine or⸗ 
dentliche Maurerbiene. Sie ſiehet e e ſtahlblau aus; ſie iſt 


k etwas 


(Tab. I. Fig. III. b. (9 Tab. I. Fig. III. b. Tab. IV. Fig. IX. b. ( 


Fig. II N. (J) Pig. X. 8. 18. Fig. X. Fig. IX. e. 
(0 Fig. ch, er N on \ 


u 27 
etwas groß, fie beweget die Zähne, und bemuͤhet fich mit dem Kopfe, den 
Zähnen und Füßen, ſich aus ihrem Gefaͤngniſſe zu helfen. Ich ſchneide 
endlich ein ſechſtes auf, wo zwar auch etwas dunkeles, aber gelbes, durchs 
ſchimmert. Und auch hier iſt eine lebendige Biene; die aber meiſtens gelblich 
und merklich kleiner iſt, als jene ſtahlblaue. Und da wir oben geſehen 
haben, daß die groͤßere und ſtahlblaue Biene Eyer von ſich gegeben; 
ſo werden wir nicht zweifeln duͤrfen, daß dieſe das Weibgen iſt; und daß 
jene kleinere und gelbliche Biene das Maͤnngen ſeyn werde. 


Nachdem ich Ihnen, M. H= die Beſchaffenheit der innern Hoͤh— 
len und Zellen dieſes Maurerbienenneſtes vor Augen geleget habe; ſo 
koͤnnen wir uns nun von dem eigentlichen Baue dieſer Zellen ſelbſt, von 
ihrem verſchiedenen Innhalte, und von ihren Abſichten, richtige Begrif⸗ 
fe machen; und dieſes wird dazu dienen, uns von dem bewundernswuͤrdi— 
gen Verſtande, nnd von der Klugheit und Vorſicht dieſes Inſectes, 
wo ich anders von Thieren mich dieſer Ausdrücke bedienen darf, zu übers 
zeugen. 


Sie werden fi erinnern, da wir zuſahen, wie die Maurerbiene ihs 
re Zellen bauete, daß ſie ſolche mit einem honigartigen Futter faſt 
gänzlich anfuͤllete; auf daſſelbe ein Ey legete, und die Zelle zuwoͤlbte. 
Wir haben allererſt bey der genauen Beobachtung und Oeffnung der Zel— 
len, in einigen bald größere, bald kleinere Würmer; in andern theils 
größere, theils kleinere Puppen; und in noch andern theils großere, 
theils kleinere Bienen gefunden; und zwar dieſes allezeit mit den un— 
veränderten Umſtaͤnden, daß die groͤßern Wuͤrmer, Puppen und Bie— 
nen, oder die Weibgen, ſich in den groͤßern Zellen, und die kleinern Wuͤr— 
mer, Puppen, und Bienen in den kleinern Zellen befanden. Wenn wir 
nun dieſes vorausſetzen; koͤnnen wir zweifeln, daß dieſe Zellen dazu ge— 
bauet ſind, daß ſie, wie wir oben ſagten, die Wohnung, die Spei⸗ 
ſekammer und der Verwandlungsort der Nachkommenſchaft unſerer 
Maurerbiene ſeyn ſollen? 


Die Maurerbiene. C Aber, 


18 h MN 


Aber, was wollen wir dazu ſagen, daß wir dieſe Zellen hoͤchſt⸗ 
regelmäßig und auf das genaueſte, auch nach den kleineſten Um⸗ 
ſtanden/ fo gebauet finden, wie es der angeführte dreyfache 
Zweck erfordert? Ja, was wollen wir ferner dazu ſagen, wenn wir 
zeigen koͤnnen, daß auch der aus dem Eye entſtehende Wurm 
ſich dieſer Wohnung, Speiſekammer und Verwandelungsortes, 
jenen Abſichten gemaͤß, fo zu bedienen weis, daß es zweifel⸗ 
haft zu werden ſcheinet, ob die Mutterbiene in Bauung dieſer 
Zellen, und dieſes gemeinſchaftlichen Zaufes, mehr Weisheit und 
Verſtand bewieſen habe, oder ob der Bienenwurm im Gebrau⸗ 
che und Nutzung dieſer Zellen, weislicher und kluͤger zu nen⸗ 
nen ſey! 


Sagen Sie mir, M. H., muß die Mutterbiene nicht eine 
Renntnis von dem verſchie denen Geſchlechte ihrer Nachkom⸗ 
men, und zwar auch ſo gar von der Verſchiedenheit der Groͤße 
der Weibgen und der Maͤnngen haben? Wuͤßte Sie nicht, 
daß die Weibgen groͤßer und die Maͤnngen kleiner ſind; warum 
baute fie große und kleine Zellen? wäre es ihr unbekannt, daß 
die Weibgen zu ihrer Nahrung mehr Futter, als die Maͤnn⸗ 
gen, gebrauchen; warum füllere fie die kleinern Zellen mit we⸗ 
nigerm, und die groͤßern mit mehrerm Sutter an? Saͤhe Sie 
nicht vorher / aus welchen von ihren Eyern ein Weibgen, und 
aus welchen ein Maͤnngen werden wird; warum legte fie in 
die groͤßern Zellen ein weibliches Ey, und in die kleinern Zellen 
ein maͤnnliches Ey: - | 


Ja, welches alles andere uͤbertrift! Die Mutterbiene weis fo gar 
die Ordnung / in welcher die maͤnnlichen und weiblichen Eyer 
in ihr und von ihr auf einander folgen. Wie koͤnnte fie ſonſten 
diesmalen eine größere Zelle bauen, und ein weibliches Ey darein legen; 
und hierauf erſt wieder eine andere Zelle bauen, in welche fie, wenn fie größ 
ſer iſt, abermalen ein weibliches Ey leget, wenn ſie aber kleiner iſt, ein 

maͤnn⸗ 


e e 19 
maͤnnliches Ey leget. Iſt in dieſen Stuͤcken die Mutterbiene nicht 
viel weit ſehender, als keine menſchliche Mutter? Weis dieſe letz⸗ 
tere die Anzal und das Geſchlechte derer, die aus ihr kommen ſollen, vor⸗ 
her zu beſtimmen? Kann ſie ihre Größe angeben? Weis fie, welches 
von ihren Kindern mehr oder weniger zu ſeines Lebens Nahrung gebrau— 
chen wird ? Kann fie ſagen, wenn fie in geſeegneten Umſtaͤnden ſich ber 
findet, wie viel Kinder, ob eines, oder zwey, oder drey von ihr werden geboh⸗ 
ren werden? Und wenn ſie auch wuͤßte, daß mehr als ein Kind von ihr 
an des Tageslicht kommen wuͤrden, kann ſie ſagen, ob es ein Knaͤblein 
oder Maͤgdlein ſey, und ob dieſes oder jenes erſt erſcheinen werde? Wie 
gros, M. H., ſcheinet nicht der Vorzug der Mutter biene vor 
den Menſchen in dieſem Stuͤcke zu ſeyn! 


Laſſen Sie uns aus obigen Betrachtungen weiter ſchließen. Die 
Mutterbiene fuͤllete, wie wir ſahen, die Zellen mit Speiſe voll an; und 
woͤlbte ſie alſo zu, daß bey nahe gar kein leerer Raum blieb. Muß die 
Mutterbiene nicht wiſſen, und wer hat fie dieſen phyſie ali⸗ 
ſchen Satz gelehret, daß der freye Zutritt der groͤbern und aͤuſ⸗ 
fern Luft dem ſuͤſſen Honigfutter ſchaͤdlich ſey und es ſchimmlich 
machen wuͤrde? Wir haben geſehen, daß aus dem kleinen Eye ziem⸗ 
lich große Würmer werden; wo werden dieſe Platz und Raum haben, 
da die Zelle voll angefuͤllet iſt? Wer hat es aber der Mutterbiene ge⸗ 
ſaget, daß der Wurm durch Verzehrung des Sutters ſich von 
Zeit zu Zeit fo viel Platz machen werde, als er durch den Fraß 
an Groͤße wachſe und zunehme? Eine Menge ſorgfaͤltiger Erfah— 
rungen, haben mir und einem unſterblichen Keaumur gezeiget, daß, wenn 
der Bienenwurm ausgewachſen iſt, und er ſich zur Verwandelung anfchis 
cket, gerade auch das Futter aufgezehret iſt. Wer hat alſo der Biene 
die Runſt bevgebracht, nicht mehr und weniger einzutragen, 
als jeder Wurm bis zum Ulebergange in die Puppe brauche? Ich 
ſage: nicht mehr, ſonſt wuͤrde die Puppe bey Abſtreifung des Wurm⸗ 
balges in dem Honigfutter kleben bleiben und verderben. Aber auch nicht 
weniget; ſonſt würde der Wurm ar volfommen guswachſen koͤnnen, 

2 ſon⸗ 


20 den e 


ſondern verhungern uud früher ſterben muͤſſen, als er ſich verwandeln koͤnn 
te. Bey nahe ſollte man auf die Gedanken kommen, die Maurer bie⸗ 
ne verſtuͤnde Logic und Phyſic; fie koͤnnte Schlüffe machen; 
und wiſſe wenigſtens beſſer und gewiſſer zu überfchlagen, wie 

viel Speiſe jedes ihrer J Jungen bis zu jener Art des Todes, da 
es eine Puppe wird, noͤthig hat; als kein Menſch die Speiſe ſeines 
Kindes bis an ſeinen Tod angeben, weniger auf einmal alſo anſchaffen 
und aufbewahren kann, daß das Kind Tag vor Tag vor ſich findet, und 
nur genieſſen darf, was es zu ſeiner Lebenserhaltung jedesmal noͤthig hat! 


Wir erinnern uns ferner aus Obigem, daß die Mutterbiene ihre Res 
ſter nur gegen die warmen Himmelsgegenden bauet, nie aber gegen Nor— 
den; daß ſie die Zellen mit einer allgemeinen Decke uͤberziehet; und daß 
ſie den untern Boden der Zelle dicker und ſtaͤrker macht, als den obern? 
Woher weis die Murterbiene, ohne ein Reaumuriſches oder 
Fahrenheitiſches Thermometer, den Grad und die Wirkung der 
Kalte und Wärme, und ſonderlich ihren Einfluß in das Ho⸗ 
nigfutter und in die Ausbruͤtung der Jungen? Wer hat es ſie ge⸗ 
lehret, daß die Zellen ohne Decke, theils von den unmittelbaren 
Sonnenſtrahlen gar zu viel leiden, theils vom Wetter, Regen 
und Schnee leicht aufgeweichet werden Eönnten ? Wer hat ihr 
beygebracht, daß eine gewoͤldte Decke am ſchicklichſten ſey, den 
anſchlagenden Regen und ſchmelzenden Schnee am geſchwin⸗ 
deſten ablaufen zu machen? Und wer hat endlich unſere Mutterbie⸗ 
ne unterrichtet, daß ihr Junges dermaleins wieder zur Biene 
werde; daß ſich ſolche mit den Zaͤhnen durch die Zelle und obere 
Decke des Neſtes durchbeiſſen muͤſſe, und daß ſie alſo durch die 
duͤnnere Verfertigung des obern Bodens dieſer kuͤnftigen Biene 
theils den Weg zeigen, theils die Arbeit, aus dem Gefaͤngniſſe 
in die Sreyheit zu kommen, erleichtern koͤnne und muͤſſe? 


Und 


un u pe 21 


Und ſo koͤnnte ich noch eine Menge der wichtigſten Anmerkungen 
machen, die uns von der Klugheit und Vorſicht der Maurerbiene un— 
truͤgliche Beweiſe an die Hand geben wuͤrden! Ja, was vor ein weites Feld 
der ſtaͤrkſten Bewunderung der Macht und Weisheit des Schoͤpfers würden 
wir nicht erſt da antreffen, wenn wir den kuͤnſtlichen Bau der Maurer— 
biene ſelbſt und ihrer Theile, ſonderlich ihre Saugroͤhre (*), Zeu⸗ 
gungstheile (**) u. ſ. weiter betrachten wollten! Doch ich muß abbrechen! 
Und will nur noch mit wenigem der ebenfalls großen Klugheit des Sie 
nenwurms, der endlich daraus entſtehenden neuen Biene, und davon 
etwas gedenken, was alle bemerkte Klugheit und Vorſicht der Mut— 
terbiene manchmal gleichwohl vereitelt, und ihrer Nachkommenſchaft zum 
Verderben gereichet. 


Wiͤe artig, kunſtreich und kluͤglich gehet der Bienenwurm nicht 
zu Werke, ehe er feine Wurmhaut ableget! Wie ſcheinet er es 
fo zu wiſſen, daß er itzo in einen Zuſtand uͤbergehet, in deſſen 
erſten Stunden er nichts ſo ſehr zu vermeiden habe, als daß 
ſeine neue und zarte Saut, durch nichts ungleiches rauhes und 
hoͤckeriges möge gedruͤcket werden? Und hier haben wir den Grund, 
warum wir in einigen Zellen den Wurm in einem innwendig vollkomme— 
nen glatten, glänzenden und laſſirten Haͤutgen oder Geſpinnſte fanden 5. 
Kann er aus einer andern Urſache ſich dieſes verfertiget haben, als weil 
ihm, die, ſchon von der Mutter glatt bereitete Zelle, noch nicht glatt genug 
ſcheinet, um ohne Gefahr in eine Puppe uͤberzugehen, und daß er fie alſo 
noch mit einer ſolchen Tapete ausfuͤttern und uͤberlaſſiren muͤſſe? Iſt es 
nicht wunderbar, daß dieſer Wurm, der noch nie das Tageslicht 
geſehen har, eine ſolche feine Tapete im Finſtern zu verferti⸗ 
gen weis? Ulnd das ift es noch nicht alles, M. H.! Eben dieſer 
Bienenwurm kennet im Finſtern feinen Unrath, und weis ſol⸗ 
chen, aus den nämlıchen erſtgedachten Urſachen, außerhalb 
dem Geſpinnſte zu ſchaffen (*). Erinnern Sie ſich hier der ſchwar⸗ 

C 3 zen 


©- Tab. II. ( Tab: IV. Fig. I-IV. G) Tab. I. Fig. II. b. g. 
Tab. IV. Fig. IX. X. (9 Tab. I. Fig. III. b. Fig. IV. 


22 un 


zen Klumpen, die wir oben bey einander außerhalb dem Geſpinnſte fans 
den; und Sie werden mir Beyfall geben? Iſt das nicht etwas, wel⸗ 
ches der menſchlichen reifſten Ueberlegung und Sorge vor ſein 
Beſtes, und der Geſchicklichkeit alles Schaͤdliche von ſich zu ent⸗ 
fernen, gleich fieher? 


Iſt es endlich, obgedachtermaßen, mit der jungen Biene ſo weit 
gekommen, daß nichts mehr übrig iſt, als daß fle aus ihrem Gefaͤngniſſe 
hervortrete, fo iſt auch dieſe letzte Arbeit ihr ſelbſt uͤberlaſſen. Sie beiſſet 
mit ihren Zähnen, die auch ſtark und ſcharf genug dazu find (0, ſich durch, 
und eroͤfnet ſich auf dieſe Weiſe einen Weg zum Ausgange. Allein, 
wer hat der Biene geſaget, welchen Weg ſie nehmen muß? 
Warum verſuchet fie nicht, ſich an der Seite durchzubeiſſen, 
wo das Neſt dem Steine oder Selſen feſt anhänger? Warum 
nicht nach den Seiten zu, wo die Nebenzellen liegen? Warum 
genau an dem Orte, der in gerader Linie dem freyen Felde zu⸗ 
fieber, folglich wo ſie ſich am geſchwindeſten und ſicherſten durch⸗ 
arbeiten kann CH: Ein neuer Grund der Verwunderung! 


Jedoch, ſo ſehr die Klugheit, Vorſicht und Geſchicklichkeit der Mau— 
rerbiene, vermoͤge des Angefuͤhrten, immer zu bewundern ſeyn mag; ſo viel 
und mannigfaltig find dennoch, wie auf der einen Seite ihre Unvollkom— 
menheiten, ſo auf der andern Seite ihre Feinde, wodurch alle ihre Klug— 
heit, Vorſicht, und Sorgfalt vereitelt wird! 


Eine Menge der bekannten Schlupfweſpen (***) Cichneumon); 
allerhand Arten anderer wilder Bienen; verſchiedene Gattungen Flie— 
gen (1), und ſonderlich eine gewiſſe Räferare (FT), wiſſen die Maus 
rerbiene zu uͤberliſten, und ihre Eyer zu der Zeit in die Hoͤhlen und Zellen 
zu legen, wenn ſie, wie oben gedacht worden, abweſend iſt. 


Die 
C*) Tab. II. Fig. IX. X. XI. XII. (®) Tab. I. Fig. II. a. f. (π Tab. I. 


Fig. III. d. (f) Tab. V. Fig. XIII. XIV. XI. XII. () Tab. V. Fig. X. 
V. VI. VIII. f 


E ee 23 


Die gute Maurerbiene Überficher das Afterey; und bauet die Zellen 
in der beſten Meynung zu. Allein, fo bald der Afterwurm der Sliege (*), 
oder des Kaͤfers (99, oder anderer Bienen, u. f. w. zum Vorſcheine ges 
kommen, fo bald zehren ſolche nicht nur mit dem rechtmäßigen Innwoh⸗ 
ner eine Zeitlang von dem Honigfutter; ſondern freſſen ihn zuletzt ſelbſt 
auf. Ja, der Kaͤferwurm iſt fo raubgierig und vielfraͤßig, daß er 
ſich ſo gar auch in die anliegenden Zellen durchbeiſſet, und daſelbſt Fur 
ter und Innwohner aufzehret. Trauriges Bild ſolcher Menſchen, 
die in dem Raube und Untetgange des unſchuldigen Naͤchſten 
ihre Nahrung ſuchen und darauf ihre Wohlfarth bauen! 


Und hiebey bleibe ich ſtehen; und uͤberlaſſe es Ihnen, M. Z., aus 
alle dem, was ich von der Maurerbiene zu ſagen die Ehre gehabt habe, 
Folgen zu ziehen! Gewis, wer bey dieſer Betrachtung nicht die 
Hand eines allmaͤchtigen und weiſen Weſens erkenner, wer 
hier nicht vieles zu ſeiner Demuͤthigung lernet: der iſt des Le⸗ 

bens und des Verſtandes nicht wuͤrdig, womit ihn 
= Gott begnadiger hat! 


(O Tab. V. Fig. XI. () Fig. V. 


Erik 


24 


u a 


Erklaͤrung der Kupfertafeln. 
Die erſte Tafel. ' 


Fig. I. Ein ziemlich rundes und undurchloͤchertes Bienenneſt, wie es ei⸗ 
nem Steine angebauet iſt. 


A. 


das Bienenneſt ſelbſt. 


b. b. b. b. Der Stein, dem das Neſt angebauet iſt. 


Fig. II. Ein laͤnglich rundes Bienenneſt, wie es ebenfalls einem Steine 
angebauet, aber auf verſchiedene Art und von verſchiedenen Inſecten 


durchloͤchert iſt. 


a. 


b 


eine Oeffnung, durch welche ſich eine ordentliche Maurerbie⸗ 
ne gearbeitet hat. 


c. kleinere Oeffnungen, durch welche ſich Schlupfweſpen, und 


andere dergleichen Afterinnwohner die Freyheit verſchaffet 
haben. 


. eine Oeffnung, durch welche der ſchaͤdliche Kaͤfer (Tab. V. 


Fig. X.) ſeinen Ausflug genommen hat. 


eine Oeffnung, durch welche die ſchimmelartige Sliege 


(Tab. V. Fig. XIII. XIV.) dergeſtalt ans Licht gekommen iſt, 
daß ſie ihren puppenbalg (Tab. V.Fig. XII) erſt in der Oeffnung 
gaͤnzlich abgeſtreifet und ſolchen darinnen ſtecken gelaſſen hat. 


Wobey es ſonderbar zu ſeyn ſcheinet, wie dieſe Oeffnung von 
der Fliege habe koͤnnen gemacht werden, da ihr nicht nur die Zaͤhne, 
als die gewoͤhnlichen Werkzeuge der Maurerbiene und des Kaͤ— 
fers, gänzlich fehlen, ſondern da auch an ihrer Puppe beym erſten 
Anſcheine nichts dazu dienliches bemerket wird. Daß aber die Flie⸗ 
ge, wie einige Arten der Zwiefalter, blos mit Entlaſſung eines 
Saftes, und folglich durch Aufweichung, dergleichen Oeßt ung 
mache, laͤſſet ſich bey einem ſo erhaͤrteten Körper, als das Neſt iſt, 
noch weniger behaupten. 

f. eine 


a e u... 


f. eine Oeffnung, durch welche ſich eine Manrerbiene zwar gear⸗ 
beitet, aber darinnen ſtecken geblieben und umgekommen iſt— 
Ich habe gar oft dergleichen im Durcharbeiten umgekommene 
Bienen angetroffen, ohne daß ich die Urſache davon habe ent⸗ 
decken koͤnnen. Wie ich denn auch ganze Neſter gefunden, 
in deren Hoͤhlen, oder Zellen, ich die vollkommenen Bienen 
todt und zum Theile ſchon vermodert angetroffen habe. 


Fig. III. Das vorhergehende Bienenneſt, wie es vom Steine abgeloͤſet if 
und ſich auf der untern Seite zeiget. 

a. eine Hoͤhle, oder Zelle, welche mit einem faſt undurchſichtigen 
Haͤutgen uͤberzogen iſt, und in welchem der verwandelte Bie⸗ 
nenwurm ſich befindet. 

b. eine Hoͤhle, oder Zelle, welche mit einem halbdurchſichtigen 
Haͤutgen uͤberkleidet iſt, durch welches nicht nur der darinnen 
liegende und ſich zur Verwandelung anſchickende Bienenwurm 
ſchimmert, ſondern an welchen auch unten der kuͤnſtlich herauss 
geſchafte Unrath, in ſchwarzen Kluͤmpgen, geſehen wird. 

c. eine Hoͤhle, oder Zelle, mit Honigfutter angefuͤllet. 

d. eine Hoͤhle, oder Zelle, welche mit einer Meuge haͤutiger Kuͤ— 
gelgen angefuͤllet iſt, in deren jedem ein verwandelter Schlupfs 
weſpenwurm ſich befindet. 

e. eine leere Hoͤhle, oder Zelle, aus welcher das Haͤutgen, mit 
welchem ſolche ſonſt austapeziret ſind, darum voͤllig weggenom⸗ 
men worden iſt, damit man die glatte Laſſur der Zelle ſelbſt um 
ſo deutlicher ſehen koͤnne. 

f. eine leere Hoͤhle, deren Inneres aber noch mit dem ordentlichen 
Haͤutgen austapezieret iſt. 

g. die Hälfte des erſtgedachten zerſchnittenen Haͤutgens, wie es aufs 
geſchlagen iſt. 


Fig. IV. Ein Stuͤck eines ſehr ungleichen Bienenneſtes, ene 
a. ein Bienenweibgen ſich dergeſtalt verborgen hat, daß nichts 
Die Maurer biene. D als 


als der Hinterleib, und die Fluͤgelſpitzen geſehen werden. Da 
ich dergleichen Bienen nie, als ſehr frühe oder ſehr ſpaͤte, und 
ſonderlich, wenn es um dieſe Zeiten naß oder regneriſch ge— 
weſen, angetroffen habe; ſo ſchlieſſe ich hieraus, daß ſie ſich 
auf dieſe Weiſe vor Regen und Naͤſſe verwahren. Vieleicht 
ſuchen fie auch dadurch gewiſſen Nachſtellungen ihrer Feinde zu 
entgehen. 8 


Fig. V. Sonderbar gebauete Bienenneſter einer, mir noch unbekannten, 
wilden Biene. Ich habe ſolche nur ein einziges mal auf einem Steine 
gefunden. Jedes dieſer Neſter und Zellen, war aus lauter einzeln 
und groben Sandkoͤrngen gebauet, und ſtellte eine runde und ſehr 
bauchige Flaſche mit einem engen und kurzen Halſe vor. Dieſer 
Hals hatte oben eine ſchmale Randeinfaſſung und in der Mitten eine 
Oeffnung. Das Artigſte und Wunderbarſte aber war dieſes, daß die 
Oeffnung mit einem ſolchen runden Sandkoͤrngen auf das genaueſte 
zugedecket und alſo verſchloſſen war, daß keine aͤuſſere Luft in das 
Innere des Neſtes oder der Zelle kommen konnte. 


Fig. VI. Ein Paar Zellen, wie ich ſie manchmal angetroffen, und da— 
von die zur linken Hand offen, die zur rechten Hand aber zugebauet, 
iſt. Ich halte ſie ebenfalls vor das Gebaͤude einer noch unbekannten 


wilden Bienenart. 


Fig. VII. Ein Bienenwurm, welchen ich in einer der erſtgedachten 
(Fig. V.) Bienenneſter gefunden habe. 


Die zweyte Tafel. 
Fig. I. Ein Weibgen der Maurerbiene; in natuͤrlicher Groͤſſe und wie es 
ſitzet. 
Fig. II. Ein dergleichen Bienenweibgen, wie es flieget. 


Fig. III. Ebendaſſelbe, wie es auf dem Rücken lieget, und mit ausgebrei⸗ 


teten Flügeln, 
Fig. IV. 


IE e 27 


Fig. IV. Ein Maͤnngen der Maurerbiene; in natürlicher Groͤße und 
wie es ſitzet. 


Fig. V. Eben dergleichen Bienenmaͤnngen, wie es flieget— 


Fig. VI. Eben daſſelbe, wie es auf dem Ruͤcken lieget, und mit ausge, 
breiteten Fluͤgeln. 


Fig. VII. Ein vergrößertes Fuͤhlhorn des Bienenweibgens. Es iſt fol, 
ches, in Vergleichung mit dem Fuͤhlhorne des Maͤnngens, etwas 
kleiner, und hat auch um ein Glied weniger, als das Fuͤhlhorn 
des Maͤnngens, indem dieſes, auſſer dem Kuͤgelgen, womit es 
dem Kopfe aufſtehet, 12. Glieder oder Gelenke, jenes aber 13. 
Glieder oder Gelenke hat; von welchen das unterſte, welches dem 
Kopfkuͤgelgen angegliedert, "ungleich länger , als die übrigen, iſt, 
doch fo, daß bey den Maͤnngen folches wieder laͤnger als bey den 
Weibgen bemerket wird. 

a. das Kuͤgelgen, mit welchem das Fuͤhlhorn dem Kopfe anges 
gliedert iſt. 

b. das erſte Gelenke des Fühlhornes, welches unter allen das laͤngſte. 

c. e. die übrigen eilf Gelenke. 


Fig. VIII. Ein vergroͤßertes Fuͤhlhorn des Maͤnngens. 
a. ein Stuͤckgen von dem Kuͤgelgen, womit es dem Kopfe ans 
ſitzet. 
b. das erſte und län gſte Gelenke des Fuͤhlhornes. 
c. c. die uͤbrigen zwoͤlf Gelenke. 


Fig. IX. Ein vergroͤſſerter Zahn des Weibgens, nach der obern Fläche. 
Man erkennet aus der Vergleichung deſſelben mit dem Zaͤhne des 
Maͤnngens (Fig. XI. XII), daß er nicht nur ungleich größer und ſtaͤr⸗ 
ter, ſondern auch, feinem Zwecke gemäß, mit einer breitern Sch 
tenflaͤche verſehen iſt, als die Zähne der Maͤnngen. 


D 2 Fig. X 


28 * . 

Tig. X. Ebenderſelbe Zahn des Weibgens, nach der untern oder innern 
Flaͤche. 

rig. XI. Ein Zahn des Maͤnngens, nach der obern oder äußern Seite. 


. 


Fig. XII. Eben derſelbe / nach der untern oder innern Seite. 
Fig. XIII. Ein vergroͤßerter Dberflügel des Weibgens der Maurerbiene. 
Fig. XIV. Ein vergroͤßerter Unterfluͤgel des Weibgens. | 


Fig. XV. Ein ſehr ſtark vergroͤßertes Stuck des Oberfluͤgels des Weibgens, 
an deſſen aͤußern Seite in der Mitte 
a. eine Reihe ſehr zarter und krummer Haͤkgen ſich befinden, de⸗ 
ren Zweck und Nutzen mir aber unbekannt iſt. 


Fig. XVI. Das vergroͤßerte Bruſtbild eines Weibgens der Maurerbiene, 
von welchem man aber die Haare abgeſchoren hat. : 
a. der Anſatz der Flügel. 
b. c. die Luftloͤcher. 
d. der Anfang des Vorderfußes. 
e. der Anfang des Mittelfußes. 
f. der Anfang des Hinterfußes. 
g. der Anfang des Leibes. 


Die dritte Tafel. 


Obgleich in der Rede ſelbſt von dem ſonderbaren Baue und Gebrau— 
che der Saugroͤhre der Maurerbiene, und welche von andern auch 
die Schnautze, oder Zunge, pflegt genannt zu werden, nichts hat 
koͤnnen gedacht werden; auch Swammerdam und Reaumur, bey 
der Beſchreibung der Honigbiene, hievon ſchon ausfuhrlich gehandelt 
haben; ſo hat man doch die Abbildungen davon auf dieſer Tafel genau 
anzugeben por gut erachtet, 


Fig. I. 


Fig. I. 


un 29 
Ein vergroͤſſerter Kopf des Weibgens der Maurerbiene, nach der 


Seite betrachtet. 


Fig. II. 


a. die Fuͤhlhoͤrner. 
b. die Zaͤhne, wie ſie geſchloſſen ſind und ſich vorne kreuzen. 


e. die hornartige Oberlippe. 


d. die ſenkrecht liegende und etwas gebogene Saugröhre inner⸗ 
halb ihrem Futterale. 5 
e. das groͤßere, oder zuſammengeſetzte und netzfoͤrmige Auge. 


Eben derſelbe Kopf, wie er unterwaͤrts ausſiehet. 

a. die geſchloſſenen Zaͤhne. 

b. b. die Fuͤhlhoͤrner. 

c. die innerhalb feinem Futterale liegende Saugroͤhre, davon die. 
obere Haͤlfte von der Oberlippe gedecket iſt. 


Fig. III. Der vorige Kopf; an welchem die in ihrem Futterale liegende 
Saugroͤhre aufwaͤrts geſchlagen iſt. 


a. a. die Fuͤhlhoͤrner. 
b. b. die etwas auf die Seite gebogenen Zähne: 
c. die Saugroͤhre. 


Fig. IV. Ein vergrößerter Kopf des Weibgens der Maurerbiene, mit ee. 


was ſichtbarer Saugroͤhre, und nach der obern Seite betrachtet, 
a. die drey kleinen oder einfachen Augen. 

b. b. die Fuͤhlhoͤrner. 

c. c. die größern, oder zuſammengeſetzten und netzfoͤrmigen, Augen. 
d. d. die Zaͤhne. 

e. e. das gegliederte Paar Halbſcheiden. 

f. l. das ungegliederte oder ſenſenartige Paar Halbſcheiden. 

g. die Saugroͤhre. 


O 3 Fig. V. 


20 m . 


Fig. V. Der vorige Kopf, nach der untern Seite betrachtet. f 
a. die Haut, mit welcher der Kopf dem Bruſtſchilde angegliedert iſt. 
b. b. die Fuͤhlhoͤrner. 
c. c. die Zaͤhne. 
d. d. das gegliederte Paar Halbſcheiden. 
e. e. das ungegliederte oder ſenſenartige Paar Halbſcheiden. 
f. die Saugroͤhre. 


Fig. VI. Eben derſelbe Kopf, an dem die zwiſchen ihrem Futterale 
liegende Saugroͤhre auf das ſtaͤrkeſte und dergeſtalt aufgeſchlagen iſt, 
daß auch ſeine haͤutige und weiſſe Grundflaͤche moͤge erkannt werden. 

a. a. die Fuͤhlhoͤrner. 

b. das erſte ſchwarze und hornartige Gelenke der Saugroͤhre, oder 
vielmehr die Grundflaͤche der Halbſcheiden. 

c. c. die Baͤrtgen der ungegliederten oder ſenſenartigen Halb» 
ſcheiden. f 

d. d. die ungegliederten oder ſenſenartigen Halbſcheiden ſelbſt. 

e. die Saugroͤhre. 

. f. die Baͤrtgen der gegliederten Halbſcheiden. 


Fig. VII. Der vergrößerte Kopf des Weibgens der Maurerbiene, an 
dem die Theile der Saugroͤhre auseinander gelegt ſind, und jeder 
beſonders zu erkennen iſt. 

a. die Fuͤhlhoͤrner. 

das groͤßere oder zuſammengeſetzte Auge. 

die geſchloſſenen und ſich kreuzenden Zaͤhne. 

die Oberlippe. 

die ungegliederten oder ſenſenartigen Halbſcheiden. 

die ſchwarz und hornartige Grundflaͤche der gegliederten Halb— 

ſcheiden. 

g. g. deſſen Baͤrtgen. 
h. die Saugroͤhre. 

Fig. VIII. Die Saugroͤhre mit ihren Theilen, beſonders; und nach einer 

ſtaͤrkern Vergroͤßerung, als vorher. a. die 


o’ © 


1 o g 9 


a N 31 
a. die haͤutige Grundflaͤche der Saugroͤhre und ihrer Theile. 
b. die Oberlippe. 
c. die ungegliederten oder ſenſenartigen Halbſcheiden. 
d. d. die gegliederten Baͤrtgen dieſer ſenſenartigen Halbſcheiden. 
e. das erſte Gelenke, oder die Grundfläche der gegliederten Haͤlb— 
ſcheiden. 
f. das zweyte Gelenke der gegliederten Halbſcheiden. 
g. g. das dritte Gelenke der gegliederten Halbſcheiden. 
h. h. die doppelt gegliederten Baͤrtgen dieſer Halbſcheiden. 
1. die Saugroͤhre, welche vorne abgeſchnitten iſt. 
k. k. eine Art Baͤrtgen, in welchen ſich die ſenſenartigen Halb— 
ſcheiden endigen. 


Fig. IX. Die Saugroͤhre, mit ihren Theilen, ſehr ſtark ausgebreitet und 
von einander geleget. Man wird ſich aus dieſer und den vorigen 
Abbildungen nunmehro ganz leicht einen Begrif von dem ſonderba— 

ren Baue und Gebrauche dieſer Saugroͤhre machen koͤnnen. Sie lie— 
get in einem gemeinſchaftlichen Futterale, welches aus zwey Paar 
Halbſcheiden zuſammen geſetzet iſt. Die Saugroͤhre ſowohl ſelbſt, 
als deren Halbſcheiden, haben ihre eigene Gelenke, vermoͤge derer 
ſie ſich, wie ein Taſchenmeſſer, zuſammenlegen, und wieder aufmachen 
oder aufſchlagen koͤnnen! Die Halbſcheiden koͤnnen ſich theils fo feſt 
und genau aneinander ſchlieſſen, daß die zuruͤckgezogene Saugroͤhre 
von ihnen voͤllig umſchloſſen wird, und alsdann dienen ſie ihr zu 
einem Futterale, darinnen ſie ſicher und wider alles gedecket iſt; theils 
koͤnnen fie ſich von einander begeben und nach den Seiten ausbreiten, 
und alsdenn dienen fie der Saugroͤhre zum Raummachen, damit 
ſie beym Einſaugen oder Einpompen des Blumenhoniges nichts 
hindern moͤge. Die Saugroͤhre ſelbſt aber iſt nichts als eine Art 
Pompe, in welche der Blumenhonig, wenn fie ſich erweitert, folgs 
lich in der Roͤhre ein Luftlerer Raum, oder doch eine ſehr ver— 
duͤnnete Luft entſtehet, nach den Geſetzen der Naturlehre, von ſelbſt 


eintritt, und durch die darauf folgende Zuſammenziehung und Vers 
engerung 


32 ur N 


engerung der Saugroͤhre weiter fort, und durch andere dazu kom— 
mende Huͤlfsmittel, bis in den Magen gebracht wird. 


a. a. die gemeinſchaftliche Grundfläche der Saugroͤhre und ihrer 
Theile, welche an den Seiten ſchwarz und hornartig iſt. 

b. b. die ungegliederten und ſenſenartigen Halbſcheiden. Sie 
ſind ſehr zarte halbdurchſichtige Blaͤttgen, und deren Flaͤchen 
auf eben die Art mit zarten Aedergen und Nerven durchſchnitten 
find, wie ſonſt die Pfeilen pflegen gehauen zu werden. Die Baͤrt— 
gen dieſer Halbſcheiden ſind allhier weggelaſſen worden. 

c. c. das ſchwarze und hornartige erſte Gelenke der gegliederten 
Halbſcheiden; oder die gemeinſchaftliche Grundflaͤche dieſer Halb⸗ 
ſcheiden und der Saugroͤhre. 

d. d. das zweyte Gelenke der vorigen Halbſcheide. 

e. e. das dritte Gelenke derſelben. 

. f. die doppelt gegliederten Baͤrtgen, in welche ſich dieſe Halb? 
ſcheiden endigen. 

g. g ein Paar ſehr kleine haͤutige Halbſcheiden, die ohne Zweifel 
zu mehrerrer Unterſtuͤtzung der Saugroͤhre beym Einfauzen, 
und vieleicht auch zum Fortdruͤcken des Blumenhoniges dienen. 

h. die Saugroͤhre. 


Die vierte Tafel. 


Fig. I. Das vergrößerte Zeugungsglied des Maͤnngens nach der Seite be, 
trachtet; und wie es alsdann ſichtbar wird und ſich zeiget, wenn 
man die letztern Ringen des Leibes ſtark druͤcket. 


a. a. zween ſchuppenartigen Ringen des Leibes. 


b. b. 


un ne 33 


b. b. die letztern Halbringe des Leibes. 

c. einer derjenigen hornartigen Theile, welche dem eigentlichen 
Zeugungsgliede zur Unterſtuͤtzung auf den Seiten dienen, und 
ein T, oder ein Saamengefaͤße (ſtamen) einer Tulpe, vorſtellen. 

d. eines von denenjenigen hornartigen, etwas krummgebogenen, 

Staͤbgen, welche dem eigentlichen Zeugungsgliede zur Unter 
ſtuͤtung von hinten dienen. 

der After. 

das eigentliche Zeugungsglied. 

beſonders gebildete Theile Gig. IV.), welche vermuthlich zu ei⸗ 

nem Reitze dienen. 


Pig. II. Das vergrößerte Zeugungsglied des Maͤnngen, von den Rin⸗ 
gen des Leibes abgeloͤſet, und nach vornen zu betrachtet. 

a. a. die zween hornartigen Theile, die ein T oder Tulpenſaamen⸗ 
gefaͤße vorſtellen (Fig. I. e.); und ſich bey dem Druͤcken von 
einander entfernen. 

b. b. die zween hintern hornartigen Staͤbgen (Fig. I. d.). 

c. das eigentliche Zeugungsglied. 

d. Die hornartige Klappe, fo dem Zeugungsgliede von vornen 

zur Decke dienet. 

Fig. III. Das vorige vergroͤßerte Zeugungsglied, wie es von hinten und 
da ſich zeiget, wenn es ſehr flarf gedruͤcket wird. 

2. a. die zween hornartigen und wie T. gebildeten Theile (Fig. I. c. 
II. b. b.) 

b. b. die zween hornartigen Sräßgen (Fig. I. d. II. b. b. d.) 

c. das eigentliche, und von ſtarkem Drucken ſehr aufgetriebene, Zeu⸗ 
gungsglied. 


. IV. Diejenigen fehr vergroͤßerten beſondern Theile, dle vermuth— 
lich zu mehrerm Reitze dienen. 
a. a. gewiße haͤutigen Theile, welchen die übrigen in der Mitten 
angewachſen find. 
b. b. ein zartes dernartiges Spitzgen, fo auf jeder Seite dem vor 
rigen haͤutigen Theile aufſtehet. 
c. c. eine Menge haariger Staͤbgen, oder vielmehr Haͤkgen. 
d. d. ein paar krummgebogene Staͤbgen oder Haͤkgen, die zwar 
den vorigen vollkommen gleich, nur groͤßer und ſichtbarer ſind. 


E e. eine 


0 f. 


er] 
er 
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— 


34 ce l 


e. eine merkliche Erhoͤhung zwiſchen den erſtgedachten groͤßern 
Haͤtgen, die ſich in ein dornartiges Spitzgen endigen. 


Fig. V. Das vergroͤßerte Zeugungsglied des Weibgen; wie es bey ge— 
ringem Drucken ſichtbar wird. 

a. a. die letzten Ringe des Leibes. 

b. die zween ſtarken Sehnen, welche dem Stachel die noͤthige 
Bewegung und Staͤrke geben. 

c. c. zween rauhe und pemſelartige Staͤbgen, zwiſchen welchen 
der Stachel hervorkommt, und die, wenn ſie geſchloſſen ſind, dem 
Stachel zum aͤußern Futterale, oder zur uneigentlichen, Scheide 
dienen. 

d. der Stachel, innerhalb feinem innern Futterale oder feiner cis 
gentlichen Scheide. 

Fig. VI. Das vergroͤßerte Zeugungsglied des Weibgen, wie es in dem 
Leibe verborgen lieget, und wie aus demſelben, bey ſehr maͤßigem 
Drucken, der Stachel aus ſeinen Scheiden hervortritt. 

a. das ausgeſchnittene und herabgeſchlagene Theil des Hinterleibes. 
b. b. wie die Zeugungstheile, famt dem Stachel, im Leibe liegen. 
c. der etwas zwiſchen feinem eigentlichen Scheide herausgetretene 

„Stachel. 


Fig. VII. Das vergroͤßerte Zeugungsglied des Weibgen; aus dem Leibe 
genommen, und nach der Seite betrachtet. 
a. der fleiſchige Theil, mit feinen beſondern Theilen. 
b. der Stachel, innerhalb ſeiner Scheide. 
C. c. die zween haarigen Theile oder Staͤbgen, die dem Stachel 
zur aͤußern, oder uneigentlichen Scheide, dienen. 


ig. VIII. Ein Geſpinnſte, oder eine Dattel, der Maurerbiene, aus der 
Zelle genommen. 5 
a. das Geſpinnſte oder die Dattel ſelbſt. 
b. der Unrath des Wurmes, außerhalb dem Geſpinnſte. 


IX. Ein Geſpinnſte, oder eine Dattel, des Maͤnngen, aufgeſchnitten. 
a. a. die untere Haͤlfte des Geſpinnſtes. 
b. b. die obere Haͤlfte des Geſpinnſtes, auf die Seite geſchlagen. 
c. der in dem Geſpinnſte noch unveraͤnderte Bienenwurm des 
Maͤnngen. 


0 
0 


2 
— 
0 


Fig. X. 


Die Maurerhiene. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 
L. Der ſchoͤne Käfer des Bienenfreſſers. Er gehörer nach dem 


N 37 


d. d. d. d. die Ringe des Leibes. 
e. die krummen Haͤkgen, oder Nägel, des letzten Ringes. 


VII. Der vergroͤßerte Kopf dieſes Bienenfreſſers⸗ 
a. der Kopf ſelbſt. 
b. der Mund mit ſeinen Werkzeugen. 


VIII. Die zween letzten Ringe des Bienenfreſſers, nach der Ver⸗ 
groͤßerung. ' 

a. a. der vorletzte Ring. 

b. b. der After mit ſeiner Oeffnung. 
e. die zwey Haͤkgen. 


IX. Ein vergroͤßerter Fuß des Bienenfreſſers. 


Linnaͤiſchen Lehrgebaͤude zu demjenigen Geſchlechte der Kaͤfer, die 
blaͤtterichkolbige Fuͤhlhoͤrner haben (dermeſtes). Kopf, Fuͤhlhoͤr⸗ 
ner, Bruſtſchild, Fuͤſſe und Leib ſind einfaͤrbig und ſchoͤn ſtahlblan, 
auch auffer dem ſehr ſtark mit Haaren uͤberwachſen. Die Flügels 
decken ſind weichlich; ungleich laͤnger, als breit; und mit drey un⸗ 
gleich großen, rothen und ſtahlblauen, Querbanden gezeichnet. Ruͤhrer 
man dieſen Kaͤfer an, ſo beuget er den Kopf ſtark unter ſich, und 
nimmt überhaupt eine folche Geſtalt an, als wenn er todt waͤre; 
und welches allen dieſen Kaͤferarten eigen iſt. 


. IX. Der Wurm, wie ich Urſache zu glauben habe, von der bald 


folgenden Schimmelfliege; an dem ich aber, außer feiner weißgrauen 
Farbe, nichts Beſonderes bemerket habe. 


XII. Die ſonderbare Puppe des erſtgedachten Schimmelfliegenwur⸗ 


mes. Das Bemerkenswuͤrdigſte an derſelben find unlaͤugbar die har— 
ten zaͤhnartigen Stacheln, welche ſich vorn am Kopfe befinden. Dies 
fe Stacheln ſtehen alle auf einer breiten Grundfläche, und find ungleich 
groß. Sie kommen derjenigen Art Bohrer gleich, welche von den 
Drechslern Schrotbohrer pflegen genannt zu werden. Iſt nun 
aber bekannt, daß durch dergleichen Schrotbohrer mit leichter Muͤhe in 


die haͤrteſten Sachen Loͤcher gebohrt werden koͤnnen; ſo duͤnket u 
da 


38 


daß wir hier den Schluͤſſel zu dem in der Rede gedachten Geheimniſſe 
haben von wem und wie die Oeffnung oder das Loch gemacht wers 
de, wodurch die Fliege ihren Ausflug nehmen muß. Es iſt wohl 
weiter nicht in Zweifel zu ziehen, daß dieſe Oeffnung noch von der 
Puppe, und zwar mit dieſem ihren Kopfbohrer, gemacht werde. So 
bald dieſes geſchehen, ſchiebet ſich die Puppe etwas uͤber die Haͤlfte 
durch dieſe Oefnung, oder das von ihr gebohrte Loch, hinaus; die 
Puppenhaut zerplatzet, und die Fliege erhaͤlt ihre Freyheit auſſerhalb 
der Zelle, die Puppenhaut aber bleibet in dem Loche haͤngen. So 
ſtelle ich mir wenigſtens die Sache vor! N 
a. der Kopfbohrer der Puppe: 
b. die Ringe des Leibes, deren jeder oben nochmalen eingeſchnitten, 
uͤberhaupt aber mit zarten Staͤchelgen beſetzet iſt. | 
c. der legte Ring des Leibes, an dem ebenfalls einige Stachelſpi⸗ 
tzen gefunden werden. a 


ig. XIV. Die Schimmelfliege, wie ſie ſitzet. 
XV. Eben dieſelbe, wie ſie flieget. 


X. Ein Geſpinnſte, oder eine Dattel des Weibgen, aufgeſchnitten 
und auf die Seite geſchlagen. 
a. die untere Haͤlfte des Geſpinnſtes. 2 3 
b. b. die obere Haͤlfte des Geſpinnſtes, auf die Seite gefchlagen. 
c. der noch unveraͤnderte Bienenwurm des Weibgen. 


F 


— 
0 


Fig. XI. Ein Bienenwurm des Maͤnngen. “ 
Fig. XII. Ein Bienenwurm des Weibgen. 


Die fuͤnfte Tafel. 


Fig. I. Der vergrößerte Kopf, und die drey erſten Ringe, oder ringars 
tigen Kerben, des Bienenmaͤnngenwurmes. 
a. der Mund mit feinen Zähnen, Ober- und Unterlippe. 
b. ein Paar ſchwarze Punkte, die Swammerdam und Reaumur 
vor Augen erklaͤren. 
C. c. drey Ringe, oder ringartigen Kerben, deren jeder oben einen 
andern ſtarken Einſchnitt hat, und die mit zarten und flars 
5 ken Haͤrgen, wie mit Stacheln, beſetzet ſind.— 
d. d. d. die Luftlöcher dieſer Ringe. 


Fig. II. Der vergroͤßerte Kopf und die drey erſten Ringe des Bienen 
weibgenwurmes. 

a. der Mund, mit feinen Zähnen, Ober- und Unterlippe. 

b. ein Paar vertiefte Punkte, in deren Mitten ſich ein zartes 
Haͤrgen wie eine Stachel, zeiget; und hinter welchen zween ans 
dere Punkte, als die wahrſcheinlichen Augen, ſtehen. 

c. c. die drey erſten Ringe. 

d. d. die Luftloͤcher. 

Fig. III. Eine Puppe des Bienenmaͤnngenwurmes, nach der Seite bes 
trachtet. 


Fig. IV. Ehen dieſelbe Puppe, auf dem Rucken liegend, und wie fie ſich 
unten zeiget. 15 Be 
E 2 Fig. W. 


36 


we 


Fig. V. Eine ſeltne und unvolkommene Puppe des Bienenwurms, wie 


Fig. 


Fig. 


ich ſolche einsmalen in einer Zelle noch lebendig gefunden habe. Der 
Kopf und der Bruſtſchild war nicht in eine ordentliche Puppe ver⸗ 
wandelt, ſondern man ſahe die ſchon voͤlige Bienengeſtalt durch die 
zarte Puppe ſchimmern; der Leib aber war ganz weiß, und hatte 
noch vieles von der Wurmgeſtalt. 


a. der Kopf. N 
b. das Bruſtſchild. 
c. der Leib. 


V. Der Wurm des ſchaͤdlichen Käfers , welcher gar oft in den 
Zellen der Maurerbienenneſter gefunden wird, und den ich oben 
den Bienenfteſſer genennet habe. Er gehoͤret unter die ſechsfuͤſ— 
ſigen Kaͤferwuͤrmer. Und ob er gleich alhier in der Groͤße vorges 
ſtellet iſt, wie ich ihn gefunden habe; ſo muthmaße ich doch, daß dieſer 
moͤgte noch unvollkommen und unausgewachſen geweſen ſeyn. 


VI. Dieſer Bienenfreſſer nach einer ſtarken Vergroͤßerung. Er 
hat, wie es hier gar deutlich zu erkennen iſt, einen herzfoͤrmigen brau⸗ 
nen Kopf, mit zwey ſehr ſtarken, ſcharfen und dunkelbraunen Zähs 
nen, nebſt den uͤbrigen gewoͤhnlichen Theilen des Mundes. Sein 
Leib hat 12 Ringe, oder ringartigen Kerbe; die ſchoͤn roth und mit 
gelblichen Haaren uͤberdecket ſind. Die erſten Ringe ſind ſchmaͤler, 


als die folgenden, und nehmen bis zu den 2 legten mehr und mehr 


an Breite zu. Den drey erſten Ringen ſind unten die drey Paar 
haarigen, gegliederten, und ſich in einen einfachen Nagel endigenden, 
Füße angegliedert. Und gleichwie alle Ringe ſehr weich und haͤutig 
ſind; ſo iſt hingegen nicht nur der erſte Ring mit einem dunkelbrau— 
nen hornartigen, harten und dreyeckigen, jedoch in der Mitte etwas 
gefpalteren, Halsſchild verſehen; ſondern es befindet ſich ein derglei— 
chen brauner, hornartiger und haͤrtlicher Schild auch auf dem letzten 
Ringe. Wobey noch anzumerken iſt, daß dieſer letzte Ringe ſich in ein 
Paar braune, ſcharfe und ſtarke Haͤkgen, oder Nägel, endiget. 


a. a. der herzfoͤrmige Kopf. 
b. der Mund, mit feinen Zähnen, Ober -und Unterlippe. 
c. c. e. c. c. c. die drey Paar Füße. 
d. d. d. d. 


Der fichfbrmige Seren, 


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leichwie das, im Jahr 1752. beffändig anhaltende, Regenwetter 
eine ungewöhnliche Menge allerhand Waſſerinſecten hervorbrach— 
i te; alſo hatte man damals mehr, als zu einer andern Zeit, er— 
wuͤnſchte Gelegenheit die Natur derſelben genau zu unterſuchen. 


Ich, meines Ortes, wurde wenigſtens durch dieſen Umſtand vers 
anlaſſet, die noch unvollkommene Geſchichte des erſten Einauges des 
Herrn Linnäus (*), welchen Herr Friſch Apus () heißet fo viel 
es immer moͤglich ſeyn wuͤrde, vollſtaͤndiger zu machen. 


In dieſer Abſicht ſammlete ich eine ſehr groſſe Anzal allerley Arten 
und Gattungen ſolcher Waſſerthiergen; und betrachtete, ſowohl mit dem 
bloßen Auge, als durch Huͤlfe der Vergroͤßerung, ſonderlich diejenigen 
unter ihnen, an deren Kiefenfuͤßen, oder fiſchohrigen Luftgefaͤßen 
(branchiae), Eyergen hiengen (*). Es war auch meine Bemuͤhung 
nicht umſonſt, noch vergebens. Ich erreichte in kurzem meinen Endzweck, 
und glaubte meine Unterſuchungen voͤllig endigen zu koͤnnen. 


Nur ein einziges ſchien noch zu unterſuchen zu ſeyn; was es namlich 


mit dieſen Thiergen alsdann vor eine Beſchaffenheit habe, wenn fie eben 
f F 2 aus 


CH) Syit. nat. p. 68. n. 202. Faun. Suec. p. 344. n. 118 . 
CH) Oder, der floßfuͤßige Seewurm mit dem Schilde. Be⸗ 

ſchreibung allerhand Inſecten in Deutſchland, Th. X. Seit. 1. Tab. 1. 
( Dafür hielt ich damals gewiſſe Beutelgen an den Kiefenfuͤßen. Ich habe abe 
nach der Zeit gefunden, und bin nunmebry uͤberzeuget, daß dieſe Bentelgen PR 

was anders, als Eyer, ſind. f 


44 wur m N 


aus ihren Eyern kaͤmen. Ulm nun auch dieſes ausfindig zu machen, begab ich 
mich von neuem an alle ſtehende Waſſer, ſo um unſere Stadt ſich befin— 
den, und zweifelte nicht, es werde mir, auch in dieſem letzten Stucke, 
feiner Zeit noch glücfen. Es ſchien mein Wunſch und meine Hoffnung 
auch wirklich dießfalls eher erfuͤllet zu ſeyn, als ich mir eingebildet hatte. 


Ich fand ſogleich in einigen, vom Regen zuſammengelaufenen und 
ſtillſtehenden, Waſſern eine ganz unglaubliche Menge kleiner Würmer; des 
ren Bau, Aufenthalt, und andere Umſtaͤnde, mich nicht anders vers 
muthen ließen, als ſie muͤßten die erſte Brut von jenem Einauge des 
Herrn Linnaͤus ſeyn. Allein, das erſte Anſehen hatte mich verblendet. 
Eine genauere Betrachtung lehrte mich, daß ſie ganz etwas anders, 
naͤmlich ein neues und ſolches Inſectengeſchlechte waͤren, welches meines 
Wiſſens (5), noch von Niemanden umſtaͤndlich beſchrieben worden ſey. 


a e Je 


(0 Es war die erſtere lateiniſche Ausgabe dieſer Beſchreibung kaum abgedruckt, fg 
fand ich, daß Herr Linnaͤus in dem Anhange zu feiner Faun. Suecic. p. 388. 
n. 1757. allerdings ſchon dieſes Waſſerthiergens unter dem Namen und der Be— 
ſchreibung: Zarva aquatica, globulo coccineo nitente vmbilicali, cauda biſida, mit 
wenigem gedacht hatte. Er erinnerte mich auch deſſen in einem, an mid) erlaffer 
nen, Schreiben. Nur wird es mir dieſer groſſe Naturkuͤndiger nicht ungleich 
deuten, wenn ich feiner, aus gedachtem Orte der Faun. Sue nothwendig fol 

genden Meynung, daß dieſe Thiergen einer Veränderung, oder Verwandelung, 
unterworſen waͤren, nicht beytreten kann. Ich habe mich zwar, um allen Vorur⸗ 
theilen zu entgehen, auch demjenigen geſuͤgt, wozu Er mich in erſterwaͤhnten guͤ⸗ 
tigen Schreiben unter andern mit dieſeu Worten aufgemuntert hat: 


„Si vero nouis obſeruationibus metamorphoſin pofteriorisinfetti obti- 
„neas, hujus ulteriorem hiftoriam a Te auide exſpectat Societasnoftra- . 
„d. i Wenn Sie die Verwandlung dieſes letztern Inſectes durch neue Beobach⸗ 
„tungen entdecken ſollten; ſo erwartet unſere Societaͤt die weitere Geſchichte def 
„ſelben mit Verlangen. : 


Allein, fo ſorgfaͤltig auch bishero dieſe Thiergen von mir find beobachtet, und auf ver 
ſchiedene Art behandelt worden, fo habe ich jedoch nichts von einer Verwandelung fine 
den koͤnnen; und bin alſo in meinen, von ihnen anfangs gehabten, Gedanken aufs 
neue 


d > 45 


Ich bediente mich alfo dieſer Gelegenheit ein, bisher noch meiſtentheils 
unbekannt geweſenes Waſſerinſect kennen zu lernen, und genauer zu uns 
terſuchen. Und es mußte mir dieſes Vorhaben um ſo angenehmer ſeyn, 
und um fo leichter von ſtatten gehen; je häufiger ich dieſe Thiergen haben 
konnte. Sie waren alle ſchon groß und ausgewachſen, und benahmen 
mir alſo die Hoffnung ihre ganze Geſchichte, vom Eye an, zuſammen 

F 3 N zu 


neue beſtaͤrket worden, daß dieſe Waſſerinſecten ohne alle Veränderung, die Haͤutung 
ausgenommen, an und auswachſen. = 


Da ich des Herrn Linnäus Schreiben erwaͤhnet habe, fo kann ich nicht umhin, 
auch aus demjenigen eines und das andere anzufuͤhren, mit welchem der berühmte 
Herr von Reaumur, Paris den 28. Jenner 1753. mich beehret hat. Es 
heiſſet indemſelben unter andern: 


92 L defeription > que vous avez fait imprimer du joli infe&te aquati- 
que, qu'aucun naturalifte n’avoit encore fait cennoitre, - - - &la 
planche, dans laquelle l'inſecte eft reprefente, fut vuè & examinde par 
tous ceux qui fe trouverent à Taſſemblèe de ’Academie. Je leur fis 
voir en meme tems Finſecte lui meme conferv& dans une liqueur. Vous 
mavez oté le regret, que j avois de n'en avoir fait faire que des def- 
ſeins trop peu detailles. je le trouvai les vacances dernieres dans le 
bourbier d'un chemin, ou il yen avoit des milliers. Je les pris d abord 
pour ceux, qu'on nomme des cheverettes, mais apres avoir obſervé 
ceux que j avois peſchés , je reconnus combien ils en etoient diffe- 
rents. Ceux que j’emportai chez moy aiant &te aſſez mal foignes y 
perirent aut bout de cing à fix jours, & lorsque j'envovois en cher- 
cher dans le bourbier, ou j'en avois tant laiffes; on n'y en trouva 
plus un feul, mais ils viveront pour toujours dans Fexacte defeription 
& les deffeins, que vous avez rendu publi£s Il feroit 4 fouhaiter que 
ceux, qui decouyrent des infetts & four tout des aquatiques, dont 
il ya un ſi grande nombre encore d’inconnus , priſſent pour les faire 
connoitre les memes foins que vous avez pris pour celui ei. Le port 
de ſes deux cornes lorsqu'il eft vu de cotè; donne à fe tete quelque 
air de celle d'une vache marine, ce qui me fit leur donner le nom de 
vacheites aquatiques, quoique leur cornes partent d'un endroit fort dif- 
ferent de celui, d’ou fortent les deux longues des vaches marines -- 


d. i. 


46 En 


zu bringen. Alein ich ließ mich dieß nicht irren, ſondern ſchmeichelte 
mir, gleichwohl nichts gang überflüßiges zu thun, wenn ich dieſe Thiers 
gen vor der Hand auch nur in fo weit beſchreiben wuͤrde, als andere ges 
ſchicktere Maͤnner dadurch koͤnnten gereitzet werden, die von mir hie und 
da gelaffene Luͤcken, durch fernere Unterſuchungen, auszufüllen. 


Ich 


d. i. 
„Die Beſchreibung, welche Sie von einem artigen Waſſerinſecte, welches noch 
von keinem Naturkuͤndiger iſt bekannt gemacht worden, haben drucken laſſen, und 
das Kupferblatt, auf welchem dieſes Inſeet vorgeſtellet wird, haben alle diejeni— 
gen, welche ſich in der Verſammlung der Academie befunden, geſehen und unters 
ſuchet. Ich zeigte ihnen zu gleicher Zeit das naͤmliche Inſect in einem Weingeiſte. 
Sie haben mir durch ihre Beſchreibung und Abbildung die Bedauerniß benom⸗ 
men, die ich daruͤber hatte, daß ich von dieſem Inſecte nicht allzugenaue Zeich 
nungen hatte machen laſſen. Ich fand daſſelbe in der letztern Vacanz in der Lacke 
an einem Wege, allwo derſelben Tauſende waren. Ich hielt ſie anfangs vor die⸗ 
jenigen, die man die krebsfoͤrmigen Waſſerwuͤrmer (ſquillae) nennet; nachdem 
ich aber diejenigen genauer auſahe, die ich gefiſchet hatte, fand ich, wie ſehr fie 
von jenen verſchieden waren. Diejenigen, welche ich mit mir genommen hatte, 
wurden fo übel beſorget, daß fie nach 5 oder 6 Tagen umkamen. Ich ſchickte dar 
hero nach andern, allein man fand in der vorigen Lacken auch nicht ein einziges 
mehr. Jedoch ſie werden in der genauen Beſchreibung und Abbildung, die Sie 
davon herausgegeben haben, auf allezeit leben. Und es waͤre zu wuͤnſchen, daß 
alle diejenigen, welche Inſecten entdecken, und ſonderlich Waſſerinſecten, deren 
noch eine fo große Anzahl unbekannt iſt, ſich eben die Muͤhe naͤhmen, um fie ber 
kannter zu machen, als ſie ſich bey dieſem genommen haben. Die Art, wie die— 
fes Thiergen feine Hörner trägt, giebt, wenn man es von der Seite anſieht, ſei— 
nem Kopfe einige Gleichheit mit dem Kopfe einer Seekuh (Wallroß); welches 
mich veranlaſſete, ihnen den Namen der kleinen Waſſerkuͤhe zu geben; obe 
gleich ihre Hörner an einem andern Orte entſpringen, als da, wo bey der See⸗ 
kuh die 2 laugen Zaͤhne ihren Anfang nehmen + m 


2 47 


Ich komme zur Sache ſelbſt. Das Thiergen, welches ich hier bes 
ſchreibe (*), iſt einen halben Zoll lang, einen Strohhalmen dick und 
halbdurchſichtig. Maͤnngen und Weibgen haben bald dieſe, bald eine 
andere Farbe. An einigen ſiehet man eine gelbrothe; an andern eine blaß— 
rothe, faſt fleiſchfarbene; und wieder an andern, ſonderlich an den Weib— 
gen, eine mattgruͤne Farbe. Ueberhaupt iſt das Thiergen einem Fiſche 
ähnlich, wie es dann auch einen ordentlichen Fiſchſchwanz mit Floßfe— 
dern hat. 


Der Kopf iſt gegliedert; flachgewoͤlbt; und mehr lang, als breit (0. 
Oben, mitten auf der Stirne, ſtehen zwo ſchwarze Erhoͤhungen, welche 
vieleicht die kleinen einfachen Augen des Inſectes find ((**). Die 
ordentlichen groͤßern Augen aber befinden ſich an den Seiten; ſie 
ſind auch ſchwarz, gewoͤlbt und etwas eyfoͤrmig; ſie ſitzen, wie bey den 
Krebſen, auf einem Stiele, welcher dergeſtalt beweglich iſt, daß, vermits 
telſt deſſelben, das Thiergen die Augen in die Höhe richten, niederfallen 
laſſen, und iſo gar dem Kopfe anſchließen kann (7). Alles dieſes erfotzer 
auch alsdann, wenn man das Thiergen mit dem Finger drückt, und wies 
der nachlaͤßt. Es ſind aber dieſe zwey groͤßern Augen, genau zu reden, 
eine unzählbare Menge linſenfoͤrmiger Augen, die mit einer durchſichtigen 
Hornhaut bedeckt ſind. Jedoch ſcheinet dieſe Hornhaut auf den linſenfoͤr— 
migen Augen nicht ganz aufzulie gen, ſondern erhaben, und entweder mit 
Luft, oder einer andern Feuchtigkeit, angefuͤllet zu feyn. Denn, wenn 
man ſchief über die Augen hinſiehet, fo zeiget ſich ein ganz heller Umkreis 
um dieſelben, mit welchem fie eingefaſſet find (FD. Thut man das 
Thiergen aus dem Waſſer, ſo vergehet dieſer helle Umkreis augenblicklich, 
und das Auge nimmt ſeine vorige Schwaͤrze an; es wiſchet ſich aber auch 
dieſe Schwaͤrze voͤlig weg, wenn man mit dem Finger nur ein wenig 
darüber hinfaͤhret; und alsdann find die Augen fleiſchfarben, in ihrer 
linſenfoͤrmigen Beſchaffenheit aber ganz unverletzt. 


Das 


Fig. I. H. UI. IV. V. ( Fig. V. VI. VII. Vi. C) Fig. 
VII. a. VIII. a. () Fig. V. VI. VII. b. b. (f) Fig. V. VI. VII. VIII. e. 


* 


48 wen 


Das an dem Maͤnngen vor den Augen ſich befindende große Ropf⸗ 
gelenke iſt allezeit, gegen den Bauch zu, abwaͤrts gebeuget, ſo, wie man 
es an dem Wurme des Waſſerkaͤfers, und an der Puppe des 3 e 
gewahr wird; und beſtehet aus verſchiedenen Theilen. 


An dem Kopfe ſelbſt erſiehet man zuerſt fuͤhlhoͤrnerartige Bor⸗ 
ſten, welche mir anfaͤnglich aͤſtig zu ſeyn, und jede aus zween Zweigen 
zu beſtehen, vorkamen. Allein da ich ſie naͤher anſahe, ſo fand ich, daß 
es vier vor ſich beſtehende Borſten waren. Jede hatte ihr eigenes Ge— 
lenke; alle viere aber ſtunden nicht weit voneinander. Und zwar waren die 
zwo laͤngern dem Kopfgelenke; die zwo kuͤrzern aber, zwiſchen den zuſam⸗ 
mengeſetzten Augen, dem Kopfe ſelbſt, angegliedert (D). Die zwo kuͤrzern 
Vorſten find kaum fo lang, als der ganze Kopf; laufen hinter den Au 
gen ſeitwaͤrts in die Hoͤhe; und bewegen ſich ohne Unterlaß (**). Sie find 
durchſichtig, weißlich, und haben in der Mitten ein Gelenke; durch def 
ſen Huͤlfe das Thiergen die vordere Haͤlfte der Borſten, bis zu einem 
rechten Winkel, aufſchlagen kann, dieſelbe aber ſogleich auch wieder in 
einer geraden Linie zuruͤckſpringen läßt. Die andern zwo laͤngern Borſten 
ſind dreymal laͤnger als der Kopf; ſie liegen unmittelbar auf derjenigen 
hornigen Zange, die ich bald beſchreiben werde (*), und ſind, fo viel ich 
habe ſehen koͤnnen, allezeit unbeweglich. Sie haben eine Semmelfarbe; 
ſind durchſichtig; kreutzen ſich zu Zeiten mit ihren aͤußerſten Spitzen; und 
find, wenn man fie durchfchneider, innwendig hohl. Die erſten kuͤrzern 
Borſten find wohl unlaͤugbar die eigentlichen Fuͤhlhoͤrner des Thiergens; 
wozu aber die zwo laͤngern nutzen, iſt mir gaͤnzlich unbekannt. 


Die Kopfzangen (I) find, wie ich erſt gedacht habe, hornig, 
hellbraun, haben in der Mitten von außen einen dornenſpitzigen Eins 
ſchnitt, laufen hierauf gebogen gegeneinander, und endigen ſich hierauf 
in zwo Dornenſpitzen, wie in eine Gabel. Sie dienen zweifelsohne dem 
Thiergen, die Speiſe damit zu faſſen und feſtzuhalten; daher fie auch bes 

weglich 


(0) Fig. V. VI. VII. d. d. e. e. C) VI. VII. d. d. Gew) Fig. V. VI. 
VIIl. e. e. (T) Fig. V. VI. VII. f. f. 00 


U 


n 49 


weglich, innwendig hohl, und in allen Stuͤcken den * e 
vollkommen aͤhnlich, jedoch durchſichtig, ſind. 


Das Weibgen hat nur die zwey kuͤrzern oder eigentlichen Fuͤhlhoͤr⸗ 
ner, die eben fo, wie bey dem Männgen geſtaltet find, auch an eben 
demſelben Orte ſitzen (). Statt der Zangen, und der langen fuͤhlhoͤr⸗ 
nerartigen Borſten, aber, haben die Weibgen nur kleine Soͤrner; welche 
jedoch etwas laͤnger als der Kopf, in verſchiedene ringfoͤrmige Einſchnitte 
abgetheilet, und daher ſehr beweglich ſind. Im Waſſer ſtehen ſie aufge— 
richtet; außer demſelben aber fallen fie in eine rinnenartige Hoͤhle, die 
ſich an dem Kopfe befindet. Druͤcket man den Kopf auſſer dem Waſſer 
mit dem Finger, ſo begeben ſich dieſe Hoͤrner wieder in die Hoͤhe, und 
nehmen diejenige Stellung an, die fie ordentlicher Weiſe im Waller has 
ben. Betrachtet man fie unter der Vergroͤßerung; fo find fie durchſich⸗ 
tig, walzenfoͤrmig, und haben an ihrem Ende eine kleine Warze (**). 
Schneidet man fie in die Quere ab, ſo find fie innwendig hohl, und fes 
hen, wenn ſie in der rinnenartigen Kopfhoͤhle liegen, mit ihren Spitzen 
zuſammen. 


Innerhalb der Kopfzange des Maͤnngen, und zwar an derſelben 
Wurzel, ſtehen zween Rörper, deren jeder ein Dreyeck iſt, und die 
mit ihrem rechten Winkel einander zugekehret ſind. An ihrer Spitze ſind 
ſie ganz duͤnne, werden aber gegen die Grundflaͤche rundlich, und haben 
eine hellbraune Farbe (*). Sie ſchienen mir ſtatt der obern Mundlippe 
zu ſeyn, und den Eingang der Speiſe in den Mund zu befoͤrdern. Gleich 
darunter liegt ein halbrundes Schildgen, von welchem ich meynte, 
es werde, ſtatt der Unterlippe, den Mund zuſchlieſſen (P). Allein, da 
ich dieſes Schildgen etwas genauer betrachtete, und unter demſelben eine 
Mundoͤffnung ſuchte, konnte ich es auf keine Weiſe in die Hoͤhe bringen, 
und weder durch Druͤcken, noch durch andere Handgriffe, eine Oeffnung 
gewahr werden; wie denn auch bey dem Weibgen ſich nichts dergleichen 

Der fiſchfoͤrm. Riefenfuß. G zei⸗ 


(Fig. VIII. d. d. ( Fig: VIII. e. e. f. f. Gπιν Fig. V. VI. VII. g. g. 
CD Fig. V. h. 


so un n 
zeiget, welchem ohnedem die erſtbeſchriebenen dreyeckigen 1 und 
das halbrunde Schildgen, gaͤnzlich fehlen. 5 


Nachdem ich nun alſo den Mund dieſes Thiergen daſelbſt vergebens 
geſucht hatte, fo entdeckte ich endlich an dem aͤußerſten Ende des Kopf⸗ 
fes, gegen den Bauch zu, ohnweit den zuſammengeſetzten Augen, einen 
etwas erhabenen Theil, der wie ein krummer Schnabel ausſahe (*) 
und der an feinem Ende bald breit war, bald aber in eine warzenartige 
Spitze ſich zuſammenzog. Gerade unter dieſem Schnabel lagen 4 ande⸗ 
re Korper (. Die W obern ſtellten krummgebogene Zähne vor; die 
2 untern zeigten ſich rund; alle aber bewegten ſich fort und fort. Ließ 
ich auf den Schnabel einen Wöpfen Waſſer fallen, ſo begab ſich derſelbe 
aufwärts; und da ich ihn nach und nach ſelbſt mit einer Nadel in die 
Hoͤhe zu heben lernte, fo ſahe ich die 4 erſtbenannten, walzenfoͤrmigen und 
rundlich zuſammengelegten Koͤrper gar ſchoͤn in ihrer natuͤrlichen Lage, und 
wie ſie mit ihren Enden gegeneinander ſtunden. Es kam mir auch vor, 
als ob ich hinten, unter dem Schnabel, und im Grunde deſſelben, eine 
Mundoͤffnung ſaͤhe. 


Ueberhaupt aber kann man leicht denken, daß es eine muͤhſame und 
gefährliche Arbeit war, ſolche ganz durchſichtige, und ungemein weichlt— 
che, Theile, die bey dem geringſten Berühren verletzt und zerriſſen wur 
den, zu behandlen. Und eben darum gedenke ich mit Niemand zu ſtreiten, 
der dieſen ſchnabelaͤhnlichen Körper vor den Ruͤſſel des Thiergens, mit 
welchem es feine Nahrung zu ſich naͤhme, angeben wollte (* Denn 
zur voͤlligen Entſcheidung der Sache werden wohl noch mehrere, und 
wiederholte, Verſuche erfordert werden. 


Nach 
(X) Fig. V. i. Fig. VIII. eie VI u. VI. h. h. 


(% Aus der Aehnlichkeit mit dem Einauge des Herrn inn habe ich in der 
Abhandlung von den gruͤnen Armpolypen gezeiget, daß dieſer Schnabel, die eigent, 
liche Oberlippe; die 2 erſtern darunter liegenden Körper, die Zaͤhne; und die une 
ter denſelben ſich befindende 2 andern Körper, die Unterlippe ausmachen. 


ce N 31 
Nach dem Kopfe folget ein kurzer ringfoͤrmiger Hals (0). 


Der Rücken iſt walzenfoͤrmig, und ſiehet, wie ein Kahn, aus. 
Er hat zwölf ringfoͤrmige Einſchnitte, welche den Rippen, oder 
Kipfen, eines Kahnes gleichen, davon der Zwiſchenraum die ſchildfoͤr— 
migen Ringe vorſtellet ((*). Sie find gegen den Bauch zu rund; und 
haͤngen an ihren beyden Enden mit einer Haut zuſammen, vermoͤge wel⸗ 
cher das Thiergen den ganzen Leib biegen, kruͤmmen, und in einen Kreis 
zuſammenziehen kann. Wie es ſich denn auch wirklich auf dieſe Art zu⸗ 
ſammenrollet, wenn es aus dem Waſſer genommen wird. 


In der Mitte des Ruͤckens, die Lange hinunter, gegen den Schwan; 
zu, beobachtet man ein köchliches Gefäße, welches ſich an feinem ober; 
ſten Ende des Kopfes in zween Aeſte vertheilet. Es ſcheinet aus meh— 
rern laͤnglichrunden Gefaͤßen, wie eine Corallenſchnur, zu beſtehen; die 
ſich beſtaͤndig und zwar dergeſtalt bewegen, daß fie nach einer gewiſſen 
Ordnung ſich bald zuſammenziehen, bald ausdehnen; und dadurch eben 
diejenige Bewegung machen, die man bey Menſchen, und andern Thies 
ren, die Zuſammenziehung und Ausdehnung des Herzens (lyſtole & dia- 
ftole) nennet, und welche vielen andern Inſecten gemein iſt. 


Unter dieſem kettenfoͤrmig zuſammenhangenden Gefäße iſt der Ma—⸗ 
gen und Maſt darm, welcher von dem Munde bis zum Ende des Schwan⸗ 
zes in einer geraden Linie fortgehet; er ſcheinet durch das Thiergen marks 
gruͤn hindurch, und hat zwiſchen den Floßfedern des Schwanzes eine 
Oeffnung. Wenn dieſer Magen und Darm mit vielem Fraße angefuͤl— 
let iſt, ſo kann man das obenbeſchriebene Gefaͤße, ſo uͤber demſelben liegt, 
nicht leicht ſehen; wohl aber . wenn ſich das Thiergen der Spei— 
fe und des Unrathes entlediget hat. Der erſte auf den Hals folgende Schild 
iſt breiter, als der Hals, und er iſt mit demſelben durch einen it 
gen Körper verbunden (***). 


Von einem Bruſtbeine habe ich an dieſem Thiergen nichts gefunden. 
G 2 An 


(Y Fig. VII. h. @*) Fig. I. II. Fig. XII. a. ( Fig VII. i. 


82 n 


An flatt der Bruſt und des Bauches aber zeiget ſich, nach dem 
vorher gegebenen Gleichniſſe, eine Hohlung, wie bey einem Kahne und 
Schiffe. Bis dahin, wo der Schwanz feinen Anfang nimme , find eilf 
Abſchnitte, an welchen auf beyden Seiten fo viel Schwimmfuͤße, wie 
Ruder an einem Schiffe, ſich befinden (). Das erſte Paar hat zwo 
kurze, blaͤtterartige, meſſerfoͤrmige, und ſpitzig zulaufende, Kiefen (**), 
die in der Mitten eine Luftroͤhre haben, und um und um mit uͤbereinan⸗ 
der liegenden Fältgen umgeben find (***). An dieſen Faͤltgen ſitzen 
lauter durchſichtige Haarroͤhrgen; davon ein iedes wieder, unter dem 
Sonnenvergroͤßerungsglaſe, ſeine beſondere Seitenroͤhrgen hat, die wie 
Baͤrtgen an einer Feder geſtaltet find (f). Dieſe und alle übrigen Ries 
fen ſind ſehr beweglich, und durch ein kurzes Gelenke mit dem Leibe ver⸗ 
bunden. Das zweyte Paar Kiefen, und ſo die Übrigen , bis auf das ze⸗ 
hende Paar, nehmen wie an Lange, fo auch an Größe und Gelenken, 
zu (Tr). Jedes von ihnen hat drey beſondere Glieder (f). Das aͤußer⸗ 
ſte Glied beſtehet aus der blaͤtterfoͤrmigen, meſſergleichen, Kiefe ſelbſt; 
iſt, wie alle andere mit Haarroͤhrigen umgeben; und laͤuft in eine Spitze 
aus (1). Das andere darauf folgende Glied iſt rundlich, und hat die 
zweyte Kiefe, die auch vorne rundlich iſt (II). Das dritte Glied iſt 
in allem, wie das vorige; es beſtehet aus der dritten Kiefe, die ſo, wie 
die vorige, geſtaltet und durch ein Gelenke verbunden iſt (II). Das 
eilfte und letzte Paar Kiefen iſt von den vorigen in nichts, als darinn un⸗ 
terſchieden, daß fie ſich wieder kuͤrzer zeigen, als die vorhergehenden (*), 


Diefe Kiefen machen alſo eine dreyfache Reihe, fo, daß die hintern 
allezeit von den voͤrderſten bedecket werden. Sie verdienen aber den Nas 
men der Fuͤße um ſo weniger, als das Thiergen niemals auf denſelben 
gehet, ſondern jederzeit auf dem Ruͤcken ſchwimmt. Mit beſſerm Rechte 
koͤnnte man fie Ruder nennen; der Name der Kiefen aber ſcheinet ihnen 
vorzuͤglich eigen zu ſeyn. 

So 
( Fig. V. k. k. () Fig. V. I. I. Pig. IX. a. () Pig. IX. b. 


CH kig. IN. c. Fig. XVI. ( Fig. V. kx. (ff) Fig. IX. (J) Fig. 
IX. a. (I) d. (II) e. () Fig V. m. SL 


n N . 


So lang das Thiergen lebt, haben und machen dieſe ruderaͤhnlichen 
Kiefen eine wellenförmige Bewegung; fallen aber auf dem Bauche zus 
ſammen, wenn man das Thiergen aus dem Waſſer nimmt. Sowohl die 
Gleichfoͤrmigkeit dieſer Kiefen mit andern ihres gleichen, als die beſondern 
mit ſelbigen gemachten Verſuche, haben mich belehret, daß dieſelben die 
Lungen des Thiergens ſeyn. Denn, wenn man ein friſches Thiergen, 
wenn es im Waſſer ſchwimmt, anſiehet, ſo wird man hie und da kleine 
Luftblaſen gewahr, welche aus dieſen bewegten Kiefen hervorkommen, und 
gegen die Oberflaͤche des Waſſers aufſteigen; zu einem deutlichen Bewei⸗ 
ſe, daß das Thiergen durch dieſe Werkzeuge die Luft aus dem Waſſer ſchoͤp⸗ 
fe. Schneidet man einem todten dieſe Kiefen ab, und bringet fie unter 
das Vergroͤßerungsglas; ſo entdecket man eine Menge der allerkleineſten 
Luftblaͤsgen, welche an den, dieſe Kiefe umgebenden, beſondern Faͤltgen, 
und an den Haarroͤhrigen, ſo ihnen anſitzen, feſt haͤngen; und es iſt nichts 
wahrſcheinlicher, als daß ſie, bey erfolgtem Tode, aus den Oeffnungen 
der Haarroͤhrigen, und ans den an ihnen befindlichen Seitenfedergen, 
herausgegangen, und ſodann daſelbſt haͤngen geblieben ſind. 


Uebrigens iſt zu glauben, daß die Bewegung dieſer Kieſen zugleich 
das Schwimmen des Thiergens befoͤrdere. Denn ob es gleich bisweilen 
im Waſſer ganz unbeweglich iſt, und, wenn auch die wellenfoͤrmige Bewer 
gung immer fortgehet, ſich nicht von der Stelle begiebt; ſo habe ich doch 
auch manchmal bloß durch dieſe Bewegung, und ohne daß ſich der Schwanz 
im mindeſten gerühret hätte, daſſelbe hie und dahin, von einem Orte zum 
andern, ſchwimmen geſehen. 


Auch mag wohl dieſes einer der nicht geringſten Nutzen dieſer Kiefen 
ſeyn, daß das Waſſer, nachdem es durch die Kiefen zuſammengebracht 
worden iſt, in der Hohlung des Bauchs, wie durch eine Rinne, von dem 
unterſten Ende deſſelben bis an den Kopf, hinaufſteiget, und daſelbſt wie⸗ 
der ausgeſtoſſen wird. Auf dieſe Weiſe werden die kleineſten Thiergen, 
welche dieſem Inſecte vermuthlich zum Futter und Nahrung dienen, mie 
dem gufgefaßten Waſſer ganz nahe an den Mund gebracht. Diejenigen, 

S 3 ſo 


54 j e . . 


fo tauglich find, koͤnnen alsdenn durch die oben beſchriebenen dregecfigen 
Koͤrper, und durch die Bewegung der Fuͤhlſtangen und Hoͤrner, mit 
leichter Mühe in den Mund gebracht; die untauglichen aber mit dem Waſ—⸗ 
ſer wieder ausgeworfen werden. Ungemein wunderbar erſcheinet dieſer, 
dem Thiere aus ſeinem natürlichen Baue erwachſende, Vortheil alsdann, 
wenn man das Thiergen in ein kleines, nur mit wenigem Waſſer anges 
fülltes Taſchenuhrglas bringt, ſo, daß es mit dem Rücken aufliegt, und 
die Kiefen mit einem Vergroͤßerungsglaſe betrachtet. Denn alsdann ſie⸗ 
het man, wie die kleinen Waſſerfaͤſergen mit den kleineſten Thiergen, und 
mit anderem darinn ſchwimmenden Unrathe, vermittelſt der Bewegung 
der Kiefen, in die Bauchrinne, nahe bey dem Schwanze, hineingehen, 
und hierauf nach wiederholten Bewegungen, gegen den Kopf hinauf ſtei— 
gen; endlich aber von da, wenn ſie untauglich gefunden werden, wieder 
herausgeſtoſſen werden. An dem erſten Einauge des Herrn Einmäus, 
als einem etwas groͤßern Inſecte, laͤßt ſich dieſes noch deutlicher bemerken. 


Auf die zwoͤlf ſchildförmigen Einſchnitte des Ruͤckens folget der 
Schwanz. Er hat neun Ringe oder Abſaͤtze (*), unter 9 der 
erſte und andere groͤßer, als die übrigen find (*). Zwiſchen dem Eins 
ſchnitte des letzten ſchildfoͤrmigen, und des erſten ringfoͤrmigen, Abſatzes, 
erblicket man auf dem Bauche, ſowohl des Maͤnngen, als des Weibgen, 
eine tiefe, obgleich kleine, Hoͤhle, die vollkommen dem Ausgange des Uns 
rathes gleicher (***). Da ich aber die wirkliche Oeffnung ſelbſt nicht fin 
den koͤnnen, ſo habe ich gemuthmaſſet, es muͤſſe dieſe Hoͤhle von dem Zu⸗ 
ſammenſtoßen vieler Schwanzmaͤuslein herkommen. Denn, daß der— 
gleichen allhier ſeyn muͤſſen, laͤſſet ſich daher ſchließen, weil das Thiergen 
durch oͤftere Bewegung des Schwanies, bald hie, bald dahin, ſchießet. 


An dem Maͤnngen, und deſſen erſten Schwanzabſate habe ich viele 
gerad fortlaufende Gefäße entdecket (7). 
ö oz ur Gegen 
(Y Fig. V. non. en Fig. V. o. X. XI. a. 4 Fig. V. q. q. XI. b. 
(DM Fig. V. p. X. a 5 2 


un M. 55 

Gegen die Mitte des andern Schwanzringes erblickt man zwey kurze 
runde Suͤbelgen / wo die erſtgedachten Gefaͤße ſich endigen (). Drücke 
man den Theil, wo dieſe zwey Huͤbelgen ſtehen, zuſammen; ſo erheben 
ſich aus denſelben zween walzenfoͤrmige durchſichtige Körper, die aus zwey 
Gliedern zu beſtehen ſcheinen. Sie ſtrecken ſich ſeitwaͤrts ſchief aus und 
in die Höhe, find fehr zart, und wenn man im Drucken nachlaͤßt, bege 
ben fie fich wieder in die Dübelgen zurück (*"). Daß dieſes die Feſchlechts⸗ 
glieder des Maͤnngen ſeyn, wird ein jeder, dem die Inſectengeſchichte 
nur etwas bekannt iſt, von ſelbſt leicht abnehmen koͤnnen. 


Es haben alſo die Maͤnngen wie die Krebſe und Eyde ren, ein dop⸗ 
peltes Geſchlechtsglied. 


Da ich meine Beobachtungen mit dem Weibgen vornahm, wurde 
ich an dem erſten Schwanzringe ein herzfoͤrmiges, ſpitzig zulaufendes 
Säckgen gewahr (*""). Iſt daſſelbe ausgeſchuͤttet, fo zeigen fich auf 
demſelben unzählige karte Puͤnetgen; das Saͤckgen aber ſelbſt iſt fleiſch⸗ 
farben. Iſt es aber angefuͤllet, fo wirft es eine ſchoͤne himmelblaue Far, 
be von ſich. Schwimmt das Thiergen, ſo ſtehet dieſes Saͤckgen, welches 
ein Reiskorn groß iſt, aufrecht in die Höhe, und iſt mithin die Spitze 
davon allezeit dem Waſſer, der Grund aber dem Leibe, zugekehret. i 


Der folgende Ring iſt, wie ich erſt geſagt habe, nach dem Leibe zu, 
etwas groͤßer, als die uͤbrigen; und hat auch die naͤmlich blaue, gegen 
den Ruͤcken aber eine dottergelbe, Farbe. Gegen den Bauch zu hat die— 
ſer Ring eine doppelte Oeffnung, welche in ihrem Ausgange, ſo viel man 
ſehen kann, in eine zuſammenlaͤuft, und ihr beſonders zuſchlieſſendes Maͤus⸗ 
lein hat (J). 20 f N 8 


Betrachtet man das Saͤckgen unter der Vergroͤſſerung; ſo finder 
man, daß es mit ſehr viel kleinen eyfoͤrmigen Körpern angefuͤllet iſt, des 
ren 


O kis V. r. r. X. XI. e. e. C. Fig: XI. d. d. CH) Fig. XII. b. 
(H Fig. XII. c. 95 a 


56 n 


ren einige in der Mitten dunkel, und mit einem hellen Ringe umgeben; die 
andern himmelblau find; und daß fie ſich in einer beſtaͤndigen Bewegung 
befinden (). Oeffnet man das Saͤckgen mit einer Nadel, fo wird man 
uͤberzeuget, daß es das Eyerbehaͤltniß iſt, indem die Eyer in großer Mens 
ge herausdringen. Druͤcket man das Saͤckgen mit dem Finger, fo ges 
hen die Eyer paarweis heraus; und geben alſo ſo viel zu vermuthen, daß 
jene einfach ſcheinende Oeffnung innwendig wirklich doppelt feyn muß, ob 
ſie gleich außer dem nicht ſichtbar zu machen iſt. Es beſtaͤttiget dieſe Mey⸗ 
nung auch das doppelte Geſchlechtsglied des Maͤnngen. Am allermeiften 
aber ſetzet das Hervordringen der Eyer außer allen Zweifel, daß dieſe ber 
ſchriebenen Theile die Geſchlechtsglieder des Weibgen ſind. 


Es iſt indeß beſonders, daß alle Eyer, ſo bald ſie ins Waſſer oder in die 
Luft kommen, ſogleich eine ſechseckige oder andere eckige Geſtalt anneh⸗ 
men (%; da fie doch, fo lange fie in dem Saͤckgen ſich befinden, eine 
eyfoͤrmige Geſtalt haben. Und dieſe ungleiche Geſtalt behalten ſie, ob man 
fie gleich durch das ſtaͤrkſte Vergroͤßerungsglas betrachtet. Sie ſcheinen 
alſo von dem Drucke der Luft, oder des Waſſers, ſolche Falten, und Win⸗ 
tel, zu erhalten. Haͤlt man ſie an die Sonne, fo werfen fie eine Sma⸗ 
ragdfarbe, außerdem aber eine dunkelgruͤne, Farbe von ſich. 


Nach dieſen zween, bis hieher beſchriebenen, Ringen wird der Schwanz 
immer dünner, hat noch ſieben Ringe, und endigt ſich in eine waſſerrech⸗ 
te doppelte Floßfeder, welche in ſehr ſcharfe Winkel auslaͤuft ***). Bey 
dem Maͤnngen ſowohl, als dem Weibgen, beſtehet ſie aus zween pomeranzen⸗ 
farbigen zuſammengedruͤckten Kegelgen; deren Seiten, unter der Ber 
groͤßerung, mit den allerſchoͤnſten Figuren gezieret find, und welche des 
nenjenigen, die ſich an den Kiefen befinden, und die ich ſchon beſchrieben 
habe, in allen volkommen gleich kommen. Manchmal ſind dieſe Feder⸗ 
baͤrtgen bey den Weibgen grünlich. 


Der Schwanz iſt Übrigens durch eine Haut mit den Ringen verbuns 

den; welches man alsdann ſehen kann, wenn man den Leib des Thiergens 

18 mit 
(Y Fig. XII. d. d. ( Fig. XIV. XV. ( Fig. V. S. s. 


a N 37 


mit dem Finger drückt ; indem alsdann das Aeußerſte der Ringe, von 
welchen immer einer uͤber dem andern lieget, ſich von einander begiebt, und 


den Bau dieſer Werkzeuge ſehr ſchoͤn ſehen laͤßt. 


Außer den itztbeſchriebenen Theilen habe ich von dem Innern dieſes 
Thiergens nichts beobachten koͤnnen; die Maͤuslein allein ausgenommen, 
die bey dieſem, wie bey allen andern Inſecten, beſchaffen ſind. Auch hat 
mir das Gluͤcke nicht gewollt, die Begattung dieſes Thiergens zu ſehen; 
welches um ſo weniger angegangen iſt, weil das Thiergen, wenn ich es von 
ſeinem ordentlichen Orte des Aufenthalts weggebracht habe, ob ich es gleich 
in beſtaͤndigem friſchen Waſſer zu erhalten ſuchte, gleichwohl gar bald um— 
kam; das Waſſer aber, in welchem es geſund und wohl lebet, allezeit 
truͤbe ſeyn muß, folglich die vorzunehmenden Verſuche voͤllig unmoͤglich 
macht. Dazu noch das Kleine des Thiergens, und die Weiche der Thei— 
le koͤmmt, welche die Verſuche verhindern. Eben ſo wenig habe ich dieß 
Inſeet von feiner Kindheit an, wenn ich fo reden darf, bis auf den Zus 
ſtand, in welchem ich es beſchrieben, verfolgen koͤnnen; es duͤnket mich 
jedoch wahrſcheinlich zu ſeyn, daß es zu der Claſſe dererjenigen gehöre, wel⸗ 
che, nachdem fie aus dem Eye gekrochen, keiner weitern Veraͤuderung 
und Verwandelung unterworfen ſind. 


Es haͤlt ſich dieſes Thiergen in ſtehenden Waſſern auf. Daſelbſt 
habe ich es im Auguſte und September von eben der Groͤße und Geſtalt, 
wie ich es beſchrieben habe, angetroffen. Es ſcheinet uͤbrigens deſſen Zeu⸗ 
gung meder jährlich, noch aller Orten, zu erfolgen. Denn in vorigen 
Zeiten habe ich ſie nie, als nur ein einzigmal, und auch damals nur ein 
einziges entdecken koͤnnen, ob ich gleich jährlich die Waſſer und Bäche in 
der Nachbarſchaft, Waſſerinſecten aufzuſuchen, ſorgfaͤltig zu beſuchen 
pflegte. In jenem regenhaften Sommer aber, wie ich gemeldet habe, fand 
ich dieſe Thiergen in ſehr großer Menge in einem ſtehenden Waſſer hinter 
St. Nicolaus, einem ohnweit unſerer Stadt gegen Morgen liegenden 
Hofe; welches mir ein klarer Beweis zu ſeyn ſcheinet, daß dieſe Jahres⸗ 
witteruug ihnen vor andern muͤſſe zu ſtatten gekommen ſeyn. 

Der fiſchfoͤrm. Kiefenfuß. 9 Es 


58 De Ze 


Es giebt einen ungemein ſchoͤnen Anblick, wenn man dieſe roͤthlichen 
Thiergen, ſonderlich die Weibgen, mit ihren himmelblauen Saͤckgen, bey 
tauſenden ſiehet. Sie ſchwimmen allezeit auf dem Rücken, fo daß die Kiefen 
am Bauche in die Hoͤhe ſtehen; fie bewegen den Schwanz, wiedie Fiſche, 
und indem ſie mit demſelben links und rechts um ſich ſchlagen, ſo ſchießen 
ſie ungemein geſchwind, bald hie, bald dahin; und nachdem ſie eine ſehr 
kurze Zeit wieder ausgeruhet haben, ſo wiederholten ſie die vorigen Schläs 
ge. Nimmt man ſie aus dem Waſſer, ſo waͤlzen ſie ſich durch das Schlaͤ⸗ 
geln des Schwanzes, wie die Fiſche, fort; oft rollen ſie ſich zuſammen, 
ihre Kiefen werden von den Ruͤckſchilden alsdenn halb bedeckt, und liegen 
auf dem Bauche uͤbereinander. Außer dem Waſſer leben ſie ſehr ſchwer. 
Sie bewegen zwar ihre Kiefen, ſo lange noch etwas Feuchtigkeit an und 
um ihnen iſt; wenn ſie aber ganz und gar trocken werden, ſo Hörer alle 
Bewegung auf. 


Es iſt ſehr glaublich, daß dieſes Inſect vom Raube, und von den 
kleineſten Inſecten lebe, die im Waſſer erzeuget werden. Die Weibgen 
koͤnnen ihre Eyer leicht von fich laſſen, die ſobald fie in das Waſſer font 
men, darinn zu Boden fallen. Die Kälte koͤnnen fie eben nicht viel ver— 
tragen. Denn da ich gegen den Anfang des Weinmonates, nachdem es 
frühe einen ſtarken Reif gehabt hatte, und das Queckſilber in dem faren— 
heitiſchen Wetterglaſe annoch den 1ꝛten Grad uͤber der Eiskaͤlte zeigte, 
nachſahe, waren ſie an dem Orte ihres Aufenthalts in einer Nacht alle 
umgekommen, ob ich ſie gleich ein paar Tage vorher noch ganz friſch das 
ſelbſt hatte ſchwimmen ſehen. 


Ich habe lang angeſtanden, was ich dieſem Thiergen, welches bis⸗ 
her noch von Niemand genau beſchrieben worden iſt, vor einen Namen 
beylegen ſollte. Sein Zuſammenrollen, und aus Schilden zuſammenge⸗ 
ſetzter Rücken, feine auf einem Stiele ſtehenden Augen, feine borſtenar— 
tigen Shhpernen und feine ruderfoͤrmigen Kiefenfuͤße, neigten mich daſ⸗ 

ſelbe 


n . 59 


ſelbe zu dem Geſchlechte der Krebſe, und zwar inſonderheit zu den Waſ⸗ 
ſerfloͤhen, oder krebsfoͤrmigen Waſſerwuͤrmern, zu zaͤhlen. Die 
Dohlung des Bauches aber, die Beſchaffenheit der Ruder und Kiefen, 
und deren beſtaͤndige wellenfoͤrmige Bewegung, wie nicht weniger das 
Schwimmen auf dem Ruͤcken; rieth mir ſie zu dem Geſchlechte der Ein⸗ 
augen des Herrn Linnaͤus zu rechnen. Nur der Name wollte mir nicht 
gefallen, weil jedes der ſogenannten Einaugen (*) mehr, als ein Auge 
hat. Sie haben wirklich drey abgeſonderte Augen, zwey laͤnglich zuſam— 
mengeſetzte, und ein einfaches in der Mitten. Die Redensart aber, 
daß ein Auge aus dreyen andern zuſammengeſetzt ſeye, duͤnket mich nicht 
recht verſtaͤndlich zu ſeyn. Mir hat alſo der Name des Herrn $eifch 
beſſer eingeleuchtet, der das Einauge des Herrn Linnaͤus Apus, oder 
wie ich es der Sache gemaͤßer und am beſten zu uͤberſetzen geglaubt habe, 
Riefenfuß, heißt. Denn ich habe ſchon geſagt, daß dieſe anſcheinenden 
Fuͤße, nicht ſowohl wahre Füße, als vielmehr Ruder oder Kiefen ſind; 
indem das Thiergen damit Luſt ſchoͤpft, mit denſelben aber ſo wenig ge— 
het, daß es vielmehr, wie gemeldet worden iſt, dieſelben außer dem Wafı 
fer zuſammen ziehet; fie find auch teinesweges fo haͤrtlich, daß fie auch 
nur die geringſte Schwere des Koͤrpers tragen koͤnnten, indem ſie ſchlapp 
und faltig ſind. So ſtehet auch dieſem ihre ganze Richtung entgegen, da 
fie im Waſſer allezeit in die Höhe gerichtet ſtehen. Und wenn das Thiers 
gen auch, wie wohl es ungemein ſelten geſchiehet, ſeine ordentliche Lage 
veraͤndert und ſich umdrehet, fo, daß die Kiefen nach unten zu ſtehen kom— 
men, und daß alſo das Thiergen auf dem Boden des Waſſers einherzuge— 
hen ſcheinet, ſo geſchiehet doch ſolches nur, um Raub zu ſuchen; worauf 
es ſich gar bald wieder auf den Ruͤcken umwendet, und ſeine vorige Art 
zu ſchwimmen annimmt. 


9 2 Da 


(%) Den zackigen Waſſerfloh ausgenommen, den Herr Kin naͤus auch zu den Eins 
augen rechnet. Denn daß dieſer allerdings ein wahres Einauge iſt, habe ich in 
der Beſchreibung deſſelben zu zeigen Gelegenheit gehabt. 


co un 


Da das Thiergen einen Schwanz mit Floßfedern hat; fo gab mir 
dieſer Umſtand Gelegenheit, daß ich daſſelbe, um es von andern ſeines 
gleichen zu unterſcheiden, den fiſchfoͤrmigen Kiefenfuß nannte. 


Hiemit beſchließe ich die Geſchichte eines, wie ich glaube, bisher 
noch unbekannt geweſenen Waſſerthiergens. Iſt gleich dieſe Geſchichte 
noch ſehr mangelhaft und unvolkommen, ſo habe ich doch, wie ich gleich 
im Eingange erwaͤhnet, die Bekanntmachung deſſelben darum nicht vors 
enthalten wollen, damit Maͤnner von mehr Kraͤften und Einſichten als 


ich mich kenne, ſich die Muͤhe geben moͤgten, ſolche zu ergaͤnzen und aus⸗ 
zubeſſern. 


„ X „ * & „ K K * * „ X „ „ „ „ * * * 


Erklaͤrung 


Der Kupfertafel. 5 


Fig. I. Das Männgen des fiſchfoͤrmigen Kiefenfußes, in feiner 
natürlichen Größe und auſſer dem Waſſer, wie es feine Kiefen ge, 
gen den Kopf zuſammengezogen hat. 


Fig. II. Das Weibgen des fiſchfoͤrmigen Kiefenfußes, ebenfalls in feis 
ner natürlichen Groͤße, auſſer dem Waſſer und mit feinem Saͤckgen; 
und von eben der Farbe, wie das Maͤnngen. 


Fig. III. Das Maͤnngen in feiner natürlichen Größe und Lage von matt 
grüner Farbe, wie es auf dem Rücken ſchwimmt, und das Kopfge⸗ 
lenke unter ſich gebogen hält. 


Fig. IV. 


Fig. IV. Das Weibgen in eben derſelben Stellung, Größe und Farbe, 
wie es in dem Waſſer ſchwimmt. i 


Fig. V. Das Maͤnngen vergrößert, wie es auf dem Rücken liegt, und 
das Kopfgelenke, um deſſelben ſaͤmmtliche Theile beſſer unterscheiden 
zu koͤnnen, uͤber ſich hinauf gebogen hat. 


der Kopf. 

die groͤßern zuſammengeſetzten Augen. 

der helle Augenkreis. 

die zween kuͤrzern fuͤhlhoͤrnerartigen Borſten. 

die zween groͤßern Borſten, oder anſcheinenden Fuͤhlhoͤrner. 
die hoͤrnerartigen Zangen, wie fie in der Mitte eine Dornenfpts 
tze haben, am Ende aber breit und in eine Gabel auslaufen. 


die dreyeckigen Koͤrper, wie ſie aus der Wurzel der Hoͤrner ih⸗ 
ren Anfang nehmen. 


das rundliche Schildgen. 

der Schnabel, oder anſcheinende Ruͤſſel. 

ii. die vier unten darunter liegenden Körper, welche das Maul des 
Inſectes find. 

k. die eilf Paar Kiefen; davon 

1. das erſte Paar mit zwoen; die übrige mit dreyenz 

m. das eilfte Paar aber mit viel kuͤrzern verſehen iſt. 

n. der Schwanz. 

o. die zween erſtern ee welche groͤßer, als dle folgen⸗ 
den ſind. 

p. die kleine Hohlung gegen den Anfang des Schwanzes, die viel⸗ 


leicht von dem Zuſammenſtoſſen der Schwanzmaͤuslein ihren Ur⸗ 
ſprung hat. 


a 


og 


we E 


25 g. die 


62 
9. 


7. 
8. 
t. 


Fig. VI. 


l N 
die kleinern Gefaͤße am Maͤnngen; weft ſich in ein doppeltes 


Geſchlechtsglied 


endigen; und es iſt wahrſcheinlich ; daß es die Mäustein, wo⸗ 
durch es beweget wird, oder die Saamengefaͤße ſeyn. 

die waſſerrechte 1 in von ae 
Farbe. 

die Haarroͤhrgen, oder Adligen 7 pi die e Sioßfedern umgeben. 


Das vergroͤßerte Ropfgelente des Männgen, in ſeiner na⸗ 


tuͤrlichen Stellung, vor ſich liegend. 


b. 


die zuſammengeſetzten Augen. 


c. derſelben heller Umkreis. Se 233 


09 Hl Ai 


Fig. VII. 


. die fürzern wahren Fuͤhlhoͤrner. 

die laͤngern anſcheinenden Fuͤhlhoͤrner. 
die hoͤrnerartigen Zangen. 

die dreyeckigen Koͤrper. 


Der ganze vergroͤßerte Kopf, wie er ſich ſchief zeigt, und zwar 


auf dem Ruͤcken, und wenn das Kopfgelenke in die Hoͤhe gebogen 


iſt. 


die ſchwarzen Erhoͤhungen, welche vieleicht die einfachen Augen 


des Inſects ſind. 


die zuſammengeſetzten Augen. 
derſelben heller Umkreis. 

die kurzen wahren Fuͤhlhoͤrner. 
die laͤngern anſcheinenden. 
die hoͤrnerartigen Zangen. 


die dreyeckigen Körper, 
der kurze Hals. 


t. der 


ae ee 63 


i. der dreyeckige Körper, welcher den Hals mit dem erſten Schil⸗ 
de von der Seite des Ruͤckens verbindet. 


Pig. VIII. Der Vordertheil des Ropfes vom Weibgen, nach der 
Vergroͤßerung. a 
die Erhoͤhungen oder einfachen Augen. 


die zuſammengeſetzten Augen, 
derſelben heller Umkreis. . 
die Fuͤhlhoͤrnerr. Mie ant: 210 5 
die kleinen Hörner, he And can tt 
derſelben Warzen. bend mas 
der Schnabel oder anfeheinende Orhf... 
„die vier Körper „welche nebſt dem Schnabel. den Mund aus; 
machen. n * 


= 


FF 


fr 


rig. IN. Ein erg en Sc ober Nutte wal fenen 
ſitzenden dreyen Kiefen. . 
a. die erſte Kiefe, welche meſſerartig und, blätkergleich iſt. a 
d die Faͤltgen der Kiefen. 
e, die hellen Roͤhrgen oder Federgen. e 
d. die zweyte Kleſe, wie fie, dem zweyten Glede anſizt und rund⸗ 
lich iſt. 
e. die dritte Kiefe, wie ſie dem dritten Gliede anfikt. 


} 
+ 


Fig. X. XI. Einige Schwanztinge des Maͤnngen, nach der Vergroͤſ⸗ 
ſerung. 
a. die kleine Hoblüng und die ae derſelben entſpringenden Ge⸗ 


faͤße. 8 
d. die zwey runden Huͤbelgen, in welchen das doppelte Geſchlechts⸗ 
glied verborgen iſt. 


c. und 


64 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


n . 


c. und d. das Geſchlechtsglied ſelbſt, wie es aus wey zarten Glie⸗ 
dern beſteht, und ſich, wenn das Thiergen mit dem Finger ge⸗ 
drückt wird, ſchief auf die Seite begiebt. 


XII. Eben dieſelben vergroͤßerten Ringe vom Weibgen. N 
a. die ringfoͤrmigen Schildgen oder Abſaͤtze, wie fie gegen den 
Bauch zu rundlich ſeyn. 
b. das Saͤckgen, oder die Gebaͤhrmutter, des Inſectes; da 


c. die Oeffnung deſſelben mit einem eee een ver⸗ 
ſehen, und das Saͤckgen 


d. mit Eyern angefuͤllet iſt. 
XIII. Die Eyer vom n ee „in ihrer natuͤrli⸗ 


chen Groͤße. 


XIV. Die Eyer nach der Vergroͤßerung 5 von ungleicher Geſtalt, 
verſchiedenen Falten und Ecken. 


XV. Eben dieſelben noch mehr vergrößert, um die Falten und 
Ecken deſto beſſer zu erkennen. N 


XVI. Die vergroͤßerten Haarroͤhrgen und Federgen, wisſie helle 
und glaͤnzend ſind. Sie ſind die wahren Werkzeuge des Othemho⸗ 
lens, und wie ſolche nicht nur um die Kiefen, ſondern auch um die 
Schwanzfloßfedern ſtehen. 


m. 


Der krebsartige Kiefenfuß 


mit der 


kurzen und langen Schwanzklappe. 


. 


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e 


unter mehrern Entdeckungen, die wir in der Naturkunde den 
Bemuͤhungen des jetzigen Jahrhunderts zu danken haben, vers 
„dienet insbeſondere auch dieſe angemerket zu werden, daß man 
dasjenige, was ſonſt für eine Seltenheit der entfernteſten Laͤn— 
der gehalten wurde, jetzt nicht weniger in unſerm Welttheile, und in uns 
fern Gegenden, beobachtet und entdecket hat. Wenn irgend ein Unter— 
ſcheid noch vorhanden iſt; ſo moͤgte ſolcher wohl nichts Weſentliches, ſon⸗ 
dern blos zufaͤllige Dinge, betreffen. 


Dieſes hat insbeſondere von den Inſecten ſeine Richtigkeit. 


So ſchoͤne Raupen, Kaͤfer, und Zweyfalter aus Surinam eine 
Merianin abgebildet und bekannt gemacht hat; ſo viele haben Herr von 
Beaumue in Frankreich, Herr von Geer in Schweden, und viele 
andere in Deutſchland, auch von unſerm Welttheile entdecket und bes 
ſchrieben; unter welchen einige theils in Anſehung der Groͤße, theils we— 
gen ſchoͤner Bildung und Farbe, den auslaͤndiſchen gewis nfchts nach—⸗ 
geben (). Hat man ſonſt die Vielfuͤße im Meere als die ſeltſamſten 
Geſchoͤpfe bewundert; fo kann man nunmehro ein gleiches denen Viel— 
fuͤßen nicht verſagen, welche man in ſuͤßen Waſſern gefunden hat. 
Ja, ſelbſt des Herrn Grafen von Marſigli See- und Corallenblus 
men kann man gegenwärtig die Blumenpolypen in unſern Gewaͤſſern 

2 entge⸗ 


(0) Siehe meine Abhandlung: Neuentdeckte Theile an Raupen und 
Sweyfaltern ꝛc. 


68 e ee 


entgegen ſetzen (). Ich gedenke in dieſen Blattern davon einen neuen 
Beweis zu geben. 


Der Molucciſche Seekrebs iſt bisher aller Bewunderung wuͤr⸗ 
dig geachtet, und in den Naturalien kammern unter die vorzuͤglichſte Sel⸗ 
tenheiten gerechnet, worden. Doch laſſen ſich faſt gleiche Gattungen ſol— 
cher Krebſe auch bey uns, und zwar in ſtehenden Waſſern, und truͤben 
Suͤmpfen, finden. Schon vor einigen Jahren habe ich ſolche auch in 
hieſiger Nachbarſchaft entdecket, und dieſe Entdeckung in meiner Abs 
handlung vom fiſchfoͤrmigen Riefenfuße Capus piſciformis) gemels 
det. Ich gab ihnen damals den Namen der krebsartigen Riefen- 
fuͤße (apus cancriformis); und ich werde ſolchen Namen auch in dieſer 
Schrift beybehalten. 


Zwar haben Herr Friſch in Berlin (**) , der berühmte Herr 
Klein in Danzig (1 und Herr Linnaͤus in Schweden (1) 
dieſen Waſſerthiergen einen andern Namen zugeeignet. Erſterer heißer 
fie den floßfuͤßigen Seewurm mit dem Schilde. Der Zweyte 
nennet fie, nach der deutſchen Ueberſetzung, den ſchaaligen Waſſer⸗ 
vielfuß (ſcopolendra aquatica feutata). Und der Dritte legt ihnen den 
Namen des doppelſchwaͤnzigen Einauges bey (monoculus cauda bi- 
ſeta). Allein ich habe, bey aller verdienten Hochachtung, die ich ſonſt 
für dieſe große Naturkuͤndiger hege, gleichwohl geglaubet, daß ich Urſa— 
che hatte von dieſen Benennungen abzugehen. Meine unpartheyiſchen 
Leſer moͤgen entſcheiden ob die Gruͤnde, welche ich dießfalls ſeiner Zeit 
davon anfuͤhren werde, zureichend ſind oder nicht. 


Doch 
(%) Siehe meine Abhandlung: Die Blumenpolypen in den füßen 
Waſſern um Regeneburg, 
(0 Beſchreibung von allerley Inſeeten in Teutſchland, Theil X. Seit. 1. 2. Tab. I. 
(***) Philoſophical- transactions. N. 447. p. 50. 
() Syſtema naturæ p. 68. n. Cll, 1. Fauna Suecica p. 344. n. 1151. 


ee N 6g 


Doch, es moͤgte mir dieſer neue Name von Manchen vieleicht noch 
eher, als dieſes, zu Gute gehalten werden, daß ich mir beygehen laſſe, 
von einem Inſecte etwas Beſonderes zu machen, und davon eine eigene 
Abhandlung zu ſchreiben, deſſen doch ſchon von erſtgemeldten ruhmvollen 
Maͤnnern ſey gedacht worden. Man ziehe aber zuvor jene Beſchreibun— 
gen zu Rathe, und vergleiche ſie mit derjenigen, ſo ich gegenwaͤrtig lie— 
fere; und uͤberlege dabey, wie viel beſſere Gelegenheit ich vor jenen Maͤn⸗ 
nern gehabt habe, dieſe Thiergen kennen zu lernen: ſo darf ich hoffen, 
man werde mir Gerechtigkeit widerfahren laſſen. bit 109 f 

Was Herrn Linnaͤus betrift, fo hat derſelbe, wie er ſelbſt geſte— 
het, keines dieſer Waſſerthiergen lebendig geſehen, ſondern es iſt ihm 
nur ein einziges von jemand anderem, und zwar trocken, gewieſen worden. 
Ich bin aber aus eigener Erfahrung uͤberzenget, wie wenig ſich an dieſen 
Thiergen in trockenem Zuſtande erkennen und abnehmen laͤſſet. Daher 
ſagt uns auch dieſer ſonſt ſcharfſichtige Naturkuͤndiger weiter nichts von 
dieſem Inſecte, als daß er auf Herrn Friſch verweiſet. Jedoch auch 
dieſer hat keinen Kiefenfuß lebendig gehabt; ſondern ebenfalls nur einen 
einzigen im Weingeiſte, nebſt einer guten Abzeichnung, vom Herrn Klein 
empfangen. Was Wunder, daß auch dieſer, ſo genau er ſonſt feine In⸗ 
fecten beſchreibet, nicht mehr von ihm ſagt, als was ſich auf einer Quart 
feite ſagen läßt. Herr Klein allein hätte, dem erſten Anſcheinen nach, 
eine eigentlichere Beſchreibung liefern koͤnnen; da ihm dieſe Geſchoͤpfe ie, 
bendig uͤberbracht worden find. Gleichwohl aber iſt auch feine Beſchrei— 
bung in den Engliſchen Abhandlungen, fo viel ich aus Herrn Bad⸗ 
dams gemachten Auszuge (Yerſehen kann, kuͤrzer ausgefallen, als man 
es ſonſt an dieſem vortreflichen Naturkenner gewohnt iſt; es ſey nun, daß 
ihm dieſe Thiergen nicht friſch genug, oder nicht in ſolcher Menge, zu 
Handen gekommen ſeyn, als zu dergleichen Verſuchen und Beobachtun⸗ 
gen erfordert werden. 

Nebſt dieſem wird ſich auch in der Folge meiner gegenwaͤrtigen Abs 
handlung zeigen, daß in vorgedachten Beſchreibungen manches an dieſen 

3 Ries 
( Abrigdement of the philoſophical - transactions. Tom. X. p. 340. 


70 f n 


Kiefenfuͤßen ganz anders geſehen worden iſt, als es fich in der Natur 
findet. Ja was das meiſte. Ich werde wirklich auch in dieſen Blaͤttern 
ganz etwas Neues vorzubringen wiſſen, naͤmlich eine ſolche neue Gat⸗ 
tung dieſer krebsartigen Riefenfüße, deren, fo viel ich weis, ganz 
und gar noch von keinem Schriftſteller gedacht iſt. ; 


Ich habe mir aber folgenden Plan bey diefer Abhandlung vorgeſchrie⸗ 
ben. Zuerſt will ich dieſe krebsartigen Riefenfüße nach ihren aͤuſ⸗ 
ſern, ſowohl natuͤrlichen, als vergroͤßerten, Theilen beſchreiben. Dieß 
iſt der erſte Abſchnitt. Sodann werde ich auf die innern Theile der, 
ſelben kommen, und ſolche ebenfalls nach der Natur und Vergroͤßerung 
anzeigen. Dazu iſt der zweyte Abſchnitt beſtimmet. Hierauf werde 
ich von ihrer Lebensart, Nahrung und Fortpflanzung zu reden 
haben. Solches iſt dem dritten Abſchnitte aufbehalten. Weiters wer⸗ 
de ich die Verſuche melden, welche ich mit dieſen Thiergen angeſtellet 
habe; wo zugleich eine Vergleichung derſelben mit dem Molucci⸗ 
ſchen Krebſe vorkommen ſoll. Solches wird im vierten Abſchnitte 
geſchehen. Endlich werde ich in dem fuͤnften Abſchnitte von der 
neuen und zweyten Gattung dieſer krebsartigen Riefenfüße hans 
deln, naͤmlich von denen mit der langen Schwanzklappe; worauf eine 
Rechtfertigung der neuen Benennung dieſer Waſſerthiergen, nebſt ver— 

ſchiedenen nuͤtzlichen Anmerkungen, dieſe Abhandlung beſchließen 
ſollen. 


Erſter 


ke e 7 
e. . e. we e e e Ze Ze e Ze Ze ze Ze Ze ze 


Erſter Abſchnitt. 


Von den aͤußern Theilen des krebsartigen 
Kiefenfußes. 


o viel und mancherley Inſecten auch immer in der Naturgeſchichte 
vorkommen, und zum Theile ſchon beſchrieben worden find; fo 
wird man doch vieleicht keines aufweiſen koͤnnen, welches, in Anſe⸗ 

hung der Vielheit ſeiner Glieder, mit demjenigen zu vergleichen waͤre, ſo in 
gegenwaͤrtigen Blaͤttern ſoll beſchrieben werden. Wenigſtens iſt mir keines 
von der Art noch je zu Geſichte gekommen, oder ſonſt bekannt geworden. 


Wenn ich an ſeinem Orte dieſe Glieder zaͤhlen, oder auch nur einen 
beyläufigen Ueberſchlag machen werde; fo wird ſich gar leicht ermeſſen 
laſſen, wie viele Gedult, wie viele langwuͤhrige und manchmal recht vers 
druͤßliche Muͤhe, ich mir habe geben muͤſſen, um mit der aͤußerlichen 
Beſchreibung derſelben zu Stande zu kommen; ja wie unermuͤdet ich noch 
viele andere dazugekommene Schwuͤrigkeiten zu überwinden gehabt habe. 
Ich kann dahero mit gutem Grunde hoffen, daß meine Leſer ſich um ſo 
weniger bey Durchleſung dieſer, obgleich trocknen, Beſchreibung werden 
ermuͤden laſſen. 


Um aber alles aus dem Wege zu räumen, was gleichwohl noch eis 
nige Verwirrung machen koͤnnte, ſo habe ich eines und das andere noch 
zum voraus zn erinnern. 


Es giebt, wie ſchon gedacht iſt, in unferer 9 Nachbarſchaft zwo Arten 
krebsartiger Kiefenfuͤße, die nur in einigen aͤußerlichen Stuͤcken von eins 
ander abgehen, uͤbrigens aber in allen Haupttheilen und Eigenſchaften 
einander vollkommen gleich befunden werden. Es wuͤrde alſo eine ſo uns 
noͤthige und uͤberfluͤßige, als, aus angefuͤhrten Urſachen, eckelhafte Weit— 

laͤuf⸗ 


72 W e e 


laͤuftigkeit ſeyn, wenn ich jede dieſer zwo Arten nach denenjenigen Be⸗ 
ſchaffenheiten beſonders beſchreiben wollte, welche ſie doch beyde miteinan⸗ 
der gemein haben. Ich will daher in dieſem erſten, und in den vier fols 
genden Abſchnitten nur allein diejenige Art zum Vorwurfe meiner Bes 
ſchreibung erwählen, welche ſchon bekannt iſt, und die auch ſonſt am häus 
figſten in hieſiger Gegend angetroffen wird. Sie unterſcheidet ſich von 
der zweyten, als der neuen, Art ſonderlich dadurch, daß ihr diejenige 
lange Schwanzklappe fehlet, womit jene verſehen iſt. Dieſe Art mit der 
kurzen Schwanzklappe mird man alſo allezeit zu verſtehen haben; ſo 
oft ich nicht ausdruͤcklich der zweyten Gattung namentlich gedenke. 


Ich muß weiters vorlaͤufig anmerken, daß auch dieſe Kiefenfuͤße 
mit der kurzen Schwanzklappe der Größe nach gar ſehr von einander uns 
terſchieden ſind; und daß ich mir dahero zu der Beſchreibung der aͤußern 
Theile die groͤßten ausgeſucht habe, ſo ich nur finden koͤnnen. Es wird 
folglich das Maaß, welches ich von ihren einzeln Theilen hie und da an— 
gebe, jedesmal von ſolchen verſtanden werden muͤſſen, die, von der ober⸗ 
ſten Rundung des Kopfes bis zum Aeußerſten der Schwanzklappe , we⸗ 
nigſtens drittehalb Pariſer Zoll in der Laͤnge haben. 


Ich komme zur Beſchreibung ſelbſt, und mache, nach dem angeseigs 
ten Plane, von den äußern Theilen den Anfang; und zwar, wie fie 
zuerſt das bloße Auge findet und beurtheilet. 


Der krebsartige Kiefenfuß mag auf dem Bauche (), oder auf 
dem Rücken (* im Waſſer ſchwimmen; fo erkennet man ſogleich, e 
es ein Geſchoͤpf von beſonderer Art iſt. 


Schwimmet er auf dem Bauche in der Hoͤhe, oder in ſehr ſeichtem 
Waſſer, ſo ſiehet man den groͤßten Theil ſeines eigentlichen Leibes mit ei⸗ 
nem langen hornartigen Schilde bedecket (*). Unter demſelben zeigen 
ſich oben, und zwar auf jeder Seite, links und rechts, drey ungleich lan⸗ 
(9 Tab. I. Fig. I. II. II. IV. CY Fig. IV. ( Fig. III. f. f. 


n 73 


ge krumm gebogene Borſten (); unten aber ein rundlicher und langer 
Körper, wie eine Art des Schwanzes, der aus lauter Ringen beſtehet (*, 
die mit Stacheln beſetzt find; der an den Seiten, bis gegen die Hälfte, 
eine doppelte Reihe ſich ſtets bewegender Blaͤttgen hat (***); und der 
ſich in zwo ſehr lange und gerad laufende borſtenaͤhnliche Spitzen endi— 
get (F), g 


Schwimmer der Riefenfug auf dem Ruͤcken (T); fo erblicket man 
ihn in einer ganz andern Geſtalt. Der Schild hat hier das Anſehen eis 
ner Muſchel, oder eines Kahnes; in welchem der Leib des Thiergens als 
ſo inne lieget, daß er die Seitenflaͤchen der Muſchel, oder des Kahnes, 
nicht ganz ausfuͤllet. Oben iſt ein flacher Theil, fo noch ein Stück des 
Schildes ausmachet, unter welchen ſich Etwas beſtaͤndig gegeneinander 
beweget (Tr). Die vorigen krummgebogenen Borften (FIT) erfchets 
nen hier auf zween eigenen Koͤrpern, die eine maͤßige Bewegung ma— 
chen. Vornaͤmlich aber, wird man an dem ganzen Thiergen innerhalb 
der Muſchel, oder des hohlen Schildes, eine ſolche ſchnelle wellenfoͤrmt— 
ge Bewegung gewiſſer Blaͤttgen gewahr, die wie ein Haufen fchäumens 
der und plattgedruckter Blaſen ausſehen. Und es iſt, ſo lang das Thier— 
gen im freyen ſchwimmet, ſchlechterdings unmoͤglich, auch nur zur geringe. 
ſten Erkennntniß zu bringen, von wem dieſe Bewegung entſtehe, und 
welche Werkzeuge es eigentlich ſeyn moͤgen, deren ſich das Thiergen da— 
bey bediene. Dieſe Bewegung erfolget vielmehr fo geſchwind und abwech⸗ 
ſelnd auf und hintereinander, daß ſich das Auge daruͤber verlieret, und 
weder Anfang noch Ende, geſchweige denn eine eigentliche Beſchaffen— 
heit bemerken kann. 


Wir werden alſo, um naͤher zum Zwecke zu kommen, das Thiergen 
außer dem Waſſer beleuchten muͤſſen. Wir wollen es zuerſt auf den Bauch 
legen, und alſo die obere Seite überfehen (J). 


Der krebsartige Kiefenfuß. K Hier 


(9 Tab. I. Fig. III. c. d. e. ( h. (9 g. g. (H k. k. (Th Fig. 
IV. (IT c. c. (TtT f) d. d. e. e, ff. (I) Fig. III. 


74 une 


Hier kommt ſogleich der Schild, als der größere Theil, zu beſichti— 
gen vor (). Er iſt feinem Umfange nach, und im Ganzen betrachtet, 
wie ſchon gemeldet iſt, eyrund. Die weiteſte Rundung zeiget ſich oben 
an dem Aeußerſten des Kopfes; in der Mitten aber der groͤßte Durch— 
meſſer; und wo die Breite unten in die kleinere eyfoͤrmige Rundung aus⸗ 
laufen ſollte, hat er einen Ausſchnitt, als wenn ein Dreyangel aus dem— 
ſelben geſchnitten waͤre. 


Seine Laͤnge und Breite habe ich an den groͤßten folgendergeſtalt ge— 
funden. Von oben bis zum Ausſchnitte war er 23 Zoll lang. Der groͤß⸗ 
te Durchmeſſer 12 Zoll. Eine jede Seite des Ausſchnittes 65 Linien lang; 
und die aͤußerſten Spitzen 9 Linien weit von einander entfernet. 


Die Farbe muß verſchieden angegeben werden. Die eigenthuͤmliche 
iſt ſchildkrotenartig, da die Grundfarbe hellgelb, dabey aber auf mancher— 
ley Weiſe mit mehr und weniger dunkelgelben und ſchwarzbraunen Flecken, 
als mit Wolken, ausgezieret iſt. Jedoch werden an verſchiedenen, ſonder— 
lich bald nach der Haͤutung, dieſe Schildkrotenflecken vermiſſet, und folg— 
lich der ganze Schild von einerley gelbbraunen und halbdurchſichtigen Far— 
be gefunden. Ich nenne dieſe beyden Farben die eigenthuͤmliche, weil ſich 
eine von beyden an allen findet, und alſo auch bey denenjenigen endlich 
zum Vorſcheine kommt, und als die letzte unveraͤnderlich bleibet, welche 
anfangs anderer Farbe zu ſeyn ſcheinen. 


Außer dieſer itztangezeigten eigenthuͤmlichen Farbe des Schildes, giebt 
es zu Zeiten auch einige von grüner (*), und ſchlammgrauer Farbe (***), 
Allein man kann gar leicht erkennen, daß dieſe fremd, zufällig und vers 
aͤnderlich iſt. Man darf nur dergleichen gefaͤrbte Schilde einigemal mit 
reinem Waſſer abwaſchen, ſo verlieret ſich alles grüne und ſchlammgraue, 
und kommt an deſſen ſtaͤtt die eigenthuͤmliche ſchildkrotenartige oder braun 
gelbe zum Vorſcheine. Letztere laͤſſet ſich alsdenn durch kein weiteres, 
auch noch ſo langes, Waſchen und Reinigen mehr abaͤndern. Woraus 

man 


© Tab. I. Fig. III. f. (9 Fig. VI. (Y Fig. I. 


un N 75 


man erſiehet, daß dieſe gruͤne oder ſchlammgraue Farbe nur daher muß 
entſtanden ſeyn, weil ſich dieſe Thiergen in einem gruͤulichen oder allzu— 
ſchlammigen Waſſer aufgehalten haben. 


Was den eigentlichen Bau und die Geſtalt des Schildes ſelbſt an» 
langet, ſo hat er uͤberhaupt mit dem Schilde, oder der Naſe, der Kreb— 
ſe eine ziemliche Aehnlichkeit; wenigſtens glaube ich Grund zu haben ihn 
damit zu vergleichen. 


An ſich betrachtet iſt er eine hornartige Haut, glaͤnzend, und laͤßt 
ſich biegen; nimt aber, wenn man ihm Gewalt angethan hat, gleich dar— 
auf wieder ſeine vorige Geſtalt und Richtung an, und hat alſo eine Fe— 
derkraft in ſich. Er ſitzet an einem kleinen Theile des Leibes feſt, und iſt 
außer dem vollkommen frey; ſo daß ihn das Thiergen, durch Beugung 
des Kopfes und des Ruͤckens, wo er angewachſen iſt, etwas aufheben; 
aber auch nach Willkuͤhr, wenn es ſich gerad ausſtrecket, ziemlich genau 
wieder anſchließen kaun. Im Ganten betrachtet, fieher er einem Holaͤn— 
diſchen Boote gleich; daher auch das Thiergen im Stande iſt auf dems 
ſelben zu ſchwimmen, da alsdenn der Schwanz das Steuerruder vertritt. 


Die Oberflaͤche des Schildes iſt eine faſt unmerkliche Woͤlbung, die 
aber in der Mitten von einer ſcharfen Rippe unterbrochen wird, und wel— 
che dem Giebel eines flachen Daches ſehr gleich kommt. Sie nimt da, 
wo der hintere Ausſchnitt einen ſpitzigen Winkel macht, ihren Anfang, 
und iſt daſelbſt am erhabenſten und merklichſten von den Seitenwaͤnden 
des Schildes abgeſondert. Von da läuft fie bey nahe drey Viertheile des 
Schildes aufwaͤrts, wendet ſich aber alsdenn in einem Bogen links und 
rechts auf die Seite, und verlieret ſich endlich ganz ſcharf in dem Seiten, 
rande des Schildes ſelbſt; und wird von ihrem erhabenſten Anfang bis an 
ihr unmerkliches Ende immer ſeichter und flacher. 


Von dieſer Rippe bekommt der Schild eine gedoppelte Geſtalt. Dle 
ſcharfe und erhabene Linie der Rippe macht ihn in der Mitten dachfoͤr— 


mig, und theilt ihn damit zugleich, der Laͤnge nach, in zwo gleiche Sch 
K 2 ten⸗ 


76 we 


tentpaͤnde. Der runde Bogen aber, den fie oben macht, ſondert das 
ganze obere Viertheil des Schildes von den Seitenwaͤnden dergeſtalt ab, 
daß es die Geſtalt eines umgekehrten halben Mondes empfaͤhet, der, 
wenn es ſich fo ſagen laͤßt, in der Mitte eine ſtarke Naſe hat, und deſſen 
Krümmung gegen die Rippe des Schildes ſiehet. Dieſer halbmondfoͤrmi⸗ 
ge Abſchnitt, worinn der Kopf des Thieres liegt, iſt auch die einzige Ge⸗ 
gend, wo man auf dem Schilde, oder beffer unter demſelben, etwas Des 
ſonders anmerket. ; 


Es find ſolches drey ſichtbargroße Erhöhungen (), die zuſammen 
von einem ſchmalen roͤthlichen Umriſſe eingeſchloſſen find, und welches 
Herrn Kinnäus mag Anlaß gegeben haben, dieſen Thiergen ein, aus 
drey Augen zuſammengeſetztes, Auge bepanlegen. Zwo dieſer Erhoͤhun⸗ 
gen find ungleich größer (**), als die dritte (***). Sie ſtehen oben, 
gegen den Umkreis des Schildes, ganz nahe beyeinander, gehen alsdenn 
ſchief auf die Seite, und machen unten den groͤßten Zwiſchenraum. Sie 
haben eine Nierengeſtalt (5), und ihre Farbe iſt, wie fie ſich durch die 
Hornhaut des Schildes zeiget, ſchwarzblan. Die dritte Erhöhung (FY) 
iſt ein kleines rundes Knoͤpfgen, welches weislich und glaͤnzend ausſiehet, 
jedoch allezeit in der Mitten einen ſtarken dunkeln und ganz undurchſich⸗ 
tigen Punkt oder Flecken hat. 


Der untere dreyangelaͤhnliche Ausſchnitt des Schildes iſt an den in⸗ 
nern Seiten etwas gewoͤlbet, welches ihm die Geſtalt eines ſehr kurzen 
und etwas weit ausgeſpannten Taſtercirkels gtebt. Dieſe innern Seiten 
ſind mit lauter zahnartigen Stacheln beſetzt, wovon die in der Mitten, 
und die letzte auf jeder Seite, als die ſtaͤrkſten und groͤßten bemerket werden. 


Oben, wie fehon gemeldet if, ragen unter dem Schilde drey Bor⸗ 
ſten hervor (Tl), welche rundlich, dunkelbraun, und hornartig wie der 
Schild; im Angreifen aber viel haͤrter und ſtaͤrker, doch bey alle dem, im 
Ganzen betrachtet, noch immer biegſam und beweglich genug find. 

Gleich⸗ 
() Tab. I. Fig. III. a. a, b. G) a, a. ( b. (f) a. a. (F) b. 
MD c. d. e, 


r 2 77 


Gleichwie an jeder Seite drey ſolche Borſten gefunden werden, al 
‚fo find fie, gegen einander betrachtet, an Größe und Richtung verſchie, 
den. Die oberſte (Y) iſt die kleineſte, ohngefaͤhr einen Zoll lang; und 
ſtehet in einem geringen Bogen aufwaͤrts. Die zweyte und mittlere (**) 
iſt um ein Drtttheil länger, macht einen größern Bogen, und neiger ſich 
mehr unterwaͤrts. Die dritte iſt die laͤngſte (*), und oft zween Zoll 
lang; ſie ſteiget in einem geringen Bogen dergeſtalt neben dem Schilde 
abwärts, daß fie demſelben oben ſchaͤrf anſchlieſet, und nur unten in eis 
ner gewiſſen Weite von ihm abſtehet. Dieſe Richtung iſt jedoch niche 
beſtaͤndig, ſondern nur alsdenn jedesmal ſichtbar, wenn das Thiergen in 
der Ruhe oder todt iſt. Im Schwimmen aber, und ſo lang es lebt, haben 
dieſe Borſten eine abwechſelnde Richtung, weil ſie, wie hernach vorkom— 
men wird, dem Thiergen zum Ruder dienen, und aus lauter Ringen bes 
ſtehen; folglich nach Willkuͤhr fo, oder anders, koͤnnen beweget und ge— 
richtet werden. 


Der unter dem Schilde, und deſſen hintern Ausſchnitte, hervorras 
gende Körper (1) iſt ſowohl ein Theil des Leibes, als der eigentliche 
Schwanz des Thiergens. Er iſt rund und lauft nur gegen das Ende im⸗ 
mer ſpitziger aus. So, wie er hier auf der obern Seite zu erkennen iſt, 
beſteht er aus lauter ringfoͤrmigen Einſchnitten, davon die erſten am breis 
teſten, die übrigen aber nach und nach immer kleiner werden. Sie haͤn— 
gen durch Zwifchenhaͤute zuſammen, koͤnnen ſich mithin auseinander be— 
geben und wieder zuſammenziehen, und machen alſo den ganzen Koͤrper 
beweglich; ſind hornartig, und wie die Borſten, braun; fallen, jedoch 
oͤfters ins ſchmutziggruͤne. Jeder Ring iſt mit einigen, aufliegenden und 
nach hinten zugekehrten, ſcharfen Stacheln beſetzt; die aber fo regelmaͤſ— 
ſig eben nicht neben und hintereinander ſtehen. 


Der letzte Ring (FF) iſt doppelt groͤßer, als der unmittelbar vorher— 
gehende, auch mehr zuſammengedruͤcket, als die vorigen. Er wird durch 
drey Erhoͤhungen in ſo viele Theile abgeſchnitten, die man zuſammenge, 

K 3 nom⸗ 
Tab. I. Fig. III. e. e. () d. d. () e. e, (Dh CHii 


78 n 2 


nommen die Schwanzklappe nennen koͤnnte. Weil dieſe Schwanz 
klappe bey der bekannten und erſtern Gattung der Kiefenfuͤße ganz kurz, 
und wie abgeſtutzt iſt, ſo wird ſie, zum Unterſcheide, die kurze Schwanz⸗ 
klappe heißen muͤſſen. Es find indeſſen alle drey Theile dieſer Schwanz 
klappe mit Stachelſpitzen beſetzet, davon die, ſo an den aͤußerſten Seiten 
fich befinden, die größten und ſtaͤrkſten find. Unter der mittlern Erhoͤ— 
hung iſt eine ſichtbare Oeffnung, aus welcher von Zeit zu Zeit der Un⸗ 
rath ausgeſtoſſen (), und damit deutlich genug angezeiget wird, daß fols 
che nichts anders als die Afteroͤffnung ſeyn kann. In die kepden Seiten⸗ 
erhoͤhungen aber ſind ein Paar andere lange Borſten eingegliedert, die 
mit den beyden Fuͤhlhoͤrnern der Krebſe eine vollkommene Aehnlichkeit ha⸗ 
ben (5%. Sie ſehen ganz braun aus; beſtehen aus faſt unzaͤhlbaren zar⸗ 
ten Ringen; und haben oft über zween Zoll in der Laͤnge. Sie find rund, 
und gehen insgemein, ohne alle Kruͤmmung, in gerader Richtung fort. 
Oben, wo fie der Schwanzklappe anſitzen, find fie am dickeſten, werden 
aber von da immer ſchmaͤler, und verlieren ſich endlich in eine ſehr zarte 
Haarſpitze. Gegen einander betrachtet, ſtehen fie oben fo genau zuſam— 
men, als es die mittlere Erhoͤhung, und der dazwiſchen liegende After, 
zulaͤßt, alsdenn aber laufen fie immer mehr und mehr ſeitwaͤrts, fo daß 
ſie zuletzt am ſchiefſten und weiteſten von einander abſtehen. Jedoch iſt 
auch dieſe Richtung veraͤnderlich; indem das Thiergen dieſen Schwanzbor— 
ſten, vermoͤge ihres geringelten Baues, eine ſelbſtbeliebige Stellung ges 
ben, ſie naͤher zuſammenbringen, ja 1 legen und verwickeln 
kann (“). 


Ohngefaͤhr bis auf die Haͤlfte dieſes hervorragenden Schwanzes, 
von dem Schildausſchnitte an gerechnet, ſiehet man an den Seiten eine 
doppelte Reihe rothſcheinender zarten Blaͤttgen liegen (T); und um wel⸗ 
cher willen ich dieſen obern Theil nicht ſowohl zum Schwanze, als viel— 
mehr zum Leibe, des Thiergens rechne, wie es ſich bald mit Mehrerm zei— 
gen wird. Dieſe Blaͤttgen ſind, ſo lange das Thiergen lebt, in einer 
unausgefesten ſchnellen wellenfoͤrmigen Bewegung, die dem Auge zwar 

anges 
Tab. I. Fig. III. I. () k. k. ( Fig: I. VI. (CD Fig. IV. g. g. 


ln Ne. 79 


angenehm, aber nicht lang ertraͤglich iſt. Man findet ſie oben, wo ſie 
unter dem Ausſchnitte anfangen, am groͤßten, nehmen aber glsdenn an 
Groͤße ab, und verlieren ſich gegen den ſiebenden Ring, von unten an 
gerechnet, in einen unſichtbaren Punct. Ihre Lage iſt, uberhaupt ges 
nommen, ſo beſchaffen, daß ſie juſt die kleinere hintere eyfoͤrmige Runs 
dung, die an dem Schilde fehlet, erſetzen und ausfuͤllen; und dadurch 
ſich das Thiergen im Schwimmen, wie wir unten zeigen werden, we— 
nigſtens in gerader Stellung zu erhalten geſchickt iſt. 


Da, wie ich gemeldet habe, der Schild dem Thiergen nur oben et— 
was weniges angewachſen iſt, ſonſt aber ganz frey uͤber demſelben her— 
liegt; ſo iſt es eine leichte Sache, ſolchen in die Hoͤhe zu heben, und auf— 
waͤrts zu ſchlagen (). Man ſiehet alsdenn zuerſt die eigentliche Gegend, 
wo dieſer Schild angewachſen iſt, naͤmlich an dem erſten Ringe des Lei— 
bes, und auch da nur in der Mitten. Seine innere Flaͤche iſt nach 
Maaßgabe der obern Woͤlbung natuͤrlicher Weiſe hohl. In der Mitten 
iſt, die ganze Laͤnge hinunter, eine ſcharf vertiefte Rinne oder Furche, die 
von der obern dachfoͤrmigen Rippe, oder dem Giebel, herkommt, und 
welche die gegenwaͤrtige Unterflaͤche ebenfalls in zwey gleiche Seitenſtuͤcke 
abtheilet. Der nunmehr oben ſtehende taſteraͤhnliche Ausſchnitt des 
Schildes iſt hier am ſichtbarſten, und ein gutes Auge kann in dieſer La— 
ge die innwendigen zahnartigen Spitzen leicht abzaͤhlen. Es ſind deren 
in alem gegen dreyßig, jedoch bald mehrere, bald wenigere, und ſehr 
ſelten auf jeder Seite gleich viel. 


Das vornehmſte aber, ſo an der Unterflaͤche dieſes umgekehrten und 
anfgeſchlagenen Schildes zu bemerken iſt, betrift zween, etwas breite, 
rothgeſtreifte, und oben rundlich zulaufende, Flecken (**). Auf jeder 
Seite ſiehet man einen. Jeder iſt unten am breiteſten, wird alsdenn un⸗ 
merklich ſchmaͤler, macht gegen die Mitte, nach innen zu, eine hohle 
Krümmung, hoͤret ungetehr da auf, wo er einen Drittheil des Schildes 
über ſich leer laßt; und iſt faſt einen Zoll lang und gegen fünf Linien 

breit 


Tab. I. Fig. V. a. a. ( b. b. 


80 a we 


breit. Betrachtet man fie gegeneinander, fo machen fie ein V aus, defs 
fen beyde Seiten etwas nach innen gebogen find, und deſſen oberſtes Ens 
de den äußern Spitzen des Ausſchnittes gegenüber ſtehet. 


Sicher man dieſe Flecken genau an, fo find fie aus mehr andern nes 
beneinander ſtehenden, und in gleicher Weite miteinander fortlaufenden, 
erhabenen Linien, welche Roͤhrgen zu ſeyn ſcheinen, zuſammengeſetzet; 
und zwar ſo, daß jedes Roͤhrgen nicht ſowohl gleich weit ausgedehnt, als 
vielmehr abwechſelnd bald weiter, bald enger, zu ſeyn ſcheint, gleich als 
wenn es in Falten geleget wäre. Man wird einen roͤthlichen Saft 
innerhalb einem jeden Roͤhrgen gewahr, der auch zu Zeiten, entweder 
von ſelbſt, oder wenn der Schild um dieſe Gegend, oder der Leib, ges 
druckt wird, auf und niederſteiget. Uebrigens iſt die Farbe der Unter⸗ 
fläche dieſes Schildes hellbrauner, als die Oberflaͤche; fo wie fie auch, von 
feinerer Hornhaut, ja mehr haͤutig, als hornartig, zu ſeyn ſcheinet. 


Wo der Schild anſitzt oder aufhoͤret, faͤngt ſich unter demſelben der 
eigentliche Leib des Thiergens an, welchen wir, weil wir oben nur 
deſſen, unter dem Schilde hervorragenden, Theil beſchrieben haben, eben— 
falls genauer anſehen muͤſſen. Er beſtehet aus einer Menge ringartiger 
Einſchnitte, die hier oben, den Ruͤcken ausmachen und in einer geringen 
Kruͤmmung Laͤngs hinunter in einem fortlaufen. Man zaͤhlet derſelben 
ohngefaͤhr dreyßig, den Schwanz mitgerechnet. Die erſtern find am 
breiteſten, die folgenden aber werden immer kleiner, und die letztern ſind 
kaum ein Drittheil mehr ſo breit, als die oberſten. Die zehn erſtern ſind 
halbrund, haben an den Seiten einen aus der Tiefe etwas erhabenen Ans 
ſatz, wie ein Knoͤtgen; und laufen gegen den Schwanz immer dünner zu. 
Alsdenn folgen zween oder drey, an denen dieſer knotige Anſatz nicht ſo 
merklich iſt. Und dieſe dreyzehn oder vierzehn erſtern Ringe, ſind alle 
von haͤutigem Stoffe, dabey ſehr zart und faſt durchſichtig, auch glatt, 
glänzend, und von allen Stachelſpitzen befreyet. Die uͤbrigen Ringe aber 
werden nach und nach immer ſtaͤrker, hornartiger, undurchſichtiger und 
da, wo keine Blaͤttgen anſizen, wie ich oben bey Beſchreibung des 

g Schwan⸗ 


na 81 


Schwanzes ſchon gedacht habe, ſtatt halbrund, ganz rund. Einige dies 
ſer hornartigen Ringe ſind noch unter dem Schilde mit einzeln und zarten 
Stachelſpitzen beſetzet; am haͤufigſten und ſtaͤrkſten aber findet man ſie 
an denen, welche von dem Schilde nie bedecket werden. 


Endlich liegen auf beyden Seiten dieſes langen, runden und geglie— 
derten Leibes längs hinunter, neben und hintereinander, bis auf die letz 
ten fuͤnf oder ſechs Ringe, eine doppelte Reihe eyrunder, aufgeblaſener 
und roͤthlicher Saͤckgen oder Beutelgen, davon die obern die groͤßten, 
die uͤbrigen aber nach und nach ſo abnehmen, daß die letztern wie ein 
Puͤnctgen ſcheinen; und davon, ordentlicher Weiſe, der groͤßte Theil von 
dem Schilde bedecket folglich, unſichtbar wird. Neben dieſen Beutelgen, 
nach außen zu, fieher man eine Reihe dererjenigen rothſcheinenden Blaͤtt— 
gen, deren einige wir ſchon unter dem Schilde haben hervorragen geſe— 
hen. Sie fangen ſich hier ganz oben an, und ſind ebenfalls, wie die Beu— 
telgen, vom Anfange am groͤßten, werden aber immer kleiner und zuletzt un— 
ſichtbar. In der Mitten derſelben befindet ſich ein einzelnes und beſonders 
gebildetes Blaͤttgen (*). Es ſiehet rothpunctirt aus, und unterſcheidet 
ſich noch außer dem durch feine Rundung von allen andern , indem die, 
fo ober demſelben liegen, laͤnglichrund, und die, fo unter demſelben anſi⸗ 
tzen, ungleich kleiner ſind, bis die letztern abermals dem Geſichte bey nahe 
voͤllig entgehen. 


Dieß iſt die aͤußere Geſtalt unſers Riefenfußes, nach dem bloßen 
Auge, und von der obern oder Ruͤckenſeite betrachtet. Wir wollen nun 
auch die untere Geſtalt des Bauches anſehen, und ihn zu dieſer Aich; 
auf den Rücken legen (**). 


Hier liegt das Thiergen in ſeinem Schilde, wie in einer Muſchel, 
oder wie in einer der Lange nach zerſchnittenen Eyerſchaale; nur daß uns 
ten ein Theil des Leibes mit ſeinem Blaͤttgen, und der Schwanz, noch 
drüber hinausgehet. | 

Der krebsartige Riefenfuß. £ Der 


(*) Tab. J. Fig. V. d. d. (**) Fig. IV. 


82 n 


Der Schild ſelbſt hat auch hier auf der untern, wie auf der obern, 
Seite einen halbmondfoͤrmigen Abſchnitt; doch mit dem Unterſcheide, daß, 
an die Stelle der ſpitzigen Naſe des erſtern, welche bey Entſtehung der 
beyden obern Bogen von der dachfoͤrmigen Rippe gebildet wurde, an die⸗ 
ſem in der Mitten ein halbrunder, tiefer, doch enger, Ausſchnitt erſchei— 
net, welcher gar bald zwo halbrunde Hervorragungen macht, und ſodann 
in einer einwaͤrtsgehenden Rundung bis in den Rand des Schildes auss 
laͤuft. Dieſer untere Kopftheil, iſt nicht wie der obere gewoͤlbet, ſondern 
ganz flach und plattgedruckt. Vornaͤmlich kann man auf dieſer Bauch⸗ 
ſeite gar deutlich erkennen, wie beyde Theile ſich mit einander vereinigen, 
und ſich in eine obere und untere Fläche abrheilen, unter den mondfoͤr⸗ 
migen Abſchnitten aber am dickſten werden. Es iſt gar ſichtbar, wie die 
zween obern Bogen, in welche ſich die mittlere dachfoͤrmige Rippe auf 
dem Ruͤcken endigte, mit den itzigen zween untern Bogen, welche die eins. 
waͤrtsgehende Rundung hervorbringen, Verwandtſchaft haben, und daß 
die beyden halbmondfoͤrmigen Kopftheile, wie fie an der aͤußerſten Run⸗ 
dung aneinander gewachſen ſind, hingegen hierunten an ihrer einwaͤrts 
gehenden Rundung ſich am weiteſten öffnen und von einander ſtehen. 


In der Mitten dieſes halbmondfoͤrmigen Kopftheils, gerad dem mitt⸗ 
lern Einſchnitte gegen uͤber, ſiehet man eine etwas laͤngere, als breite, 
Klappe (“) angewachſen, welche gewoͤlbet, unten abgeſchnitten, um und 
um wie mit einem ſchmalen Rande oder Saume eingefaßt, von gelbbrau, 
ner Farbe, und eben ſo hornartig, als der Schild, doch aber beweglich, iſt. 


Dieſe Klappe hat auf jeder Seite ein Paar andere Koͤrper, wie zwo 
rundliche Kugeln, neben ſich liegen (**), und welche von ahr alſo bedes 
cket werden, daß man nur die Hintertheile davon gewahr wird. Sie find 
in beſtaͤndiger Bewegung gegen einander, und viel hornartiger, als die 
darüber liegende Klappe. Hebet man aber dieſe in die Hoͤhe, fo wird man 
nicht nur gewahr, wie ſie ſelbſt unten hohl, inwendig weißlich und mit 
einer ſehr zarten faltigen Haut uͤberzogen iſt, an welcher unten das Maͤus⸗ 

lein, 
( Tab. I. Fig. IV. b. C c. c. 


ce 85 


lein, ſo ſolches aufhebet, und wie ein ausgeſtopfter Polſter ausſiehet, fich 
befindet; ſondern man ſiehet auch wie jeder dieſer Seitenkoͤrper vorn breit 
und platt gedruckt, und an dem aͤußerſten Ende, wie eine Saͤge, mit 
lauter Zähnen verſehen iſt. Ja man findet, daß unter dieſen kugelarti⸗ 
gen Koͤrpern auf jeder Seite noch zween andere kleinere und breite Lappen 
von naͤmlicher braunen Farbe vorhanden find. Nimmt man dies zuſam⸗ 
men, fo wird man ſich nicht irren, wenn man dieſe Koͤrper für das ei⸗— 
gentliche Gebiß des Thiergens annehmen wollte; davon die Klappe, die Ober⸗ 
lippe; die rundlichen Körper die Zähne; und die breiten Lappen die 
Unterlippen ſeyn moͤgten. 


Endlich ſiehet man über den runden Körpern oder Zähnen, auf jeder 
Seite ein zartes, breitgedrücktes weißes und durchſichtiges Koͤlbgen. Bey⸗ 
de kommen unter den mondfoͤrmigen beſchriebenen Bogen hervor, undfes 
hen, wie zween krumme Gartenmeſſer, mit ihren obern Spitzen gegens 
einander, bewegen ſich auch auf gleiche Weiſe. 


Das Ulebrige des Thiergens, fo viel hier auf dem Bauche ſichtbar 
iſt, ſtellet einen Haufen gegltederter Rippen vor, deren Aeußerſtes von 
verſchiedenen, anfangs neben her, nach und nach aber völlig uͤbereinan⸗ 
der, liegenden Blaͤttgen bedecket wird. 


Das erſte Paar dieſer anſcheinenden Rippen iſt vor allen am deut, 
lichſten zu erkennen, indem ſie voͤllig frey und unbedeckt daliegen (). Man 
ſiehet gar bald, daß fie eine Art eigentlicher Füße find. Jeder ſcheinet 
dreymal gegliedert zu ſeyn. Das letzte und aͤußerſte Gelenke iſt am ſtaͤrkſten 
plattgedruckt, da hingegen die andern mehr rund befunden werden. Es ers 
ſtrecket ſich ſolches bis zum Umfange des Schildes, wie ihm denn auch die 
ſchon beſchriebenen ungleich langen Borſten einverleibet ſind. Die klei— 
nere ſtehet oben, die zwo laͤngern aber an dem aͤußerſten Rande. 


Was auf dieſes Paar der eigentlichen Fuͤße folget, ſiehet, wie ich ſchon 
gedacht habe, ebenfalls mehr Rippen, als Fuͤßen, gleich. Es find ih— 
92 rer 
Tab. I Fi IV. d. d. e. e, f. f. N 


84 W + 22 


rer auf jeder Seite gleich viel, auch, fo weit man fie hier fehen kann, wie 
die erſtern eigentlichen Fuͤße, dreymal gegliedert; nur daß fie vom Ans 
fange an immer kuͤrzer werden, folglich zuſammengenommen bis dahin, 
wo ſie zu verſchwinden ſcheinen, und von den daruͤber fallenden Blaͤttgen 
bedecket werden, einem umgekehrten Driangel gleichen, oder dem innern 
Theile des Leibes eine herzfoͤrmige Geſtalt geben Man koͤnnte ſie mit ei— 
nem uͤberſchnuͤrten Weiberlatze vergleichen; indem die ſich immer verkuͤr⸗ 
zenden Glieder eine ſolche ſchraͤglaufende Linie ausmachen, die ſich zuletzt 
in einen Punct endiget. Dieſe ſcheinbare Rippen ſtehen in der Mitten 
etwas voneinander ab, und laſſen alſo den ganzen Leib hinunter einen ties 
fen rinnenaͤhnlichen leeren Zwiſchenraum. 0 


Neben dieſen vermeintlichen Rippen befindet ſich hier am ordentlich⸗ 
ſten diejenige doppelte Reihe von Blaͤttgen, deren ſchon im vorhergehen— 
den etwas gedacht iſt. Im Anfange liegen ſie ganz weit nach außen zu, 
laufen aber immer ſchraͤger und breiter einwaͤrts, bis endlich die innerſten 
gegen die Mitte des Leibes einander faſt gar berühren. Die innere und 
aͤußere Reihe theilet ſich dem Anſehen nach in zwo Hauptgattungen. Die 
Blaͤttgen der innern Reihe ſind bis gegen die Mitte des Leibes ſpitzig, wer⸗ 
den aber von da an rundlich und dergeſtalt nach und nach immer kleiner, 
daß fie ſich zuletzt in eine kaum ſichtbare runde Spitze endigen. Die Blaͤtt— 
gen der aͤußern Reihe aber ſind, bis zu den ſchon gemeldten rothpunctir⸗ 
ten Blaͤttgen (), laͤnglichrund, und nehmen von oben herunter fort 
und fort an Groͤße zu; ſodann werden fie, von dem rothpunctirten Blaͤtt⸗ 
gen an, auf einmal kleiner, eckig, und laufen zuletzt ebenfalls, wie die 
innern, in einen Punct aus. f 


Will man dieſe anfcheinenden Rippen, mit den neben ihnen liegen— 
den Blaͤttgen, näher kennen lernen, fo muß man mit einer langen Stecke— 
nadel jede Rippe, nebſt den anliegenden Blaͤttgen, in die Hoͤhe heben und 
einzeln auseinander breiten. 

Man 
2 Tab. J. Fig. 1870 8 · g · — 3 


IE ee 85 


Man ſießet alsdenn gar bald, daß dieſe vermeintlichen Rippen, mit 
ihren Blaͤttgen, ebenfalls eine [Art ganz beſonders gebauter Füße find (*), 
die aus runden und hornartigen Gliedern (**), aus haͤutigen Blaͤtt⸗ 
gen (***) und Beutelgen (**) zuſammengeſetzt find. Die vorderſten 
Gelenke endigen ſich meiſtens in eine krebsartige Scheere (f); und das 
hintere Blaͤttgen macht ein ziemliches Dreyeck aus (P). Nebſt dem, fies 
het man, wenn der Fuß aufgehoben wird, unten (Err), wenn er aber 
ordentlicher Weiſe abwaͤrts haͤnget, nach innen zu (Y) drey andere kleine 
ſpitzige Blaͤttgen; und wozu man noch das hintere rundliche, als das vierte 
rechnen koͤnnte (LL). Alle dieſe kleinen, ſpitzigen und rundlichen Blaͤtt— 
gen ſowohl, als die krebsartigen Scheeren und hintern dreyecktgen groͤ— 

‚Bern Blaͤttgen, find mit lauter zarten Haͤrgen bewachſen und eingefaßt. 


Kkaͤſſet man diefe Füße von ſelbſt in ihre eigentliche Lage zuruͤckfallen, 
ſo begreift man ohne Muͤhe, was die vorigen zwo Reihen Blaͤttgen, laͤngſt 
dem Leibe hinunter, verurfacher hat; naͤmlich, daß die innere Reihe von 
den krebsartigen Scheeren, die aͤußere aber von dem worderfken Theile der 
dreyeckigen groͤßern Blaͤttgen entſtanden ſey. 


Will man die ſe Füße abzaͤhlen, ſo wird man bis gegen die Haͤlfte da⸗ 
mit ziemlich fortkommen, und deren bis dahin ohngefaͤhr zwoͤlfe zaͤhlen; 
wenn man aber zweymal zwoͤlfe muͤhſam wird abgezaͤhlet haben, ſo wird 
es kaum moͤglich ſeyn, weiter fortzukommen. Man wird es bey einem 
ohngefaͤhren Uleberſchlage bewenden laſſen, und ſagen muͤſſen daß dieſer 
Fuͤße in allem ohngefehr ſechzig Paar, wo nicht gar darüber, ſeyn moͤgen. 


5 3 5 Schnei⸗ 

CH Tab. II. Fig. VI NIX #9) Fig. VI. ee. "Cr d. d. Cee) ele. 

VIII. VIII. f. () Fig. VI XVI. a. (TT) Fig. VI. d. d. VII. 

VIII. e. e. (TTT) Fig. XII- XIII. b. e. d. (J) Fig. VI. c. e. (J) 
Fig. VII. VIII. d. X XIV. E. 


86 u 2 


Schneidet man jeden diefer Füße, nebſt dem Ringe, welchem fie ans 
ſitzen, beſonders ab (*), und ſiehet fie alsdenn einzeln und gegeneinander 
an; ſo bemerket man gar bald, daß ſie in allen ihren einzelnen Theilen 
einander nicht ganz gleich find; ſondern bald mehr, bald weniger, merk 
lich voneinander abgehen. Weil es aber gar zu weitlaͤuftig und zum Theis 
le eckelhaft werden moͤgte, wenn ich ein jedes Paar Fuͤße beſonders bes 
ſchreiben wollte; fo werde ich nur diejenigen herausnehmen, wo die Abs 
änderung am ſichtbarſten und ftärfften iſt. Und es wird alſo eine Anzei⸗ 
ge ſeyn, daß diejenigen, von welchen ich nichts gedenke, von denen, ſo 
ich beſchreibe, nur bloß in einem unmerklichen Grade unterſchieden ſind. 


Was das erſte Paar der Füße anlanget, fo gehen ſie, wie zum Theis 
le ſchon bemerket worden ifl, am allermeiſten ſowohl in ihrem Baue, als 
nach ihrer Größe, und in Anſehung ihres Gebrauches, von allen Übrigen 
ab. Endigen ſich die andern in krebsartige Scheeren, ſo laufen dieſe in 
drey ſchon mehrgedachte krummen Borſten aus (*). Liegen und bewe— 
gen ſich die andern beſtaͤndig übereinander nach innen zu; ſo ſtehen dieſe 
mehr frey und nach außen zu; fie haben keine folche beftändige Bewegung, 
wie die andern, ſondern eine ganz eigene und die zu ganz andern Abſichten 
gehoͤret; ſind auch viel hornartiger und ſteifer. Werden die andern von 
dem Ruckenſchilde bedecket, diejenigen ausgenommen, die unter dem Aus, 
ſchnitte hervorſtehen; fo ragen dieſe allezeit darüber hinaus. Alles alſo, 
was dieſes erſte Paar Füße mit den folgenden gemein hat, beſteht darinn, 
daß ſie dreymal gegliedert ſeyn und daß jeder mit einem dreyeckigen Blaͤtt⸗ 
gen und einem Beutelgen, wie alle übrigen, verſehen iſt. Davon bey 
der Vergroͤßerung das weitere wird koͤnnen gemeldet werden. Vornaͤm— 
lich aber iſt bey dieſem erſten Paar Fuͤße dieſes noch anzufuͤhren. Da die 
übrigen, wie ſich fünftig zeigen wird, dem Thiergen nie zum gehen, auch 
wohl nicht gar ſehr zum rudern, dienen, fo ſcheinet hingegen ſolcher Ges 
brauch dieſem erſten Paare allerdings eigen zu ſeyn; naͤmlich, nicht nur 
vermittelſt derſelben zu ſchwimmen und zu rudern, ſondern ſich auch auf 
dieſelben bey ſeichtem Waſſer im Schlamme zu ſtuͤtzen, und auf dieſe Wei⸗ 
ſe den übrigen Füßen einen noͤthigen Zwiſchenraum zu ihrer freyen und 

unge⸗ 
C) Tab. II. Fig. VI- XIX (0 Tab. I. Fig. III. c. d. e. e. IV. d. e. f. 


mn 2 9 


ungehinderten Bewegung zu verſchaffen. Ich will daher zum Unrerfcheis 
de dieſem erſten Paare den Namen der eigentlichen oder der Ruder⸗ 


fuͤße geben. 


Die auf dieſes erſte Paar folgenden Füße, werde ich vorläufig Ries 
fenfuͤße heiſſen, und davon feiner Zeit die Urſachen angeben. Es lafı 
fen aber auch dieſe, wenn man fie abſchneidet und gegen einander bes 
ſonders anſiehet, einen merklichen Unterſcheid an ſich gewahr werden. 


Die erſten neun Paar haben (*), wie gemeldet iſt, ordentliche 
Krebsſcheeren an ihren aͤußerſten Gelenken (**), die jedoch gleich von 
dem erſten an immer kurzer und breiter werden. Dagegen verhält es ſich 
in Anſehung der dreyeckigen Blaͤttgen, und Beutelgen (***), gerad 
umgekehrt, als die hier von oben herunter immer groͤßer werden. Es 
moͤgen dieſe neun erſten Paar den Namen der geſcheerten Kiefenfuͤße 
haben. 7 


Das zehende Paar iſt von ganz befonderm Baue (7). Die obere 
Scheere, wird an dieſem ein oben halbrundes ziemlich breites Blaͤtt— 
gen (Tr); das ſonſtige dreyeckige Blaͤttgen aber, verwandelt ſich hier in 
ein vollig cirkelrundes Blaͤttgen (Tr). Ja, ſtatt daß alle dreyeckige 
Blaͤttgen an den übrigen Kiefenfuͤßen einfach find, fo iſt dieſes dops 
pelt (J). Zwar liegen ordentlicher Weiſe dieſe Blaͤttgen in einem Falſe 
aufeinander, und ſcheinen alſo ebenfalls einfach zu ſeyn (TY); man tann 
aber auch jedes gar leicht von einander bringen und auf die Seite Ies 
gen (III). Die dreyeckigen Blaͤttgen der übrigen find allezeit weiß und 
ziemlich durchſichtig; bey dieſen aber wird man, in ihrem innern Raume, 
eine Menge hochrother Puͤnctgen, wie kleiner Körner (D), gewahr. Wenn, 
man dieſes e Blaͤttgen oͤffnet, ſo fallen dieſe Koͤrngen einzeln, oder 

an⸗ 


Tab. II. Fig. VI- XIV. 9 VI. b. b. VII . XIV. a. ( Fig. 
VI. d. d. e. e. VII. VIII. e. f. Fig. XXIV. f. g. Cr) Tab. IV. bis. 


1. (fi) 4.4. (ri) e. 4) e. f. UI) d e. (II)) e. f CY ed. 


s8 none 


aneinandergeklebt, heraus; und find, wie ich weiter unten zeigen werde, 
die wahren Eyergen des Thiergens, welche in dieſen Blaͤttgen, als wie 
in der Gebaͤhrmutter Cvterus), aufbehalten werden. Das Beſonderſte 
aber iſt noch dieſes, daß das, an den uͤbrigen Kiefenfuͤßen ſich befindende, 
Beutelgen hier völlig mangelt. Man koͤnnte alſo dieſes Paar Kiefenfuͤße 
vieleicht am ſchicklichſten die Mutrerfuͤße nennen. 


Das eilfte Paar, und alle folgende, Kiefenfuͤße (), find zwar 
den geſcheerten wieder etwas ähnlich, in der That aber ganz anders ge— 
ſtaltet. Denn außer dem, daß an allen dieſen das rothe Beutelgen (**) 
laͤnger und ſchmaͤler iſt als an jenen; ſo iſt auch hier die oberſte Scheere 
ein halbeirkelrundes (**), und je mehr es herunrerfomme , faſt ganz 
rundes Blaͤttgen (f); auch viel dünner als die vorigen. Und was das 
hintere eigentliche dreyeckige Blaͤttgen anlanget, fo iſt auch dieſes nun⸗ 
mehro vorn rundlich (); und, ob es gleich bey den erſtern hinten noch 
ſpitzig auslaͤuft, fo verlieret ſich doch auch dieſe Zuſpitzung bey den folgen 
den mehr und mehr, und verwandelt ſich endlich in ein voͤlliges langrun⸗ 
des Blaͤttgen (ff). Ja da man bey allen vorigen, zwiſchen der obern 
Scheere, und dem hintern groͤßern Blaͤttgen faſt gar nichts, als hoͤch⸗ 
ſtens einige Haͤrgen bemerket hat, ſo erſcheinet hingegen bey dieſen mehr 
und mehr ein neues und drittes kleineres Blaͤttgen (J), welches ebenfalls, 
wie die andern dreyeckigen Blaͤttgen, mit Haͤrgen beſetzt und eingefaßt iſt., 


Wenn man die jetztgemeldten Kiefenfuͤße, mit den neben ihnen lies 
zenden Blaͤttgen, und der daran hangenden Klappe, oder dem Afterzah— 
ne, da, wo ſie mit dem hinterſten Gelenke durch eine Kugel, die ſich nach 
allen Seiten bewegen läßt, in den Leib eingegliedert find, auf die Seite 
beuget; ſo bekommt man die ringelartigen Einſchnitte des Bauches zu 
Geſichte. Dieſe Bauchringe find nicht, wie die Ringe auf dem Ruͤcken 

und 
( Tab. II. Fig. XV- XIX. (0 Fig. XV. XVI. f. f. XVII. XVII. o. 


() Fig. XV. XVI. a. () Fig. XVII. XVIII. a. (TI) Fig. 
XV. XVI. e. (HD Fig. XVI. XVII. e. ch Fig. XV. XVI. d. 


n 89 


und an den Seiten gewoͤlbt, ſondern vertieft und rinnenartig; daneben 
auch nicht fo hart und hornig, als jene, ſondern haͤutiger und von blag, 
gelber Farbe. Die aͤußerſten Glieder der Kiefenfuͤße ſtehen alsdenn in— 
nerhalb in die Hoͤhe, und machen auf dieſe Weiſe, mit dem vertieften 
Zwiſchenraume des Bauches, die Rinne ober Furche, welcher ich ſchon 
gedacht habe. 


Wo die Kiefenfuͤße völlig aufhören, welches mau, ganz genau zu 
reden, bey dem fünften Ringe, von der Schwanzklappe an gerechnet, bes 
obachtet, verlieren die Ringe wieder ihre vorige Vertiefung; find alsdenn 
eben alſo fo, wie auf dem Rücken und an den Seiten gewoͤlbt; und machen 
oben und unten zuſammen volkommene ganz runde Ringe (0). aus Und 
das iſt auch die Urſache, warum ich glaube, daß dieſen fünf letzten Rin⸗ 
gen, nebſt der Schwanzklappe, nur allein der eigentliche Name des 
Schwanzes zukomme; da hingegen alle vorige Ringe, ſo lang ſie mit 
Kiefenfuͤßen verſthen und in der Mitten hohl gewoͤlbet und rinnenartig 
ſind, noch zum Leibe gehoͤren. 


Jeder Ring dieſes Schwanzes iſt indeſſen, wie auf dem Ruͤcken, mit 
Stacheln beſetzt. Jedoch mit dem Unterſcheide, daß da dorten die Sta— 
cheln in der Mitten um den halben Ring ſtehen, ſie hingegen hier an dem 
untern Rande jedes Ringes angetroffen werden. 


Die Schwanzklappe (**) hat auch hier auf der untern Seite, wie 
auf der obern, drey Erhoͤhungen; die aber mit keinen ſolchen Stacheln 
verſehen ſind, welche wir daſelbſt geſehen haben; außer den zween groͤſ— 
fern Seitenſtacheln, die fich hier beſſer, als auf dem Rücken, erkennen laſſen. 


Was endlich die zwo fuͤhlhoͤrnerartigen langen und geraden Schwanz 
borſten anbelanget (***), fo finder fie das bloße Auge auch hier unten 
eben ſo, wie ſie oben beſchrieben worden ſind, ohne allen Unterſcheid und 
Veraͤnderung. 5 

Der krebsartige Riefenfuß. M Jedoch, 


CH Tab. I. Fig. IV. h. Tab. IV. Fig. VI. C Tab. I. Fig. IV. h. h. 
ii 


90 n 


Jeoedoch, dieß alles iſt nur die aͤußerliche und groͤbere Geſtalt unſerer 
Waſſerthiergenz ſo viel namlich ſolche das, ſich ſelbſt gelaſſene, Auge ohngefaͤhr 
uͤberſehen, und gleichſam nur obenhin und in einem allgemeinen Verhaͤlt⸗ 
niſſe beobachten kann. Viel anders und noch weit ſonderbarer werden 
wir den wahren aͤußerlichen Bau dieſer Thiere finden, wenn wir alle ein— 
zelne Theile unter die Vergroͤßerung zu bringen uns die Muͤhe nehmen 
wollen. Wir werden durch dieſes Huͤlfsmittel, ſowohl der einfachen, als 
der zuſammengeſetzten, Vergroͤßerung gewiß mehr als Eines gewahr wer— 
den, welches das bloße Auge entweder gar nicht, oder doch nur dunkel 
und verwirrt, erkennen konnte. 


Wir wollen abermals von dem Schilde den Anfang machen. Dies 
ſer erſcheinet nunmehr um und um mit einer ſchmalen und dunkeln Rand⸗ 
einfaſſung, welche ein Fortgang der obgemeldten Rippe zu ſeyn ſcheinet, 
und den Schild, der an und vor ſich ſehr duͤnn iſt, in ſeiner gehoͤrigen 
Ausdehnung und Geſtalt erhaͤlt, folglich das wahre Werkzeug der Feders 
kraft ſeyn mag. Die beyden hintern Seiten des Schildes ſind von da 
an, wo die rothgeſtreiften Flecken unter demſelben aufhören, bis an die 
aͤußerſten Spitzen deſſelben, mit lauter zarten Stacheln beſetzt, die jedoch, 
je mehr ſie ſich dem Ende des Schildes naͤhern, deſto ſtaͤrker und groͤßer 
werden. 


Die uͤbrige Oberfläche des Schildes iſt voller unordentlich durchein⸗ 
ander laufenden zarten Falten und vertieften Runzeln, faſt, wie die fal— 
tige und runzeliche obere Haut einer Menſchenhand. Darneben w fie 
mit lauter kleinen, etwas ſchraͤg ſtehenden Stacheln, uͤberſtreuet, der— 
gleichen man ſonſt auf den Fluͤgeln der Hausfliege zu bemerken pfleget Und 
dieſe ſind auch wohl die Urſache, warum der Schlamm auf dieſen Schil— 
den ſich fo gar leicht anhänger, zuſammenhaͤufet und feſt liegen bleiber; 
und woher die fremde Farbe der Schilde, wie gemeldet iſt, ihren Urs 
ſprung hat. 7 


Die 


oe I ? 91 


Die zahnartigen Stacheln in dem Ausſchnitte des Schildes zeigen 
ſich ifo wie Dreyangel von laͤngern Seiten, als die Grundflaͤche iſt, und 
mit welcher letztern fie dem Schilde anſitzen. Sie find, wie der Schild 
ſelbſt, gelbbraun, doch an den Seiten dunkel- und faſt kaſtantenbraun; 
daneben duͤnn und platt; jedoch immer ſteif und ſtark genug. Ihre 
Richtung iſt meiſt gerad nach dem Schwanze zu, wiewohl auch einige 
mehr links oder rechts ſchief ſtehen, oder irgend eine andere Richtung ha— 
ben. An Größe find fie ſelten einander gleich; wie fie denn auch eben fo 
ſelten gleich weit von einander entfernet ſeyn. Insgemein befinden ſich 
große und kleine durcheinander, und hie und da ſiehet man auch wohl ver 
ſchiedene ganz nahe bey einander, welche letztere folglich eine um ſo groͤſ⸗ 
ſere Lucke zwiſchen ihnen und den folgenden laſſen; jedoch ſitzen ſie alle an 
dem etwas erhabenen Rande des Ausſchnittes. 


Am allerbetrachtungswürdigſten fi nd unter der Vergrößerung die 
drey Erhoͤhungen auf dem obern halbmondfoͤrmigen Kopfthelle 9). 


Sie ſtehen alle drey (**), wie es ſich iko ganz deutlich erkennen laͤſ 
ſet, allerdings in einer eigenen, etwas erhabenen, von außen braunen, 
von innen aber gelblichen Einfaſſung; welches letztere jedoch von den nies 
renfoͤrmigen nur allein gilt. 


Bey ben ringfoͤrmigen zuerſt anzufangen 500 Pr Säfjene wieder ihre 
zwo beſondern Einfaſſungen; eine ſchwarze von außen, und eine gelbe von 
innen. Beyde kommen darinn uͤberein, daß ſie auf der Seite nach außen 
zu eine Woͤlbung haben; auf der Seite aber nach innen zu einen kurzen 
Dreyangel von breiter Grundfläche machen, deſſen Spitze einwaͤrts ges 
kehret iſt, und dem groͤßern dazwiſchen liegenden Theile die eigentliche nie— 
renfoͤrmige Geſtalt giebt, auch zum Theile eine ſchoͤne Orantenfarbe har. 
Darinnen aber gehet die ſchwarze Randeinfaſſung von der gelben ab, daß 
oben jene breiter, und dieſe ſchmaͤler; hingegen unten an den innern Sei— 
ten dieſe breiter und jene ſchmaͤler; fo wie hinwiederum der ſchwarze Drey— 

Mᷣ 2 angel 


(Y Tab. II. Fig. I. (%0 Fig. I. a. a. b. (Cm) a. a. 


92 n 

angel groͤßer, als der gelbe iſt. Das Vornehmſte aber betrift diejenigen 
groͤßern nierenfoͤrmigen erhabenen Koͤrper, die in dieſen verſchiedenen Ein⸗ 
faſſungen eigentlich ſichtbar ſind. Da die glatte und glaͤnzend Dorn 
haut des Schildes daruͤber liegt, ſo laͤßt ſich vor der Hand weiter nichts 
eigentliches daran bemerken, außer, daß es ſcheinet, als ob ihre ganze Flaͤ⸗ 
che über und über mit lauter zarten ſchwarzen Puͤnetgen uͤbermahlet waͤ— 
re. Wir werden alſo ihr eigentliches Gebäude, und ihre wahre Befchaf— 
fenheit, bey den innern Theilen allererſt recht unterſuchen und ausma⸗ 
chen koͤnnen; wo ſich alsdenn zeigen wird, daß dieſe anſcheinenden Puͤnet⸗ 
gen lauter einzelne und vollkommene Augen ſind. 


Es liegen aber dieſe nierenfoͤrmigen Erhöhungen nicht gleich weir, 
ſondern ſchraͤg voneinander, ſo daß ſie an der oberſten Rundung des Schil⸗ 
des ziemlich nahe beyeinander, unten aber deſto weiter abſtehen, und alſo 
einen oben ſchmalen, unten aber breiten, mithin dreyangelichen, leeren 
Raum zwiſchen ſich laſſen, welcher von blaßgelber Farbe iſt. 


Oben, wo ſie am naͤchſten beyſammen ſtehen, zeiget ſich uͤber und 
zwiſchen ihnen etwas roͤthliches (*), welches bald wie eine einfache Erhös 
hung, bald wie drey unten zuſammenlaufende Striche ausſiehet, und eis 
nem Gothiſchen Maus dem dreyzehnden und vierzehnden Jahrhunderte 
ziemlich gleich kommt. Elnten aber, wo fie den größten Raum zwiſchen 
ihnen laſſen, nimmt denfelben die dritte kleinere Erhöhung ein (**). 


Sie iſt, wie ich ſchon erinnert habe, vollkommen rund. Zuerſt hat 
fie einen breiten und ſtark gewoͤlbten braunen Umkreiß, innerhalb welchem 
ein ordentliches kugelrundes weißblaues Knoͤpfgen ſich befindet; und auch 
auf dieſen ſiehet man wieder vier andere, in einem Vierecke ſtehende, Fleis 
ne dunkele und erhabene Puncte. Vieleicht werden wir auch dieſe Erhoͤ⸗ 
hungen vor eine Art beſonderer Augen feiner Zeit erflären muͤſſen. 


Schläger man den Schild abermals aufwärts, und ſiehet ihn auf 
dieſer Unterflaͤche nach der Vergroͤßerung an, fo entdecket dieſelbe weiter 
nichts 

(Y Tab. II. Fig. I. c. C b. 


N" a 93 


nichts Beſonders an ihm. Außer, daß er hier ganz glatt und glänzend, 
folglich aller derjenigen Stacheln beraubet iſt, die wir auf der Oberflaͤche 
gefunden haben, und welche freylich dem Thiergen hierunten mehr ſchaͤd— 
lich, als nuͤtzlich ſeyn⸗wuͤrden. Was aber die rothgeſtreifte Flecken bes 
trift, ſo ſind dieſelben nunmehr viel deutlicher. Man ſiehet gar wohl, daß 
jeder aus neun beſondern Roͤhren beſtehet, welche gleich weit nebeneinam 
der fortlaufen, und ſich oben in der Kruͤmmung zu vereinigen ſcheinen. 
Die mittlere iſt doppelt ſo ſtark als die andern auf den Seiten; und die 
darinn ſich befindende rothe Feuchtigkeit, iſt nach gewiſſen Abtheilungen, 
oder wie durch Fallklappen, abwechſelnd unterbunden. Wie man denn 
auch die faltenartigen Beugungen dieſer Roͤhre immer deutlicher gewahr 
wird. 


Da, bey dieſem aufgeſchlagenen Schilde, die ganze Ruͤckenſeite des 
Thiergens frey lieget, ſo kann man itzo, unter einer auch geringen Vergroͤße— 
rung, ſowohl die Ringe am beſten absählen, als auch das Llebrige, fo an 
denſelben ſich zeiget, genauer beſtimmen. Der Ringe ſind, wenn man 
recht genau nachſiehet, in allem zwey und dreyßig, die Schwanzklappe nicht 
mitgerechnet. Sie liegen, wie bey den Krebſen, ſchuppenweiſe uͤberein— 
ander. Die zwoͤlf erſtern find iko ganz ungemein durchſichtig, vollkom⸗ 
men haͤutig, ohne alle Stacheln, glatt und glaͤnzend. Der dreyzehnde, 
vierzehnde und funfzehnde faͤnget ſchon an undurchſichtiger und haͤrter zu 
werden, auch ſiehet man auf jenen anfangs zween, ſodann drey und vier 
Anſaͤtze der Stacheln, die aber annoch mehr Huͤgelgen, als Stacheln, gleich 
ſeyn. Auf dem ſechzehnden aber befinden ſich ſchon ordentliche Stacheln, 
deren ohngefaͤhr ſechſe ſind, davon die vier mittlern am ſtaͤrkſten, die aber 
an den Seiten noch ſehr ſchwach, und mehr wie Huͤgel, ausſehen. Von 
dem ſiebenzehnden an bis zu Ende, werden die Ringe immer hornartiger, 
ſteifer, der Stacheln mehrere, und dieſe ſelbſt laͤnger und ſpitziger. Auf 
jedem dieſer Ringe zaͤhlet man zehn ſolcher Stacheln, die jedoch keine Ord⸗ 
nung haben, indem einige bald naͤher, bald entfernter bey einander ſte— 
hen. Doch kann man ſoviel gewahr werden, daß fie zuſammen bersachs 

M 3 tet 


94 n S 


tet immer dergeſtalt angeſetzet find, daß die auf dem folgenden Ringe alles 
zeit den Zwiſchenraum der vorgehenden einnehmen, und folglich eine fol 
che Lage haben, daß nichts dazwiſchen durchkommen kann, ohne ſich an 
den Stacheln der folgenden Ringe, zu verletzen und anzuſpießen. Wo— 
zu auch dieſes viel hilft, daß die Stacheln mit ihren Spitzen nicht ſenk— 
recht auf den Ringen ſtehen, ſondern ſich gegen den Schwanze unter ei⸗ 
nen fpisigen Winkel abwärts neigen. Und je naͤher fie dem Schwanze 
kommen, je ſchiefer liegen fie. Bringet man einen dieſer Stacheln uns 
ter die zuſammengeſetzte Vergroͤßerung, ſo findet man ihn nicht gerad, 
ſondern krummgebogen, wie die Dornenſpitzen der Roſenſtoͤcke. Wo er 
aufſitzt, hat er eine ziemlich ſtarke Grundflaͤche, die hellgelb und halbdurch⸗ 


fichtig iſt. Das Uebrige des Stachels ſelbſt iſt dunkelbraun und faſt voͤllig 
undurchſichtig. 


Die Schwanzklappe laͤſſet ſich in ihrer wahren Geſtalt und Baue uns 
ter der Vergroͤßerung auch beſſer kennen. Sie iſt auf jeder Seite, wo 
die Vorſten eingegliedert ſind, rund und mit zwo ſehr ſtarken, und an 
ihrer Grundflaͤche, zuſammenlaufenden, Dornſpitzen oder Stacheln verſe— 
hen, die, wie auf den Ringen, krumm, und nach hinten zu gekehret ſind. 
Da, wo ihre drey Erhöhungen eine Vertiefung machen, ſtehet uber jede 
ſolche Vertiefung ebenfalls ein ſolcher, doch kleinerer, Stachel. Die in— 
nere mittlere Erhoͤhung, welche die Afteroͤffnung bedecket, iſt die groͤßte, 
aber nicht ſo, wie die Seitenerhoͤhungen, rund, ſondern dachfoͤrmig er— 
haben, und juſt in der Mitten ſiehet man abermals einen ſehr ſtarken Sta— 
chel auf derſelben. Der untere Rand iſt, wie ein halber Cirkel, aufwaͤrts 
hohl ausgeſchnitten, welche Hohlung, wenn man ſie genau betrachtet, 
wie der Ausſchnitt des Schildes, mit lauter Stacheln ausgeruͤſtet iſt. Dies 
ſe Stacheln ſind alle gerad, gelb und halb durchſichtig, an der Zahl zehn: 
doch ſo, daß der letzte auf jeder Seite der laͤngſte und ſpitzigſte iſt; die drey 
folgenden, nach innen zu gerechnet, ſind kuͤrzer und ſtumpfer; und die 
zween mittlern ſind nach der Maaßgabe um ein Großes kleiner und zarter. 


Es ſind die Borſten noch übrig, welche dieſer Schwanzklappe einges 
gliedert find, und die ebenfalls nach der Vergroͤßerung muͤſſen betrach⸗ 
tet 


8 d 5 95 
tet werden. Sie zeigen ſich hier als hohle Röhren, aus welchen ſich auch 
ſo gar ein gewiſſer Saft ausdrucken laßt; und ſcheinen eben daher halbdurch⸗ 
ſichtig. Sie ſiud um und um mit lauter langen haͤufigen und nach hinten 
zu gekehrten zarten Stacheln uͤberdecket, und haben eben ein ſolches Ausſe⸗ 
hen, als die eigentliche Zunge, oder haarige Saugroͤhre, der Bienen unter der 
Vergroͤßerung hat. Und eben dieſe auf einander liegenden häufigen Sta— 
cheln machen es ſchwer, und bey nahe unmoͤglich die unter denſelben verbor— 
genen Ringe, aus welchen dieſe Borſten zuſammengeſetzet ſind, abzuzaͤhlen 
und genau zu beſtimmen. Ich habe es indeſſen verſucht die Anzahl ders 
ſelben auemachen zu koͤnnen. Ich habe ein Stuͤckchen von vier Linien 
abgeſchnitten, daſſelbe fauber von alem Schlamme und aller Unreinigs 
keit gewaſchen, und alſo zubereitet, unter die zuſammengeſetzte Vergroͤße— 
rung gebracht. Hier ſahe ich die ringartigen Einſchnitte ziemlich deut— 
lich. Jeder war mit einer doppelten Reihe langer haariger Stacheln vers 
ſehen. Die eine Reihe befand ſich um und um in der Mitte des Ringes; 
und die andere ganz an dem untern Rande. Sie ſtundenl ziemlich nahe 
bey einander, und jeder war ſo lang als der Ring ſelbſt, daß folglich die 
an dem Rande des vorhergehenden Ringes uͤber die in der Mitten des 
nachfolgenden Ringes, und dieſe wieder über die folgenden herlagen. 
Die Ringe ſahe ich nicht in einer geraden Linie um und um, ſondern 

alle ſchief, eingeſchnitten; es muͤßte denn ſeyn, daß es mir nur ſo vor— 
gekommen waͤre, wiewohl ich dieſes Stuͤckchen, welches ich unterſuchte, 
ganz gerad ausgedehnet hatte. Ich ſteng endlich an, dieſe ringartigen Eins 
ſchnitte abzuzaͤhlen , und brachte an dieſem vier Linien langen Stuͤck— 
chen etliche achtzig heraus. Nehmen wir nun dieſes von den ganzen Bor— 
ſten gleichdurch an, ſo wuͤrden die groͤßten, welche obangezeigtermaßen 
zween Zoll haben, folglich ſechsmal groͤßer ſeyn / als dieſes Stuͤckchen 
von vier Knien, ohngefaͤhr eine Anzahl von vierhundert und achtig, mit— 
hin beyde gegen neunhundert und ſechzig Ringe haben. f i 


Und dieß fey genug von der Ruͤckenſeite nach der Vergrößerung. 
Denn was die Ruderfuͤße, und die Übrigen Beutelgen und Blaͤttgen, 
welche hier an den Seiten liegen, anlanget; ſo werden ſich dieſelben bey 
ihrer eigenen Beobachtung und Zergliederung am beſten angeben 1 

ie 


99 wen 


Wir wenden uns alfo zu der Bauchſcite unfeger Thiergen, und wol⸗ 


len ſehen, was uns auch hier die Vergrößerung aufdecken, und Run 
auseinander fegen wird. 


Hier kommt anfangs der obere halbmondfoͤrmige Kopftheil, mit feis 
nen daran ſitzenden beſondern Körpern vor (5). Er ſelbſt iſt hier unten 
nicht fo gewoͤlbet, wie oben, ſondern ganz platt gedruckt (**). Man 
ſiehet nunmehro ſowohl den mittlern runden Ausſchnitt, als deſſen runde 


Seitenhervorragungen, und die aͤußern ſcharf zulaufenden mondaͤhnli⸗ 
chen Hoͤrner deutlicher, als vorhero. 


Nach der ordentlichen und naturlichen Sage (***) e man fol⸗ 
gendes an ihm. 


In der Mitten, gleich unter dem hohlen Ausſchnitte befindet ſich ei⸗ 
ne längliche Klappe (). Sie iſt gelbbrauner Farbe, und unten abges 
ſchuitten; mit einem erhabenen Rande eingefaſſet, und meiſt gewoͤlbt; 
doch hat fie in der Mitten und über dem unterſten Rande einige vertiefte 
Eindruͤcke. Dieſe Klappe habe ich zwar vom Thiergen ſelbſt nie bewegen 
geſehen; es iſt aber doch ſehr wahrſcheinlich, daß es zu gewiſſen Zeiten 
geſchehen, obgleich vieleicht ſo ſchwach erfolgen mag, daß es eben nicht 
ſonderlich zu bemerken iſt. 


Neben dieſer Klappe erſcheinen die zwey ſchon gemeldten hoͤrnerar⸗ 
tigen plattgedruckten Koͤlbgen, die nichts als die Fuͤhlhoͤrner find (T). 
Sie ſcheinen in der Mitten gegliedert zu ſeyn; kommen unter den rund⸗ 
lichen Lappenhervorragungen des Kopfes hervor; ſind am erſten Gliede 
breiter, als an dem andern, und in einer beſtaͤndigen Bewegung. use 
gemein neigen ſich die zwey erſten Glieder, wie in einem Bogen, und 
ganz nahe an dem Kopfe liegend, gegeneinander; jedoch koͤnnen ſie ſich 
auch auf die Seiten mehr vorwaͤrts, oder ganz gerad vor ſich hin, bewe⸗ 
gen. Sie ſind weißlich, von einem ſehr duͤnnen haͤutigen Gemaͤchte, 
und der Rand iſt mit Haaren beſetzt. 

5 a Unter 
N Tab. I. Fig. II. II. Ha mM Fig. UH. (h e. Cf) b. b. 


Nr e 97 


Unter dieſen Fuͤhlhoͤrnern liegen die zween großen kugelrundſchelnen⸗ 
den Körper, nämlich auf jeder Seite der Klappe einer (). Sie ſind bey 
nahe fo groß, als die Klappe ſelbſt; brauner Farbe, und von ungemein 
ſtarker und harter Hornhaut. Sie laufen unter der Klappe fort, und 
werden an ihren aͤußerſten Theilen von derſelben bedecket. 


Wo dieſe Koͤrper aufhoͤren, und mit dem untern Ende der Mund— 
klappe eine gerade Linie machen, erblicket man noch vier andere breite Koͤr⸗ 
per, wie vier plattgedruckte Zippel; die an der äußern Seite rund, an 
an ihrem Innern ausgeſchweifet, und unten ſpitzigſtumpf auslaufen. An 
jeder Seite befinden ſich zween; einer liegt auf dem andern, und der obere 
iſt kleiner als der untere. 


Endlich wird man neben dieſen breiten Zippeln ein Paar weiße laͤng⸗ 
lichrunde und oben zugeſpitzte Laͤppgen, wie zwey laͤngliche Ohren ge⸗ 
wahr (**), die ſich eben ſo, wie die obern Fuͤhlhoͤrner, ſtets bewegen, und 
von haͤutiger Natur ſind. Ich halte ſie vor eine Gattung Freßſpitzen. 


Schläger man die erſtgedachte Klappe in die Höhe (***), fo zeiget 
ſich ihre Unterflaͤche fleifchfarben, haͤutig, etwas ausgehoͤhlet, und ſowohl 
oben, als an den Seiten, mit einem einwaͤrtslaufenden breitlichen Saume. 
In der Mitten habe ich allezeit einen laͤnglichen Eindruck, oder eine Hoͤh⸗ 
lung, gefunden, fo jedoch nie tief eingegangen iſt (). Vornaͤmlich aber 
werden itzo diejenigen kugelrunden Koͤrper recht ſichtbar, die vorher von der 
Klappe meiſt bedeckt wurden (Tr). Man ſiehet ſogleich bey dem erſten 
Anblicke, daß es eine Art beſonders gebauter Zähne iſt. So wie ihr Hin— 
teres an den Seiten rund und gewoͤlbet iſt, ſo findet man hingegen ihr 
uͤbriges vordere ganz breit und plattgedruckt, etwas ſchraͤg abgeſchnit— 
ten, und mit lauter zahnartigen gedoppelten Einſchnitten verſehen, ſo wie 
die Krone der Backenzaͤhne pfleget gebildet zu ſeyn. Lebt das Thiergen 
noch, ſo wird man gewahr, wie dieſe Zaͤhne feſt und alſo in einander 
greifen, daß die zahnartigen Einſchnitte des einen, allezeit in den Zivis 
ſchenraum des andern, und dieſe in jenen, ſchließen. 

Der krebsartige Riefenfuß. N Will 
(Tab. II. Fig. II. III. d. d. ( e. e. CH Fig. III. c. IV. a. (J) 
Fig, IV. b. (TT) III. d. d. d ο 


93 n 


Will man die Beſchaffenheit eines jeden dieſer itztgedachten Koͤrper 
noch genauer ausfindig machen; ſo muß man jeden einzeln abſchneiden, und 
unter eine noch ſtaͤrkere Vergroͤßerung bringen. Ich habe alsdenn, auſ⸗ 
ſer dem ſchon gemeldren, an idem noch dieſes zu erkennen Gelegenheit 
gehabt. g 


An der Klappe, oder Pe habe ich dieß Neue bemerket, daß 
ihre Randeinfaſſung uberall mit ſtarken Haaren beſetzt iſt; daß die mitt⸗ 
lere Vertiefung auf der Unterflaͤche zu Zeiten auch erhaben, und bey vers 
ſchiedenen bald wie queer durchſchnitten, bald wie in die Länge abgerheh 
let, ſcheinet. Von ihrem Endzwecke werde ich unten reden. Eine Oeff' 
nung aber habe ich auch hier nicht na 1 ob es id: manch⸗ 
mal ſo ausgeſehen hat. 


Die zwey Fuͤhlhoͤrner find nunmehro, gar ſchoͤn zu e (P). Sie 
find aus zwey Stuͤcken zuſammengeſetzet; davon das obere (**), einem 
Gartenmeſſer gleichet; das untere aber (*) faſt durchaus gleich breit 
ift. An dem oberſten Gliede iſt der gewoͤlbte meſſerartige Rücken nach den 
äußern Seiten, die ausgehoͤhlte Schärfe aber nach innen, zugekehret. 
Man ſiehet auch an dieſem obern meſſerartigen Theile die Äußere Seite 

ganz hell und durchſichtig, da das uͤbrige mehr undurchſichtig iſt. Das 

ganze Glied iſt mit lauter kleinen und ſtümpfen Stachelſpitzen überdes 
cket. Vornaͤmlich aber ſiehet man an der oberſten Spitze deſſelben drey 
dergleichen lange, die noch dazu gegliedert zu ſeyn ſcheinen (5). Dieſes 
obere Glied iſt von den folgenden durch ein ſichtbares Gelenke abgeſon⸗ 
dert (T); daher auch das Thiergen dieſes meſſerartige Glied vor ſich be⸗ 
wegen kann, ohne daß es eben npıbia hat 7 das andere zugleich mit 
zu bewegen. 


Das zweyte Glied (rr) iſt voͤllig balhdurchſt üg nd hardiefes noch 
vor dem andern zum voraus, daß es, nicht nur uͤber und uͤber, ſondern 
auch noch außer dem an den Sitten, fr Rart mit kurzen Haaren einge⸗ 


faßt 
C Tab. IV. Fig. J. C b. C d, D a, (e, & d. 


DE 2 95 


faßt iſt. Beyde aber find zuletzt auf einem kleinen Huͤgel oder Abſatze 2 
mit der untern Hornhaut des Schildes verbunden. 


Wir kommen auf die Zaͤhne, und ſehen fie auf die Weiſe an, wie 
fie auseinander gebreitet find (**).. Hier ſiehet man, daß die Krone ders 
felben aus einer doppelten Reihe ſtarker Zacken beſtehet (***); wovon die 
unterſten zween letztern die ſtaͤrkſten und ſpitzigſten find (J). War der aͤuſ⸗ 
ſere Theil rundlich (FT) , ſo iſt nun der innere Theil hohl (T); jedoch or, 
dentlicher Weiſe mit einem haͤutigen Weſen angefuͤllet, welches ſich auch leicht 
herausnehmen, und alſo die voͤllige Hohlung ſichtbar machen laͤßt (Ter). 
Vermuthlich iſt dieſes haͤutige Weſen ein ſtarker Muskel, der die Sr 
zuſammenziehet, und ihnen die noͤthige Bewegung ertheilet. f 


Der Grund diefes zaͤhen Wefens , welches die Hohlung der Zaͤhne 
ausfuͤllet, nimmt den ganzen innern Raum unter der Klappe oder Obers 
lippe ein. Oben iſt eine Oeffnung, welche ohnlaͤugbar der Mund, und 
vieleicht auch zugleich die Oeffnang des Magens iſt. Wenn die Zaͤhne 
gewaltſam ausgedehnt ſind, fo ziehet ſich dieſe Oeffnung oder der Mund 
auseinander und wird ganz laͤnglich; und iſt gleich unter der polſteraͤhn⸗ 
lichen Erhoͤhung der Oberlippe zu finden. Er iſt vollkommen rund; in 
der Abbildung aber nach feiner Lage nicht ſichtbar, ze von ig 
Weſen, ſo die ‚Zähne ausfuͤllet, bedeckt. 


Die ubrigen vier breiten und USER her davon ſich un 
ter dieſen Zaͤhnen auf jeder Seite zween befinden (1), find zwar auch 
hornartig „aber bey weitem nicht fo hart, als die Zähne ſelbſt, ſondern 
mehr biegſam und nachgebend. Es find zwey Paar uͤbereinander liegende 
Lappen, davon der obere kleiner (EI) und innwendig ganz glatt ; der 
untere groͤßer it (II), an der innern Seite aber mit zwo oder drey Reihen 
kurzer und gleichdicker Stacheln beſetzet, welche ebenfalls im Zuſammen⸗ 

enen n u kopen 


© Tab. IV. Fig. I. e. es, Tab. II. Fig. IV. (er 9 i f. f. 
(Tope. e., CHT a7 (rte. (H. h.i. (Ich. AM) 
Tab. II. Fig. IV. i. . 4 L J 


106 n N 


ſtoßen dieſer Lappen ineinander greifen. Es ſind dieſe Lappen, vermoͤge 
eines zuſammengebogenen federartigen Knorpels, beweglich, welcher wie die 
Feder eines Flintenſchloſſes ausſiehet, und faſt bis an den Mund gehet (*). 
Er macht zugleich das oberſte Ende der Rinne aus, iſt ſehr hart und mit 
Haaren beſetzt. In dieſen etwas erhabenen Knorpel greift die in der Mir 
ten der Oberlippe befindliche mittlere Vertiefung (**) ein, und verſchließt 
damit den Mund ungemein feſt. Beweget man dieſe Lappen mit einer 
Nadel auseinander, ſo ſiehet man das Spiel dieſer Feder, ihre Kraft, Ab⸗ 
ſicht und Wirkung. Es find alſo dieſe Lappen gleichſam Faßzaͤhne oder 
auch die Unterlippen; zwiſchen welchen die Speiſe in der Rinne bis zu 
ihnen aufſteiget, von ihnen gehalten und zum Munde gebracht; durch 
die großen Zaͤhne aber vor der Verſchluckung zermalmet wird. Und wir 
werden unten ſehen, daß dieſe Thiergen allerdings ſo große und ſtarke 
Zaͤhne zur Zerreibung ihrer Nahrung haben muͤſſen weil ſie von aller 
hand muſchelartigen Thiergen leben. 


Die beyden ohraͤhnlichen kleinern Theile „ die neben dieſen Faßzaͤh⸗ 
nen oder Unterlippen liegen (***), find um und um mit zarten Haaren 
eingefaßt, und ungemein beweglich, durchſichtig, weiß und haͤutig. Ich 
halte fie, gemeldtermaßen, vor Freß oder Fuͤhlſpitzen, vermoͤge welcher das 
Thiergen die ankommende Nahrung pruͤfet, ob ſie tauglich iſt oder nicht. 


Juf die ſen itzt beſchriebenen Kopftheil, und das daran ſitzende Gebiß 
und den Mund, des Thiergens folgen nun die eigentlichen und uneigentlichen 
Fuͤße oder die Ruder- und Kiefenfuͤße (). Obgleich dieſe Füße an ſich 
voneinander verſchieden ſind, ſo kommen ſie doch darinn alle insgeſamt, 
die Mutterfuͤße allein ausgenommen, überein, daß ihnen ein mehrges 
dachtes dreyeckiges oder beilfoͤrmiges Blaͤttgen, und ein blafenähnliches 
Bentelgen anſitzt. Ich will dahero auch vor allen dtefe beyden Gemein— 
ſchaftstheile nach der Vergroͤßerung genau anzeigen, ſo werde ich hernach 
deſto eher mit den übrigen zurechtkommen, und jedesmal nur mit weni⸗ 
gem ihre Ace bemerken duͤrfen. 

Das 
( Tab. I. Fig. IV. k. C b. ( Fig. m. II. e. e. () Tab. 
IU. Fig. V. Tab. III. 


h n 101 

Das Blaͤttgen iſt an allen Süßen dem dritten Gllede einverlelbet und 
Heger vor dem Beutelgen (). Es iſt meiſt einem Driangel gleich, und 
man koͤnnte es mit dem Breitbeile eines Zimmermanns, oder noch beſſer 
mit der Langhacke eines Wagners, vergleichen, deſſen lange Spitze ges 
gen das Beutelgen gekehret iſt. Man ſiehet es voͤllig frey liegen, und 
nur oben an einem ſehr kleinen Theile mit dem dritten Gliede und dem 
hintern Beutelgen verbunden. An dem erſten Paare (, oder den ei⸗ 
gentlichen Fuͤßen, machet es, laͤngſt dem vierten Gliede eine ziemlich ges 
rade, oder doch wenigſtens ganz unmerklich ein / und auswaͤrts gebogene, 
Knie; alsdann wendet es ſich in einer kleinen Rundung ſchraͤg nach hin⸗ 
ten zu; und nachdem es die Länge des Beutelgen erreichet hat, endiget 
es ſich in eine ſcharfe und krummgebogene Spitze. Von dieſer Spitze an 
ſchlaͤget es ſich hinten wieder aufwaͤrts, und macht in der Mitten eine 
ſolche Hohlung, welche in die Rundung des Beutelgen paſſet; bis es 
ſich oben an das Beutelgen anſchließet und mit demſelben verbindet. 


Das ganze Blaͤttgen iſt wie eine zarte Pergamenthaut, halbdurch⸗ 
ſichtig, mehr weiß als gelblich; außer daß man an dem äußern Rande 
gegen den Fuß zu eine roͤthliche Ader, wie bey einigen geflügelsen In— 
ſecten, gewahr wird; und daß unter einer ſehr ſtarken Vergroͤßerung die 
ganze Fläche ganz ungemein zartgelblich punctirt ſcheinet. 


Hauptſaͤchlich aber find an allen dieſen beilartigen Blaͤttgen diejeni⸗ 
gen Franzen oder Haͤrgen wohl zu beobachten, mit welchen, ſonderlich 
ihre ganze längere Seite, eingefaßt iſt (“*). Sie find an der rundlis 
chen Vorderſpitze am laͤngſten, nehmen aber alsdenn immer mehr und 
mehr an Laͤnge ab, und ſind zuletzt kaum mehr merklich. Bringet man 
dieſe Franzen, oder Haͤrgen, unter eine ſehr ſtarke Vergrößerung, fo fies 
het man, daß jedes ein feder s oder baumartiges Haarroͤhrgen iſt, deſſen 
Stammroͤhre hohl und an den Seiten mit lauter andern Roͤhren, wie eine 
Feder oder ein Baumzweig verſehen iſt. Ja man kann ſo gar gewahr wer⸗ 

ard N3 Wann tk den, 
(Tab. III. Fig. I. II. m. n. o. III. i. k. . % Tab. II. Fig. V. i. 
n) Tab: III. Fig. I. m. II. m. RR 


102% e er 


den, wie jedes dieſer Haarroͤhrgen ſeine eigene, und mehr als zo beſon⸗ 
dere, Glieder hat (). Sie kommen alſo in allen Stuͤcken vollkommen 
mit denenjenigen baumartigen Paarroͤhrgen uͤberein „deren ich bey Bes 
ſchreibung der Ruderfuͤße oder Arme des zackigen Waſſerflohes gedacht 
habe. Es ſind aber dieſe feder und baumartigen Haarroͤhrgen die eigent—⸗ 
lichen Werkzeuge der Lungen, als vermittelſt welcher das Thiergen die 
Luft aus dem Waſſer in ſich ziehet. Und wetl die Blaͤttgen, welchen dies 
ſe Lungenroͤhren anſitzen, dem Thiergen eben das ſind, was den Fiſchen 
und andern Waſſerthieren die ſogenannten Fiſchohren (branchiæ), die 
insgemein auch Kiefen, oder Kiemen, pflegen genannt zu werden; fo 
find dieſe Blaͤttgen ſonderlich die Urſache, warum ich die ſe Hi von In⸗ 
ſecten Riefenfüße heiße. 


Das zweyte, was allen Füßen, t die Mutterfüße ausgenommen, 30 
mein if, 5 betrifft ein 88 dem beilförmigen Dlättgen ; oder Ben Kiefe, 
eyrunden Blaſe oder aan groͤßern Theile einer Fiſchblaſe eiche Die 
größere Rundung, oder der ſtaͤrkſte Durchmeſſer, if hinten zu; der klei⸗ 
nere Durchmeſſer aber, oder die Spitze des Eyes, befindet ſich da, wo 
es mit dem Blaͤttgen ſich vereiniget und dem Fuße anſitzet. Bisweilen 
iſt dieſes Beutelgen leer, und wie eine luftleere Blaſe zuſammengefallen. 
Iusgemein aber findet man ſolches aufgeblaſen, und alsdenn iſt es ent, 
weder weiß, hell, durchſichtig und wie mit Waſſer angefuͤllet; oder es 
ſiehet ſchoͤn roth aus, und enthält einen Saft, der, wenn man das Bei 
telgen zerdruͤckt, ebenfalls roth, als gewaͤſſert Blut, ſich zeiget. Hat 
man dieſe Thiergen einige Zeit im Weingeiſte liegen gelaſſen, fo findet 
man dieſen Saft, wie geronnene Milch, zuſammengegangen, und gleichet 
einem geſtockten Gebluͤte. Das Beſonderſte iſt F daß dieſe Beutelgen 
ſich zwar zu Zeiten, wie es unten bey den Verſuchen vorkommen wird, 
aufblaſen und einſpritzen laſſen; daß man aber keinesweges den innern 
Saft durch Drucken, oder andere Behandlungen, auspreſſen kann; ſie 
zerſpringen vielmehr allezett bey der geringſten a , en fo 

wie 


09 Tab. VII. Fig. I. C**) Tab. II. Fig. V. k. Tab. HI. Fig. I. I. II. I. 
III. k. IV. V. h. 


de Ne 103 


wie eine Fiſchblaſe glerplatzet, wenn man die darinn verſchloſſene Luft 
herausdruͤcken will- Man wuͤrde alſo ſich nicht irren, wenn man ſagen 
wollte, es mußten dieſe Beutelgen mit einem Fallthuͤrgen verſehen ſeyn, 
vermoͤge deſſen das Thiergen den Saft einnehmen und ſo lang bey ſich 
auf bewahren und zuruckhalten koͤnne, bis es heim dan Em: 3 
mung auszulaſſen vor gut anſiehet. 0 


Dieß waͤre alſo das Allgemeine der ſaͤmtlichen Blaͤttgen, oder Kie⸗ 
fen, und der Beutelgen an den Fuͤßen. Nun wollen wir ein jedes Paar 
Fuͤße ſelbſt vornehmen, und bey einem jeden zugleich mit anzeigen, wor, 
inn die Kiefen und Beutelgen in Vergleichung unter und miteinander 
abgehen oder uͤbereinkommen. Ian 


Das erſte Paar Füße betrift die eigenelichen „oder die PR 
fuͤße (). Jeder beſteht, wie alle übrigen‘! „aus drey ungleich großen 
platigedruckten und beweglichen Abſaͤtzen oder Gelenken (*), welche eine 
dunkel und hellbraune, auch roͤthliche, vermiſchte Farbe haben, folglich 
theils undurchfichtig, theils halbdurchſichtig, und hornartiger Eigenſchaft 
find. Sie find aus lauter, meiſt laͤnglichlaufenden, Erhöhungen und 
Vertiefungen, wie aus Falten, zuſammengeſett; B welches ohne allem 
Zweifel Maͤuslein ſeyn, welche den Füßen die Bewegung „die Staͤrke 
und die Geſchwindigkeit ertheilen. Und hier wäre ein weites Feld, von 
ihrer Art und Wirkungskraft zu handeln; allein ihre Beſchreibung ſelbſt 
verdienet ſchon fo viele Aufmerkſamkeit, daß ich dieſe Entwickelung auf ei⸗ 
ne andere Gelegenheit verſpahren muß. Indeß laͤßt ſich von ſelbſt leicht 
ſo viel abnehmen, daß, wenn eines von dieſen Maͤuslein vortritt, das 
andere zuruͤckgehet und ſich verkürzt, und welches ihre Wirkungsarf eini⸗ 
e be greifich macht. bach 


Das hinterfe- Gelenke (x) iſt das 3 Es Fo 952 wo es dem 
Ruͤckgrade auf feiner Kugel anſißt, wie die uͤbrigen, eine einfach ſcheinen⸗ 
de Klappe, die ich aber bey genauerer Beleuchtung an dieſen eigentlichen 
Füßen meiſtens dreyfach gefunden habe (1). Jede iſt laͤnglichrund und 

an 
2 ‚Lab, II. Fig. V 0 N A b. C. 5 2 C. (H 16 m. N. 1 


104 n oe 


an der aͤußerſten Spitze, folglich da, wo ſie an beyden Fuͤßen in der Ber 
wegung zuſammenſtoßen, ſtark mit Haaren beſetzt. Sie gleichen einem 
Hundsohre; und zwar die zwo obern (Y) einem aufwärts ſtehenden, und 
das untere (**) einem abhängenden. Doch habe ich dieſe drey Klappen 
gar vielmals auch einfach, und fo wie an den folgenden angetroffen. Es 
koͤnnte alfo wohl ſeyn, daß letztere einfache dennoch die natürliche wäre, 


Das mittlere Gelenke, als das zweyte (*), iſt etwas ſchmaͤler, als 
das hinterſte dritte, und das kuͤrzeſte unter den uͤbrigen. Es iſt vermoͤ⸗ 
ge einer durchſichtigen Haut mit den uͤbrigen verbunden; und hat, dem 
Beutelgen gegen über ein plattgedrucktes, etwas langes, oben ſtumpf⸗ 
zulaufendes Hoͤrngen anſitzen (7). Dieſes Hoͤrngen ſtehet auf einer mit 
Knoͤtgen und Haaren bedeckten Erhoͤhung; läuft von unten an in eine 
ſtumpfe Spitze aus, ſteht ſchraͤg in die Hoͤhe, und iſt etwas unbiegſam. 
Es beſteht, ſchon angezeigtermaßen, aus lauter ſchief eingeſchnittenen 
Ringen, deren ich gegen zehn gezaͤhlet habe; und jeder Ring hat an bey⸗ 
den Seiten eine Art von Dornſpitzen. 


Das dritte Gelenke (FF) iſt bey nahe fo groß, als das hinterſte, nur 
daß es vorn breiter, als hinten, wo es mit dem zweyten Gelenke vers 
bunden iſt, bemerket wird. Das Gelenke ſelbſt hat der Länge nach einen 
Einſchnitt, welcher bey dem untern Theile in einem fortgehet, den obern 
Theil aber wie in zween oder drey andere zertheilet. Der Augenſchein 
giebt, daß es abermals Maͤuslein ſeyn, davon die untern an die lange 
Borſte, die obern aber an die übrigen Borften reichen, und dieſelben bes 
wegen. Auf der obern Abtheilung, gerad vor dem hinterſten Einſchnit— 
le, ſtehet das zweyte Hoͤrngen, fo aber nunmehro ſchon anfängt einer 
Borſte zu gleichen, und ſoll alſo auch die kleinſte Borſte heißen (If). Sie 
iſt dreymal größer‘, als das hintere Hoͤrngen; hat aber eben ſolche ſchief⸗ 
eingeſchnittene Ringe, und an den Seiten Dornenſpitzen, wie das Hoͤrn⸗ 
gen; nur daß es vermoͤge ſeiner großen Laͤnge gegen dreyßigmal geglie⸗ 
dert iſt, und mehr krummgebogen, als gerad, ſtehet. Auf dieſe kleineſte 
un Borſte 


© Tab. II. Fig. V. m. n. (. (b. Ye Ada ME 


un ee 10% 


Borſte folget der vorderſte und erſte Abſchnitt (*), dem die zweyte mitt- 
lere Borſte aufſitzt (“h. Sie iſt volfommen wie die vorhergehende klei— 
nere gebildet, nur um ein viertheil größer, und folglich gegen viersigmal ges 
gliedert. Zwiſchen den Maͤuslein laufen einige rothe Roͤhrgen, ſo mit 
dem Beutelgen von einerley Farbe ſind, und welche, gleichwie ſie mit ſelbigem 
Verwandtſchaft haben, alſo zu den beſtimmten Abſichten, wovon wir uns 
ten reden werden, dienen muͤſſen. Die dritte Borſte (***) ift dem untern 
Abſchnitte des Maͤusleins dieſes erſten Gelenkes angegliedert. Sie hat 
einen breiten Anfang, unter welchem ein knorpeliger Anſatz, wie eine große 
Zaͤhe, und die vorn einige Haare hat, angewachſen iſt (f). Der Groͤße 
nach iſt dieſe Borſte wieder um ein viertheil länger, als die mittlere, folgs 
lich gegen funfzigmal und drüber gegliedert; ſonſt aber in allem fo, wie 
die andern, beſchaffen. Ueberhaupt haben dieſe Borſten mit den geglies 
derten groͤßern Fühlhörnern der Krebſe große Aehnlichkeit. Vornaͤm— 
lich aber iſt dieſem untern Abſchnitte des Maͤusleins, ganz hinten am En⸗ 
de, diejenige Kiefe und dasjenige Beutelgen einverleibet, von welchen ich 
allererſt weitlaͤuftig geredet habe. Die Kiefe (ff) iſt an dieſen Fuͤßen 
die kleineſte und ſpitzigſte unter allen, die beilfoͤrmig ausſehen; und eben 
auf dieſe Weiſe unterſcheidet ſich das Beutelgen (ETF) von dem folgen⸗ 
den, indem es ebenfalls eines der kleineſten iſt. 


Dieſem itzt beſchriebenen erſten Paare eigentlicher Fuͤße, oder der 
Ruderfuͤße, folgen nun die uneigentlichen Füße, oder die Kiefenfuͤße. 
Ich habe die ſelben oben in drey Claſſen eingetheilet und jede mit einem eis 
genen Namen beleget. Zur erſten Claſſe rechnete ich die neun erſten Paa⸗ 
re, und nennte ſie, um ihrer Aehnlichkeit willen mit den Krebsſcheeren, 
die geſcheerten Kiefenfuͤße. Wir wollen fie alſo auch zuerſt unter die 
Vergroͤßerung bringen. Ich muß aber hier mehr, als jemals, die Bit— 
te wiederholen, in der Kupferplatte uͤberall fleißig nachzuſehen, weil es ſonſt 
nicht moͤglich iſt, daß man mich verſtehen und Verwirrung vermeiden 
kann. 

Der krebsartige Kiefenfuß. O Dieſe 


(Y Tab. II. Fig. V. a. C d. Cee e. () h. (T i. (TTD K. 


106 wre 


Die geſcheerten Kiefenfuͤße (*) kommen theils mit den Ruderfuͤſ. 
ſen, theils unter ſich ſelbſt, anfaͤnglich in folgenden Stuͤcken uͤberein. 
Sie haben alle drey Gelenke (*); und zwar an dem hinterſten den oben 
haarigen und unten gezahnten klappenaͤhnlichen Anſatz (**); an dem ers 
ſtern Gelenke aber die beilfoͤrmige Kiefe (1), und das blaſenaͤhnliche Beu⸗ 
telgen (If). Darinnen aber gehen fie von den Ruderfuͤßen alle ab. Wo 
bey jenen das Hoͤrngen und die drey Borſtenſpitzen anſaßen, da findet man 
bey dieſen zwar um die naͤmlichen Gegenden ebenfalls gewiſſe Fortſaͤtze und 
Anhaͤnge, auch von naͤmlichem Baue im Ganzen; die aber in ihren Thei⸗ 
len von jenen gar ſehr verſchieden find (T}})- Man ſiehet ſie hier kleiner, 
breiter und ſtumpfer zugeſpitzt, ja ſie verwandeln ſich zum Theile gar in 
Scheeren (I). 


Ehe ich aber den Unterſcheid dieſer neun Paar geſcheerten Kiefen⸗ 


fuͤße unter ſich ſelbſt anzeigen kann; werde ich vorher das erſte Paar über, 
haupt umſtaͤndlich beſchreiben muͤſſen (11). 


Der hintere klappenaͤhnliche Anſatz (411) iſt faſt fo breit, als lang. 
Da, wo er mit dem dritten Gelenke (HL) verbunden iſt, folglich auf 
der innern Seite gegen dem Ruͤckgrade zu, iſt er etwas ausgehoͤhlet, vorn 
aber rundlich. Da nun der Ruͤckgrad, wie ich oben geſagt, noch tiefer 
liegt, und ebenfalls einen halbrunden Raum zwiſchen dieſem klappenaͤhn— 
lichen Anſatze und ſich ſelbſt machet, ſo entſtehet dadurch laͤngſt demſelben 
eine, fo zu ſagen, doppelte Rinne, deren untere halbe Hohlung der Ruͤck⸗ 
grad, die obere aber die zwo andere Klappen machen, die ſich an den ges 
genuͤberſtehenden Fuͤßen befinden, und ebenfalls ausgehoͤhlet ſind und ſich 
gegen einander bewegen. Dieſer klappenaͤhnliche Anſatz iſt ferner ſowohl 
am Rande, als auf der ganzen obern gewoͤlbten Fläche, mit ſtarken Haas 
ren beſetzt, die ſich vorwaͤrts gezen ſein rundes Ende befinden. Die ihm 

ent⸗ 


(0 Tab. HI. Fig. I. I. HI. 09 Fig. I. II. a. b. e. C9 i. (U Fig. 
I. II. m. n. o. III. i. K. . (TN Fig. I. II. I. UI. h. (HTH Fig. L If. 
d. e. f. g. h. Fig. III. a. b. c. d. e. Cl) Fig. I. II. d. e. III. d. e. III a. b. 
AN Fig. I. Hh i. GI) e. 


en e 107 


entgegen ſtehende ausgehoͤhlte innere Seite aber iſt mit fuͤnf oder ſechs 
ſtumpfen Knoͤpfgen oder Huͤgelgen, wie mit Zaͤhnen, verſehen, auf de— 
ren jedem ein Buͤſchel kurzer und ſtumpfer Haare geſehen wird. Da, wo 
dieſer Anſatz ſich mit dem folgenden Gelenke durch ein zartes Haͤutgen, 
welches ihm ſtatt des Maͤusleins dienet und feine Beweglichkeit verurſa⸗ 
chet, verbindet, ſiehet man ein Paar querübergehende Reihen heller zar⸗ 
ter Ringelgen, in deren jedem ein langes krummgebogenes Haar ange— 
troffen wird. Vieleicht find dieſe zwo helle Linien Ringe, eben fo viele Ars 
ten zarter Maͤuslein, wodurch das Thiergen den Anſatz ſelbſt nach Wins 
kuͤhr gewoͤlbter oder flacher machen kann. Dieſen Anſatz bedienet ſich dies 
ſes Thiergen, wie es ſich leicht bemerken laͤſſet, zum Faſſen, Feſthalten 
und Fortſchieben ſeiner Nahrung und Speiſe, und man koͤnnte ihn auch 
den Fortſchieber, oder noch beſſer, den Afterzahn heißen. Die Farı 
be iſt oben braun und unten hellgelb; daneben von hornartigem Gemaͤchte. 


Das dritte, als das hinterſte, Gelenke des Kiefenfußes (*), fo uns 
mittelbar auf den Anſatz folget, hat unter der ſtaͤrkſten Vergroͤßerung 
nichts Beſonders; außer daß es eines der laͤngſten und doppelt ſo lang, 
als das folgende mittlere und zweyte, auch faſt durchaus gleich breit iſt. Die 
Farbe, die Hornart und die Maͤuslein, find in, allen Stuͤcken, wie bey 
den Ruderfuͤßen, beſchaffen. 


Das mittlere, als das zweyte, Gelenke (**) iſt, erſtgedachtermaßen, 
halb ſo groß, als das hintere, und etwas weniges ſchmaͤler, kommt ihm 
auch an Farbe ziemlich gleich, doch iſt es weißer und durchſichtiger. In— 
ſonderheit aber befindet ſich an ihm, gerad dem Beutelgen gegen uͤber, 
und wo an den Ruderfuͤßen das Hoͤrngen ſtunde, ein kleiner, ganz platt⸗ 
gedruckter Kegel, oder Spadel (**). Er ſtehet wie dort, auf einem haa⸗ 
rigen Huͤgel; iſt aber an den Seiten mit lauter Knoͤtgen oder zahnarti— 
gen Einſchnitten verſehen, auf deren jedem ebenfalls ein Buͤſchel ſtumpfer 
Haare ſich befindet. Die Farbe iſt gelblich und halbdurchſichtig; und das 

O 2 Gemaͤch⸗ 


(Y Tab. II. Fig. III. e.. ( b. ( h. 


108 n 


Gemaͤchte ſcheinet mehr pergament als hornartig zu ſeyn. Ich will fie 
die ſpadelartige Spitze heißen. 


Das erſtere, als das vorderſte, Gelenke iſt das laͤngſte, aber auch 
das ſchmaͤleſte, und merkwuͤrdigſte (D). Es iſt mit dem mittlern durch 
eine zarte Haut verbunden und am beweglichſten; uͤbrigens an Farbe, wie 
auch in Anſehung der Maͤuslein und der hornartigen Eigenſchaft, den 
übrigen Gelenken gleich. Es ſitzen ihm die Kiefe (**) und das Beutel⸗ 
gen (***), und gegen über eine zweyte Spitze an CH. 


Die Kiefe (ff) iſt hier oft dreymal größer, als an den Ruderfuͤßen. 
Sie iſt io am meiſten einem Dreyangel gleich oder beilfoͤrmig. Die längs 
fie Seite (ff), nebſt etwas wenigem an der Seite nach den Scheeren 
zu, iſt mit baumartigen oder fiſchohrigen Haarroͤhrgen beſetzt, und macht 
einen geringen Bogen oder Woͤlbung. Die zweyte Seite, ſo dem Ge— 
lenke zugekehret iſt, befindet ſich faſt ganz gerad und glatt (J). Die dritte 
Seite aber, welcher das Beutelgen anſchließet, iſt etwas hohl ausge— 
ſchweift (I), und vereinigt ſich mit der obern Seite in eine Spitze (11). 
Wenn man dieſe dritte Seite ſehr ſtark vergroͤßert, ſo findet man, daß 
ſie, von der Spitze an gerechnet, uͤber die Helfte hinein mit ungemein zar⸗ 
ten zahnartigen Zacken eingefaßt iſt; wie denn auch die zwo rothen Haupt⸗ 
adern an den beyden vordern Seiten, nebſt einigen andern ſehr zarten 
innerhalb dem Blaͤttgen ſelbſt, alsdenn ſehr ſichtbar ſeyn. Es ſcheinen 
dieſe rothe Adern wegen ihrer Farbe mit dem Beutelgen, und dem darinn 
enthaltenen Safte, eine Gemeinſchaft zu haben. Und auch dieſes wird, 
wie ich unten zeigen werde, einen Beweiß von ihrer Beſtimmung abgeben. 


Das Beutelgen (), hinter der Kiefe, iſt faſt doppelt fo groß, als 
an den Ruderfuͤßen, und ſcheinet manchmal in ſeinem Umfange eine 
Randeinfaſſung zu haben. Weil es aber meiſt mit rothem Safte ange— 


fuͤllet, und folglich undurchſichtig iſt, fo kann die beſte Vergrößerung weis 
ter 


Tab II. Fig. I. 4, () m ne, p ( ei a (Tro m 
n. o. p. (ff) m. (bo () p: (en. Ol 


n e 1og 


ter nichts darvon entdecken. In Vergleichung mit der ganzen Kiefe, iſt 
es ungleich kleiner 


Der Kiefe und den Beutelgen gegen über, an der andern Seite des Kies 
fenfußes, und ebenfalls an dem Ende dieſes erſten Gelenkes, befindet ſich ſchon 
gedachtermaßen eine zweyte Spitze (). Sie iſt viel laͤnger und breiter als die 
hinderſte ſpadelaͤhnliche; ſie kommt einem laͤnglichen und ſpitzig zulaufenden 
Blatte gleich, und ich will fie daher die Blattſpitze nennen. In Betracht 
der Ruderfuͤße beziehet ſie ſich auf die erſte hintere Borſte, ſo denſelben 
anſitzet (“%. Man bemerket indeſſen an ihr, wie an der ſpadelaͤhnlichen, 
lauter zahnartige Huͤgelgen oder Einſchnitte, fo mit ſtumpfhaͤrigen Buͤ— 
ſcheln beſetzet ſind. In der Mitten gehet laͤngshinunter eine Ader, die 
dieſe Spitze in zween gleiche Theile abſchneidet; und wo alsdenn der ums 
tere Theil mit lauter ſolchen kurzen Haͤrgen uͤberſaͤet iſt, als man auch 
an deren Rande gewahr wird; der obere Theil aber iſt ganz glatt und oh— 
ne alle Haare. Die Farbe und das Gemaͤchte iſt, wie bey den vorigen, 
gelb und pergamentaͤhnlich; und, aus angefuͤhrten Urſachen, der obere 
Theil durchſichtiger, als der untere. Vieleicht iſt die mittlere Ader ein 
Maͤuslein; wiewohl das ganze Blaͤttgen, wie alle andere, an ſich ziemlich 
ſteif, und, ausgenommen bey der Eingliederung, unbeweglich iſt. Es 
kann daher auch wohl eine ſolche Ader ſeyn, die bey den großen Kiefen roth 
ausſiehet, und ihre Verwandtſchaft mit den Beutelgen beſſer verraͤth; 
welche alsdenn auch an dieſer Spitze ein Werkzeug waͤre, den rothen Saft 
in den Beutelgen ſicher hieher zu fuͤhren; obgleich deſſen allzugroße Zaͤrt— 
lichkeit, verhindert, die rothe Farbe des Saftes darinn gewahr zu werden. 


Vorn, wo dieß erſte Gelenke feinen Anfang nimmt, iſt die obere aͤußer⸗ 
ſte Gegend ganz glatt (**); da wir hingegen bey den folgenden Kiefenfuͤßen 
an dieſer Gegend gewiſſe Haare und Anſaͤtze bemerken werden. Vornaͤm— 
lich aber find dieſem erſten Gelenke drey andere Körper angegliedert (f), 
davon die zween erſtern die eigentliche Geſtalt der Krebsſcheeren haben. 

O 3 Der 


() Tab. NI. Fig. g. CSO Tab. II. Fig. V. f. () Tab. III. Fig. I. p. 
(d) d. e. f. 5 | 


110 we 


Der erſte Körper iſt die obere Scheere (). Sie hat faſt die Laͤnge 
des Gliedes, dem ſie anſitzt; iſt an der aͤußerſten Seite gewoͤlbet; und das 
ſelbſt mit lauter mehr, als Somal gegliederten, baumartigen Roͤhren beſetzt. 
Vorn laͤuft ſie in eine etwas krumme und ſehr ſcharfe Spitze aus. Die 
innwendige Seite aber iſt etwas weniges einwaͤrts gebogen, und mit lau— 
ter ordentlich ſehr ſcharfen dreyeckigen und plattgedruckten Zähnen bewaff⸗ 
net. Dieſe Zaͤhne ſtehen an dieſer Scheere bis hinten aus, und ich habe 
deren über achtzig gezaͤhlet. In Anſehung der Ruderfuͤße hat dieſe Ober⸗ 
ſcheere auf die groͤßte Borſte ihre Beziehung. 


Die untere Scheere (**) iſt ſchmaͤler, als die obere, auch um etwas 

laͤnger. Ihre innere Seite iſt ebenfalls etwas eingebogen , und daſelbſt 
mit ziemlich weitvoneinanderſtehenden Einſchnitten beſetzt, welche aber 
keine Zähne, ſondern Huͤgelgen mit ſtumpfen Büſcheln ausmachen. Der 
aͤußere Rand iſt wieder etwas gewoͤlbet und mit einer Menge der nämlis 
chen erſtgedachten huͤgelartigen Einſchnitten verſehen. In Abſicht der 
Ruͤderfuͤße, bezieht fie ſich auf die mittlere lange Borſte. 


Unter dieſer eigentlichen Scheere ſiehet man eine dritte einfache Schee⸗ 
re (**), die nur halb fo lang iſt, als die Unterſcheere. Hinten, wo fie 
anſitzt, findet man fie etwas dick, und daſelbſt hat fie auch an der aͤußer⸗ 
ſten Seite einige Haare. Außer dem aber iſt ſie ebenfalls von innen und 
außen mit lauter ſtumpf behaarigten Huͤgelgen ausgezacket. Ich will dies 
fe dritte Scheere, zum Unterſcheide, die falſche oder Afterſcheere nennen. 


Ale dieſe drey Scheeren find durch eine ſtarke Haut dem erſten Ger 
lenke angegliedert. Und wie ſie ſaͤmmtlich pergamentartig und einander 
an gelber Farbe und ziemlicher Durchſichtigkeit gleich ſind; alſo laufen 
auch einige rothe Roͤhrgen durch ſie hin, die wohl nichts anders als Ver⸗ 
laͤngerungen der Gefaͤße ſind, welche mit dem Beutelgen zuſammenhan⸗ 
gen, und alſo deſſen Saft hier durchzubringen und auszubreiten geſchickt 
ſind. Und ich werde bey der Haͤutung melden, zu was fuͤr einem 155 

zwecke 


(J Tab. DL Fig L d. Me., ODE 


n O 111 


zwecke ſolches geſchiehet. Inſonderheit befindet ſich die Unterſcheere durch 
ein ſehr ſtarkes breites und ſchteflaufendes Gefäße mit dem Gelenke vers 
bunden; dergleichen kleineres man auch bey der Oberſcheere gewahr wird. 
Die obere Scheere aber ſcheinet gar keine Maͤuslein zu haben, und es ſind 
ihr wohl auch keine noͤthig, weil ich bemerket habe, daß ſie, wie bey den 
Krebſen, faſt unbeweglich iſt. 


Dieß iſt die Geſtalt und der Bau des erſten Paares der geſcheerten 
Kiefenfuͤße. Was aber die folgenden acht Paare betrift, ſo beſtehet ihr 
Unterſcheid darinnen. 


Der hintere Afterzahn wird von jedem zu jedem immer unmerklich 
kleiner und zum Theil ſpitziger (); machet aber beſtaͤndig die obere Decke 
der mehrgemeldten Rinne aus. Die drey Gelenke ſiehet man nach und 
nach bey jedem kurzer und breiter (**). Die ſpadelaͤhnlichen Spitzen (***) 
und Blattſpitzen (T) findet man ebenfalls immer breiter und kuͤrzer; welches 
auch von den Afterſcheeren (T) gilt. Und da jene Spitzen bey dem er, 
ſten Paare von der Afterſcheere, und in Anſehung ihrer ſelbſt, ziemlich 
von einander entfernet waren, fo kommen fie hingegen, wegen der im» 
mer ſtaͤrkern Verkürzung der Gelenke, und ihrer anwachſenden Breite, 
vom Fuße zu Fuße naͤher und naͤher zuſammen, ſo, daß ſie bey den letz⸗ 
ten Paaren ſich einander faſt gänzlich berühren. Vornaͤmlich aber iſt 
von den Spitzen und der Afterſcheere der ſechs letztern Paare zu merken, 
daß bey ihnen die huͤglichen Randeinſchnitte immer unmerklicher werden; 
an deren ſtatt aber die aͤußere Seite mit lauter hellen Ringeln eingefaßt 
iſt, in deren jedem uͤberall ein langes Haar ſtehet. Und eben ſo theilen 
ein Paar Rethen ſolcher hellen Ringe, in deren vorderſten auch uͤberall 
ein Haar iſt, jede Spitze und die Afterſcheere, queruͤber gleichſam in 
zween Theile ab. 

U 


I 


Was 


(*) Tab. I. Fig. II. i. In. f. (**) Fig. II. a. b. e. III. () pig. II. 
h. III. c. (h) Fig: I. g. III. d. (i) Fig. I. f. III. e. 


112 n 2 


Was die eigentliche Scheere anlanget, ſo wird die untere immer klei⸗ 
ner (5), bis fie mit der obern (**) faſt eine Laͤnge uͤberkommt. 


Die Beutelgen nehmen unmerklich an Laͤnge zu (***); die Kiefen 75 
verlieren uͤber den Scheeren mehr und mehr ihren zugeſpitzten Ausgang, 
und werden ſtatt deſſen immer rundlicher. Und da man bey den zwey 
und drey erſten Paaren, an dem Aeußerſten des erſten Gelenkes uͤber der 
Scheere, keinen Fortgang gewahr wurde, ſo ſiehet man hier bey dem 
vierten, fünften und ſechſten Paare einige Haare (f); und bey dem fies 
benden, achten und neunten Paare eine ſtarke Breite, mit dergleichen 
Haaren (). Dieß ſey genug von den neun Pasten der geſcheerten 
Kiefenfuͤße. 


Auf dieſe folget das zehnde Paar der Kiefenfuͤße (ff). 


Ich habe ſchon oben angezeiget, daß dieſelben, auch das bloße Auge, 
ganz beſonders vor allen uͤbrigen gebauet und geſtaltet findet; und dieſes 
zeiget ſich igo am meiſten unter der zuſammengeſetzten Vergroͤßerung. 


Es iſt dieſem einzeln Paare oben der Name der Mutterfuͤße ers 
theilet worden; und es wird ſich immer naͤher offenbaren, daß ſie dieſen 
Namen mit allem Rechte verdienen. Was zuerſt die Gelenke derſelben 
betrift, fo find fie faſt unſichtbar, und es ſcheinet, als ob alle Theile, fo 
demſelben angegliedert ſind, einem einzigen Haͤutgen anſaͤßen, welches 
demjenigen Theile dieſer Mutterfuͤße, welcher ihm das Unterſcheidungs⸗ 
zeichen vor den übrigen ertheilet (J), wieder angewachſen iſt. 


Der Afterzahn (10 ſitzet hier einem eigenen haͤutigen Anſatze an, 
welcher ſich ſowohl durch feine Laͤnge von den übrigen Theilen merklich 
unterſcheidet, als auch von dem Blaͤttgen ſelbſt etwas abgeſondert iſt. 
Man findet ihn, wie die vorigen Afterzaͤhne geſtaltet, außer, daß er an 
ſich, nach Maaßgabe der vorigen, etwas kleiner ausſiehet. 3 

n 
(*) Tab. III. Fig. II. e. Fig. III. b. (**) Fig. II. d. III. a. III. b. (***) 


Eg. HI. I. IV. h. ( 5 p. (If) Fig. III. m. (Aff) Tab. IV. 
Fig. Hl. (Di db E 


a 113 
In der Mitten dieſes haͤutigen Anſatzes, welcher bey den andern dat 
dritte und hinterſte Glied aus machet, habe ich allezeit einen roͤchlichen Punct, 
und um ſelbigen eine ringfoͤrmige Erhoͤhung bemerket, in welcher mir zu 
Zeiten eine ordentliche Oeffnung zu feyn ſchiene ()). Ich konnte fo gar 
verſchiedenemal ganz mit leichter Muͤhe eine Borſte in dieſe Oeffnung brins 
gen. Vieleicht iſt hier, wie bey den Krebſen, der Ort, wo die Zeugungs— 
glieder verborgen liegen und die Befruchtung ihren Sitz hat. Wovon ſei⸗ 
ner Zeit und an ſeinem Orte das Weitere. 


Das ſonſtige ſpadelaͤhnliche Spitzgen iſt hier am breiteſten (**), und 
kommt der Haͤlfte einer Klaue vom Hornviehe ziemlich gleich; von wel— 
chem auch das folgende, ſonſt blattaͤhnliche (***), bloß in der wenigern 
Breite abgehet. Die Afterſcheere (f) iſt noch ſchmaͤler, dabey aber et, 
was weniges laͤnger. Die Unterſcheere ({}) aber iſt am laͤngſten und 
ſchmaͤleſten unter allen; und hat nebſt den uͤbrigen ſowohl an der Seite / 
als quer über, die mehrgemeldten hellen Ringelgen, in deren jedem ſich 
ein langes Haar befindet. 


Die Oberſcheere (ff) iſt um ein gar merkliches kuͤrzer, als die Uns 
terſcheere. Ihre innere Flaͤche gehet etwas hohl im Bogen, und nur ganz 
vorn ſtehen einige ſcharfe Zähne; das Uebrige aber iſt glatt. Die Schee— 
re ſelbſt macht ein ziemliches breites und nach außen gewoͤlbtes Blaͤttgen, 
deſſen ganze äußere Fläche mit lauter federartigen Haarroͤhrgen eingefaßt 
iſt, welche ſaͤmmtlich, wie ſchon mehr gemeldet iſt, in lauter hellen Rin⸗ 
gen ſtehen. 


Vor allen aber hat man an dieſen Mutterfuͤßen dasjenige große, run⸗ 
de, und doppelt ſcheinende, Blaͤttgen wohl zu merken, ſo ihnen ange— 
wachſen (J), und bald durchſichtig und leer, bald undurchſichtig und mit 
rothen kleinen Koͤrnern angefuͤllet iſt. Jedoch, es darf das Thiergen ſich 
nur bewegen, ſo ſiehet man, daß dieſes Blaͤttgen allerdings aus einem 

Der krebsartige Kiefenfuß. P dop⸗ 


(00 11 2 IV. Fig. III. g. Mey) (He. (T b. () 4. 
Hi, 


214 un ge 


doppelten beſtehet (). Es öffner ſich alsdenn ein wenig , und zertheilet 
ſich in zwey eigene Blaͤttgen; die vorher eingeſchloſſen geweſenen rothen 
Körnergen aber, fallen alsdenn entweder einzeln, oder mehrere zugleich und 
aneinandergeklebet, heraus, und im Waſſer zu Boden. Ja es iſt fo muͤh— 
ſam eben nicht, dieſes doppelte Blaͤttgen ſelbſt mit einer Nadel nach Will⸗ 
kuͤhr, und fo oft es gefällig iſt, abzuſondern und auseinander zu legen. 
Man ſiehet auf dieſe Weiſe gar deutlich, daß es zwey eigentliche beſondere 
Blaͤttgen find, davon dasjenige, ſo dem Fuße an gewachſen, oder das 
untere, größer iſt, als das obere, fo auf ihm lieget. Letzteres iſt vorn 
frey, und man findet es bloß mit dem obern durch ein zartes Haͤutgen, 
wie mit einem Gewinde, verbunden. Das untere und groͤßere hat eine 
ſtarke haͤutige Randeinfaſſung, auf welche das obere Blaͤttgen wie in ei— 
nen Falß , dergeſtalt ganz genau ſchließet, daß vor ſich ſelbſt nichts hin ⸗ 
ein noch herauskommen kann. Das obere ſcheinet nur beweglich zu ſeyn; 
und das Thiergen iſt es wohl ganz allein, fo die Gewalt über dieſe Blaͤtt— 
gen hat, und das Vermoͤgen beſitzet, ſie nach eigenem Belieben aufzu— 
thun oder zu verſchließen. Mich duͤntet, es geſchehe dieſes vermoͤge ges 
wiſſer Maͤuslein, welche man bey dem Gewinde bemerket. 


Jedes Blaͤttgen iſt innerhalb etwas vertieft und außen etwas erhas 
ben. Sie laſſen alſo, wenn fie beyde übereinander liegen und zuſammen⸗ 
geſchloſſen ſeyn, einen innern linſenartigen Zwiſchenraum; und gleichen 
ulsdenn einer runden plattgedruckten Schnupftobacksdoſe, oder einem 
Schnappbuͤchsgen. Der gewoͤlbte einwaͤrtsgehende Rand des untern 
SBlaͤttgens macht, daß das auswaͤrts gewoͤlbte obere Blaͤttgen ſich eben fo 
darüber legt und es zuſchließet, wie die Blatter einer aufbluͤhenden Roſe 
fich übereinander legen, ehe fie noch fo weit offen find, daß man die Staub⸗ 
faden ſehen kann. f 


. Die insgemein in dieſem doppelten Blaͤttgen eingeſchloſſene rothe 
Koͤrnergen find „wie ich in dem dritten Abſchnitte zeigen werde, nichts 
anders, als die wahren Eper dieſer Thiergen, die vieleicht nach der Bes 

fruch⸗ 

() Tab. IV. Fig. III. h. ö 


* 115 


fruchtung hiehergebracht, und in dieſen Blaͤttgen, als in der Gebaͤhr, 
mutter, aufbehalten werden. 


Wenn man das obere groͤßere Blaͤttgen behutſam aufhebet, ſo wird 
man gewahr, daß insgemein die ganze innere Hoͤhle mit lauter ſolchen Ey⸗ 
ergen angefuͤllet, und die ganze Menge derſelben, wie mit einem Leime 
oder kleberigen Weſen, aneinander geklebet iſt. Welches kleberige We— 
ſen mir um ſo wahrſcheinlicher macht, daß die Eyer nach der Befruch⸗ 
tung hieher kommen, nachdem fie von dem, bey derſelben ſich vereinigen 
den, Saamen alſo zuſammengehaͤnget worden ſind; ja vieleicht werden 
ſie gar hier erſt befruchtet. Sie empfangen dadurch ihr Leben, welches 
ſie zu ernaͤhren und zu erhalten in dem Eyerſtocke ſind geſchickt gemacht 
worden. Ueberhaupt erficher man aus allem, daß dieſe buͤchſenaͤhnlichen 
Blaͤttgen bey unſern Thiergen, aller Wahrſcheinlichkeit nach, die Stefe 
der Gebaͤhrmutter vertreten; und daß ich alſo nicht geirret habe, da ich 
dieſem Paare Fuͤßen, um ſie deſto beſſer von andern zu unterſcheiden, den 
Namen von dieſen Blaͤttgen gegeben, und ſie Mutter fuͤße genennet, 
habe. 


Es iſt allererſt einer Oeffnung gedacht (*) worden, die ſich an dies 
fen Mutterfuͤßen befindet. Dieſelbe hat ohne allen Zweifel durch einen hoh⸗ 
len Gang einen Zuſammenhang mit dem zarten untern Blaͤttgen. Ich 
muß aber gleichwohl geſtehen, daß, bey aller Muͤhe, ſo hiebey von mir 
angewendet worden iſt, ich dieſen Gang nie habe entdecken, noch zur voͤlli⸗ 
gen Gewisheit bringen koͤnnen. Ich bin zwar einigemal mit einer Vor— 
ſte durch dieſe Oeffnung in das innere Blaͤttgen gekommen; allein ich has 
be niemals ganz gewis uͤberzeuget ſeyn koͤnnen, ob dieſes nach der Natur 
ſo erfolget iſt, oder ob ich nicht vieleicht durch Gewalt, und alſo wider⸗ 
naturlich, ſolches verurſachet habe. Es iſt die Weichlichkeit der Theile 
viel zu groß, als daß man, auch bey den behutſamſten Verſuchen, gewis 
ſeyn koͤnnte nichts zerriſſen zu haben. Ind vieleicht braucht es gar feis 
nes ſolchen Ganges. Es koͤnnen die Eyer auch wohl durch die Oeffnung 


P 2 her⸗ 
(*) Tab. IV. Fig. III. g. 


116 n 


heraustreten, und ſodann durch die kleine Rinne, welche die zwey uͤber⸗ 
einander liegende Blaͤttgen machen, da, wo ſie durch das Gewinde zu⸗ 
ſammengefuͤget find, herunterfallen, und von dannen weiter zwiſchen die 
Blaͤttgen und in die Mutter gebracht werden. Jedoch, es iſt dieſes eine 
bloße Muthmaſſung, und es ſcheinet mir das Erſtere viel wahrſcheinlicher. 
So viel iſt unlaͤugbar, daß wie die Eyer der Krebſe der Mutter außer 
dem Leibe noch eine Zeitlang anſitzen, bis fie auskriechen; alſo bleiben die 
Eyer auch bey unſerm Kiefenfuße einige Zeit in vorgedachtem Behaͤltniſ⸗ 
fe, bis fie ohne Gefahr dem Waſſer können uͤberlaſſen werden. 


Noch eines iſt bey dieſen Mutterfuͤßen nicht aus der Acht zu laſſen. 
Sie ſitzen dem zehnden Ringe an, wie man ſolches von der Ruͤckenſeite 
am beſten gewahr werden kann. Und wir werden zu ſeiner Zeit an eben 
dieſem Ringe, und zwar um eben dieſe Gegend, wo die Mutterfuͤße ans 
gewachſen ſind, eine beſondere Oeffnung finden, welche mit dieſen Mut⸗ 
terfuͤßen ſcheinet eine genaue Verwandtſchaft zu haben. 


Ich komme zu den Übrigen Kiefenfuͤßen. Ich habe ihnen den Bey, 
namen der geblaͤtterten gegeben; weil ſich an dieſen nicht nur die obere 
Scheere (Yin ein wirklich ſehr breites und rundliches Blaͤttgen verwandelt; 
ſondern weil auch an ihnen ein dergleichen drittes Blaͤttgen zwiſchen ihr 
und der Kiefe zum Vorſcheine kommt (“.) Ich rechne aber, wie ange, 
zeigt iſt, zu dieſen geblaͤtterten Kiefenfuͤſſen diejenige ganze übrige 
Anzahl, die von den Mutterfuͤßen ihren Anfang nehmen, und zuletzt in 
einen faſt unmerklichen Punkt auslaufen. 


Dieſe geblaͤtterten Kiefenfuͤße laſſen ihre Gelenke wieder etwas fehen; 
allein ſie bleiben gleichwohl, auch unter der ſtaͤrkſten Vergroͤßerung, noch 
immer undeutlich genug. Der Afterzahn (***), und alle übrige darauf 
folgend Spitzen, (7) find feiner großen Verſchiedenheit, in Anſehung der 
vorigen, unterworfen, außer daß ſie, wie die Kiefenfuͤße ſelbſt, immer 

klei⸗ 


(0 Tab. III. Fig. IV. V. VI. a. (% Fig. IV. I. V. m. VI. h. C 
Tig. V. V. f. (i) b. c. d. e, i 


n 117 


kleiner werden und näher zuſammenkommen, ja zuletzt gar wie zuſammen⸗ 
gewachſen ſcheinen (*). Alles alſo, was an ihnen zu bemerken iſt, ber 
trifft nur folgende Stucke. 


Die obere Scheere (**) iſt an dieſen ein ganz ungemein breites, faſt 
einen halben Cirkel ausmachendes, Blaͤttgen. Die obere Flaͤche iſt, wie 
bey allen vorigen, mit baumartigen Haarroͤhren eingefaßt; an der Spitze 
der innern Flaͤche aber ſiehet man, ſtatt der ſonſt gewöhnlichen Zähne, 
einzelne Haͤrgen. Jedoch auch diefe halbcirkelaͤhnliche Geſtalt veraͤndert 
ſich bey den folgenden immer mehr und mehr in ein oben faſt völlig runs 
des (***), da aber, wo es anſitzt, laͤnglichrundes Blaͤttgen (****). 


Hinter dieſer Oberſcheere iſt an allen geblaͤtterten Kiefenfuͤßen ein 
drittes rundliches, und nach Maßgabe ziemlich ſtarkes Blaͤttgen zu fe 
hen CH. Es nimmt die ganze Laͤnge des dritten Gelenkes ein (FF), dem es 
auch angewachſen iſt; und man wird ebenfalls an ihm, wie an allen vos 
rigen, die baumartigen Haarroͤhrgen gewahr. Jedoch verlieret auch dies 
ſes Blaͤttgen bey den andern mehr und mehr feine Rundung, und wird 
immer laͤnglicher (Tr, ja zuletzt gar ſpitzig (Tt). 


Das ſonſt dreyeckige Blaͤttgen, oder die eigentliche Kiefe, hat an 
dieſen eine beſondere Geſtalt (T). Man ſiehet zwar an ihm hinten, 
bey dem Beutelgen, noch eine Spitze, aber nach der Scheere zu iſt es 
ganz rundlich, reichet vorn kaum bis zum Ende des dritten Gelenkes, und 
iſt faſt ſo breit als lang. Es hat an den meiſten einen hohlausgehackten 
Rand, und an ſtatt daß bey dem vorigen die ganze obere Fläche mit lau— 
ter braunartigen Haarroͤhrgen beſetzet war, ſo ſtehen hier nur dergleichen 
einzelne, und jedes ſehr weit von den andern (II). Und auch dieſe Kiefe 
aͤndert an den folgenden nach und nach ihre Geſtalt. Sie wird immer 


® P 3 runds 


(Y Tab. II. Fig. VI. b. c. d. e. VII. (9 Fig. IV. a. (HH) Fig. V. a. 
CH) pig. VI. a. VII. d. (J) Fig. IV. I. V. m. VI. h. (Ff) Fig. IV. I. 


(ID Fig. V. m. (tf) Fig. . b. (H Fig. IV. i. (II) k. K. K. . 


118 un a 


rundlicher; verliert zuletzt ihre hintere Spitze; geht nach und nach immer 
ſtaͤrker über das Beutelgen hinaus (5); und wird an den letzten ganz 
laͤnglich rund, und bey nahe doppelt fo lang, als das Beutelgen (**). 


Endlich, findet man auch die erſtgedachten Beutelgen ſelbſt an die⸗ 
fen geblaͤtterten Kiefenfuͤßen von den vorigen verſchieden (**%). Sie ſind 
an ihnen ungleich ſchmaͤler und laͤnger; und da ſie vorher einer Blaſe aͤhn⸗ 
lich waren, fo werden fie alhter immer langhalſiger Di und zuletzt faſt 
gleichdick ‚ wie ein Schrottbeutel (Fl). 


Dieß iſt der Bau und die Geſtalt der Kiefenfuͤße auch unter der Ver⸗ 
groͤßerung. Und ob ich es gleich oben gar muͤhſam und faſt unmoͤglich 
angegeben habe, ihre Anzahl genau beſtimmen zu koͤnnen; ſo habe ich 
doch ſo lang und vielmals den Verſuch vorgenommen, bis ich auch hierinn 
etwas gewiſſes erfuhr. Ich bin auf dieſe Weiſe, und zwar nachher ohne 
große Mühe, zum Zwecke gekommen. Ich nahm einen Kiefenfuß, deſſen 
Beutelgen ſtark aufgeblaſen und rothgefaͤrbet waren, legte ihn auf den 
Bauch, ſchnitte den Schild weg, und zaͤhlte die Beutelgen ab. Ich brachte 
derſelben gegen 59. heraus. Da nun ſich an jedem Fuße ein ſolches Beu⸗ 
telgen befindet, die Mutterfuͤße allein ausgenommen, als die deſſen be— 
raubet ſind; ſo konnte ich mit Gewisheit ſchlieſſen, daß aller Fuͤße 39. 
Paare, und mit den Murterfüßen 60. Paare, ſeyn müßten, Welehs zu⸗ 
Ku 120. einzelne Füße ausmachen, 


ch verwunderte mich nicht wenig über dieſe große Anzahl der Füße, 
und ich wuͤrde mir vieleicht ſelbſt nicht geglaubet haben, wenn ich ſie nicht 
mehrmalen auf die erſtangezeigte Weiſe abgezaͤhlet haͤtte. Jedoch dieſe 
Anzahl der Fuͤße iſt noch nichts gegen der Menge aller Glieder, die ſich 
an dieſen Thiergen befinden, wenn man ſie zuſammen in einen Ueber— 
ſchlag bringet. Ich habe damit einen Verſuch gemacht, und will meint 
Berechnung hier beyfuͤgen; weil ich kaum vermuthen kann, daß ſich en 
An⸗ 


(0 Tab. II. Fig. V. k. (c Fig. VI. f VII. e. ( Fig. IV. h. (5) 
Fig. V. h. (I) Fig. VI. g. VII. b. 


n 119 
Anderer mit Zaͤhlung derſelben abgeben moͤgte, deren anne Anzahl 
aber in der That merkwuͤrdig genug iſt. 


Die Fuͤhlhoͤrner find an ſich zweymal gegliedert, und 
die drey obern Stacheln 2 dreymal, macht 


doppelt genommen — ren 22 Glieder. 
Die Oberlippe iſt einmal gegltederk - Zeh tie 1 
Jeder Zahn einmal, doppelt genommen — - - 2 
Die vier Unterlippen jede einnml— 4 
Jede Freßſpitze einmal, doppelt — - - 2 
Der Leib hat mit der Schwanzklappe - - — 33 
Jede Borſte an der Schwanzklappe 480, doppelt 960 
Die Füße find an fich, jeder dreymal, gegliedert, dieß 
macht bey allen 60 Paaren - - - 360 


Das einfache Gelenke an den angegliederten Borſten, 

Scheeren, Spitzen, Riefen, Beutelgen und After 

zaͤhnen, machen bey jedem Fuße 8 Gelenke, folglich 

bey allen 60 Paaren und doppelt genommen 960 
Jede der beilfoͤrmigen Kiefen hat gegen 280 Haarroͤhr⸗ 

gen, deren ich aber, weil ihrer an den geblaͤtterten 

Kiefenfuͤßen weniger ſind, nur 200 rechnen will; 

und jedes Haarroͤhrgen iſt wieder bey zo mal 

gegliedert; dieß macht 95 allen Kiefen, 1 

genommen 1200000 
Jede Oberſcheere hat über Too ſolche Han 

die auch Jo mal gegliedert find, dieß macht bey 

allen doppelt genommen - - 600000 
Endlich iſt das Hoͤrngen und die Borſten an dem ers 

ſten Paar Fuͤßen noch uͤbrig, ſie ſind zuſammen 

130 mal gegliedert, welches doppelt genommen 260 


1802604. 


Da 


120 n 2 


Da nun diejenigen Haarroͤhrgen, die ſich am dritten Blaͤttgen der 
geblaͤtterten Kiefenfuͤße befinden, nicht einmal gerechnet find, fo kann 
man mit gutem Fuge ſagen, daß jedes Thiergen mehr als 2000000 Ger 
lenke hat Und auch dieſe find ja nur erſt diejenigen, fo mir ſicht bar ge 
worden ſind. Wie viele mag es nicht erſt von ſolcher Art geben, daß ſie 
gar nicht ſichtbar zu machen ſeyn; wie viele mag ich uͤberſehen ha— 
ben ? Wer erſtaunet nicht über dieſe Menge der Glieder an einem fo 
geringen, und nichts wuͤrdig ſcheinenden, Thiergen? Jedoch ich werde 
daruͤber im letzten Abſchnitte noch eine beſondere Betrachtung anſtellen. 
Voritzo iſts genung, die unglaubliche Menge dieſer Glieder uͤberhaupt an 
gegeben zu haben. ö 


Hiebey laſſe ich es in Anſehung der äußern Theile unſers Waſſer⸗ 
thiergens bewenden. Ich geſtehe zwar gerne, daß ſich von dem, ſo ich 
angefuͤhret habe, noch Manches und Mehreres haͤtte ſagen laſſen, wenn 
mir nicht die allzugroße Zaͤrtlichkeit und Kleinigkeit der Theile, ſonderlich 
an den letzten Fuͤßen, im Wege geſtanden waͤre, alle noͤthige Verſuche 
dießfalls vorzunehmen. 


Sollte übrigens bey dieſer ohnehin trockenen Beſchreibung hie und 
da noch Manches unverſtaͤndlich geblieben ſeyn, fo werden ſich meine Le— 
ſer, wie ich darum gebethen habe, durch Vergleichung der Kupfertafeln 
am beſten helfen koͤnnen; indem ſich auf dieſe Weiſe in einem Augenblicke 
mehr überfehen laͤßt, als man, in dergleichen Sachen, auf einen gan 
zen Bogen deutlich zu machen nicht im Stande iſt. 


Zwey⸗ 


wu 121 
* R W de e > 2 > Ze > Ze e e e de e e e e 


Zweyter Abſchnitt. 


Von den innern Theilen des krebsartigen 
Kiefenfußes. 


N wir im vorhergehenden Abſchnitte unſere Waſſerthiergen 
g nach ihren äußern Theilen betrachtet haben; fo bringet uns nun⸗ 
mehro die Natur der Sache, und unſer gemachter Plan, auf die 
innern Theile derſelben. 


Ich verſtehe aber dadurch alle diejenigen Theile, die mit der aͤußern 
Haut oder Schaale bedecket find, und die ſowohl in dem obern Ropf—⸗ 
behältniſſe (0), als in der innern Bauchhoͤhle (**), gefunden werden. 


Zu erſterm gehoͤret das eigentliche Gebaͤude der Augen (***), das 
Gehirne, die Abſonderungsgefäͤße (), und gewiſſe andere ſon⸗ 
derlichen Theile, denen man vor der Hand noch keinen rechten Namen 
geben kann. Zu dem zweyten aber iſt das Herz (T), der Magen, und 
Gedärme, der Eyerſtock CD mit feiner Trompete (IL), und andes 
re dahin gehörige Gefäße, zu rechnen. 

Wir machen von den Augen den Anfang (III). Ihre aͤußere Ge⸗ 
ſtalt haben wir in dem vorhergehenden Abſchnitte ſo gut beſchrieben, als ſie 
ſich unter der Hornſchaale darſtellte. Will man fie aber noch näher und 
eigentlicher kennen lernen; fo muß foͤrderſamſt die Hornhaut mit Vor—⸗ 
ſicht abgeloͤſet werden. Es laͤßt ſich ſolches auch gar leicht thun, und am 
allergeſchwindeſten und ſicherſten bey denenjenigen, die eben einer neuen 

Der krebsartige Kiefenfuß. Q Haͤu⸗ 


(*) Tab. II. Fig. I IV. ( Tab. IV. Fig. IV -- VII. (***) Tab. 
II. Fig. I. (H Tab. V. Fig. XV. e. e. (I) ff. ( Tab. IV. 
Fig. VI. VII. b. b. (II) e. c. (II) Tab. II. Fig. I. 


144 n N 


Haͤutung⸗ ſehr nahe find. Denn da die Hornhaut, fo die Augen uͤberde⸗ 
cket, an der ganzen äußern Schaale feſt ſitzet, und, fo zu reden, mit ſel⸗ 
biger ein Ganzes machet, ſo loͤſet fie ſich auch von den Augen ab, wenn 
man ſie auf einmal von dem Thiergen abſondert. 


Man ſiehet alsdenn an ſelbiger, ſowohl die zwo nierenfoͤrmigen Wöls 
bungen der zuſammengeſetzten, als die einzelne runde Woͤlbung, der ein, 
fachen Augen. Sie find ſaͤmmtlich zwar hornartig, aber dabey vollkom⸗ 
men durchſichtig. Und das Sonderbarſte an ihnen iſt, daß ſie alle drey 
ganz glatt und glaͤnzend find, und nicht das geringſte Merkmaal der dar⸗ 
unter liegenden linſenfoͤrmigen einzelnen Augen an ihnen geſehen wird. 


Hierdurch unterſcheiden fie ſich von der Hornhaut der Augen bey ans 
dern Inſecten. Denn wenn man bey Kaͤfern, Fliegen und dergleichen, 
die Hornhaut der Augen wegſchneidet, und ſie mit einem naſſen Pemſel 
von den darinn befindlichen dunkeln und undurchſichtigen Feuchtigkeiten 
reiniget; ſo wird ſie zuletzt zwar auch ganz klar und hell, aber man ſiehet 
fie zugleich auch fo gebauet, als wenn fie aus lauter, von außen gewoͤlb⸗ 
zen, von innen aber hohlgeſchliffenen, unzähligen Glaͤßgen zuſammenge— 
ſetzet waͤre. Und bringet man ſie unter eine ſtarke Vergroͤßerung, ſo 
kann man ein benachbartes Fenſter, einen Baum, oder andern Begens 
ſtand., in jedem ſolcher auswendig gewoͤlbten und innwendig ausgehoͤhl— 
ten Glaͤßgen im kleinen erkennen. Hier aber bey dem krebsartigen Kies 
fenfuße zeiget ſich, wie geſaget, von alle dem nichts. Die Urſache mag 
wohl dieſe ſeyn, weil jene Inſecten nie wachſen, noch ſich in derjenigen 
Geſtalt haͤuten, in welcher ſie dieſe Augen haben: mithin kann die aͤußere 
Hornhaut gar wohl bey ihnen die Stelle der linſenfoͤrmigen Erhoͤhungen 
oder der cryſtalliſchen Feuchtigkeit (humor cryſtallinus) vertreten. Uns 
ſere Kiefenfuͤße hingegen wachſen und haͤuten ſich, und zwar ſo oft, daß 
mir noch kein Inſect bekannt iſt, welches dieſer Haͤutung fo oft unters 
worfen waͤre; wie davon unten ein mehrers vorkommen ſoll. Aber eben 
daher muͤſſen auch ihre Augenglaͤßgen, daß ich fo rede, von der Mr 

gut, 


ar + e 123 


Haut, die uͤber ſie gezogen iſt, nothwendig unterſchieden und abgeſon⸗ 
dert ſeyn; weil ſie ſonſt dieſelben von der erſten Haͤutung an verliehren 
würden. Und es iſt in der That anmerkungswuͤrdig, daß bey allen ans 
dern Thiergen, die der Haͤutung unterworfen find, das Naͤmliche beobs 
achtet wird. Zwar habe ich mich bey Beſchreibung des fiſchfoͤrmigen 
Riefenfußes und des zackigen Waſſerflohes dieſerhalb fo deutlich 
nicht ausdruͤcken koͤnnen, weil ich von dieſem Umſtande noch keine fo 
vollkommene Proben geben konnte, womit ich meine Leſer haͤtte rüberzeus 
gen koͤnnen. Ich muthmaßete es jedoch, und hatte in meinem Theile 
daran um ſo weniger einen Zweifel, weil man bey allen Gattungen der 
Krebſe gleiche Beſchaffenheit wahrnehmen kann, als welche befannters 
maßen ebenfalls wachſen und ſich haͤuten. Ich komme wieder auf die 
Beſchreibung der Augen ſelbſt. 


An dieſen gehet, wie geſaget, die Hornhaut meiſt von ſelbſt ab, und 
man ſiehet alsdenn die zwey ſchwarzen nierenfoͤrmigen groͤßern Au⸗ 


gen am deutlichſten daliegen (); die wir daher auch zuerſt vor uns neh⸗ 
men wollen. 


Jedoch muß man zuvor noch einen andern Handgriff zu Huͤlfe neh⸗ 
men, ehe man das Weſentliche an ihnen ausfindig machen kann. Man 
ſchneide mit einer zarten Scheere den ganzen Theil, wo dieſe Augen ans 
ſitzen, dergeſtalt unterwaͤrts ab, daß man ſowohl dieſe Augen ſelbſt ganz 
unverletzt unter die zuſammengeſetzte Vergroͤßerung bringen koͤnne, als 
daß auch von dem darunter liegenden dunkeln Weſen ſo wenig daran 
hängen bleibe, als es ſich thun laſſen wil. Man ſuche alsdenn in eis 
nem reinen Waſſer, und vermittelſt eines zarten Pemſels, die dunkele 
Feuchtigkeit, fo dieſe Augen umgiebt, und das allzuſtarke Einfallen der 
Lichtſtrahlen verhindert, ſo viel, als moͤglich, abzuwiſchen, und bringe 
nach ſolcher Zubereitung die gereinigten Augen unter die Vergroͤßerung. 
Noch beſſer gehet dieſes an, wenn man das Thiergen einige Zeit im Wein— 

Q 2 geiſte 


(D Tab. I. Fig. I. a. a. 


124 un le 


geiſte liegen laͤſſet. Denn wenn man fodann die obere, und auch wohl 
manchmal, nach den Umſtaͤnden des Thiergens, die zweyte ſchon daruns 
ter liegende Hornhaut abgeloͤſet hat, fo kann man den ganzen nierenförs 
migen Koͤrper des Auges herausnehmen, und in einem reinen Bolt 
gar bequem unter die Vergroͤßerung bringen. 


Auf dieſe Weiſe zeiget ſich gar ſchoͤn, daß jedes nierenfoͤrmige Auge 
ein Haufe anderer unzählbarer kleiner Augen iſt, als welche dieſem ſchwar⸗ 
zen Theile einverleibet ſind. Anfangs ſiehet man fie wie lauter halbe Kuͤ— 
gelgen aufliegen; wenn man ſie aber durch Zerreiſſung, oder ſonſtige Hand⸗ 
griffe, von einander abſondert, ſo erkennet man, daß jedes dieſer Augen 
ganz hell, gelblich und durchſichtig iſt. Sie kommen einem umgekehrten 
Kegel, deſſen Spitze in dem ſchwarzen ſtecket, vollkommen gleich, nur 
daß die obere vorſtehende Grundflaͤche nicht gerad abgeſchnitten iſt, ſon— 
dern einen erhabenen rundgewoͤlbten Kegelſchnitt ausmachet. Ja manch— 
mal hat es mich gedünfer, als wann die Kegelſpitze gewiſſe Ecken haͤtte, 
die ſich unten in der Spitze zu vereinigen ſchienen. Und man kann ſich 
von ihnen keinen beſſern Begriff machen, als wenn man ſich den fo ges 
nannten Staub von Zweyfalterfluͤgeln vorſtellet. Gleichwie dieſer unter 
der Vergroͤßerung ausſiehet, ſo ſehen auch, in ihrer Art, dieſe Augen 
aus. Am beſten aber kann man ſich dieſe Augen vorſtellen, wenn man 
Swammerdams Bibel der Natur Tab. XX. aufſchlaͤgt, allwo die 
zuſammengeſetzten Augen eines Bienenmaͤnnleins auf eben die Art vor⸗ 
geſtellet werden. 


Dieſe einzelne Augen ſitzen alſo, wo ich anders recht geſehen habe, 
auf lauter Röhren, die zweifelsohne aneinanderliegen, und in einen ſpitzi⸗ 
gen Kegel ſich endigen. Wo dieſer Kegel aufhoͤret, ſiehet man bey jedem 
einzelnen Auge einen Sehenerven angehen, der ganz milchweiß, und halbs 
durchſichtig iſt. Dieſe Buͤſchel Sehenerven laufen alsdenn in einen 
Punct zuſammen, und vereinigen ſich muthmaßlich mit dem Gehirne, 
wie ſolches bey den Augen des fiſchfoͤrmigen Kiefenfußes, des zacki⸗ 
gen Waſſer flohes, und ſonderlich an dem Auge der Krebſe am deut⸗ 

lich» 


e e 125 


lichſten erſcheinet. Aus allem erhellet wenigſtens ſo viel, daß dieſe bey⸗ 
den nierenfoͤrmigen Theile nicht nur die wahren Augen des Thiergens 
enthalten, ſondern daß ſie auch eben daher nach der Aehnlichkeit anderer 
Inſecten, die zwey zuſammengeſetzten größern oder netzfoͤrmigen Augen 
des Thiergens ſeyen. 


Dias innere Schwarze diefer Augen iſt, ſo viel ich habe ausmachen 
koͤnnen, der eigentliche Theil, mit welchem ſie umgeben, und in ſelbigem 
gleichſam gepflanzet ſind. Vermuthlich iſt daſſelbe dazu dienlich, um die 
überflüßigen Lichtſtrahlen einzunehmen, und das Geſichte des Thiergens, 
wie aus dem algemeinen Baue der Augen bekannt iſt, dadurch zu ſtaͤr⸗ 
ken und die Gegenſtaͤnde deutlicher zu machen. Ob jedes dieſer nieren⸗ 
foͤrmigen Augen beweglich iſt, kann ich zwar fo eigentlich nicht behaupten; 
es ſcheinet mir aber aus mehr als einer Urſache ſehr wahrſcheinlich und 
natuͤrlich zu ſeyn. 


Wir haben oben geſehen, daß hinter und zwiſchen den nierenfoͤrmi⸗ 
gen und zuſammengeſetzten Augen noch ein anderes rundes und erhabenes 
Knoͤpfgen ſich befindet; und daß innerhalb denſelben vier ſchwarze Puncte 
in einem Vierecke zu ſtehen ſcheinen (). So treffen wir es auch bey 
der Zergliederung an. Allein außer dieſem ihren bloßen Daſeyn habe ich 
auch nichts weiters entdecken koͤnnen. Alle genaue Zergliederung iſt hier 
unmoͤglich, und ſobald die Hornhaut weggenommen iſt, ſind dieſe vier 
Puͤnctgen auch insgemein unſichtbar. Es hat mir alle angewandte Muͤhe 
nichts geholfen; ſondern es iſt mir mit ihnen, wie mit gewiſſen Theilen 
des fiſchfoͤrmigen Kiefenfußes, und des zackigen Waſſerflohes, ergangen, 
von denen ich nur muthmaßlich etwas ſagen konnte. Ich muß es alſo 
auch hier ſo machen, und dahin geſtellet ſeyn laſſen, ob dieſe vier Puͤnct⸗ 
gen nicht vieleicht eine Art einfacher Augen ſeyn moͤgen, wie man der⸗ 
gleichen bey vielen fliegenartigen Inſecten, als bekandt und ohne Wi⸗ 
derſpruch, annimmt. Mir kommt es wenigſtens ſehr wahrſcheinlich vor. 

Q 3 Was 
() Tab. II. Fig. I. b. : 


126 n 


Was ſollen wir aber aus demjenigen gothiſchen M. machen, mel, 
ches wir oben zwiſchen den nierenfoͤrmigen Augen anzeigten? Ich geſtehe, 
daß ich mich davon gar nichts getraue anzugeben. Denn, wenn die Horn 
haut abgeſchaͤlert iſt, ſo iſt es gar nicht mehr zu erblicken; folglich mir 
auch unmoͤglich geworden, davon etwas zuverlaͤßiges auszukundſchaften. 
Ja, ich wuͤrde es aus dieſem Grunde bloß fuͤr einen aͤußern Theil und eine 
Erhöhung der Haut angeſehen, und daher allhier nichts mehr davon ers 
waͤhnet haben, wenn nicht, wie ich unten zeigen werde, an den jungen 
Kiefenfuͤßen dieſer Theil gar ſichtbar wäre, und einen ordentlichen ſchwarzen 
Punet („ auch unter der Hornhaut zeigte. Er beweiſet alſo das wirkliche 
Daſeyn eines beſondern Theils, fo zum Baue des Thiergens gehoͤrt; ob⸗ 
gleich dieſer Theil bey den groͤßern Kiefenfuͤßen ſich mehr und mehr vers 
liehrt, oder wenigſtens der Beobachtung entziehet. Mir ſcheint er uͤbri⸗ 
gens mit den zwo ſchwarzen Spitzen an dem Kopfe des fiſchfoͤrmigen Kie⸗ 
fenſußes, und mit dem ſchwarzen Puncte an dem Kopfe des jackigen Waſ⸗ 
ſerflohes, eine ſehr groſſe Aehnlichkeit zu haben. 


Außer dieſen itztgemeldten Augen ſind bey erwachſenen Kiefenfuͤßen 
an dem Kopfe faſt keine Theile mehr ſichtbar. Alles, was man bey Zer— 
ſchneidung und der Zergliederung deſſelben gewahr wird, iſt außer einer 
roͤthlichen Feuchtigkeit, ein dunkles gruͤnliches und unordentlich durchein⸗ 
ander gehendes faͤßeriges Weſen. Es iſt aber leicht zu erachten, daß 
wirklich noch andere weſentlichere Theile zugegen ſeyn muͤſſen. Sie lies 
gen zweifelsohne in dem erſtangezeigten gallerichen und faͤßerigen Weſen, 
und in ungemein zarten Gefaͤßen, eingeſchloſſen. Ich dachte alſo auf aller⸗ 
hand Mittel, um davon etwas genauer auszukundſchaften. Nachdem 
ich mich eine zeitlang mit den Erwachſenen dießfalls, und zwar ganz vers 
geblich, gemartert hatte; fo fiel mir endlich ein, es bey ganz kleinen und 
mit ſolchen zu verſuchen, die ſich kaum vor einigen Tagen aus ihren Eyern 
entwickelt hatten. Ich fand, daß bey dieſen die Haut vollkommen Durchs 
ſichtig war (**), und welches mich hoffen ließ mit ihnen beſſer zum Zwecke 


kom⸗ 
(Y Tab. II. Fig. I. b. ( Tab. V. Fig. VII. a. b. c. c. 


u 127 


kommen zu koͤnnen. Es gluͤckte mir auch wirklich. Ich konnte unter einer 
ſtarken Vergrößerung () wenigſtens fo viel an ihnen entdecken, als zu 
einem rechten Begriffe dieſer Theile zureichend war. 


Zuerſt ſiehet man an dieſen jungen Kiefenfuͤßen zwiſchen den nieren⸗ 
förmigen Augen (**) einen weißgelblichen Flecken, fo ſich in drey Flügel 
abzutheilen ſcheinet, davon der hinterſte, gegen den Ruͤckgrad zu, einem 
Dreyangel aͤhnlich iſt, der feine Spitze zwiſchen die zwo andern fluͤgelaͤhn⸗ 
lichen Abtheilungen einlenket. Dieſen dritten Theil halte ich vor das Ges 
hirne des Thiergens, und dieſes um ſo mehr, weil die Sehenerven darinn 
befeſtiget ſind. Ja es moͤgen vieleicht noch andere Nerven allhier um 
das Gehirne und die Augen befindlich ſeyn, die ich jedoch nicht ll 
unterfcheiden fönnen. 


Weiter ſiehet man an diefen jungen Kiefenfuͤßen den größern Raum 
des Kopfes mit einem gruͤnlichen Weſen angefuͤllet, in welchem die Au— 
gen mitten inne ſtehen (*). 


Diieſes gruͤnliche Weſen hat auf jeder Seite ſieben ungleich große 
rundliche Zacken, oder blaͤtteraͤhnliche Einſchnitte CH), davon die. obers 
ſten und unterſten die kleineſten, die mittlern aber die groͤßten, ſaͤmtlich 
aber mit einem hellen und gleichfortlaufenden Rande eingefaſſet ſind. Es 
iſt leicht zu ermeſſen, daß dieſes weſentliche Gefaͤße des Thiergens ſeyn 
muͤſſen; wozu ſie aber eigentlich beſtimmt ſeyn, darinn geſtehe ich gerne 
meine Unwiſſenheit. Jedoch, ich will es verſuchen, ob ſich nicht ihr Nu— 
Ken wenigſtens wahrſcheinlicher Weiſe moͤgte angeben laſſen. 


Dieſe Gefaͤße (Tr) hängen, wie wir bald umſtaͤndlicher hören wer, 
den, mit dem Magen zuſammen. Mich duͤnket alſo, daß ſie hier das 
Naͤmliche find, was bey den Krebſen die braungruͤne Materie iſt, fo zu 

bey⸗ 


) Tab. V. Fig. VIII. IX. XV. G9 Fig. IX. c. e. XV. b. b. ( 
Fig. VIII. b. b. C. C. (0 Fig. XV. a 2. a. a. ( Fig. XV. L. Le 


128 e N 


beyden Seiten des Magens lieget und ſehr wohl ſchmecket. Die meiſten 
Gelehrten halten ſolche entweder vor die Leber, oder das Gekroͤße der Kreb⸗ 
ſe, und glauben, daß der in dem Magen aufgeloͤſete Nahrungsſaft in 
dieſe Gefaͤße übergehe, wo er alsdenn zu einem wahren Verdauungsſafte 
zubereitet, immer mehr gereiniget und zum Kreisumlaufe, anſtatt des 
Blutes, gebrauchet werde. Nun will ich dieſen Gefaͤßen zwar an den 
krebsartigen Kiefenfuͤßen keinen Namen geben, welches ohnedem allezeit 
eine willkuͤhrliche Sache iſt; ich glaube aber, daß ſie zu dem naͤmlichen 
Zwecke dienen, den ich bey der Beſchreibung des zackigen Waſſet flo⸗ 
hes von ſeinen zwey krummen Hoͤrnern im Kopfe dargethan zu haben 
mir ſchmeichele. So viel iſt gewis, daß ſie mit dem Magen des Thier⸗ 
gens, welcher bald naͤher beſchrieben werden wird, zuſammenhaͤngen. Es 
iſt ſolches darum unwiderſprechlich, weil ſie mit der naͤmlichen Materie 
angefuͤllet find, und noch außer dem auflaufen und ſtaͤrker werden, wenn 
man den Leib alſo druͤcket, daß die Materie aus dem Magen in die Dös 
he zu ſteigen genoͤthiget wird. Es beweget ſich auch dieſe grünliche Mas 
Er in diefen Gefäßen fo, wie in den Hoͤrnern des zackigen Waſſer⸗ 
ohes. 


Dieſe grünlichen Gefäße find, wie gemeldet iſt, mit einem hellen 
und weißen Rande eingefaſſet. Es kann aber dieſer die Dicke des Gefaͤßes 
nicht wohl ausmachen, ſondern wird, wie ich dafuͤr halte, ein neues und 
ganz durchſichtiges Gefaͤße ſeyn, welches jenes überall umgtebt, und bey 
genauer Beſichtigung hier eben ſo, wie bey dem zackigen Waſſerflohe 
nebſt dem großen Darme () auf beyden Seiten herunterlaͤuft. Ich vers 
muthe, daß an dem mit fo vielen Einſchnitten verſehenen leberartigen Rörs 
per gewiſſe Mundungen ſich befinden, wodurch der Nahrungsſaft in die⸗ 
ſes helle Gefaͤße uͤbergehet; und ſodann nicht nur in dem ganzen Leibe hers 
umgetrieben, ſondern auch zur Nahrung, zum Leben und Wachsthume 
des Thiergens verbraucht wird. Zumal da dieſe hellen ringsherumltegen⸗ 
den Gefaͤße zwiſchen den Augen, von den zwo vorderſten Spitzen an 3 

em 


( Tab. V. Fig. XV. e. e. 


RA 129 


dem Gehirne, ſich mit dem Herzen zu vereinigen ſcheinen (), und we; 
von unten das Weitere vorkommen wird. Dieſes waͤren alſo die Abſon— 
derungsgefaͤße der Nahrung innerhalb dem Kopfe. 


Allein auch der Schild ſelbſt hat ſeine weſentlichen Theile, und es iſt 
derſelbe keinesweges, wie es das Anſehen haben moͤgte, eine bloße Schaa— 
le, welche das Thiergen bedecket. Er hat vielmehr, ob er gleich noch ſo 
duͤnn und faſt durchſichtig iſt, gleichwohl zwo Haͤute, eine obere und ums 
tere, und zwiſchen beyden ſeine fleiſchigen und kuͤnſtlich gebauten Theile; 
wie ich denn davon bey der Haͤutung des Thiergens weitläufriger handeln 
und zeigen werde, daß der ganze Leib bis in die aͤußerſte Spitze der an 
dem Schilde befindlichen Dornenſpitzen gehe. Jetzo bleibe ich nur noch 
bey den gruͤnlichen (**) und rothen (***) Gefäßen ſtehen, die von dem 
Kopfe, oder vielmehr von dem Magen, in den Schild hineinzugehen 
ſcheinen. Anfaͤnglich hlelt ich ſie wirklich vor eben dergleichen Gefaͤße, die, 
wie jene in dem Kopfe, ſo dieſe hier in dem Schilde, die Nahrungstheile abs 
ſonderten, reinigten und verfuͤhrten. Allein eine genauere Betrachtung 
hat mich von dieſer meiner erſten Meynung abgebracht. Ich fand, daß 
dieſe, bey Jungen gruͤnliche, und bey Erwachſenen rothe, Flecken in der 
That lauter hohle Roͤhren oder Gefaͤße ſeyn, die bald mehr, bald weniger, 
mit einem grünfichen oder roͤthlichen Safte angefuͤllet find, und welcher 
der naͤmliche zu ſeyn ſcheinet, der ſich in den ſchon beſchriebenen Beutel— 
gen befindet. ; 


Wenn man die äußere Haut des Schildes abgezogen hat, fo findet 
man, daß dieſer grünsund roͤthlichen Gefäße auf jeder Seite des Schil— 
des achte ſeyen, zwiſchen welchen ein doppelt ſtarkes und weites, als das 
neunte, mitten inneſtehet. Diejenigen viere ſo dieſem neunten links und 
rechts anliegen, machen unten eine Woͤlbung, und ſcheinen alſo ſchlan— 
genartig oben und unten ineinander zu laufen, und gleichſam ein Gefaͤße 
zu ſeyn. Das neunte aber gehet, wo ich recht geſehen habe, in den Leib 

Der krebsartige Riefenfuß. R hin⸗ 


() Tab. V. Fig. XV. f. f. (% Fig. VIII. b. C*) Tab. I. Fig. V. b. b. 


130 A + 2 


hinein, und hat zweifelsohne mit gewiſſen daſelbſt liegenden andern Befäfs 
fen feine Verbindung. Druͤcket man den Leib, fo ſiehet man den Saft: 
in dieſen Roͤhren auf und niederſteigen. Iſt aber die Haͤutung nahe, oder 
das Thiergen iſt ſchon wirklich in derſelben begriffen, ſo ſind ſie von dem 
rothen Safte ganz ungemein ausgedehnt und fo aufgetrieben, als wenn fie 
augenblicklich zerplatzen wollten. Herr Klein haͤlt ſich bey dieſen Gefaͤſ⸗ 
fen in obgedachter feiner Beſchreibung dieſer Thiergen am laͤngſten auf (). 
Er ſagt: Sie ſehen Wie lauter Puncte aus, die von einer Na⸗ 
del in die untere Haut des Schildes hineingeſtochen waͤren ze. 
Und in Warheit, wenn man dieſe Gefäße recht anſiehet, fo kommen fie 
einem wirklich ſo vor, als wenn ſie waͤren hineingenaͤhet worden. Die 
unzähligen Falten, welche dieſelben in wellenkrummen Linien machen, ges 
ben ihm ganz ungekuͤnſtelt dieſe Gleichheit. Herr Klein getrauet ſich 
zwar eben fo wenig, als ich, den Endzweck derſelben gewis zu beſtimmen z. 
jedoch redet er von Oeffnungen und Loͤchern beſtimmt genug. Nur dar— 
inn iſt er zweifelhaft, ob die Thiergen durch dieſe Loͤcher und Oeffnungen 
in die Hoͤhlung, ſo zwiſchen dem Schilde und deſſen untern Haut iſt, 
Waſſer einfangen, oder ob fie dieſen Zwiſchenraum mit Luft anfuͤllen und. 
wieder ausleeren, je nachdem ſie naͤmlich im Sinne haben entweder ſich 
gerad auf den Boden zu ſtuͤrzen, oder auf die Flaͤche des Waſſers wieder 
zuruͤck zu kommen. Der Endzweck, der hierdurch erklaͤret werden foll, 
faͤllet zwar, wie ich ſelbſt geſtehen muß, ſehr ſcheinbar in die Augen; und 
ich bemuͤhete mich anfaͤnglich wirklich an dieſen Thiergen nachzuſehen und 
zu entdecken, ob dieſe Muthmaßung Grund haͤtte. Allein, nach einer ges 
nauen Ueberlegung und Beſichtizung fand ich fie ganz und gar wider— 


ſpre⸗ 


(DP. 341. In the thin cuticle of the lovver part, of the Shield, 
and thad on both ſides may be ohferv’d punätures like needle 
vvorck. M. Klein could not certainly determine, vvheter is fücks 
in the vvater rhro' thefe apertures into the cavity betvveen the 
gibbous Shield an the cuticle „ and again emits it; or vvheter 
it fills the cutiele vvith air, or empties it according se it has a 
mind either to ge dovyn to the bottom or rife up to the top of 
the vvater. 


un ae 121 


ſprechend, und folglich auch in der Natur nicht. Man findet foͤrderſamſt 
gar keine aͤußerliche Oeffnungen an dieſen Gefaͤßen, mithin wird ſchon 
hierdurch die Einlaſſung der Luft, oder des Waſſers, zugleich unmoͤglich. 
Zu dem, wenn man auch die Loͤcher wirklich zugeben wollte; fo würde 
doch noch manches vorzubringen ſeyn, welches die Unwahrſcheinlichkeit 
dieſer Folgerungen darzuthun vermögend wäre. Ich will dahero nur mies 
der erinnerlich machen, was ich oben geſagt habe, naͤmlich, daß der Saft, 
wenn man den Leib des Thiergens druͤcket, auf und niederſteige. Waͤren 
nun aber Oeffnungen allhier vorhanden, ſo muͤßte der Saft durch dieſel— 
ben ganz gewis herauslaufen; und am wenigften koͤnnten dieſe Gefäße, 
wie es mir einigemal gegluͤcket hat, mit Luft aufgeblaſen werden. Wor— 
aus, wie mich duͤnket, ganz richtig folget, daß dieſe Gefaͤße mit einander 
nicht nur zuſammenhaͤngen, ſondern auch ohne alle Loͤcher ſeyn muͤſſen. 
Ja, wenn ſie zum Schwimmen oder zum Bodenſinken des Thiergens 
was beytruͤgen, wie aus obigen Schluͤßen gefolgert werden will; ſo wuͤr— 
den ſie gewis ſolches zu thun alsdenn aufhoͤren und unterlaſſen muͤſſen, 
wenn man Loͤcher in den Schild, oder deſſen Unterhaut, machte. Allein, 
ob ich gleich den groͤßten Theil dieſer Gefaͤße zu Zeiten entzwey, ja gar 
weggeſchnitten habe; ſo ſind meine Thiergen doch bey nahe eben ſo gut, 
als zuvor, geſchwommen, in die Hoͤhe und in die Tiefe gefahren. Ues 
ber alles aber muß ich geſtehen, daß ich, auch durch die ſtaͤrkſte Vergroͤſ, 
ſerung, eben fo wenig eine Oeffnung gefunden, als wenig ich zwiſchen 
dem Schilde eine Luftblaſe habe ſehen hervorkommen; welches letztere doch 
ohnlaͤugbar haͤtte geſchehen muͤſſen, wenn ſie Luft in ſich gehabt und zu 
Boden geſunken wären. Ich bilde mir alſo ein, daß dieſe Gefäße zu eis 
nem ganz andern Endzwecke dienen. Und ich will meine Gedanken davon 
eroͤfnen. 


Sie haben, angezeigtermaßen, mit den Beutelgen einerley Farbe, und 
alſo auch vermuthlich einerley Saft und Feuchtigkeit in ſich. Und es wird 
dieſes dadurch um ſo wahrſcheinlicher, ja außer allen Zweifel geſetzt, well, 
wenn ich unter dem Ruͤckenſchilde eine zarte Oeffnung zwiſchen ihnen ge— 
f R 2 macht, 


132 . 


macht, und mit einem Glaßroͤhrgen hineingeblafen habe, ich zugleich nebſt 
dieſen Roͤhren auch alle Beutelgen an den Fuͤßen zugleich mit aufblaſen 
konnte. Es ſind dieſe Gefaͤße ferner da am groͤßten, wenn das Thiergen 
ſich haͤuten will, und wenn zu gleicher Zeit die Beutelgen mit Saft ans 
gefuͤllet ſeyn. Sollten fie alſo nicht zu dieſer Haͤutung etwas beytragen? 
Ich vermuthe es, und zwar darum. Sie befinden ſich zwiſchen der Haut 
des Schildes, und des zu beyden Seiten darunter liegenden Fleiſches, und 
machen gewoͤlbte Erhöhungen. Wird nun der in den Beutelgen ſich bes 
findende Saft in ſie hineingetrieben, ſo muͤſſen ſie davon auflaufen, groͤſ— 
ſer und dicker werden; es muß ſich aber auch zugleich die alte Haut des 
Schildes davon auf beyden Seiten erheben, und von dem darunter lie— 
genden Fleiſche losmachen. Und vieleicht ſpruͤtzen fie hernach durch ſehr 
kleine Muͤndungen, die ſie willkuͤhrlich öffnen und ſchließen koͤnnen, den 
in ihnen und den Beutelgen befindlichen Saft von ſich. Dieſer kann ſich 
durch die geringſte Hohlungen unter dem Schilde ausbreiten, und dadurch 
die alte Haut ganz und gar vom Fleiſche abſondern; er kann, nach ſeiner 
dazu eingerichteten Miſchung, wie zuſammenfrieren, ſich verdicken, und 
die neue hornartige Haut zu Wege bringen. Und warum ſollte dieß nicht 
möglich feyn ? Weiß man doch ein gleiches von den Zweyfaltern und 
deren Puppen, bey welchen auch die Feuchtigkeit, fo ſich bey Abftreifung 
der Raupenhaut einfindet, die Haͤutung nicht nur befoͤrdert, ſondern 
auch zu gleicher Zeit, die neue und hornartige Puppenhaut verurſachet. 


So ſtelle ich mir die Sache vor, und das Weitere ſoll in dem fol⸗ 
genden Abſchnitte bey der Haͤutung ſelbſt vorkommen. Ich muß jedoch 
noch ein Paar anderer Gefaͤße erwaͤhnen. Sie befinden ſich zu beyden 
Seiten des Leibes laͤngſt der Haut eben da, wo die Füße und deren Kie, 
fen, dem Leibe eingegliedert ſeyn, und wovon ich oben gedacht, daß die 
Rundung der Ruͤckenringe alhier einen Einbug haͤtten. Ich habe fie 
ver ſchiedenemal gar ſchoͤn gefunden, ob es mir gleich nicht allezeit damit 
nach Wunſche gluͤcken wollte. Vermuthlich find fie Lungengefaͤße, wel, 
che die von den Kiefen eingeſchluckte Luft, wie in einem Sammelkaſten 
ſammlen, und in dem ganzen Thiergen herumfuͤhren. Wer ſolche bey dem 

5 N Haft⸗ 


n . 133 


Haftwurme Cephemeron) des Herrn Swammerdams geſehen hat, 
wird mir nicht viel widerſprechen, und ſich von dieſen Gefäßen an uns 
ſerm Thiergen zugleich einen volkommenen Begriff machen koͤnnen. 


Ich wende mich zu denenjenigen innern Theilen, die beſſer, als die 
bisher beſchriebenen, ſichtbar ſind; und von deren Gebrauch, Abſicht 
und Nutzen man mit mehrerer Gewisheit reden kann. Dieſe befinden ſich 
eigentlich in der Hoͤhle des Leibes, ob ſie gleich gewiſſermaßen ſchon in 
dem Kopfe den Anfang nehmen. 


Hieher gehoͤret zuerſt das Serz. Ich meyne damit dasjenige 
Gefaͤße, welches man auch bey den Erwachſenen ſich einigermaßen 
daſelbſt bewegen ſiehet, wo die obere Haut unter dem Schilde auf dem 
Ruͤcken ganz haͤutig und halbdurchſichtig iſt; und welches allhier insges 
mein dunkelgrau durchſcheinet. Um aber ſolches recht deutlich kennen 
zu lernen, ſo werden wir abermals zu den noch ganz zarten Jungen, und 
die zu dieſer Zeit faſt voͤllig durchſichtig find, unſere Zuflucht nehmen muͤſſen. 


An dieſen () ſiehet man, oben uͤber den Zähnen (*), und ſodann 
den ganzen Leib hinunter gar deutlich ein helles Gefaͤſſe liegen, welches an— 
fangs eine laͤnglichrunde Oeffnung zu haben ſcheinet, alsdenn aber wie 
in lauter Beutelgen abgetheilet iſt, die im Durchſchnitte immer mehr 
und mehr alſo abnehmen, daß das Letzte kaum um ein Drittheil ſo breit 
iſt, als das erſte uͤber den Zaͤhnen. Wenn das Thiergen lebet, ſo bemer— 
ket man ganz augenſcheinlich, wie ſich ein Beutelgen oder Saͤckgen nach 
dem andern anf und zu thut, und auf dieſe Weiſe, wie an Raupen und 
anderm Ungeziefer, ſeinen Pulsſchlag aͤußert. Bey Erwachſenen iſt die— 
ſes Herz fo zart und empfindlich, daß alle Behutſamkeit nicht zureichet, dafs 
ſelbe allein abzuſondern und abzuloͤſen. Zwiſchen den Augen und dem Gehir⸗ 
ne haͤnget dieſes Gefaͤße durch zween Aeſte mit demjenigen zuſammen, wels 
ches das oben beſchriebene grüne Gefäße mit den Einſchnitten umſchlieſ⸗ 

a N R 3 ſet. 


O Tab. V. Fig. XV. f. f. f. (0g 8. 


134 W 


fer. Meiner Mehnung nach geſchiehet hierdurch die Vereinigung des 
Blutes und Nahrungsſaftes. Da, wo die zwey Gefaͤße mit dem Herzen 
laͤngſt den Augen und Gehirne ſich vereinigen, ſiehet man die erſtgemeldte 
Oeffnung. Sie ſcheinet aber nur eine ſolche zu ſeyn; und iſt wohl nichts, 
als ein doppeltes zweyzuͤngiges Maͤuslein, oder Spannader, fo eine Fer 
derkraft und die Geſtalt eines nicht ganz zuſammengehenden Ringes hatz 
deſſen duͤnneſte Enden zuſammenſehen, das erſte Beutelgen oder Saͤck⸗ 
gen umfangen, und durch ihren Reitz und der daraus entſtehenden Bewe— 
gung das Zu und Aufſchluͤſſen dieſes Saͤckgens hervorbringen. Dieſe 
Bewegung wirkt von dem erſten Saͤckgen nach der Ordnung auf alle 


folgende fort, und es wird dadurch der Kreis umlauf der Säfte zu Stans 
de gebracht. 


Unter dieſem Herzen liegt der Magen und die übrigen Gedaͤrme (*). 
Erſterer faͤngt ſich unter der Oberlippe an. Er iſt durch einen ringarti— 
gen Knorpel mit der Mundoͤffnung verbunden; und macht alsdenn den 
ganzen Leib hinunter bis zur Afteroͤffnung ein ſehr ſichtbares, faſt gleich 
dickes, rundliches, und nach der Farbe des Unrathes fo, oder anders, 
gefaͤrbtes, meiſt dunkelbraunes, Gefaͤſſe aus. Dieſe Fortgaͤnge des Ma⸗ 
gens ſind alſo zugleich die Gedaͤrme, oder es iſt der Magen und die Ge— 
daͤrme nur ein einziger in einem fortlaufender Schlauch. 


Wenn man den Rücken hinten aufſchneidet, und hierauf die gerin— 
gelte Haut mit ein Paar Nadeln behutſam auf die Seite dehnet, ſo lieget 
dieſer Darm, als der Fortgang des Magens, gar ſichtbar vor Augen (**); 
und man kann ihn ohne Muͤhe aufheben und außerhalb des Leibes auf 
die Seite bringen (***). Man ſiehet im letztern Falle, wie er oben, wo 
er den eigentlichen Magen vorſtellet, einen kleinern Durchſchnitt hat, in 
der Mitten am breiteſten iſt, und endlich wieder ſchmaͤler wird. Unten 

iſt 
(0) Tab. IV. Fig. IV. c. e. V. d. d. ( Tab. IV. Fig. IV. b. b. (9 Fig. 
V. d. d. 


n 2 135 


iſt er an der innern Fläche der Schwanzklappe angewachſen, allwo er 
auch ein Auf. und Zuſchließungsmaͤuslein zu haben ſcheinet. 


Daß aber dieſes Gefäße wirklich nichts als der Magen und die uͤbri⸗ 
gen Gedaͤrme, ſamt dem Maſtdarme, ſey, kann man daraus abnehmen, 
weil in die obere Oeffnung unter den Zaͤhnen die Speiſe eingehet, und 
unten durch die Oeffnung des Afters () wieder ausgeſtoßen wird. 


Ich habe nur erſt geſaget, daß dieſes Gefäße bey den jungen Kies 
fenfuͤßen, wie die oben ausgezackten im Kopfe, mit einem andern gruͤn— 
lichen Gefaͤße umgeben ſey; ja manchmal ſcheinet es, als ſaͤhe man dieſe 
aͤußere Gefaͤße ganz allein, ohne daß man den darzwiſchen liegenden Ma— 
gen und die Gedaͤrme gewahr werden kann (**). Vieleicht geſchiehet 
ſolches, wenn das Thiergen wenig Nahrung und lange gehungert hat, 
wo alsdenn der von Speiſe leere Magen und die Gedaͤrme durchſichtig 
werden. Bey den Alten hingegen ſiehet man dieſes Gefäße gar nicht; 
und dieſes vieleicht darum, weil bey den Alten groͤbere Theile von der 
Verdauung mit uͤbergehen, die, weil ſie keine große Veraͤnderung leiden, 
und undurchſichtig bleiben, alſo auch die zwey nebeneinander laufenden 
Gefaͤße nicht abſondern, noch unſern Augen ſichtbar machen koͤnnen. 
Waͤren indeſſen die Alten eben ſo durchſichtig, als die Jungen, ſo zwei— 
fele ich nicht, fie würden auch an jenen ſichtbar genug ſeyn. Uns kann 
genuͤgen, daß ſich dieſes Gefaͤſſe, bey den Jungen als ein weſentlicher 
Theil zeiget, und folglich den Alten auch nicht fehlen kann. Nach der 
Aehnlichkeit mit dem zackigem Waſſerflohe iſt es um fo unwiderſprech⸗ 
licher. Es dient aber dieſes Gefaͤße vermuthlich zu dem naͤmlichen End— 
zwecke, den ich oben bey Beſchreibung der ausgehackten leberartigen Ge— 
faͤße angegeben, und fie Abſonderungs oder Nahrungsgefaͤße genennet 
habe. Vieleicht wird hier nur das Nuͤtzliche, wiewohl noch etwas Grobe, 
von den verdanten[Speiſen im Magen und in die Gedaͤrmen abgefonderr, 
und in die gezackten Gefaͤße gefuͤhret; daſelbſt aber erſt mehr und mehr ges 

rei⸗ 


(fab. I. Fig. III. I. ( Tab. V. Fig. XV. e. e. 


= 


126 e e 


reiniget, und wenn es in die ganz durchſichtigen Gefaͤße uͤbergehet, zu 
einem reinen Nahrungsſafte und Blute gemacht. a 


Unter und neben dieſem Magen und den Gedaͤrmen iſt die ganze 
Hoͤhle des Leibes, ja ſelbſt ein ziemlicher Theil des Kopfes, mit einer uns 
zaͤhligen Menge theils ganz weißer, theils hellrother runder Koͤrnergen 
angefuͤllet (*); die ohne alle ſcheinbare Ordnung unter s über / und durchs 
einander zu liegen ſcheinen, und davon ſich ein gleiches bey dem Haftwurme 
des Swammerdams befindet; die aber in der That durch ungemein zarte 
Faͤſergen verbunden ſind. Man darf, ſich vom Letztern zu uͤberzeugen, 
nur einen Theil dieſer Körnergen mit einem zarten Pemſel abloͤſen und, 
ins Waſſer bringen, fo werden fie auseinandergehen und lauter Baͤum— 
gen mit runden rothgefaͤrbten oder hellweißen Knoͤpfgen vorſtellen (**), 
Es wird keines langen Erweiſens gebrauchen, um darzuthun, daß dieſe 
Koͤrnergen oder Knoͤpfgen lauter Eyer ſeyn, die, je nachdem ſie ihrer 
Zeitigung mehr oder weniger nahe find, mehr oder weniger roth ausfehen;, 
oder noch eigentlicher und genauer zu reden, es ſind Haͤutgen, Blaͤßgen 
und Gefaͤße, worinn die Eyer wachſen, ſich bilden, und wenn fie zeitig. 
ſind, in den Eyerſtock gebracht werden. Die Zweige, an welchen ſolche 
feſt ſitzen, und die Aeſtgen, die fie mit einander verbinden, find Blutge— 
fäße, durch welche die Säfte und Nahrung zum Wachsthume dieſer Eyer 
zugefuͤhret werden. Wer ſich einen rechten Begriff im Großen davon 
machen will, der nehme die Zweige des Eyerſtockes eines Froſches, als 
die weit groͤßer ſind, zu Huͤlfe, ſo wird er daſelbſt vollkommen dasjenige 
finden und ſich davon vorſtellen koͤnnen, was ich hier ſage (*). 


Raͤumet man dieſe unzaͤhlbare Menge Blaͤßgen und runder Haͤutgen 
mit Vorſicht auf die Seite; ſo wird man gar bald in der Hoͤhlung ein Paar 
recht ſchoͤn hochrothe und klumpenweiſe zuſammengerollte Eyerſtoͤcke, 
gewahr (). Sie ſtehen ziemlich in der Mitten auf jeder Halbſeite des Leibes; 

und 


(0) Tab. IV. Fig. IV. b b. V. e. e. (*) Fig. VII. a. a. a. a. (% Swam⸗ 
merdam Bibel der Natur Tab. XLVIII. Fig. IV. CH) Tab. IV. Fig. VII. b. b. 


d . 137 


und find, wie bey den Froͤſchen, in gewiſſe Krauppen abgetheilet, deren 
jede mit einer beſondern Haut umgeben iſt. Durch dieſe Haut und die 
darinn befindlichen Gaͤnge, werden vermuthlich die Eyer, aus ihrem Ent, 
ſtehungsorte in den Blaͤßgen oder Kuͤgelgen am Ende der Blutgefaͤße, in 
den Eyerſtock ſelbſt gebracht. Ich habe ſieben ſolcher Krauppen gezaͤhlet; 
in welchen die Eyer allezeit ſo feſt aneinander gepreßt ſind, daß ſie ſich 
nicht leicht trennen laſſen, ſondern jeder Klumpen behaͤlt lange Zeit ſeine 
Lage und Geſtalt; deſto leichter aber trennen ſich die Krauppen ſelbſt 
voneinander. 


Siehet man die beyden Everſtöcke in uhr natürlichen Geſtalt an, 
ſo iſt jeder einem unten und oben zugeſpitzten ſpindelfoͤrmigen Staͤbgen 
gleich, welches ohngefaͤhr in der Mitten den groͤßten Durchſchnitt hat. 
Die natürliche Laͤnge hat bey den größten faſt ı. Zoll, und die ſtaͤrkſte 
Dicke etwas über eine Linie. Man ſiehet, wie ſchon gemeldet iſt, dieſes 
rothe Staͤbgen um und um mit zarten Nerven und Haͤuten, wie mit weißen 
Faͤden, umwunden, und welche die Krauppen am tiefſten abſchneiden. 


Das Beſonderſte an dieſen Eyerſtoͤcken tft dieſes, daß jeder in der 
Mitten einen ſtarken kegelfoͤrmigen Anſatz hat (); deſſen Grundfläche an 
dem Eyerſtocke ſitzet, die Spitze aber dem Ruͤcken zu ſtehet, ſo daß die 
beyden Spitzen ordentlicher Weiſe im Leibe gegeneinander gerichtet ſind. 
Es iſt jede Spitze wohl nichts anders als die Muttertrompete, die ſich der 
mittlern Krauppe anſchließet, und die Eyer in die Mutter bringet. Jede 
iſt mit Eyern angefuͤllt, ohngefaͤhr 1 Linie lang, und beſtehet, wie der 
Eyerſtock, aus lauter rothen und zuſammen gepreßten Eyern. Und was 
das Meiſte, fo bohret ſich jede Spitze durch den Leib C**), fo daß, wenn 
man den Eyerſtock abloͤſen, und ſonderlich die Trompete wegnehmen will, 
einige Gewalt dazu gehoͤret, bis man letztere aus ihrer durchbohrten Oeff— 
nung herausbringet. Iſt ſie aber herausgebracht; fo iſt alsdenn die Deffs 
nung gar ſichtbar (“*). Spuͤhret man dieſer Oeffnung nach, fo entdecket 
man, daß ſie ſich juſt an demjenigen Ringe befindet, wo das Paar Kiefen⸗ 

Der krebsartige Riefenfuß. S fuͤße 


() Tab. IV. Fig. VI. c. e. VII. c. () Pig. V. d. (%) Fig. V. f. 


138 n N. 
füge mit den runden, und von rothen Eyern angefülten, Blaͤttgen anſitzet, 
und welches ich daher die Mutterfuͤße genennet habe; die Trompete aber 
lauft neben dem Orte, wo das aͤußere Loch an dieſen Süßen befindlich iſt, 
vorbey. Und dadurch gehet uns ein neues Licht auf, wie die Eyer in dieſe 
Slaͤttgen, als in die Mutter, kommen. Sie haben ihren Urſprung in 
dem Innern des Leibes; fie werden von dem eigentlichen Syerſtocke durch 
die durchbohrte Trompete daͤhingebracht und daſelbſt aufbehalten. e 
von bey der Fortpflanzung das Weitere vorkommen wird. ü 
Hat man endlich die ganze innere Hoͤhle des Leibes ausgeräumer und 
vollig ausgeleeret; fo ſiehet man weiter nichts als die ringelaͤrtigen Abs 
ſchnitte oder Ringe, wie ſie ſich in der Mitten an der Bauchſeite 
vereinigen, und daſelbſt eine neue Art von einer Furche oder Rinne aus, 
machen. Sie find hier innwendig nicht ſowohl haͤutig, als hornartig 
und an Farbe granlich. Vornaͤmlich aber wird man hier die zarten Haͤute 
gewahr, ſo dieſe Ringe zuſammenhalten, und welche Werkzeuge ſind, 
daß ſich dieſelben uͤbereinander legen und ausdehnen koͤnnen. U 


Es würde zu weitlaͤuftig ſeyn, wenn ich hier noch von den Anſaͤtzen 
der Maͤuslein der Fuͤße, die man im Leibe gewahr wird, reden ſollte, und 
es iſt genng, das Daſeyn derſelben angezeiget zu haben. 


F 


Dritter Abſchnitt. 


Von der Lebensart, Haͤutung und Fortpflanzung 
des frebsartigen Kiefenfußes. 
achdem wir in den beyden vorhergehenden Abſchnitten unſere krebs, 
g: artigen Kiefenfuͤße nach ihren aͤußern und innern Theilen haben 


kennen lernen; ſo kommen wir nunmehro auf ihre Lebensart, 
Haͤutung und Fortpflanzung. 


Zur 


- wa 139 


Zur Lebensart dieſer Thiergen rechne ich den Ort ihres Aufent— 
halts, ihre Bewegungsart und ihre Nahrung, nebſt einigen andern 
Eigenſchaften. 


Unſere Thiergen gehören zu den Waſſerinſecten. Dieſes fluͤßige 
Element iſt es allein, worinn ſie leben und leben koͤnnen. Nimt man ſie 
aus demſelben und bringt fie an einen truckenen Ort in die freye Luft; fo 
fallen ihre Kiefenfuͤße augenblicklich zuſammen, kleben aneinander, und 
nachdem fie dieſelben eine ſehr kurze Zeit und wenig zu bewegen, ſich ſelbſt 
aber durch Huͤlfe ihres Schwanzes fortzuwaͤlzen, geſucht haben, bleiben 
ſie liegen und kommen um. 


Das Waſſer, in welchem ich fie hieſigen Ortes einzig und allein ges 
funden habe, iſt keines der angenehmſten. Es iſt allezeit ein todtes, von 
geſchmolzenem Schnee oder Regen zuſammengelaufenes, unreines, zum 
Theile faules und ſtinkendes, und mithin truͤbes und undurchſichtiges 
Waſſer. Ja es haben mich einige verſichert, dieſe Thiergen ſo gar in 
ordentlichen Miſtpfuͤtzen geſehen zu haben. Ich meines Ortes habe ſie 
in letztern nie angetroffen, ja nicht einmal in allen ſtehenden Waſſern, 
Suͤmpfen und Lacken, fo ſich um und ohnweit unſerer Stadt befinden. 
Mir ſind nur fuͤnf Ort bekannt, wo ich ſie ordentlich und faſt jaͤhrlich 
im Fruͤhlinge und Sommer gefunden habe. Der eine iſt gleich vor dem 
Oſterthore auf dem Wege nach dem Galgenberge zu. Der zweyte 
weiter oben zur rechten Hand auf dem Wege nach Burg Weinting. 
Und an dieſem Orte habe ich ſie allezeit am groͤßten angetroffen. Der 
dritte, auf der Wieſe hinter Puͤrkelseck; wo fie aber wegen jedes mali— 
ger baldiger Vertrucknung des Waſſers, ſelten eine mittelmaͤßige Groͤße 
erlangen. Der vierte liegt hinter St. Nicolaus; allwo ſie aber eben⸗ 
falls zu keiner beſondern Größe erwachſen koͤnnen. Der fuͤnfte Ort iſt 
endlich auf dem Wege nach Pruͤfening in einem kleinen Graben bey dem 
zweyten Bruͤckgen; fie find jedoch nur ſelten, ja manches Jahr kein eins 
zigesmal allhier zu finden, weil dieſer kleine Graben nur in ſehr naſſen 
Sommern Waſſer hat, und ſehr kurze Zeit behaͤlt. 

S 2 In⸗ 


140 dn N. 


Indem ich aber dieſe fuͤnf Orte anzeige, fo will ich damit keines Wes 
ges fo viel ſagen, als ob fie nie an gar keinem andern Orte koͤnnten an, 
getroffen werden. Nein, ich weis ſelbſt das Gegentheil. Ich habe fie 
in gar naſſen Sommern auch in ſolchen kleinen Graͤben gefunden, wo 
man ſie wegen der hohen Lage, und weil gar kein fremdes Waſſer irgend; 
woher hatte zufließen koͤnnen, ſchwerlich ſolte vermuthet haben. Ja ich 
habe bemerket, daß ſie oft in ſolchen Graͤben einzeln geweſen ſind, die nicht 
gar lange allererſt waren gegraben worden, und wo ſich nur das einige 
Wochen lang vom Himmel herabgefallene Regenwaſſer, neuerlich geſamm— 
let hatte. Und es hat mich ein hieſiger großer Kenner und Freund der 
Naturgeſchichte verſichert, daß er dergleichen kleinere Kiefenfuͤße auch zu 
der Zeit auf dem Oberwerthe mehrmals gefunden habe, wenn die aus⸗ 
getretene Donau ihr Waſſer in einigen tiefen Lacken zuruckgelaſſen habe. 
Indeſſen find dennoch die obengenannten fünf Orte die gewoͤhnlichſten, 
und diejenigen, in deren einem oder dem andern man gewis den Sommer 
uber welche finden wird, wo nicht eine gar zu lang anhaltende Hitze und 
Duͤrre dieſe Suͤmpfe ſogleich austrucknet. 


Man kann dieſe Thiergen gar leicht im Waſſer erkennen und anſich⸗ 
tig werden. Denn, fie pflegen ſich nicht nur bey ſtillem und warmem Wet⸗ 
ter ganz nahe an dem aͤußern Rande der Lacke, und wo ſie das Waſſer 
kaum bedecket, haufenweiſe aufzuhalten und daſelbſt im Schlamme zu 
wuͤhlen; ſondern fie verrathen auch durch ihr Schwimmen auf der Ober 
fläche des Waſſers, ſonderlich wenn fie auf dem Ruͤcken fortrudern, gar 
leicht ihr Daſeyn und ihre Gegenwart. Jedoch bey kuͤhlem und ſtuͤrmi⸗ 
ſchem Wetter ſiehet man oft auch nicht einen einzigen, ob ihrer gleich wirk⸗ 
lich eine ganze Heerde da ſeyn kann. Sie gehen zu der Zeit in die ſtaͤrk— 
ſte Tiefe und in die Mitten, und machen ſich daſelbſt voͤllig unſichtbar. 
In dieſen Umſtaͤnden kann man ihrer nicht anders habhaft werden, als 
daß man ſie entweder vermittelſt eines Netzgens auf ein gerathe wohl her— 
auszuſiſchen ſuche; oder daß man fie durch ſtarte Bewegung des Waſſers 
an den Rand ſpuͤhle, allwo ſie bey ſchneller Zuruͤcktretung des Waſſers 
insgemein an dem Rande liegen bleiben. 


Ihre 


wur. ar 141 


Ihre Zeit, wenn fie das erſtemal im Jahre zum Vorſcheine kommen, 
laͤßt ſich ſo eigentlich eben nicht angeben. Im Sommer, und wenn es 
warm iſt, findet man ſie von Zeit zu Zeit unausgeſetzt; ſofern nur an 
ſolche Orte, wo in der vorigen Zeit Eyer zurückgeblieben waren, Waſſer 
hinkommt, und daſelbſt die gehörige Zeit ſtehen bleibet. Man wird alsı 
denn gewis nach einigen Wochen junge Brut finden. Trucknet aber dies 
ſes Waſſer aus, ſo kommen alle um, ſie moͤgen jung, oder ſchon erwach⸗ 
fen und vollkommen ſeyn. Dieſe Truckne daure alsdenn fo lang als fie 
wolle, in einem fort, oder es vertruͤckne das wieder zuſammengelaufene 
Waſſer mehrmals hintereinander früher und zeitiger als die Brut aus ihs 
ren Eyern ſich hat entwickeln koͤnnen; es hindert alles ſolches gleichwohl 
nicht, daß ſich nicht wieder ein neues Geſchlechte an ſolchen Orten zeigen 
folte, fo bald nur wieder Waſſer in gehoͤriger Menge, und nach noͤthi⸗ 
ger Dauer, ſich daſelbſt einfindet. Und dieß gilt ſo gar da, wenn an man⸗ 
chen Orten, da ſonſt, auch nur einmal, ſolche Thiergen gelebt haben, 
in mehreren Jahren hintereinander gar kein Waſſer hinkommen, oder 
doch wenigſtens geſchwind verſiegen ſollte. Ich werde daruͤber in dem folgen⸗ 
den Abſchnitte eine beſondere Anmerkung zu machen Gelegenheit haben. 


Wenn uͤbrigens unſere Kiefenfuͤße im Fruͤhlinge das erſtemal zum 
Vorſcheine kommen, fo muß allezeit ſchon eine warme Witterung vors 
angegangen, und dadurch diejenigen kleineren Waſſerinſecten in Menge 
ausgebruͤtet worden ſeyn, von denen unſere Thiergen, wie ich gleich mel— 
den werde, allein leben, und ihre Nahrung haben. Sobald aber jene vor— 
handen ſind; ſo folgen gewiß auch dieſe bald darauf. Welcher Umſtand 
mir ebenfalls im Folgenden Anlaß geben wird, daraus eine ſehr gute Folge 
zu ziehen. 

Die Art und Weiſe, wie dieſe Thiergen leben, und ſich bewegen, iſt 
doppelt. Sie ſchwimmen und liegen entweder auf dem Bauche; oder 
fie ſchwimmen auf dem Ruͤcken. In beyden Faͤllen find die Füße in einer 
beſtaͤndigen zweyfachen Bewegung. Sie bewegen ſich, nach dem verſchie⸗ 
denen Baue ihrer Glieder und Gelenke, theils von oben herunter nach 


unten zu, theils zu rip Sei gegeneinander nach innen zu; und beydes 
S 3 geſchie⸗ 


142 un un 


gefchicher fo ſchnel und regelmaͤßig aufs und hintereinander, daß einein das 
Geſichte im Zuſehen ganz vergehet. Dieſe wellenfoͤrmige Bewegung, der 
ich ſchon bey den fiſchfoͤrmigen Riefenfüßen und bey den zackigen 
Waſſerfloͤhen gedacht habe, dienet dieſen krebsartigen Kiefenfuͤßen, wie 
jenen, ſonderlich zum Fraße und Luftſchoͤpfen. Sie ziehen damit zuerſt 
das Waſſer, und die in ſelbigem befindlichen kleinen Waſſerthiergen, an 
ſich, fallen fie mit den Fuͤßen, treiben ſie zuſammen in die rinnenartige 
Hohlung auf dem Bauche, wo ſie alsdenn die Afterzaͤhne weiter in die 
Höhe und bis zum Munde bringen. Das Waſſer fließet durch den Zwi⸗ 
ſchenraum der Haarroͤhrgen wieder ab, und damit ſaugen ſie zugleich die 
in dem Waſſer angetroffene Luft in ſich, und verneuern dadurch dieſelbe 
in dem ganzen Thiergen vermittelſt beſonderer obengedachter Gefäße, die 
mit dieſen Haarroͤhrgen zuſammenhaͤngen, und durch das ganze Thiergen 
laufen. Daß ſie dieſe wellenfoͤrmige Bewegung, vermittelſt der eigentli⸗ 
chen Kiefenfuͤße, auch zum Fortſchwimmen und Rudern gebrauchen, iſt 
zwar ſehr wahrſcheinlich. Da ſie ſich aber dieſer wellenfoͤrmigen Bewe— 
gung ohnerachtet gleichwol auch lange Zeit auf einer Stelle erhalten koͤn⸗ 
nen; ſo glaube ich, daß dieſe einzelne Bewegung zum Schwimmen und 
Rudern allein nicht zureichend ſeyn muͤße, ſondern daß fie, nebſt derſel⸗ 
ben, ſich noch einiger anderer Hülfsmittel dabey bedienen mögen. Sie 
gebrauchen hiezu wohl hauptſaͤchlich theils die Ruderfuͤße, theils den 
Schwanz. Die Ruderfuͤße vertreten zwey ordentliche Seitenruder, mit 
welchen ſie auf und niederfchlagen, und die fie etwas weniges auf die Seite 
beugen, wenn ſie ſich umkehren und ſchief wenden wollen. Der Schwan; 
aber vertritt die Stelle des ordentlichen Hinterruders, indem ſie ſolchen 
hin und her bewegen, und damit wackeln, wann ſie gerad vor ſich ſchwim⸗ 
men wollen; ihn aber auf- und niederwaͤrts biegen, ja damit ſtark aus 
ſchlagen, je nachdem ſie geſchwinder gehen, oder gar ſtill halten wollen. 
Sie verfahren alſo mit ihrem Schwanze eben auf die Art, wie die Fiſche 
mit ihrem Schwanze; oder fie gebrauchen ihn eben fo, wie ein guter Steuer⸗ 
mann ein kleines Ruder am hintern Ende des Bootes zu nutzen weis. 


Liegen oder ſchwimmen die Thiergen auf dem Bauche, fo ſiehet man 
an ihnen keine fo ſchnelle Bewegung, als zu der Zeit, wenn fie auf dem 
Ruͤ⸗ 


a 143 

Kücken ſchwimmen, und die Füße in die Hoͤhe kehren. Nun iſt ihnen 
die letztere Art zu ſchwimmen zwar natuͤrlicher und gewoͤhnlicher, als die 
erſtere; ich habe aber doch angemerket, daß fie gegen den Abend insge— 
mein und am haͤufigſten auf dem Rücken ſchwimmen, fonderlich, wenn die 
Sonne den Tag über ſtark geſchienen und das Waſſer ſehr durchwaͤrmet 
hat. Es ſey nun, daß fie ſolches bey der erfolgenden Abkühlung der Lufe 
zu ihrer Beluſtigung thun; oder, daß fie ſuchen friſche Luft zu ſchoͤpfen. 
Beyde Urſachen kommen mir gleich wahrſcheinlich vor, weil fie alsdenn 
allezeit ganz auf der Oberflaͤche hinrudern ; und man koͤnnte dieſe Bewe⸗ 
gungsart die erfriſchende Bewegung nennen. 8 


Jedoch man findet dieſe Thiergen auch haͤuſig an dem Rande und wo 
das Waſſer ſehr ſeicht iſt. Hier ſcheinet es, als wenn fie auf ihren ſaͤmt⸗ 
lichen Fuͤßen ruheten, auf denenſelben fortgiengen, und folglich fich ders 
ſelben ordentlicher Weiſe zur Unterſtützung und zum Gehen bedieneten. 
Allein in der That ſcheinet es nur fo... Merket man genay auf, fo wird 
man gar wohl gewahr, daß fie ſich hoͤchſtens nur auf die eigentlichen Ru⸗ 
derfuͤße fügen. Den übrigen Leib aber halten fie zu eben der Zeit ſchraͤg 
in die Hoͤhe, und laſſen alſo unter den Kiefenfuͤßen und dem Schlamme 
einen ſolchen ſpitzwinklichen Zwiſchenraum, in welchem ſich ihre Kicfens 
fuͤße vor, wie nach, ungehindert fortbewegen koͤnnen. Insgemein haben 
fie in dieſer Stellung eine ſchon gefundene, oder ſich ſelbſt zubereitete klei— 
ne Grube unter ſich , über welcher fie alfo herliegen, daß es ſcheinet „als 
wenn alles unter ihnen Erde und Schlamm wäre, da fie doch nur blos 
mit dem Anfange des Kopfes und mit dem Schwanze fiber dieſe mit Waſ⸗ 
fer angefuͤlte vertiefte Grube aufltegen. Und wenn fie auch zu Zeiten ganz 
auf dem Schlamme ruhen; ſo dauert ſolches doch kaum einige Augenblicke. 
Es ſtehet nicht lang an, fo ſiehet man, wie fie den aufgeruͤhrten Schlamm 
hinter ſich hinaus treiben, ſich dadurch nach und nach eine Grube machen, 
und mit dem Kopfe dergeſtalt in dieſelbe hineinſtuͤrzen, daß fie mit dem 
Leibe faſt ſenk- und auftecht ſtehen. Sa fie wühlen ſich auf die Weiſe oft 
ſehr tief in den Schlamm. Sie thun dieſes zu der Zeit am haͤufigſten und 
gewoͤhnlichſten, wenn das Waſſer an dem Orte ihres Aufenthaltes zu vers 

trock⸗ 


144 e e 


trocknen anfaͤnget, und fo ſeicht iſt, daß es nicht einmal ihren Klicken, 
ſchild ganz bedecket. Vieleicht ſuchen ſie durch dieſes Mittel bey der her⸗ 
annahenden Vertrocknung des Waſſers, und an dem nahen Tode, die 
Ener deſto tiefer unterzubringen, damit fie bey voͤlliger Eintrocknung des 
Waſſers um ſo ſicherer aufgehaben ſeyn moͤgen. Wenn ich jemalen eini⸗ 
ge dieſer Thiergen unter dem Schlamme todt gefunden haͤtte; fo würde 
ich ſagen, daß ſie ſich auf dieſe Weiſe wohl gar ihr eigen Grab zuzuberei⸗ 
ten, oder vielmehr ſich ſelbſt lebendig zu begraben pflegten. Allein die gu⸗ 
ten Thiergen denken wohl an das letztere nicht, wenigſtens findet man ſie 
alle bey der Austrocknung des Waſſers ſchaarweiſe oben liegen; allwo fie 
ſich noch ſo lang bewegen, als nur einige Naͤſſe um und neben ihnen iſt, 
bis fie endlich ſelbſt mit austrocknen und vermodern. Mir kommt daher 
am wahrſcheinlichſten vor, daß fie dieſe Eingrabung in Schlamm blos 
um ihrer Erhaltung willen thun. Denn da bekannt iſt, daß die im Schlam⸗ 
me ſich aufhaltende Waſſerinſecten deſto tiefer in die Erde kriechen, je mehr 
der Schlamm oben zu vertrocknen anfaͤngt; ſo ſuchen zweifelsohne unſere 
Weite ſolcher durch Nachgraben zu ihrer Nahrung habhaft zu werden. 


Da unſere T Thiergen, angezeigtermaßen, allezeit im Waſſer leben und 
anbey mit guten und ſtarken Zähnen verſehen ſind; fo wird fich leicht muth⸗ 
maßen laſſen, wovon ſie leben. Und wenn man die erſtgemeldte Be⸗ 
wegung ihrer Kiefenfuͤße uͤberleget, fo wird man von ſelbſt die Mittel und 
Werkzeuge leicht ausfindig machen koͤnnen, deren ſie ſich zu Buffuhunannd 
Habhaftwerdung ihrers Fraßes bedienen moͤgen. 


Ihre Nahrunz und ihr Fraß ſind allerhand alſo andere Gewürme, fo ſich 
in ſtehenden Waſſern aufhalten; und es mögen wohl die zackigen Waſ⸗ 
ſerfloͤhe ihnen vor andern eine gute Speiſe ſeyn. Wenigſtens habe ich 
dieſe ſchaalige Waſſerthiergen am haͤufigſten zwiſchen ihren Zaͤhnen zer⸗ 
quetſcht und zuſammengerieben angetroffen, und aus denfelben herausge⸗ 
nommen. Jedoch ich halte dafür, daß es eben dieſe Waſſerfloͤhe nicht als 
lein ſind, von welchen ſie leben; ſondern, daß alle andere Waſſerwuͤr⸗ 


mer, ſonderlich die Traubenträger, Muͤſchelgen und dergleichen, ſo 
bald 


I a 3 445 


Le 


bald ihnen zur Nahrung und Fraße dienen muͤſſen, fo bald fie ungluͤckli⸗ 
cher Weiſe zwiſchen ihre Kiefenfuͤße, und von da zwiſchen die Zaͤhne ge⸗ 
rathen. Ich habe ſchon oben vorläufig gedacht, wie ſolches zugehe; und 
ich will es nunmehro noch deutlicher anzeigen. Indem dieſe Thiergen mit 
ihren Fuͤßen eine doppelte Bewegung zugleich machen, ſo dienet die eine, 
nämlich die aufs und unterwaͤrtsſchlagende, dazu, daß das in der Nähe 
um ſie ſtehende Waſſer auf ſie zuſchießet, und daß folglich auch die in die, 
ſem Waſſer befindlichen Waſſerthiergen zugleich mit zu ihnen hingeriſſen 
werden; die andere, nämlich die aus, und einwaͤrtsſchlagende, Bewegung 
treibet den herbey und zwiſchen die Fuͤße gebrachten Fraß naͤher zuſammen 
und gleichſam auf einen Haufen in die Mitten. Er geraͤth zwiſchen die 
hintern Anſaͤtze, oder die Afterzaͤhne der Kiefenfuͤße, die ihn faſſen, und 
ihn theils in die vertiefte Furche bringen, theils immer weiter hinauf bis 
zu den Freßſpitzen fortſchieben. Iſt der Fraß tauglich, ſo koſtet es keine 
Muͤhe fie zwiſchen die eigentlichen Zähne zu bringen. Dieſe drucken alles 
zuſammen; zerreiben, was zu ſtark iſt; und, weil die Oberlippe fiber den 
Zaͤhnen lieget, ſo kann nichts entwiſchen, es verurſachet vielmehr das genaue 
und ſtarke Aufliegen derſelben, und ein neuankommender Fraß, daß ſolcher 
noch etwas weiter fortgeſchoben, und alſo dem Thiergen ganz eigentlich vor 
das Maul gebracht wird. Dieſes ſaͤumet nicht, ſich zu öffnen, den Fraß 
in ſich zu nehmen, und ſo weiter dem Magen zuzuſchieben. 


Wer ſich von allem dieſen einen noch deutlichern Begriff machen will, 
der betrachte nur eines unſerer Thiergen, wenn es eben auf dem Ruͤcken 
im Waller liegt und ſich bewegen." Er wird gar deutlich ſehen, wie alle 
im Waſſer befindliche Unreinigkeit wiſchen die Kiefenfuͤße gebracht wird, 
und ſich nach und nach in der Rinne bis zum Munde fortheweget. Die 
unzähligen Haarroͤhrgen und Haare, womit alle Kiefenfuͤße verſehen find, 
laſſen bey ihrem Abwaͤrtsſchlagen das Waſſer wieder durch, und ſondern, 
nach Art eines Kammes, die im Waſſer befindlichen Thiergen und Koͤr⸗ 
per davon ab und halten fie zurück. Da aber dieſelben ein Fuß dem an— 
dern zu und durch die anhaltende geſchwinde wellenfoͤrmige Bewegung 

Der krebsartige Riefenfuß. T immer 


146 g n N 


immer weiter aufwaͤrts treiber; fo ſteigen fie in der mehrgedachten Rinne 
nach und nach empor, ohne jemals mehr entgehen zu koͤnnen. 


Daß dieſe Thiergen, wie ale andere Geſchoͤpfe, auch ihre Feinde Has 
ben moͤgen, die ihnen nachſtellen, ja ſie wohl gar freſſen moͤgen; daran iſt 
ganz und gar nicht zu zweifeln. Man kann ſolches ſchon daher muthmaßen, 
weil fowohl der hintere Ausſchnitt des Schildes, als der ganze Leib und 
Schwanz des Thiergens, ſo weit fie nicht von der Schaale und den Kies 
fen bedeeket find, mit lauter Stachel und Dornenſpitzen gepanzert iſt— 
Dieſes iſt von der Natur nicht umſonſt geſchehen, ſondern muß nothwen— 
dig dem Thiergen ſtatt der Waffen und der Gegenwehr dienen. Es fols 
len dieſe Stacheln aller Wahrſcheinlichkeit nach die Feinde abhalten, ſich 
an dieſe Thiergen zu wagen, und ihnen ſonderlich das Kriechen unter den 
Schild und zwiſchen die Kiefenfuͤße verwehren. Weil dort der Rücken 
ſehr zart und haͤutig, folglich gar leicht zu verletzen waͤre!; hier aber das 
Thiergen an der noͤthigen Bewegung der Fuͤße gehindert werden koͤnnte. 
Was aber dieſes eigentlich vor Feinde ſeyn mögen, kann ich nicht beſtim⸗ 
men, indem außer den Froͤſchen und Schweinen, derer ich in dem naͤch⸗ 
ſten Abſchnitte dießfalls gedenken werde, nie welcher gewahr worden bin. 
Vieleicht iſt es eine Art Laͤuſe, die unſern Thiergen zuſetzen; dergl ichen man 
auch an den Kiefen der Fiſche, und vornaͤmlich an den Kiefen der Krebſe, 
gewahr wird. So viel iſt gewiß, daß man ſelten einen ganzen unver— 
letzten Kiefenfuß finden wird. Bald fehlet dem einen hie, bald dem andern 
dort etwas, von feinen Theilen. Sonderlich finder man die Ruderfüͤße und 
die Schwanzſpitzen am meiſten veyſtuͤmmelt, Obaber dieſe Verſtuͤmmelung 
von dem Gebrauche und der langen Abnutzung herkommt, oder ob ſie von 
einer fremden Gewaltthaͤtigkeit ihren Urſprung hat, laſſe ich unentſchieden 
dahin geſtellt ſeyn. 5 


Was die Lebenslange dieſer Thiergen anlanget; fo weis ich nichts 
darauf zu antworten, als daß fie ſchwer, ja bey nahe unmöglich, anzu, 
geben iſt. Ich habe en „daß ſie in den obengenannten Lacken bes 

ſtaͤn⸗ 


we 142 


ſtaͤndig fortgelebet haben, und nach und nach immer größer worden find, 
fo lang ſich nur Waſſer vorgefunden hat. Niemals habe ich eher todte 
angetroffen, als bis ſie entweder wegen Mangel des Waſſers, oder we— 
gen der herannahenden Kälte hatten umkommen muͤſſen. Sollte ſich dar⸗ 
aus nicht ſchließen laſſen, daß auch die groͤßten, deren ich je theilhaftig 
worden bin, doch vieleicht noch groͤßer wuͤrden geworden ſeyn, wenn ſie 
nicht erſtangefuͤhrte Urſachen daran gehindert haͤtten. Ich werde dieſes 
am fo getroſter behaupten dürfen, da ich in manchen der obgedachten Suͤm⸗ 
yfe vielmals zwey und drey Jahre hintereinander keine, als nur immer ſehr 
kleine angetroffen habe, ſo, daß ich anfangs auf die Gedanken kam, es 
muͤſſe ordentlicher Weiſe eine kleine und eine große Gattung geben. Al— 
lein, wenn es ſich zutrug, daß zu einer andern Jahreszeit das, vorher nur 
wenig Wochen gedauerte, Waſſer einige Monate unausgetrucknet ſtehen 
blieb; fo fand ich auch nunmehro allhier, ſtatt der vorigen kleinen, lau— 
ter große. Wer weis, zu was vor einer ſonderbaren Groͤße ſie anwach⸗ 
ſen mögten, wenn fie, wie die Krebſe in beſtaͤndigen Fluͤßen, oder wie 
der Molucciſche Krebs in der See, eiliche Jahre ungehindert fort, 
wachſen koͤnnten. 


Ich kann dieſe Meynung mit einer anderweitigen Erfahrung befräfs 
tigen. Als ich vor vier Jahren dieſe krebsartigen Kiefenfuͤße zuerſt in hies 
ſigen Gegenden entdeckte, waren dieſelben groß genug. Die folgenden 
Jahre darauf fand ich faſt nicht einen einzigen mehr von der erſtern Groͤße. 
Es gab ihrer zwar von Zeit zu Zeit hie und da genug; aber ſie kamen alle, 
wegen Austrocknung der Lacken, eher um, bevor ſie auch nur zu einer mit— 
telmaͤßigen Groͤße hatten anwachſen koͤnnen. Im vergangenen Jahre hin— 
gegen habe ich faſt aller Orten wieder ſehr große angetroffen. Ich ſamm⸗ 
lete alſo dießmalen nicht eher welche, um fie aufzuheben, als zu der Zuit, 
wo ich nach meinem Thermometer den ihnen in der Mache gefährlich wers 
denden Grad der Kaͤlte bemerkete. Auf dieſe Weiſe erhielt ich in dem 
abgewichenen Jahre ſolche große, dergleichen ich vorher noch nie geſehen 
hatte. Allein weit gefehlet, daß auch dieſe ſollten ihre hoͤchſte Groͤße ers 
reichet haben. Ich warf ſie damals in Weingeiſt; und da ich vor ein paar 

T 2 Tagen 


148 we s 


Tagen die Groͤßten unter ihnen herausnahm, fo konnte ich von den mei⸗ 

ſten noch eine Haͤutung abziehen, welche unter der erſten verborgen lag. 

Er weiſet aber diefes nicht offenbar, daß dieſe Kiefenfuͤße noch größer haͤt⸗ 
ten werden koͤnnen, und es wirklich wuͤrden geworden ſeyn, wenn ſie laͤn⸗ 

ger gelebet hatten; und daß fie folglich ihren letzten und beſtimmten Le— 
benspunct noch nicht muͤſſen erreichet haben. Ja, wer kann ſagen, ob 
ſie nicht noch gar viele Haͤute in der Folge moͤgten erhalten haben? 


Veioeeleicht faͤllt Manchem hiebey ein, warum ich nicht geſucht haͤtte, 
dieſe Thiergen zu Hauſe oder ſonſt auf andere Art ſo lang zu erhalten und 
aufzuziehen, bis ſie ihre eigentliche und beſtimmte Groͤße und Lebensalter 
bekommen haͤtten. Es dienet aber zur Antwort, daß es meines Ortes 
an dießfalfigen Verſuchen nicht gemangelt hat. Es ſollte ihnen auch an 
noͤthiger Nahrung nichts abgegangen ſeyn. Ja ich habe alles, was ich nur 
zu ihrer Lebenserhaltung taugliches und noͤthiges vermuthen koͤnnen, ih⸗ 
nen angedeyhen zu laſſen und zu verſchaffen mir alle Muͤhe gegeben. Al⸗ 
lein, es war alles vergebens. Ich habe Erwachſene nie uͤber acht Tage, 
und ſelten fo lang, beym Leben erhalten koͤnnen. Und ob ich gleich ans 
faͤnglich vermeinte, es werde mir mit ſolchen, die ich aus den Eyern erhielte, 
beffer gluͤcken, fo kam ich doch auch mit dieſen nicht zum Zwecke. Sie 
lebten zwar laͤnger als jene, naͤmlich einige Wochen lang, aber alsdenn 
giengen fie auch dahin. Ich habe es mehr, als dreyßigmal, hintereinander 
verſucht; es iſt aber nie etwas beſſers zu Stande gekommen. Mit einem 
Worte, Kunſt und Zwang hat in dieſem Stuͤcke der Natur und der Frey⸗ 
heit nichts abgewinnen wollen. 


Ich habe nur erſt der Saͤutung dieſer Thiergen erwaͤhnet, und es 
wird noͤthig ſeyn, daß ich davon nunmehro eine eigentlichere und naͤhere 
Auskunft gebe. 


Daß ſich die meiſten Inſecten in ihrem Leben mehrmalen zu haͤuten 
pflegen, und nach jedesmaliger Haͤutung um ein merkliches groͤßer wer⸗ 
den; iſt eine ſolche bekannte Sache, daß ich mich damit an und vor ſich 
ſelbſt nicht aufzuhalten gedenke. Man weis auch, wie es damit herge⸗ 

het; 


a * 149 


her; und daß dieſe Verneuerung nicht nur der Erdinſecten, ſondern auch 
den Waſſergeſchoͤpfen, eigen iſt. Selbſt der Flußkrebs giebt uns jaͤhrlich 
auf unſern Tiſchen davon den augenſcheinlichſten und ſchmackhafteſten Be⸗ 
weis. Was wunder alſo, daß auch unſere krebsartigen Kiefenfuͤße dies 
fer Veraͤnderung und Haͤutung unterworfen ſind ? Folgender Umſtand 
hat mich auf eine artige Weiſe davon uͤberzeuget. 


Als ich einsmals in einem ſehr großen Glaße gegen den Abend drey 
dieſer Kiefenfuͤße verwahret, und der freyen Luft ausgeſetzet hatte, um 
ihre Bewegungen, und vieleicht auch ihre Begattung zu ſehen und kennen 
zu lernen; ſo wußte ich nicht, was ich des andern Tages denken ſollte, 
da ich in meinem Glaͤße, ſtatt der vorigen drey, nunmehro wirklich vier 
Kiefenfuͤße antraff. Ich dachte ich muͤßte einen uͤberſehen haben. Jedoch 
ich kam bald aus dem Traume und aus der Verwunderung. Ich fand 
bey genauerm Nachſehen, daß der anſcheinende vierte Kiefenfuß, ſo ſehr 
er auch in den geringſten Kleinigkeiten den andern gleich ſahe, keine ei— 
gene und willkuͤhrliche Bewegung, wie die andern, hatte; ſondern daß er 
von dem bewegten Waſſer hie und dahin mit fortgeriſſen wurde, und eine 
beſtaͤndige Neigung hatte in die Höhe zu gehen. Es erfolgte letzteres auch 
wirklich fo bald, als die andern drey Kiefenfuͤße im Waſſer keine große Bes 
wegung machten. Ich ſahe ihn alſo ganz genau an, und ward gewahr, 
daß es nicht ein wahrer Kiefenfuß, ſondern nur eine Haut deſſelben war. 
Und da ich einmal fo viel wußte, fo ward es mir um ſo weniger ſchwer 
denjenigen ausfindig zu machen, der ſich ohnlaͤngſt gehaͤutet haͤtte. Ich 
fand unter den dreyen einen, deſſen Schaale und er ſelbſt ganz weich und 
ungleich heller, auch ungewöhnlich roͤther an Farbe war, als die ubrigen 
zween, und als ich noch an keinem geſehen hatte. Indeſſen war es wahr, 
daß kein Ey dem andern ſo gar gleich ſehen kann, als dieſe Haut einem 
ordentlichen und vollkommenen Kiefenfuße. Denn, da ich dieſe Haut 
ſtuͤckweis unter die Vergroͤßerung brachte, fo war kein Theilgen abgehend⸗ 
oder verſtuͤmmelt, die kleineſte Stachel, und das zarteſte Haarroͤhrgen⸗ 
mit ſeinen Nebenroͤhrgen und Gliedern, nicht ausgenommen. 


T 3 Hier⸗ 


150 un 


Hiebey gieng mir ein neues Licht auf. Ich hatte bisher anf denen⸗ 
fenigen Waſſern, in welchen dieſe Kiefenfuͤße zu leben pflegten, von Zeit 
zu Zeit dergleichen Haͤute, und zwar von verſchiedener Groͤße ſchwimmen 
geſehen. Allein ich glaubte, daß es Ueberbleibſel von dergleichen gewaltſamer 
Weiſe umgekommenen Thiergen wären. fer aber wußte ich, daß fie alle 
von den Haͤutungen der lebendigen ihren Urſprung gehabt hatten. 


Wie nun aber die Haͤutung dieſer Thiergen wirklich erfolget und 
zu Stande kommt, und mit was vor Vortheilen die ſo vielfaͤltigen Glie⸗ 
der, mit den daran ſitzenden Haaren, Federbaͤumgen und Spitzen aus 
der alten Schaale herausgezogen werden, ohne daß mau an ſolchen im 
mindeſten etwas verruͤcket oder verletzet findet; dieſes iſt wohl einer der 
größten und betrachtungswuͤrdigſten Umſtaͤnde und Eigenſchaften dieſer 
Thiergen. Es wuͤrde ſich in Wahrheit der Muͤhe lohnen, wenn man 
dießfalls alles Noͤthige glücklich zu entdecken vermoͤgte. Allein, fo viel 
Muͤhe ich mir auch gegeben um hinter dieſes ſeltene Geheimniß zu kom⸗ 
men; ſo hat es mir doch nie gelingen wollen denjenigen Zeitpunct ausfindig 
zu machen, wo eines dieſer Thiergen eben in ſolcher Arbeit waͤre begriffen 
geweſen. Ich habe verſchiedene, von denen ich muthmaßen konnte, daß 
fie ihrer Haͤutung nahe wären, aus dieſer Abſicht in ein mit Waſſer aus 
gefuͤlltes Glaß geleget, und ganze Stunden durch Jemanden acht geben 
laſſen. Aber alles vergebens. Niemals wollte ſich bey Tage einer haͤu— 
ten; wohl aber fand ich alezeit den andern Tag in der Fruͤhe die abgeleg⸗ 
te Haut auf dem Waſſer ſchwimmen; und es hatten alſo dieſe Thiergen 
in der Nacht, wo ihnen nicht wohl zu zuſehen war, ihre Arbeit vollendet. 
Ich kann alfo aus Erfahrung, und als ein Augenzeuge, von der, Haͤutung 
ſelbſt nichts eigentliches beſtimmen. Ich werde nur fo viel dießfalls ans 
führen koͤnnen, als ſich aus andern Nebenerfahrungen wird ſchließen 
laſſen. Jedoch, ich ſchmeichele mir, daß, wenn man ſonderlich die Er— 
fahrungen von den Haͤutungen der Krebſe zu Huͤlfe nehmen wird, die 
Sache ein ziemliches Licht erhalten, wenigſtens einigermaßen begreiflich 
werden ſoll. Um aber in Anſehung des letztern nicht gar zu weitlaͤuftig 

iu 


a 2 131 


zu ſeyn, fo muß ich meine Leſer lediglich auf die vortteflichen Anmerkun⸗ 
gen des Herrn von Keaumur verweiſen, ſo denen Abhandlungen der 
Koͤnigl. Franzoͤſiſchen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften einverleibet ſind (J. 
Aus denſelben kann ſich jedermann uͤberzeugen, wie die Krebſe, wenn ſie 
ſich haͤuten, unter ihrer harten Schaale allezeit ſchon eine andere weiche 
haben; wie die obere harte Schaale ſich auf den Seiten oͤffnet und hernach 
wieder zuſammenſchlieſſet, und fo zu ſagen aufs neue ganz wird; wie alle 
Theile, auch alle Haare, des Krebſes hohl ſind; und endlich wie alle inn⸗ 
wendige knorpeliche Beine ſich abloͤſen und mit der harten Haut abgeleget 
werden. Nicht zu gedenken, daß durch die ſogenannten Krebsſteine die 
weiche Haut ſelbſt wieder hart gemacht wird. 


Alles diefes aber trifft man in feiner Art eben fo bey unſern krebsar⸗ 
tigen Kiefenfuͤßen an. Diejenigen, die der Haͤutung nahe find, und das 
von ich die Kennzeichen ſchon oben beſtimmet habe, beſitzen wirklich unter 
der obern Haut eine zweyte und neue. Je naͤher ſie aber der Haͤutung 
ſelbſt kommen, deſtoweniger wird man in den Beutelgen denjenigen 
rothen Saft gewahr, davon ſie vorher ganz aufgetrieben waren. Was 
die Oeffnung anlanget, welche an den Seiten der Fuͤße, gleichwie bey 
den Krebſen an denjenigen Fuͤßen mit Scheeren, die vorn dicker und 
groͤßer als hinten find, erfolgen mag: fo habe ich zwar dieſelbe an den 
Fuͤßen unfers Thiergens bey der abgelegten Haut nicht bemerket: ich ha⸗ 
be aber deſto deutlicher an dem Schilde wahrgenommen, daß an ſolchen 
ſo gar auch die Stacheln des Ausſchnittes getheilet und offen geweſen ſeyn. 
Daß alle Haͤrgen und Haarroͤhrgen der Kiefenfuͤße, wie bey den Krebſen 
hohl ſind, zeigt die ſtaͤrkſte Vergroͤßerung. Daß das Knorpelige mit ab⸗ 
gehet, iſt nach der Aehnlichkeit ſehr wahrſcheinlich. Und eben ſo iſt es 
ganz wohl moͤglich, daß die Beutelgen und der darinn enthaltene Saft ei⸗ 
nigermaßen die Krebsſteine vertreten mag; davon ich bald ein Mehrers 
ſagen werde. Ja, wie endlich der Krebs alezeit auf feinen Fuͤſſen ſtehet, 
wenn er ſich gluͤcklich haͤuten will; ſo liegt allem Vermuthen nach der 
Kiefenfuß bey dieſer Arbeit auf dem Schilde, und hat ſeine Fuͤße in die 
Hoͤhe gekehret; wenigſtens ſchwimmen alle abgeſtreifte Haͤnte auf dem 
Waſſer in dieſer Stellung. Ei⸗ 

@) Mem, de Tacademie des ſciences de Pannèe 1712. & 1718. 


Einer Bedenklichkeit und einem Einwurfe wird noch zu begegnen 
ſeyn. Man koͤnnte ſagen, dieß alles gehet wohl bey den Krebſen an. 
An dieſen kann ſich freylich unter der vorigen Haut eine neue zubereiten 
und anſetzen. Denn die harte darüber liegende Haut ſchließet uberall dem 
Leibe an, und die ſogenannte Krebsnaſe bedecket den ganzen Oberleib des 
Krebſes und iſt daran feſt. Allein, wie ganz anders ſiehet es damit bey 
den krebsfoͤrmigen Kiefenfuͤßen aus. Wie mag bey ihnen die Haͤutung 
des Schildes vorgehen, da er nur an einem geringen Theile auf dem 
Ruͤcken angewachſen, ſonſt aber völlig frey und dabey fo ungemein dünn 
iſt? Wie kann ſich hier eine neue Haut unter der erſten anſetzen, da der 
Schild ſelbſt wenig anſitzet? Wird ſich nicht bey der Haͤutung der ganze 
Schild abloͤſen, und folglich ein neuer nach und nach wachſen muͤſſen, 
da ja ſelbſt alle unter dieſem Schilde befindliche Glieder des Thiergens ſich 
mit haͤuten? Ich geſtehe es, dieſer Einwurf hat mir anfaͤnglich ſelbſt 
nicht wenig zu thun 97 7 5 Wenn man aber gleichwohl die Sache 
genauer uͤberleget, ſo laͤßt ſich auch hierauf antworten, und der Einwurf 
ſelbſt völlig heben. 


Erſtlich, iſt in dem vorhergehenden klar erwieſen, daß dieſer Schild 
aus zwo Haͤuten, einer obern und einer untern, beſtehet, und daß man, 
wenn man ein Loch in ſelbigen macht, ihn aufblaſen kann. Zweytens, 
wenn man die abgelegten Schilde beſichtiget, ſo ſind ſie zwiſchen ihren 
zwo Haͤuten innwendig hohl. Es muß ſie alſo etwas ausgefuͤllet haben. 
Die neue Haut, welche darauf folget, iſt abermals hohl und innwendig 
ausgefuͤllet; fie muß ſich alfo über etwas dem Thiergen weſentliches ans 
geleget haben. Drittens, hat ja ein ungehaͤuteter Kiefenfuß gleich, nach⸗ 
dem er die erſte Schaale verlaͤßt, einen ganzen und volkommenen Schild, 
der ihm alſo nicht erſt nach und nach waͤchſet. Und wenn man endlich 
die abgelegten Haͤute der Schilde genau anſiehet, ſo wird man da, wo 
die oben beſchriebenen rothen, aus lauter Roͤhren beſtehenden, Flecken an 
denſelben geſtanden haben, finden, daß ſowohl die oberen, als unteren, 
halbrunden Vertiefungen noch da find, zwiſchen welchen die nur erſtge— 
dachten Roͤhrgen geſeſſen haben; zu einem klaren Beweiſe, daß die Haut 

dieſe 


n a 153 


diefe nur umſchloſſen, und fie alfo ſelbſt an dieſem Thiergen muͤſſen zus 
ruͤckgebltieben ſeyn. Nimmt man dieſes zuſammen; ſo folget hieraus ohn— 
laͤugbar, daß der Schild des Kiefenfußes keinesweges eine einfache oder 
gedoppelte Haut ſey, ſondern daß ihn, ſo dünn er auch immer iſt, gleich- 
wohl ein weſentlicher Theil des Thiergens ausfuͤlle, und daß dieſer weſent, 
liche Theil wirklich eine ſchildfoͤrmige Verlaͤngerung des Leibes ſey, der ſich 
nebſt den darunter befindlichen weſentlichen Theilen und Roͤhren auch 
bis an das aͤußerſte Ende der Schildſpitzen erſtrecket. 


Wiewohl, ich bin mit allen dieſen Muthmaſſungen und Vernunfts— 
ſchluͤſſen nicht zufrieden geweſen. Ich wollte eine mehrere und eine fol; 
che Gewisheit haben, die ſich auf Erfahrungen gruͤndete. Ich zergliederte 
daher den Schild, ſo gut ich konnte. Und da ich bey friſchen und leben— 
digen dießfalls nicht zum Zwecke kommen konnte, indem ich zwar fand, 
daß etwas ſchleimiges und galleriges den Schild ausfuͤllte, ſolches aber 
bey Abziehung der Haut zugleich ſeine Geſtalt verlohr; ſo nahm ich nach 
vielen vergeblichen Verſuchen meine Zuflucht zu einem ſolchen Kiefenfuße, 
den ich lange Zeit im Weingeiſte aufbehalten hatte, und der ſeiner Haͤu— 
tung nahe geweſen war. Es gluͤckte mir auch mit ihm. Ich konnte nicht 
nur die aͤußere Haut leicht abziehen; ſondern ich ſahe auch, daß dieſe auß 
ſere Haut unten am Ende des mit Stacheln beſetzten Ausſchnittes ſich von 
einander ſonderte, ſo daß die eine Haͤlfte der Stacheln an der obern, und 
die andere Haͤlfte an der untern Haut ſtehen bliebe. Unter dieſer Haut 
ſahe ich wieder eine andere ſehr zarte, ſo uͤber den obern und untern Theil 
des Schildes weglief, und die ſich an dem Ausſchnitte nicht voneinander 
ſonderte. Ich brachte es jedoch gar bald dahin, daß ich auch dieſe neue 
Haut abloͤſete, und unten aus ihren Spitzen herauszog. Hier fand ich 
nun ganz augenſcheinlich, daß der ganze Schild unter derſelben ein galle— 
riges fleiſchiges Gewebe war, fo der Weingeiſt zuſammengezogen und 
etwas feſte gemacht hatte. Dieſes Gewebe fuͤllte nicht nur den ganzen 
Kopf, wo die beyden Haͤute des Schildes am weiteſten voneinanderſte— 
hen, ſondern auch ſo gar den geringſten und duͤnneſten Theil davon, ja 
ſelbſt die Stacheln und Dornſpitzen aus. Beſahe ich es unter der Ver— 

Der krebsartige Riefenfuß. uU größe, 


154 I a u 


größerung, fo beſtund es aus lauter Faſern, die weißlich, rauch und fürs 
nig ausſahen, und in lauter ſolche Furchen zertheilet waren, wie etwa 
die äußerliche Haut eines Menſchen auszuſehen pflegt, wenn man fie 
durch das Vergroͤßerungsglaß betrachtet. Dieſe Erfahrung beſtaͤttigte 
alſo ganz unwiderſprechlich, daß der Schild ein weſentlicher Theil und 
eine Verlängerung des Leibes des Thiergens ſelbſt fey; und ich wurde auf 
dieſe Weiſe zugleich uͤberzeuget, wie die neue Haut unter der alten ſich 
auch an dieſem Theile wieder bilden koͤnnte. Wie es aber mit der Haͤu⸗ 
tung des Schildes zugehet; eben fo bilde ich mir es auch bey allen Kie— 
fen, Blaͤttgen, ja ſelbſt den zarteſten Haarroͤhrgen ein; obgleich alle dies 
fe Theile fo klein find, daß man die gehörigen Verſuche damit nicht vor⸗ 
nehmen kann. f 
Welcher Kunſtgriffe bedienet ſich aber die Natur, um ſowohl an 
dieſen, als an andern, Theilen des Thiergens eine neue Haut zu machen, 
und die alte abzuloͤſen ? Dieſes iſt eine Frage, die ich noch zu eroͤrtern 
habe. Diejenigen, welche von dem Lehrgebaͤude der Entwickelung eins 
genommen ſind, werden mit Beantwortung derſelben bald fertig ſeyn. Sie 
werden ſagen: die Haͤute liegen ſchon alle uͤbereinander, und wenn die 
oberſte und erſte dem Thiere zu klein wird, ſo darf dieſes nur ſeinen Leib 
aufblaſen, die Maͤuslein anſtrengen, ſo ſondert ſich die ausgeſpannte von 
der darunter liegenden lockern ab, ſpringt voneinander und die Haͤutung iſt 
alsdenn bald geſchehen. Und ſo gehet es mit allen folgenden Haͤutungen 
zu. Allein ich ſorge, man moͤgte mir dieſe Erklaͤrung ſchwerlich gelten 
laſſen, wenn man hoͤren wird, daß ſich unſere Thiergen in zween und dreyen 
Monaten uͤber zwanzigmal haͤuten, und alsdenn doch noch klein genug ſind. 
Wie viele Haͤute muͤſſen ſie nicht erſt ablegen, bis ſie eine gehoͤrige Groͤße 
erreichen. Und wie ſiehet es denn dießfalls mit dem Schilde aus? Bes 
ſtehet dieſer aus einer obern und untern Haut, ſo muͤſſen ja bey noch klei⸗ 
nen Thiergen von wenig Linten mehr, als vierzig, Haͤute übereinander lies 
gen, ohne einmal das innwendige Weſentliche des Schildes zu rechnen. 
Naͤchſt dem, muͤßten die innern Haͤute, weil ſie groͤßer waͤren, als die 
äußern, zuſammengefaltert und runzlich ſeyn, und mithin in der Be 
zuneh⸗ 


u 155 


zunehmen. Iſt aber eines von dieſen angefuͤhrten wohl moͤglich, da die 
Dicke des ganzen Schildes bey den kleinen Kiefenfuͤßen nicht ein Vier— 
theil der Dicke des duͤnnſten Poſtpapiers ausmachet? Daß ich der Fuͤße, 
und der daran befindlichen Kiefen mit den Federbaͤumgen, nicht einmal 
gedenken will. Dieſe ſind ſo zart, daß man ſie auch nicht einmal unter 
der Sonnenvergroͤßerung an dieſen kleinen Thiergen gewahr wird; und 
doch muͤßten ſie ebenfalls mit vierzig Haͤuten umhuͤllet ſeyn. Wie ſehr 
uͤberſteiget dieſes die Begriffe von den Grenzen einer ausgedehnten Mares 
rie, und in welche unzählige Schwuͤrigkeit verwickelt man ſich, wenn man 
bey unſern Thiergen die oben angefuͤhrte Entwickelung annehmen und ein— 
raͤumen wollte! Wuͤrde ſie wohl im allergeringſten wahrſcheinlich ſeyn? 


Ich will dahero verſuchen, eine andere Erklaͤrung davon zu geben. 
Mich duͤntet, der krebsartige Kiefenfuß habe allezeit nur eine Haut; und 
es entſtehe bloß alsdenn erſt unter der alten eine neue, welche an der vos 
rigen Stelle kommt, wenn jene abgeleget werden fol. Ich habe oben ans 
gemerket, daß um die Zeit, ehe der Kiefenfuß feine Haut ableget, die an ſei— 
nen Füßen befindlichen Beutelgen mit rothem Safte vol angefuͤllet find, 
und daß dieſe Beutelgen im Gegentheil ganz ausgeleeret gefunden werden, 
wenn die alte Haut abgeleget iſt. Ich habe ferner angefuͤhret, daß, wenn 
ich unter die Haut des Schildes, und denen daſelbſt befindlichen erhabe⸗ 
nen Roͤhrgen, eir kleines Glaßroͤhrgen geſtecket habe, ſich alle Beutelgen 
aufblaſen ließen; und daß fie alfo einen Zuſammenhang miteinander haben 
muͤſſen. Es iſt weiters angezeiget, daß es mir umgekehrt, wenn ich ein 
Beutelgen geoͤffnet habe, nie hat gluͤcken wollen, die Haut des Schildes 
aufzublaſen, und daß alſo jedes Beutelgen ein Fallthuͤrgen haben muͤſſe, 
womit das Thiergen ſolches zuſchließen, und nach Willkuͤhr wieder oͤffnen, 
oder den darinn befindlichen Saft gar ausſpritzen, und ſolchen ſodann, 
überall nach der obigen Erfahrung, zwiſchen die Haut und die unter dem 
Schilde befindlichen Roͤhrgen, und von da ferners unter den ganzen Schild, 
ausgießen koͤnne. 


Sollte es nun wohl ein verwegener Schluß ſeyn, aus Angefuͤhrtem 
zu folgern, daß das Thiergen dieſen Saft und die Beutelgen zu feiner 
f Va fo 


156 e 10 


fo oftmaligen Haͤutung bedürfe? Nehmen wir dieſes an, fo find alsdenn 
nur zween Faͤlle moͤglich, wie ſolches geſchehen koͤnne. Entweder wird 
der in den Beutelgen befindliche Saft, uͤberall zwiſchen die abzulegende 
Haut zu allen Theilen des Thiergens ausgeſpritzet, und ſondert ſelbige 
von einer ſich nach und nach daſelbſt ſchon angeſetzten und darunter lies 
genden duͤnnern Haut ab, und befoͤrdert dadurch die Haͤutung; indem er 
die Theile ſchluͤpfrig macht, ja vieleicht die neue Haut ſtaͤrket, und eben 
ſo hornartig machet, wie die Krebsſteine die weiche Haut der Krebſe hart 
machen. Oder, der Saft der Beutelgen wird durch ungemein zarte Gaͤn— 
ge uberall zwiſchen die Außere abzulegende Haut, und das darunter befind⸗ 
liche Fleiſch des Thieres gebracht, daſelbſt ausgebreitet, und zu einem dop⸗ 
pelten Endzwecke angewendet; eines theils, daß er die alte Haut von dem 
Fleiſche abloͤſe, und zur Haͤutung ſchluͤpfrig mache; andern theils aber, 
daß er ſich ſelbſt über das ganze Fleiſch und alle zarte Theilgen, ja Harr⸗ 
roͤhrgen, zwiſchen welche und die alte Haut er durchgedrungen iſt, aus⸗ 
breite und über das Fleiſch anlege, woraus eine neue Haut gebildet, und 
dieſelbe nach und nach entweder unter oder doch bald nach der Haͤutung 
feſt und hornartig werde. 


Unter dieſen beyden moͤglichen Faͤllen duͤnket mich der letztere am 
wahrſcheinlichſten zu ſeyn. Und dieſes nicht nur darum, weil die Natur 
allezeit den kuͤrzeſten Weg zu gehen pflegt; ſondern nebſt dem auch noch 
aus folgenden Urſachen. 


Da die aͤußere Haut des Schildes, wie oben gemeldet iſt, unter der 
Vergroͤßerung den Falten einer Menſchenhaut gleicher; und wir nur al— 
lererſt an der weſentlichen Verlaͤngerung des Leibes unter der Haut die 
naͤmlichen Zuͤge und Falten entdecket haben; ſo folget hieraus ganz klar, 
daß ſich die Haut darüber bilde, und daß fie noch über dem Fleiſche muͤſſe 
weich geweſen ſeyn, weil fie ſelbſt aͤuſſerlich die naͤmlichen Züge beybehal— 
ten hat, als welches nur ein verhaͤrteter Saft thun kan. Wir haben 
weiters an den Raupen ſchon ein Beyſpiel, daß wenn ſich ſolche in Pup⸗ 
pen verwandeln, die hornartige Haut der Puppe lediglich von einem Saf⸗ 

{ te 


n 2 157 


te entſtehe, welchen der noch unvollkommene Zweyfalter aus allen feinen 
aͤußern Theilen des Leibes herausdringen laͤſſet, und der, weil er zaͤhe iſt, 
hangen bleibet, nach und nach hart und zu einem hornartigen Weſen ers 
waͤchſet. Koͤnnen endlich Muſcheln und Schnecken durch einen derglei— 
chen Saft ihre harte Schaale bauen; fo wird wohl alhier aus dieſem 
Safte um ſo eher ein hornartiges Weſen entſtehen koͤnnen, weil ſo gar 
der Saft in den Beutelgen derer, ſo ich im Weingeiſte aufbehalten habe, 
hart und hornartig geworden iſt, und eben einen ſolchen ſtinkenden Geruch 
von ſich gegeben hat, als die verbannte Haut an und vor ſich ſelbſt, wann 
ich beyde nacheinander in eine angezuͤndete Kerze gehalten habe. 


Dieſes vorausgeſetzt und als gewis angenommen, ſo gehet es bey den 
Anſtaiten zur Haͤutung vermuthlich alſo zu. Der Kiefenfuß, welcher 
ſich haͤuten will, ſpritzet den in den Beutelgen befindlichen Saft zwiſchen 
alle Theile des Leibes und die Haut aus; dieſe wird dadurch vom Fleiſche 
abgeloͤſet; der dazwiſchen geſpritzte Saft im Gegentheil haͤnget ſich dem 
Fleiſche an, wlrd feſt und zur neuen Haut; die Glieder und der Leib 
ſchwellen, wie bey den Krebſen, unter der zu klein gewordenen alten Haut 
auf; dadurch wird dieſelbe noch mehr abgelöfer, und begiebt ſich an ge— 
wiſſen Orten von einander; das durch dieſe Oeffnung eindringende Waſ— 
ſer macht die Haut lockerer; der Ruͤckenſchild zertheilt ſich unten an dem 
Ausſchnitte, ſonderlich durch die von dem Thiergen gemachte Bewegung; 
der neue Ruͤckenſchild kommt nach und nach heraus; deſſen neue Haut hat 
ſchon eine gewiſſe Härte angenommen; das Thiergen bekommt Luft die 
Füße mehr und mehr von der alten Haut los zu machen; die Ruͤckenhaut 
ſpringt auf; und wenn der Kiefenfuß aus ſeiner alten Haut unter dem 
Schilde herausgetretten iſt; ziehet er zuletzt den Schwanz ſelbſt nebſt den 
langen Borſten heraus; er ſelbſt fälle in das Waſſer, und laͤßt die alte 
leere Haut auf dem Waſſer ſchwimmend zuruͤck. a 


Ich vermuthe nicht, daß mich jemand fragen werde, wie durch ei⸗ 
nerley ausgeſpritzten Saft an einigen Orten, eine hornartige Haut ent— 
ſtehen koͤnne; da von eben demſelben an andern Orten, als an den Blaͤtt— 

3 gen 


153 l 2 


gen der Füße, an den Haaren und Haarroͤhrgen, die allerzaͤrteſte Perga⸗ 
menthaut erwachſe? Ich würde darauf nichts anders antworten, als daß 
vieleicht die Dicke oder Duͤnne der Gefaͤße, die an einem Ort mehr Saft, 
als an dem andern fuͤhren; oder, daß die Beſchaffenheit der zu uberzie⸗ 
henden Theile, an deren einigen der Saft ſich ſtark, an andern weniger 
anhängen kann; oder daß überhaupt der ganze eigne Bau jeder Theile 
ſolches zu Wege bringe. Geſchiehet doch bey den Krebſen ein gleiches / 
da die harte Schaale, und die daran ſitzenden zarten und hohlen Haare, 
von einerley Haut gebildet werden. 


Jedoch ich beſcheide mich gar gern, daß es bey allem, was ich ange— 
fuͤhret habe, noch ſehr weit ke, das Kunſtſtuͤck der Natur, welches fie 
bey der Haͤutung dieſer Thiere anwendet, vollſtaͤndig und gehörig erklaͤret 
zu haben. Ich habe mir ſolches zu thun nicht einmal beygehen laſſen. Mir 
genuͤget, daß mein angegebener Gedanke ſich aus den angeführten Erfah⸗ 
rungen nicht unwahrſcheinlich ſchließen laſſe. 


Dieſes will ich hiebey noch erinnern, daß, nachdem ich von dem fiſch⸗ 
foͤr migen Riefenfuße ſchon geſchrieben hatte, ich hinterher wahrgenom— 
men habe, daß auch dieſe Thiergen ſich ſo, wie der krebsartige Kiefenfuß, 
zu haͤuten pflegen. Und da ich die Hoͤrner der Maͤnngen und Weibgen, 
deren Nutzen ich damals nicht anzugeben mußte, zu einer Zeit groͤßer und 
aufgeblaſener, als zur andern, gefunden habe; ſo komme ich faſt auf die 
Gedanken, daß dieſe Hoͤrner gewiſſe Gefaͤße, und der Sammelplatz des— 
jenigen Saftes ſeyn moͤgen, der bey den krebsartigen Kiefenfuͤßen durch 
die Beutelgen und deren Roͤhrgen uͤberall unter die Haut der Thiergen 
getrieben, und dadurch die Haͤutung befoͤrdert werde. 5 


Ich wende mich aber wieder zu der Haͤutung unſerer krebsartigen 
Kiefenfuͤße. Es ſcheinet eine Frage von Wichtigkeit zu ſeyn, wie oft die⸗ 
ſe Thiergen in ihrem Leben ſich zu haͤuten pflegen. Nur Schade, daß ſich 
die Anzahl ſo genau nicht beſtimmen laͤßt. Doch bin ich ſo viel verſichert, 
daß ſich dieſe Thiergen häufiger und geſchwinder hintereinander haͤuten, 

f als 


un n 159 


als es noch von keinem einzigen andern Inſecte mir bekannt iſt. Mein 
Grund iſt dieſer. 


Wenn ich aus den Eyern Junge erhielte; fo ſuchte ich, fo bald fie 
ausgekrochen waren, einige mit einem zarten Pemſel von den übrigen 
herauszunehmen, und brachte jedes allein in ein beſonders Glaͤßgen. Den 
andern Tag fand ich ſchon die erſte zarte Haut auf dem Waſſer ſchwim⸗ 
men. Ich that ſolche bey Seite. Den dritten Tag fand ich die zweyte 
abgelegte Haut; und dieſes erfolgte alle zween Tage fo regelmäßig aufeins 
ander, daß ich die erſte Woche gegen vier Haͤute erhielte. Die andere 
Woche gieng es um einen Tag fpäter her. Ich erhielte itzo nur aller drey 
Tage eine abgeſchaͤlte Haut. Die dritte Woche geſchahe es gar am vier— 
ten Tage, und gegen die vierte Woche bekam ich nur alle ſechs und acht 
Tage eine. Und ich würde es mir gewiß nicht haben verbrießen laſſen, 
weiter Acht zu haben, wenn meine Kiefenfuͤße haͤtten laͤnger fortleben wol— 
len. Allein ich habe ſchon oben gemeldet, daß ich die kleinern uͤber einen 
Monat nie beym Leben erhalten koͤnnen. Jedoch habe ich bey allen Ere 
wachſenen beobachtet, daß alle acht Tage ohngefaͤhr eine Haͤutung vorgehet. 
Da ich nun in den erſten vier Wochen ſchon gegen zehn Haͤute erhalten, 
ſo laͤßt ſich hieraus leicht abnehmen, wie ungemein oft dieſe Thiergen ſich 
haͤuten muͤſſen, wenn fie in der Freyheit einen ganzen Sommer durch 
fortzuleben nicht gehindert werben. 


Dazu kommt noch, daß vieleicht aus meinen erſtgemeldten Erfahruns 
gen ſich nicht einmal etwas Sicheres moͤgte folgern laſſen. Ich glaube 
vielmehr, daß ſie in der Freyheit ſich noch weit oͤfter und geſchwinder hin— 
tereinander haͤuten, als fie es bey mir und in meinen Glaͤßern zu thun vers 
moͤgend geweſen ſeyn. Die, ſo ich in Glaͤßern aufbehalten, waren nach eini⸗ 
gen Tagen ſchon nicht mehr recht geſund, welches ihr bald darauf erfolge 
ter Tod genugſam zu erkennen gegeben; wie ſehr muß aber dieſes nicht 
ihren Wachsthum zugleich gehindert haben? Vieleicht hat es ihnen auch 
hie und da an genugſamer Nahrung, oder an ſonſtiger Abwechſelung ders 


ſelben, bey mir gefehlet, deren fie in der Freyheit genießen; und daran ſehr 
viel 


\ 


160 d CN 


viel liegt, wenn ein Juſeet gehörig auswachſen ſoll? Wenigſtens iſt es 
von Raupen bekannt genug, daß man ihren Wachsthum auf verſchiede⸗ 
ne Weiſe befoͤrdern und hindern, und ihre zur Haͤutung ſonſt gewoͤhnliche 
Zeit verkuͤrzen oder verlängern kann. Und dieſes gilt fo gar auch von 
den Fliegen -und Kaͤferwuͤrmern, indem man fie ſowohl, als die aus ihr 
nen entſtehende Fliegen und Kaͤfer, und die aus den Raupen hervorkom— 
mende Zweyfalter, nach eigenem Belieben um ein merkliches, wo nicht 
größer, doch gewiß kleiner, als ordentlicher Weiſe, zu erſcheinen, noͤthi⸗ 
gen und zwingen kann. Alles, je nachdem man fie in ihren erſten Geſtal— 
ten, wenn ich fo reden darf, darben laͤſſet oder mit uͤberfluͤßigem Futter 
nicht verſiehet; und fie der mehr oder wenigern Wärme freyſtellet. 


Wollte man indeſſen wiſſen, um wie viel unſer Thiergen nach jedes, 
maliger Haͤutung ohngefaͤhr größer erſcheine, als es vor derſelben gewe— 
ſen; und um wie viel alſo die abgelegte Haut kleiner ſeyn moͤge, als die 
darauf folgende neue; fo hat mich ein unerwartetes Ohngefaͤhr ſolches eis 
nigermaßer beſtimmen zu koͤnnen in Stand geſetzet. 


Ich traf einsmals einen ziemlich großen Ktefenfuß an, auf welchem 
drey Schaalen dergeſtalt uͤbereinander lagen, daß eine unter der andern 
hervorſahe (). Die oberſte war die kleinſte, und ganz mit gruͤnem Graſe 
uͤberwachſen; die mittelſte war größer als die oberſte, und kleiner als die 
unterſte; dieſe aber die groͤßte unter allen. Hinten am Ausſchnitte wa— 
ren fie alle drey zuſammengewachſen, oder beſſer zu reden, alhier war die 
Haͤutung nicht von ſtatten gegangen, und die untere Haut hatte nur alle— 
seit die obere kleinere aufwaͤrts geſchoben. Dem Maaßſtabe nach war die 
obere gegen zwo Knien kleiner, als die mittlere; und dieſe um eben fo 
viel kleiner, als die unterſte. Waͤre dieß Maaß bey allen richtig, ſo, daß 
nach jeder Haͤutung der Anwachs des ganzen Thiergens um zwo Linien 
mehr erfolgte, ſo wuͤrde, wer ſich die Muͤhe geben wollte es auszurechnen, 
ſich die Anzahl der Haͤutungen bis auf eine gewiſſe Groͤße ziemlich wahr— 
ſcheinlich angeben laſſen. Nur muͤßte, was die Kleinen betrifft, ſo lang 


nach 
(0 Tab. I. Fig. VI. 


wre 101 


nach einer geometritiſchen Proportion verfahren werden, bis ſie eine ge⸗ 
hoͤrige Größe erreicher haben. So viel kann man indeſſen hieraus übers 
haupt abnehmen, daß ſich ee Thiergen unglaublich vielmals haͤuten muͤſſen. 


Ich mache hiebey nur noch die einzige Anmerkung, daß durch dieſen 
erſtgedachten Zufall meine oben angefuͤhrte Meynung von der Art, wie 
die Haͤutung bey dieſen Thiergen zugehe, ein neues Gewichte erhalte. Es 
iſt daſelbſt geſagt worden, daß ſich der Schild hinten voneinander theile, 
und. hierauf die Haͤutung deſto glücklicher vor ſich gehe. Dieß ſcheinet 
auch hierdurch beſtaͤttigt zu werden. Denn an dieſem dreyfachgeſchildeten 
Kiefenfuß, hat wohl ohnlaͤugbar durch eine unbekannte Hinderniß der hintere 
Ausſchnitt des Schildes ſich nicht theilen laſſen; es mußten alſo auch alle 
Haͤute des Schildes ganz bleiben. Es erfolgte daher keine volkommene 
Haͤutung, und die Vergroͤßerung jeder Haut zeigt ſich nur vorwaͤrts, und 
auf den Seiten, ohne daß die alte hat koͤnnen abgelegt werden. Wie viel 
waͤre hier nicht anzumerken; welches ich aber, um nicht allzu weitlaͤuftig 
zu ſeyn, vorbeygehen, muß. 


Es iſt noch eines der wichtigſten Stuͤcke uͤbrig, deſſen ich in dieſem 
Abſchnitte zu gedenken verſprochen habe. Es betrift die Fortpflanzung 
und die erſten Lebenstage unſerer krebsartigen Kiefenfuͤße. 


Da dieſe Thtergen in todten und ſumpfigen Waſſern leben; ſo wuͤr— 
de man in den vorigen Jahrhunderten das Entſtehen derſelben wohl ohne 
alles Bedenken, nach der damals herrſchenden Meynung, um ſo mehr dem 
Schlamme und der Faͤulniß zugeſchrieben haben. Allein zu unſern Zei— 
ten iſt dieſer Gedanke bey allen Vernünftigen eben fo widerſinniſch und 
unmöglich, als ungegruͤndet man ihn an ſich ſelbſt und wider alle Wars 
heit und Erfahrung findet. Und vieleicht werde ich unten Gelegenheit ha— 
ben, fo gar Gründe anzugeben, warum ein ſolcher Gedanke, daß Ges 
ſchoͤpfe fich aus der Faͤulniß erzeugen koͤnnen, dem Schöpfer ſelbſt vers 
kleinerlich fey, und ſich daher vor keine Leute weniger ſchicke, als vor die, 
ſo der Gottesgelahrheit ergeben ſind. ö 5 


Der krebsartige Kiefenfuß. * Heut 


163 ce l 


Heut zu Tage bleiber es noch immer bey der Regel, daß alles, was 
außerhalb des Leibes der Mutter durch die Fortpflanzung lebendiges er⸗ 
halten werden ſol, von der Mutter muͤſſe in einem Eye verſchloſſen gen 
bohren werden, in welchem zugleich, nebſt der jungen Bruth, auch die dem⸗ 

ſelbigen nörhige Nahrung befindlich iſt. Die außerordentliche Fortpflan⸗ 
zung, ſo man an den Polypen, und vieleicht noch andern Thieren, gewahr 
wird, gehoͤret zur Ausnahme dieſer Regel, wiewohl doch auch dieſen die 
ordentliche Fortpflanzung durch Eyer nicht kann abgeſprochen werden. 
Selbſt bey den allerkleineſten Arten der unten anzuführenden Thiergen, fü 
in fluͤßigen Dingen, naͤmlich aus der Vermiſchung der Theile aus dem 
Thier und Pflanzenreiche und dem Waſſer entſtehen, und die nur unter 
der allergroͤßten Vergroͤßerung des Sonnenvergroͤßerungsglaßes recht 
ſichtbar werden, habe ich eine Art von Eyern, die in dieſen Thiergen bes 
findlich find, mehr als einmal wahrgenommen. Die Unterſuchung der 
Frage aber, ob die Jungen bey den Thieren, welche ſie lebendig zur Welt 
bringen, vorhero wahre Ener geweſen find, (denn in uneigentlichem Vers 
ſtande habe ich dieſes Wort bey den zackigen Waſſerfloͤhen ſelbſt gebraucht); 
wuͤrde mich zu weit abfuͤhren und gehoͤrt auch eigentlich nicht hieher, da 
bey unſern Kiefenfuͤßen die Eyer ohnlaͤugbar zugegen ſind, und fie alfo kei⸗ 
ne Jungen lebendig zur Welt bringen. 


Man findet dieſe Eyer, nicht nur in unzaͤhlbarer Menge in dem In⸗ 
nern des Leibes unvollkommen; ſondern es find die Blaͤttgen an den Mut— 
terfuͤßen auch außerhalb des Leibes damit ſehr ſtark angefuͤllet. Sie find 
freylich klein, aber noch immer groß genug vom bloßen Auge erkannt zu 
werden. Unter der Vergroͤßerung ſind ſie vollkommen rund, glaͤnzend, 
ohne alle Runzeln oder Ecken und undurchſichtig. Ihre ganze Anzahl 
laͤßt ſich nicht beſtimmen; weil der Leib, der Eyerſtock, und die aͤußern 
Blaͤttgen zu allen Zeiten voll damit angefuͤllet ſind. Und wenn ihre Art 
in den Pfuͤtzen und in der Freyheit eben die iſt, welche man an ihnen bes 
obachtet, wenn ſie in Glaͤßern mit hellem Waſſer eingeſperrt aufbehalten 
werden; ſo kann man ſagen, daß fie ohne Unterlaß Eyer haben und le⸗ 
gen. Denn, wenn man einen dieſer Kiefenfuͤße, ſonderlich einen io 

gewgach⸗ 


U 


n Z 163 


gewachſenen, in Brunnenwaſſer wirft; fo falen, während feines Rus 
dern unausgeſetzt Eyer zwiſchen den Blaͤttgen heraus und im Waſſer zu 
Boden; und die durch andere aus dem Leibe wieder erſetzet werden. Man 
wuͤrde alſo ſagen koͤnnen, daß dieſe Thiergen ſtets, und mehr als irgend 
ein anders Geſchoͤpfe / mit Eyern ſchwanger ſeyn und ſelbige von ſich geben. 

Ob es nun gleich ſchon der Augenſchein zeigt, daß dieſe rothe Koͤr— 
nergen, warhafte Eyer find, aus welchen die Jungen herkommen; fe 
kann man ſich doch davon noch beſſer auf folgende Weiſe uͤberzeugen. Man 
werfe einige erwachſene Kiefenfuͤße in helles Waſſer, und laſſe ſie darinn 
ſo lang leben als ſie wollen; man wird nach zween und dreyen Tagen eine 
ganze Menge dieſer Eyergen auf dem Boden liegen finden. Man ſammle 
ſie in ein beſonders Glaß, und gieße ein ſolches Waſſer auf ſie, in wel— 
chem allerhand andere kleine Inſecten, als Waſſerfloͤhe, Traubentraͤger ꝛc. 
eine Zeitlang gelebet haben. Man ſetze ſie an die Sonne, oder uͤberhaupt 
an die freye Luft, fo wird man nach einigen Wochen junge Bruch in 
Menge uͤberkommen. 


Wie gehet es aber mit der Befruchtung dieſer Eyer zu? Denn, ſo 
viel ich weis, iſt es in der heutigen Naturlehre ebenfalls ein Grundſatz, 
daß aus einem unbefruchteten Eye eben ſo wenig ein lebendiges Thier wer— 
de, als aus gar keinem Eye. Zur Befruchtung aber werden gemeinigs 
lich zwey verſchiedene Geſchlechter erfordert; oder doch wenigſtens zwey— 
erley Zeugungsglieder. Welches ſind alſo bey unſern Kiefenfuͤßen die 
zweyerley Geſchlechter; welches iſt das Maͤnngen, welches das Weibgen? 
Welches find die Zeugungs-und Geburtsglieder, und wie gehet es bey 
der Begattung her? Dieſes ſind Fragen, die ſich der Muͤhe verlohnen, 
beantwortet zu werden. 

Um fie aber ordentlich auseinander zu ſetzen, fo will ich kuͤrzlich die 
neueren Endeckungen vornehmen, und zeigen, wie viel Arten von Be— 
fruchtungen man heutiges Tages in der natuͤrlichen Geſchichte wiſſe, die 
von der aͤltern angenommenen Regel abgehen, und die gleichſam die Aus— 
nahmen derſelben find, wenn man ja glauben wollte, daß es unſerm klei⸗ 
nen Verſtande niemals moͤglich fen, allgemeine Regeln hierüber 5 

X 2 Zur 


460 e 


Zur ordentlichen Befruchtung gehoͤret, wie erſt gedacht iſt, Maͤnn⸗ 
gen und Weibgen, und deren beſondere Geburtsglieder, und von dieſer 
Art der Befruchtung wußte man in alten Zeiten nur ganz allein. Man 
traf aber in den neuern Zeiten. weiters und guerſt. ſolche Thiergen an, die 
Mann und Weib zugleich waren. Allein keines von dieſen konnte 
ſich ſelbſt befruchten, es mußten ihrer dazu dennoch zwey ſeyn. Jedes 
hatte zwar beyde Zeugungsglieder; davon aber nur eines die Befruch, 
tung einnehmen konnte, ſo wie das andere geſchickt war, ſolche nur allein 
bey einem ſeines gleichen zu verurſachen. Und hieher gehoͤren die Schne⸗ 
cken, viele Muſchelarten, die Regenwuͤrmer und andere mehr. Hierauf 
folgte eine anderweitige Entdeckung. Man fand Geſchoͤpfe, die ſich zwar 
mit andern zu Zeiten begatteten, aber doch dieſe Begattung zur Be⸗ 
fruchtung nicht noͤthig hatten, und die ſich ohne alle Befruchtung, 
wenigſtens auf eine gewiſſe Anzahl Geſchlechter, aus und für ſich ſelbſt 
fortpflanzen konnten. Hieher gehoͤren nicht nur die Baumlaͤuſe, davon 
Herr von Reaumur, Bonnet, Trembley und Herr Bazin fo. viele 
ſchoͤne Verſuche angeſtellet und bekannt gemacht haben; ſondern auch die 
zackigen Wafferflöbe, davon in meiner Abhandlung das Mehrere nach⸗ 
zuſehen iſt. Endlich traf man Thiere an, wo man gar kein Geſchlecht, 
und gar keine Befruchtung gewahr nahm , ich meyne die Polyen. 


Unter was vor eine Elaffe werden nun wohl unſere krebsartigen Kies 
fenfuͤße gehoͤren? Wir wollen ſie mit einer jeden der angefuͤhrten Fort, 
pflanzungsarten vergleichen. Da man bey unſern Kiefenfuͤßen keine ei— 
gentliche Maͤnngen findet, ſo gehen ſie ſchon von der ordentlichen Regel 
ab; und da man in allen Eyer antrift, ſo wird man ſie alle als Weibgen 
anſehen koͤnnen. Und das um ſo mehr, weil ſich der Anſatz zu den Eyern 
gleich nach dem erſten Auskriechen, und wenn ſie noch wenig Linien groß 
find, in der Wirklichkeit zeiget. Ich habe dieſes bey einer großen Mens 
ge unterſucht, und allezeit ſo gefunden. f 


Sind aber unſere Kiefenfuͤße alle Weibgen, ſo fragt ſich weiter, ob 
fe alein Weibgen, oder Weibgen und Maͤnngen zugleich ſind? Ich 
glaube 


wa e 165 


glaube das Letztere. Und diefes darum, weil mir keine Thiergen bekannt 
ſind, die ordentliche Eyer legen, wenn ſie in ihrem Geſchlechte keine 
Maͤnngen haben, oder wenigſtens nicht Maͤnngen und Weibgen zugleich 
ſind. Zwar koͤnnte man hier von den Polypen eine Einwendung machen. 
Allein ſie ſcheinet nicht erheblich zu ſeyn; indem erſt noch zu erweiſen iſt, 
ob die Eyer der Polypen wahre Eyer, oder Eyer, wie ich glaube, in uns 
eigentlichem Verſtande ſeyn; denn die andern oben gedachten Arten, die 
hier eine Ausnahme zu machen ſcheinen, bringen ihre Jungen lebendig 
zur Welt, und legen alſo gar keine yer. Sind aber unſere Kiefenfüge 
Maͤnngen und Weibgen zus gleich, ſo muͤſſen ſie auch zweyerley er 
glieder haben. Und wo mögen dieſe wohl zu finden feyn ? 


Ich geſtehe es, daß ich in Entdeckung derſelben ſo gar gluͤcklich nicht 
geweſen bin; und man wird mit dem Wenigen zufrieden ſeyn muͤſſen, 
was ich davon ausfindig gemacht habe; und wenn ich das Ulebrige durch 
die wahrſcheinlichſten Muthmaßungen werde zu erſetzen ſuchen. 


Da wir nicht nur in dem Innern unſerer Waſſerthiergen den Eyer— 
ſtock und die Trompete, ſondern auch außerhalb die Gebaͤhrmutter entde— 
cket haben, ſo werden wir ohngefaͤhr errathen koͤnnen, wo die Zeugungs— 
glieder zu ſuchen ſeyn. Sie werden ſich, allem Vermuthen nach, um 
eben die Gegend befinden, wo die Trompete des Eyerſtockes mit der Ge— 
baͤhrmutter anſitzt, und jene in dieſe ihren Eingang hat. Nun haben wir 
aber an den Mutterfuͤßen über der Gebaͤhrmutter eine mit einem erhabes 
nen Ring eingefaßte Oeffnung bemerket; ſcheinet es alſo der Natur der 
Sache nicht ganz gemäß zu ſeyn, daß man dieſe Oeffnung an jedem Mut— 
terfuße vor den Ort annehme, da die Zeugunsglieder verborgen liegen. 
Wie ſie aber gebildet ſeyn, und was es ſonſt damit vor eine Beſchaffen⸗ 
heit habe, iſt eine andere Frage. Mich duͤnket, man komme am beſten 
zurechte, wenn man die Zeugungsglieder der Kiefenfuͤße mit den Zeus 
gungsgliedern der Flußkrebſe zu erklaͤren ſuchet. 


Nichts kommt mit der Oeffnung unſerer Kiefenfuͤße fo ſchoͤn übers 
ein, als die Oeffnung ſowohl des maͤnnlichen als weiblichen Gliedes bey 
X 3 den 


166 ce a 


den Krebſen. Nichts ift jemals einander ahnlicher geweſen; ausgenom⸗ 
men, daß fie bey den Krebſen an verſchiedenen Orten bey den Maͤnngen 
und Weibgen ſitzen, auch bey dieſen größer, und bey jenen kleiner find. 
Bey beyden ſitzen dieſe Glieder an den Fuͤßen; und machen daſelbſt einen 
erhabenen Ring, der innwendig ganz weich, und etwas hohl iſt, ob man 
gleich kein eigentliches Loch gewahr wird. Denn es iſt dieſe Hohlung alles 
zeit mit fleiſchigen Maͤuslein angefuͤllet, welche die wahre Oeffnung, ſo 
wie die Augenlteder bey den Hennen, von einer Seite ganz verſchließen. 
Findet ſich aber dieſes nicht eben ſo bey unſern Kiefenfuͤßen? Und es 
ſchetnet der ganze Unterſcheid bloß darinn zu beſtehen; theils, daß bey 
den Krebſen die Zeugungsglieder in zweyen unterſchiedenen Geſchlechtern 
gefunden werden, da ſie bey den Kiefenfuͤßen in einem einzigen Thiergen 
zugleich ſind; theils, daß bey den Weibgen der Krebſe die Eyer aus der 
naͤmlichen Oeffnung herausgehen, wodurch die Befruchtung geſchiehet; 
hier aber bey den Kiefenfuͤßen fallen fie aus der Gebaͤhrmutter heraus, 
oder treten auch vieleicht wie oben angemerket iſt, durch dieſe Oeffnung 
in die Gebaͤhrmutter. In jeder Oeffnung liegen beyde das maͤnnliche 
und weibliche Glied zugleich beyſammen. Soll die Begattung geſchehen, 
fo treten beyde Glieder, vieleicht wie bey den Schnecken, aus jeder Deffs 
nung hervor. Das maͤnnliche Glied des einen tritt in das weibliche Glied 
des andern; ſo wie es von dieſem wieder auf die naͤmliche Art geſchiehet. 
Dieſe Glieder verbinden ſich innerlich mit der Trompete und dem Eyer—⸗ 
ſtocke; welches um ſo begreiflicher iſt, da alle Eyer, welche in die Mutter 
gehen, daſelbſt ſo nahe vorbey muͤſſen. 


Jedoch, es mag bey der natuͤrlichen und ordentlichen Begattung die, 
ſer Thiergen hergehen, wie es will; ſo bleibet noch eine Frage uͤbrig, ob 
nämlich dieſe krebsartigen Kiefenfuͤße die Begattung allezeit noͤthig haben; 
oder ob ſie auch ohne Begattung fruchtbare Eyer von ſich geben koͤnnen? 
Ich geſtehe es, daß ich gleich anfangs ſehr geneigt war, aus der Aehn, 
lichkeit mit dem zackigen Waſſerflohe, Letzteres zu folgern, wenn nur 
unſere Kiefenfuͤße auch lebendige Junge, und nicht Eyer, zur Welt braͤch— 

ten. 


D 167 


ten. Jedoch auch diefes macht die Sache darum noch nicht unmoͤglich. 
So viel iſt gewiß, daß ſo oft, ſo fleißig und unermuͤdet ich auch bey Tage 
und bey Nachte dieſe Thiergen betrachtet habe, ich doch nie die geringſte 
Bewegung oder Handlung gefunden habe, die ich auf das Begatten haͤtte 
deuten koͤnnen. Ich habe mehrmalen einige von dieſen Thiergen allein 
gethan, um zu verſuchen, ob ich auf die Weiſe nichts herausbringen 
moͤgte. Allein vergebens; fie ſtarben allezeit eher, als ich die Verſuche 
mit ihnen endigen konnte. Nur ein einzigesmal gluͤckte es mir meines 
Wunſches einigermaßen theilhaftig zu werden. So bald nämlich die ſe 
Kiefenfuͤße einige Wochen alt ſind, findet man in ihrer Gebaͤhrmutter 
die ausgetrettenen Eyer, welche ſie auch nach und nach fallen laſſen. Ich 
habe alfo diefe Eyer geſammlet und Junge von ihnen erhalten. Ich ſon— 
derte dieſe Jungen alſobald ab, und brachte jedes beſonders. Es gelung 
mir, daß einige fortlebten, und ich erhielte auch von dieſen Eyer, und 
von denſelben Junge. Dieſes war mir Beweiſes genug, daß dieſe Kie— 
fenfuͤße auch ohne Befruchtung fruchtbare Eyer muͤßten in ſich gehabt 
und von ſich gegeben haben. 


Es gehet übrigens mit dem Wachsthum des Kiefenfußes, von dem 
Eye an, auf folgende Weiſe zu. 


Ich habe bereits oben geſaget, daß die Eyer im Schwimmen des 
Thiergens aus der Gebaͤhrmutter fallen. Ihre Farbe iſt alsdenn ungemein 
hochroth, fie find undurchſichtig und fo klein, daß man fie kaum ſehen 
wuͤrde, wenn fie ſich nicht durch ihre Farbe kenntlich machten (“). Im 
Waſſer fallen fie augenblicklich zu Boden; und werden vermuthlch in dem 
aufgeruͤhrten Schlamme vergraben. 


Sie brauchen alsdenn im warmen Sommer zwo oder drey Wochen, 
bis die Jungen hervorkommen. Ja es ſcheinet, als wenn dazu die Sons 
ne und freye Luft unentbehrlich ſey. Wenigſtens habe ich in meinem Zim⸗ 
mer den Winter uͤber nie welche aus denen, obgleich haͤufig aufbehaltenen, 
Eyern erhalten, ohnerachtet ich ihnen die gehoͤrige Waͤrme zu geben 80 

08 


() Tab. V. Fig. 


163 r 


Sobald aber bey herannahenden warmen Fruͤhlings und Sommertagen 
ich die Glaͤßer, in welchen ich ſie in dazu tauglichen Waſſer erhalten harte, 
in die Sonne und an die freye Luft ſetzete, erhielt ich die junge Bruth in 
großer Menge. 


Es hat mir nta 901 durch eine gute e 
ihre Entwickelung aus dem Eye zu bemerken. Ich ſahe zuerſt das Ey 
oben einen zarten Riß bekommen, welcher immer weiter heruntergieng, und 
das Ey in zween Theile auseinander trieb (). Alsdenn flieg ein hellrother 
Koͤrper in die Hoͤhe, welcher ſich gar bald in zwey obere Spitzen und zwey 
Seitenſpitzen verlängerte; dieſelben fiengen an ſich zu bewegen, und ehe 
ich mich verſahe, huͤpfte ein lebendiges Thiergen aus demſelben dergeſtalt 
ſchnell heraus, daß es ſich gar bald meinen Augen entzog. Das Ey blieb 
auf den Boden liegen, verlohr ſeine rothe Farbe, und wurde ganz weiß 
und durchſichtig. 


Sobald dieſe Thiergen aus ihren Eyern ſich entwickelt haben, ſchwim⸗ 
men ſie im Waſſer munter und lebhaft genug auf und nieder; ſetzen ſich 
auch wohl ein wenig an die Seiten des W „und ſcheinen daſelöſt aus⸗ 
zuruhen. 


Ich habe verſchiedenemal einen ſolchen erſt ausgekrochenen Kiefern 
fuß unter die zuſammengeſetzte Vergrößerung. gebracht. Da fabe ich frey⸗ 
lich ſeine Geſtalt noch ſehr unvollkommen. Seine Farbe war vollig roth, 
wie vorher das Ey (*). Sein ganzer Koͤrper war laͤnglich rund, Dat 
einem ordentlichen Dünereye gleich. Der Schild (***) bedeckte nur die 
Hälfte des Leibes (7); und hatte in der Mitten einen ſehr kleinen Eins 
ſchnitt, Oben am Kopfe war ein ſchwarzes Puͤnctgen ſichtbar (T5), wel⸗ 
ches die Augen vorſtellete. Die Ruderfuͤße waren faſt ſo lang, als das 
ganze Thiergen, ſehr plump, ohne alle ſcheinbare Gelenke, und man ſa⸗ 
he nur einige Haare an den aͤußerſten Enden, woraus hernach die Bor⸗ 
ſten zu eutſtehen pflegen. Die dee (Tri) giengen hier weit über 
i den 


(Y Tab. V. Fig. II. 9) Fig. III. Cam) d. ce (ff) b. Hm 
a. . a * 


* 


den Kopf hervor, und man fahe gar merklich, die drey Haarſpitzen, fo 
man hernach daran findet. Die hintere Schwanzklappe mit ihren Bor 
ſten war noch gar nicht zugegen oder vielmehr noch nicht genug entwi— 
ckelt. Ueberhaupt ſahe ich nach dem angezeigten, daß bey dieſen Jun⸗ 
gen diejenigen Theile die kleinſten, oder gar nicht ſichtbar, waren, die hers 
nach die groͤßten werden; und daß hinwiederum die, ſo hier die groͤßten 
waren, mit der Zeit nach Maaßgabe die kleinſten werden. Wenn fie in 
dieſer Größe und Alter im Waſſer hin und herſchwimmen, ſo iſt ihre Bes 
wegungsart mehr einem Huͤpfen, als rechtem Schwimmen gleich (); 
und wer ſie nicht ſchon kennet, wird ſie gar leicht vor eine junge Bruth 
der zackigen Waſſerfloͤhe halten. 1 

Jedoch ſie bleiben in der erſten Geſtalt kaum einige Stunden. Man 
ſiehet fie je laͤnger, je mehr, die rothe Farbe verlieren. Nach vier und zwan— 
sig Stunden erſcheinen fie ſchon ganz weiß, und da fie ſich alsdenn das 
erſtemal gehaͤutet haben, ſo bemerket man diefen Unterſcheid an ihnen (**), 
Ihr Leib iſt unten ſpitziger; er hat einen Anſatz von der Schwanzklappe, 
die ſich in zwo dicke Spitzen endiget (*). Die Ruderfuͤße find vorn, wie 
dreymal getheilet, und jede Abtheilung hat einige Haare (****), Die 
Kiefenfüße ſiehet man auch gar merklich, obgleich noch ſehr unvolkom— 
men. Die Fuͤhlhoͤrner find mit ihren Spitzen noch beſſer entwickelt (T); 
und das Auge iſt auch um ein merkliches größer (ID). 

Nach ein oder zween Tagen wird er immer gelblicher (Fr); fein Leib 
iſt groͤßer und ſpitziger, als vorhero; die Ruderfuͤße (ri), und Fühls 
hoͤrner (1) find kleiner; das Auge noch immer ſcheinbar einfach (LY); 
und die Kiefenfüße deutlicher (JJ). Vor allen aber faͤnget die Schwanz 
klappe an ſich in zwo Borſten zu endigen. 

Und ſo gehet denn ihr Wachsthum immer weiter fort, bis ſie gegen 
den vierten oder fünften Tag ihre ordentliche Geſtalt erhalten haben; obs 
gleich alle Theile noch nicht ſattſam ausgewachſen find (*). Ich habe 
Der krebsartige Riefenfuß. Y. einen 
( Tab. V. Fig. VI. () Fig. IV. CA e. Cr) e. d. e. d. 


a.. (f) b. (kb) kig. V. (If ec DN. (I b. 
Ah e. GA Ff. (Fig. VII. a. b. e. 


120 n 2 


einen ſolchen von fuͤnf und ſechs Tagen unter die ee ung gebracht 
und an ihm folgendes bemerket. 


Wenn er auf dem Bauche liegt (93 ſo ſtehet man, wie der Schild 
ſeine ordentliche Geſtalt hat; wie er auch mit den roͤthlichen Flecken, die 
doch hier noch nicht roth find, verſehen iſt (“); und wie lch in dem hin⸗ 
tern Aus ſchnitte die Stacheln gar ſchoͤn erkennen laſſen. In dem Kopfe 
ſtehet der gruͤne ausgezackte große Flecken; in welchem die Augen, als 
ſchwarze Flecken, gar ſichtbar find (“*). Die Füͤhlhoͤrner gehen mit ih⸗ 
ren Spitzen noch weit über den Schild hinaus (). Die Ruͤderfuͤße 
erſcheinen ſehr unausgearbeitet, haben jedoch die ordentlichen Borſten (k). 
Hinter den Ruderfuͤßen ſiehet man die gelblichen Zähne (FF). Und der hin⸗ 
tere Schwanz, mit ſeiner Klappe und Borſten iſt ziemlich vollkommen (Tr). 


Leget man ihn auf den Küchen (rr), fo zeiget er fich auf folgende 
Weiſe Den größten Raum des Kopfes nimmt ein vierzehnblaͤtteriger 
oder ausgehackter gruͤner Flecken ein (J), an deſſen Seiten die Fuͤhlhoͤr⸗ 
ner (II); in der Mitten die nierenfoͤrmigen Augen (IIA); und über den⸗ 
ſelben noch ein ſchwarzes Puͤnctgen ſtehet. Unter den nierenfoͤrmigen 
Augen iſt die ſcheinbare Oeffnung (LLLL), welche das doppelte Maͤuslein des 
Herzens iſt. Auf dieſes Maͤuslein folgen die zween kugelaͤhnlichen Zaͤh⸗ 
ne (J); denen ſich die Ruderfuͤße anſchließen CH}). Die Kiefenfuͤße zei⸗ 
gen itzo ſchon Scheeren und Blaͤttgen (Tr); doch alles noch undeutlich. 
Der Schwanz, mit feiner Klappe und Borſten, (J) iſt eben ſo, wie ich 
erſt gemeldet habe. Ich habe einen dieſer jungen Kiefenfuͤße zergliedert, 
um den Ban feiner Füße und gewiſſer innern Theile beſſer zu erkennen. 


Man ſahe an ſeinen Ruderfuͤßen noch keine eigentliche Gelenke; ſon⸗ 
dern jeder ſchien ans einem einzigen zu beſtehen (II). Der Afterzahn war 


ein 
O Tab. V. Fig VIII. () e. () b. ( a. a. (Dec 
ma AHDEL (ff) Fig. IX. C) b. b. (D a. a. A 


1 9 Al) e. Det (tt) d. d. (itt) s. C0 h. i. i. () 


un or 171 


ein ſtarker Knoten (). Darauf folgte ein gleich diekes gefaltertes Ges 
lenke (*); an dem unten das Beutelgen (**) und die Kiefe mit den 
Haarroͤhrgen (T), anſaß. Vor der Kiefe war der daumenaͤhnliche Anfag 
ſehr lang, und endigte ſich in eine lange Spitze (Pr). Die drey Borſten 
waren dick und unfoͤrmlich, hatten jedoch ihre ungleiche Laͤnge (FTP) 
und das obere Hoͤrngen war, wie dle Borſten, ebenſals dick und . 


lich (rr). 


Die Kiefenfuͤße waren ziemlich vollkommen (1). Man ſahe an ihnen 
die Scheeren mit ihren Haarroͤhrgen und Zähnen (II); die Afterfcheere, 
mit denen darauf folgenden Spitzen (II); den Afterzahn (D; das Beu— 
telgen (, und die Kiefe (). 


Um aber auch das Herz zu entdecken, ſo ſchnitte ich einem jungen 
Kiefenfuße den Schild ab, und ſuchte ſolchen an dem Kopfe alſo abzuſtrei⸗ 
fen, daß die Theile unverſehrt blieben. Hier war alles ſehr deutlich (T) 
Der ausgezackte gruͤne Flecken war gar ſchoͤn zu fehen (T); nicht weni⸗ 
ger die nierenfoͤrmigen Augen mit dem obern ſchwarzen Flecken (Ert). Der 
gruͤne Flecken lief den ganzen Leib hinunter (Tft); Über welchem das Herz 
wie in gewiſſen Beutelgen ſich befand (J). Und oben, gleich unter den 
grünen Flecken, ſahe man die Zähne gar deutlich (I). 


Wenn kaum acht und vierzehn Tage vorbey ſeyn, ſo haben dle Jun, 
gen ſchon eine ziemliche Größe (III). Und ſo wachſen ſie denn immer 
weiter fort, bis fie gegen drey Wochen die Größe von faſt 1 Zolle erlan⸗ 
get haben (LI1D). Von da aber gehet es mit ihrem Wachsthume, obanges 
zeigtermaßen immer langſamer her, doch, in Vergleichung mit andern = 
ſecten, noch immer geſchwind genug. 905 


Und dieß wäre denn auch das, was ich von dem Leben, der Nah, 
rung, dem Aufenthalte, der Fortpflanzung und dem Wachsthume dieſer 
Y 2 7 Thier⸗ 

(Y Tab. V. a. C b. ( i. (i) h. „m F 


e RTV. ab 2. CH) er Le 
a eb) 1 5 85 a  EUERKTT) D- DE 


Um e. e. (O) f. f. G 8. 8. (HI) Fig. X. ab. (IIIH Fig. XI. 


173 M 


Thiergen melden wollen, bee ich mir fehmeichelen das Noͤthigſte ange 
merket zu haben. 5 


* * * * * x * * „ * f. . & . e * 8. 


Vierter Abſchnitt. 


Von den Verſuchen mit den krebsartigen Kiefenfuͤßen, 
und deren Vergleichung mit dem M Fee n 
Krebſe. 


Sb allen Verſuchen, die ich von Zeit zu Zeit mit den krebsartigen 
i Kiefenfuͤßen vorgenommen habe, iſt jedesmal einer der erſtern und 
vornehmſten dieſer geweſen, ſie eine lange Zeit, wenigſtens bis 
auf einen gewiſſen Zeitpunct, beym Leben zu erhalten. Es iſt aber auch 
ſchon angezeiget worden, daß alle meine dießfalls aufgewandte Muͤhe und 
Fleiß fruchtloß abgelaufen iſt. Und dieſer Mislung hat freylich zugleich 
viele andere Verſuche und Erfahrungen unmoͤglich gemacht, die ſonſt 
zweifelsohne noch weit mehr Seltſames wuͤrden entdecket haben, als bis— 
her angefuͤhret worden iſt. Ich werde es indeß bey vorkommender Gele— 
genheit auf ein neues verſuchen; in Hoffnung, daß es mir vieleicht doch 
einmal gelingen werde, dieſen Thiergen die Art abzulernen, wie ſie auch 
außer ihrer Freyheit und verſchleſſener lange fortzuleben vermoͤgend ſeyn. 


Da unſere Kiefenfuͤße, wie in den vorigen Abſchnitten mehrmals er— 
innert und erwieſen worden iſt, mit dem Fluß und andern Krebſen eine 
große Aehnlichkeit und Gemeinſchaft haben; ſo bin ich unter andern auf 
die Gedanken kommen, ob nicht auch an dieſen krebsartigen Thiergen, wie 
an jenen, gewiſſe Theile, wenn fie abgeſchnitten oder ſonſt verſtuͤmmelt 
würden, ſich wieder ergängen und auswachſen moͤgten? Von Krebſen iſt 
ſolches bekannt und außer allem Widerſpruche; nachdem der berühmte 


Herr von Reaumur dieſes Stuͤck der naturlichen Geſchichte in ein ganz 
beſon⸗ 


* 
D W M 173 
beſonderes Licht geſetzet hat (). Allein bey unſern Kiefenfüßen ſcheinet 
mir ſolches eben fo wenig wahrſcheinlich; als wenig ich, bey alen dich» 
falls gemachten Verſuchen, davon einige Spuren gewahr worden bin. 
Ich habe zwar zu allen Zeiten eine Menge dieſer Thiergen gefunden, de— 
ren Theile hie und da verſtuͤmmelt, und verloren gegangen, waren; fie 
blieben aber auch an thnen die ganze Zeit über fo verſtuͤmmelt und abge— 
hend, fo lang dieſelben bey mir zu Hauße fortlebten. Selbſt, wenn fie 
ſich in dieſem verſtuͤmmelten Zuſtande haͤuteten; hatten ſie nach vollbrach— 
ter Haͤutung die nämliche Verſtuͤmmelung, ohne, daß ich auch nur den ges 
ringſten Anſatz eines neuen Auswuchſes, oder einer Ergänzung, der abgehen— 
den und verlohrnen Theile haͤtte bemerken koͤnnen. Nun iſt es zwar wahr, 
daß ſich daraus noch nicht erweiſen laͤſſet, daß dieſe verletzten Theile, auch 
nicht nach langer Zeit, und vieleicht erſt nach verſchiedenen Haͤutungen, 
ſich würden ergaͤnzet haben; allein es duͤnket mich gleichwohl aus einem 
andern Umſtande das Gegentheil mehr, als wahrſcheinlich, zu ſeyn. Wenn 
unſern Kiefenfüßen die verletzten und verlohrnen Theile je wieder ans 
wuͤchſen; fo haͤtte ich gewiß auch, wenigſtens ein oder das anderemal 
ſolche Thiergen finden muͤſſen, deren verletzte Theile, im Wiederaus— 
wachſen und Ergaͤnzen, eine unfoͤrmliche Geſtalt erlangt haben wuͤr— 
den; indem es nicht wohl glaublich, daß bey der Ergaͤnzung alle Theile 
ganz genau wieder wohlgebildet wachſen ſollten. Bey Krebſen, deren 
verletzte Theile wieder wachſen, findet ſich auch wirklich dieſer Umſtand. 
Man trifft die Menge von ungeſtalteten Scheeren an, die bald mehr, bald 
weniger, von der ordentlichen Geſtalt abweichen. Gleichwie ſich nun aus 
dieſen Unformen bey Krebſen, wenn wir es auch ſonſt nicht wuͤßten, fir 
cher auf die Ergaͤnzung ihrer Theile wuͤrde ſchließen laſſen; ſo glaube ich, 
daß es ſich bey unſern Kiefenfuͤßen eben fo ſicher umkehren, und von Abs 
weſenheit ſolcher Unformen in ihrem Geſchlechte, auf die niemalige Er— 
gaͤnzung ihrer verlohrnen oder verſtuͤmmelten Theile ſchließen laſſe. 


Alles alſo, was ſich in Anſehung der verletzten und verlohrnen Theis 
le der krebsartigen Kiefenfuͤße mit Gewisheit ſagen laͤßt, beſtehet darinn, 
93 daß 


( Mem, de Pacadem. des feienges de J ann. 1713. 


174 a ee 


daß ſie ihr Leben nicht leicht verlieren, ſondern es vertragen koͤnnen, wenn 
manche ihrer Theile auch noch ſo ſehr verſtuͤmmelt werden. Ich habe mit 
verſchiedenen ſolcher ihrer Theile einige ae gemacht, die ich hier 
beyſetzen will. 


Wenn ich an den 1 9 und an der Schwanzklappe die Bor⸗ 
ſten abſchnitte, oder fie zerſtuͤmmelte; fo kam das Thiergen dadurch gleich 
wol nicht eher um, als es ſonſt, aus andern Ürfachen, auch ungeſtuͤmmelt 
wuͤrde abgeſtanden ſeyn. Ein gleiches geſchahe, wenn ich einige Schees 
ren, Kiefen, oder Beutelgen, verletzte und ſie abloͤſete. Auch da lebte 
das Thiergen eine Zeitlang ungehindert fort. Man merkte ihm nicht eins 
mal an, daß es verſtuͤmmelt worden; es war nach, wie vor, munter 
und lebhaft. Schnitte ich ihm aber alle Kiefen, oder alle Fuͤße, zugleich 

und auf einmal ab, ſo benahm ich ihm nicht nur alle Bewegung; ſondern 
es erfolgte auch der Tod gar bald darauf. Dieſes geſchahe auch alsdenn, 
wenn ich den mondfoͤrmigen Kopftheil durchſchnitte, oder auch ſonſt nur 
eine ſtarke Verletzung an dieſem Orte anbrachte. 


Um zu erfahren, wie lang unſere Thiergen in andern fluͤßigen Din— 
gen beym Leben bleiben moͤgten, warf ich ſie theils in Weingeiſt, theils 
in Salzwaſſer. Es war ihnen aber beydes gar bald toͤdtlich; doch mit 
dem Unterſcheide, daß fie in einem ſchwachen Weingeiſte jedesmal län, 
ger am Leben blieben, als in ſtark angemachtem Salzwaſſer. Welche Ers 
fahrung abermalen den Sag beſtaͤttiget, deſſen ich bey den Egelſchne—⸗ 
cken in den Lebern der Schaafe gedacht habe, daß naͤmlich das Salz 
denen Waſſerinſecten vorzüglich ſchaͤdlich und toͤdtlich ſey. 


Daß aber unſere Kiefenfuͤße auch andern Geſchoͤpfen ſchaͤdlich ſeyn 
ſollten, wenn ſie von ſolchen verzehret, oder ſonſt in ihre Koͤrper gebracht 
werden, daran zweifele ich gar ſehr. Ich ſchließe es nicht nur daher, weil 
ich gar oft geſehen, daß ſie von Schweinen ohne Schaden haͤufig verzeh⸗ 
ret worden ſind; ſondern weil ſich auch bey vorgenommener chymiſchen 
Unterſuchung nichts gefunden hat, welches etwas dergleichen muthmaßen 
ließe. Ich Zr von A E . anders erhalten, als 

was 


DE 175 
was ſich uberhaupt bey allen thieriſchen Körpern zeiger, wenn man fie 
durch den truckenen Weg zu deſtilliren pflegt; naͤmlich vor andern einige 
Tropfen empyrevmatiſches Oel und eine todte Erde. 

Es iſt indeß beſonders, daß dieſe Thiergen im lebendigen Zuſtande, 
wenn man ſte eben aus dem Waſſer nimt, und das Waſſer ſorgfaͤltig abs 
tropfen laͤßt, noch fo ziemlich ſchwer find; hingegen aber nach völlig ab» 
gerauchter Feuchtigkeit ganz unglaublich leicht werden. Ein lebendiger 
Kiefenfuß von der groͤßern Art, nachdem ich das Waſſer volkommen von 
ihm hatte tropfen laſſen, wog 2 Drachmen; nachdem er aber todt und 
trucken war, hatte derſelbe nicht mehr, als 5 Gran; daß alſo vier und 
zwanzig im trockenen Zuſtande allererſt die Schwere eines einzigen lebens 
digen und friſchen haben. Und hieraus laͤßt ſich das Raͤthſel leicht aufs 
loͤſen, wie es moͤglich iſt, daß man oft an ſolchen Orten, wo man ſonſt 
dergleichen Thiergen nie geſehen hat, dieſelben auf einmal antrift. Ik 
es wohl unmöglich, oder auch nur ſchwer zu begreifen, daß dieſe Thier 
gen, da fie nach der Austrucknung fo gar leicht werden, im Sommer 
bey ſtarken Wettern und Winden hie und da verſtieben, oder daß wenig— 
ſtens ein Haufen einzelner und zuſammengebackener Eyer, die, nach 
Maaßgabe der ganzen Schwere eines ausgetruckneten Thiergens, eine 
gar nicht zu beſtimmende Leichtigkeit haben, fortgefuͤhret werden, und 
mit dem Regen, oder bey nachlaſſendem Winde, vermoͤge ihres eigenen, 
obgleich ſeyr geringen, Gewichtes, an allerhand Orte hinfallen. Kommen 
ſie nun von ohngefaͤhr in ein ſtehendes Waſſer, ſo gehet ohnedem mit ihnen 
alles natuͤrlich zu, wenn daſelbſt mit der Zeit dieſe Thiergen gefunden 
werden; fallen ſie aber an einen trucknen Ort, ſo darf nur Waſſer dahin 
kommen, und daſelbſt eine gehoͤrige Zeit im Sommer ſtehen bleiben, ſo 
gehet es auch alsdenn mit dem Entſtehen und Daſeyn dieſer Thiergen or— 
dentlich zu. Dieſes wird um ſo leichter geſchehen koͤnnen, da die Eyer, 
wie oben erinnert iſt, ausgetruckneter viele Jahre in einem unverweßli⸗ 
chen und un verderblichen Zuſtande bleiben koͤnnen. 


Es iſt der Mühe werth, daß ich dieſes Letztere noch weiter ausführe 


und erweiſe. Ich habe an ſeinem Orte gemeldet, wie ich in a 
un 


8 d e. 


fuͤnf oben genannten Gegenden manches Jahr auch nicht einen einzigen 
von unſern Kiefenfuͤßen geſehen habe; weil entweder gar kein Waſſer da; 
hin gekommen, oder weil es nicht lang genug ſtehen geblieben war. Wur— 
de nun dieſe Hinderniß im folgenden Jahre, oder auch erſt zwey und drey 
Jahre darnach, gehoben, ſo waren auch dieſe Thiergen wieder in großer 
Menge zugegen. Wenn ferner im Sommer bey eingefallener ſtarken 
Hitze manches dieſer ſtehenden Waſſer vier ⸗ſechs und achtmal eintruck⸗ 
nete, jedoch allezeit alsdenn erſt, nachdem ſich einige junge Kiefenfuͤße 
vorhero daſelbſt hatten ſehen laſſen: fo vertrucknete zwar dieſe junge Bruch 
jedesmal zugleich mit; aber bey erſtgemeldten veraͤnderten Umſtaͤnden war 
auch immer wieder neue Bruch da. Und was den Graben ohnweit Pruͤ— 
fening betrift, ſo habe ich, wie gemeldet iſt, vor einigen Jahren fehr große 
Kiefenfuͤße daſelbſt angetroffen; die folgenden Jahre iſt aber auch nicht 
ein einziger jemals mehr daſelbſt geſehen worden, weil waͤhrend dieſer Zeit 
faſt nie kein Waſſer in demſelben geweſen iſt. Vor dem Jahre aber, da 
es im Sommer einige Wochen ſehr ſtart geregnet hatte, und alſo auch dies 
fer Graben Waſſer erhielte, habe ich fie abermals gar häufig daſelbſt ges 
funden. Was erweiſet dieſes deutlicher, als daß die Eyer von dieſen Waſ⸗ 
ſerthiergen eine faſt unverderbliche Eigenſchaft haben muͤſſen, geſetzt, daß 
fie auch noch fo ſehr vertrucknen, und auf oder unter der Erde Jahrwei— 
fe liegen bleiben, oder ſonſt mit Staub und andern Dingen vermiſcht wers 
den. Eine beſondere Eigenſchaft, und die dennoch, aus bald zu melden— 
den Urſachen, dieſen Thiergen nicht umſonſt, ſondern aus weiſen Abſich— 
ten ertheilet iſt! So viel von den Verſuchen mit dieſen Thiergen. 

Ich wende mich hierauf zu demjenigen auslaͤndiſchen und ſeltſamen 
Seethiere, von welchem ich ſchon zum voraus gemeldet habe, daß unſere 
Sumpfthiergen mit ihm eine ſehr große Aehnlichkeit haben. Ich meyne 
den Molucciſchen Seckrebs, der auch font der umgekehrte Rtebs 
heißet. Wir 2 0 von demſelben verſchiedene Abbildungen und Beſchrei— 
bungen (). Man findet ihn aber nirgends beſſer abgebildet, als bey 

Beß⸗ 
(de Laet defeript. Ind. oceident: Lib. 2. c. XIX. Bontius Hiſt. He 
ral. Lib. 5. Cap: 31. Clufius Evotic. Lib. VI. Cap. 14. Wormius 

, Muf: Lib. III. Cap. F. Jacehæus Muf.Reg. Dan. I. 3. Sachs Gammar. 

Cap. VI. p. 113. feq. 


o n Ze 177 
Beßlern (); und niemand hat denſelben ausführlicher beſchrieben, als 
Rumph (**). Da ſich in der ſchoͤnen und zahlreichen Naturalienkam⸗ 
mer des hieſigen Herrn Senators, meines hochzuehrenden Herru Schwa— 
gers, Sarrers, auch ein Paar dieſer Seetrebſe befinden, fo habe ich meis 
ne Abbildungen nach letztern machen laſſen (***); und dieſes um fo lies 
ber, weil ich an dieſen beyden in der Natur eines und das andere bemer— 
fer habe, welches ſowohl in den vorgedachten Abbildungen, als Befchreis 
bungen, aus der Acht gelaſſen worden iſt. 


Damit man ſich aber von dieſem Seekrebſe foͤrderſamſt einen eigent⸗ 
lichen Begriff machen moͤge, ſo will ich deſſen Vergleichung mit unſern 
Kieſenfuͤßen diejenige völlige Beſchreibung des Rumphs vorangehen 
laſſen, die er uns davon in der Hollaͤndiſchen Sprache, ertheilet hat. Sie 
lautet in unſerer Sprache folgendergeſtalt: 


Jacob Bonzius beſchreibt dieſen Krebs (Krabbe) mit einem licht, 
»grünen runden Schilde und einem langen Schwanze, welcher, wie eine 
„Pfrieme, ſpitzig zulaufe, und der, wenn er jemanden verwunde, eben 
„einen ſolchen Schmerz verurſache, als ein Scorpionsſtich. Sein Fleiſch, 
»fpricht er, wird zwar gegeffen, doch iſt es nicht fo gut, als von andern 
„Krebſen. 

„Er iſt ein ungeſtalteter Krebs, an dem man faſt alles verkehrt und 
vanders ſiehet, als an andern Krebſen, und gehoͤret zu den Groͤßeſten (J). 
Sein Oberleib beſtehet aus zween Theilen, wovon der erſte und groͤßte 
„Theil einen Schild vorſtellet. Solcher iſt an dem vorderſten Ende 
»rund (FT), hinten aber wie ein halber Mond ausgeſchnitten. Daſelbſt 
haͤngt ihm der hinterſte und kleineſte Theil vermittelſt einer Haut an (Tr), 
„der ſich in einen langen dreykantigen Schwanz endiget (J), an den Sei— 
„ten aber mit Dornenſpitzen beſetzt iſt (JJ). Dieſen Hinterleib ſollte man 

Der krebsartige Riefenfuß. 3 „nach 
Y Fafe. Rarior. Ephem. Nat. Curioſ. D. 1. An. 2. Obf. 102. 
9) D’Amboinfche Rariteitkammer. BoeckI. Hooftd. XXI. re 

Tab. XII. 

C*9). Tab. VII. Fig. IV. V. (j) Fig. IV. (f) a. (11 ge. ( e. e. e. 

Fig. V. g. g. (II) d. d. d. d. Fig. IV. 


278 K 2 > 


„nach der Aehnlichtelt mit andern Krebſen vor den Kopf halten, und den 
Herſt genannten vordern Theil vor den Schwanz anſehen, gleichwie es 
„wirklich viele unſerer Europäer zu thun pflegen. Der große Schild iſt 
„eine gemeine Spanne breit, manchmal auch breiter; von Farbe glaͤn⸗ 
zend olyvengruͤn; oben mit kurzen Stacheln beſetzt, unter denen man 
„iwo Erhoͤhungen bemerket, welche die Augen find (). Der Dinters 
„leib iſt, wie gemeldet, an den Seiten dornenartig (*), und an ſeinem 
„Ende hat er wieder einen kleinen halbmondfoͤrmigen Einbug; in deſſen 
„Mitten der vorgedachte lange Schwan; (), der ohngefehr eine Hand 
„lang, und faſt einen Finger breit iſt, eingegliedert ſtehet. An der ober— 
„fen Schärfe iſt er etwas dornenartig, und läuft, wie eine Pfrieme, in 
weine ſcharfe Spiße aus. 5 


„Wenn man ihn umkehret CH), gleichet er ſehr wohl einer Schuͤſſel, 

„in deren mitten man den Kopf, als ein Kluͤmpgen, ſiehet. Er iſt ſchwer zu 
„erkennen, außer einigen haarigen Lappen, die den Mund auszumachen 
»fcheinen , nebſt noch zwo kurzen Scheeren, die den Mund ſchließen. An 
„jeder Seite ſiehet man fuͤnf magere oder dünne Füße (FF), die der Krebs 
»dergeſtalt einziehen kann, daß man von obenher nichts, als den bloßen 
Schild ſiehet. Hinter den Füßen ſitzet ein Saͤckgen, darinnen einiges 
Heßbares Fleiſch iſt. Das Uebrige des Hinterleibes iſt mit einem laͤttigen 
„Weſen angefuͤllet, welches er durch die Afteroͤffnung von ſich laͤßt (ß). 
.Es iſt ferner der Ort, wo die Eyer ſich befinden, etwas Seltſames an 
»„dieſem Krebſe. Denn, wenn man in die Schaale ſiehet, wird man 
„nicht ein einziges Eygen gewahr, und ein Unerfahrner wird lange ſuchen, 
vehe er fie findet, wenn fie gleich davon voll iſt. Man muß aber wiſſen, 
„daß der große Schild innwendig mit einer duͤnnen und fleifen Haut bes 
„kleidet iſt; zwiſchen welcher und der aͤußern Schaale die Eyer in Menge 
„verborgen liegen. Der Groͤße und Farbe nach find fie dem Javanſchen 
„kleinen Catjang gleich, und machen den beſten Theil der Speiſe an die⸗ 
v»ſem Krebſe aus, als davon man ein ſchmackhaftes Bacaſſan bereitet. 
d 2 Man 
C0 Tab. VII. Fig. IV. b. b. (7) d. d. d. d. (9 e. e. e. Fig. V. 

ss C) Fig. V. Cf b. b. (tf) f. 


wo ae 179 


„Man findet dieſen Krebs meiſt auf der innern Seite oder Vorſeite 
»von Java, wo moraſtige und flache Ufer ſeynz allezeit zween und zween 
„bey einander, nämlich Maͤnngen und Weibgen, und das Weibgen muß 
Hallezeit das Maͤnngen, welches kleiner iſt, auf dem Rücken tragen. Sie 
„haben einen ſchnellen Gang, und ſtrecken den Schwanz in die Hoͤhe, 
„womit ſie ſich wehren. 


„Die Javanen ſollen diejenigen, die einzeln gefangen werden, nicht 
»effen, indem fie ſolche vor ſchaͤdlich ausgeben, weil fie Schwindel erweck— 
„ten. Die Schaalen werden zur Arzney gebraucht, meiſt für die boͤſe 
„Seuche (Sawran) der Kinder ꝛe. „ So weit Rumph. 


Halten wir nun dieſe Beſchreibung und meine Abbildung mit derje— 
nigen, die wir von unſern Kiefenfuͤßen vor uns haben, zuſammen; ſo iſt 
es gewis nichts gezwungenes, wenn man hehauptet, daß fie in den meis 
ſten Stuͤcken einander gleich und aͤhnlich ſind. 


Die aͤußerliche Geſtalt, überhaupt genommen, zeiget ſchon daß bey ⸗ 
de Thiergen zu einerley Geſchlechte gehoͤren. Nebſt dem aber findet man 
auch noch folgende Uebereinſtimmungsſtuͤcke inſonderheit an ihnen. 


Der Molucciſche Krebs haͤlt ſich in ſumpfigen Buchten der See auf; 
und wir finden unſern Kiefenfuß ebenfalls nur in ſtehenden und truͤben 
Waſſern. Der Leib des Molucciſchen Krebſes liegt innerhalb einem Schil— 
de, und wird von demſelben voͤllig bedecket; eben dieſe Beſchaffenheit hat 
es auch mit unſern Kiefenfuͤßen, nur daß der Schild bey dieſen aus ei— 
nem einzeln Stücke beſtehet, da er bey jenem zween beſondere Theile har. 
Der obere Schild des Molucciſchen Krebſes iſt mit lauter kurzen Sta— 
cheln beſetzt; und mit eben dergleichen iſt auch der Schild des Kiefenfußes 
uͤberſaͤet. Auf dieſem großen Schilde ſtehen die Augen des Molucciſchen 
Krebſes; und eben da befinden ſich auch die Augen hey dem Kiefenfuße- 
Der kleinere Schild an den Moluceiſchen Krebſe iſt mit ſtarken Stacheln 
beſetzt; und wir haben an dem Schildausſchnitte des Kiefenfußes eben— 
falls Stacheln angetroffen. Der S Schild bey dem Moliſchen Krebſe iſt 

3 2 olyven⸗ 


180 W * Ze 


ölyvengrin; und bey nahe hat unfer Kiefenfuß auch eine ſolche gruͤnlich⸗ 
braune Farbe. Dem Molucciſchen Krebſe iſt unter dem Schilde eine lan⸗ 
ge mit Stacheln beſetzte Schwanzſpitze eingegliedert; und unſer Kiefen⸗ 
fuß hat gar, ſtatt einer einzeln, zwo ſolche mit Stacheln beſetzte Schwanzſpi⸗ 
tzen. Und wer einen von der zweyten Art unſerer Kiefenfuͤße, naͤmlich den 
mit der langen Schwanzklappe anſiehet, der wird an ihm in dieſem Stücke 
noch mehr Aehnlichkeit mit der einzeln Schwanzſtachel des Molucciſchen 
Krebſes antreffen. Wendet man den Molucciſchen Krebs um und legt ihn 
auf den Ruͤcken fo hat allhier der Schild oben eben einen folchen halbmond⸗ 
foͤrmigen untern Kopftheil, mit einer gleichſam langen Naſe, als wir es bey 
dem Kiefenfuße angefuͤhret haben. Unter dieſem Kopftheile ſtehen bey dem 
Molucciſchen Krebſe zuerſt ein paar Scheeren, mit welchen er frißt; und has 
ben dieſelben nicht die größte Aehnlichkeit mit den zween Zähnen, die wir an 
unſerm Kiefenfuße geſehen haben? Auf dieſes erſte paar Scheeren folgen 
bey dem Molucciſchen Krebſe fünf paar Füße mit Scheeren, davon jedes 
hintere Glied halbrund und mit ſtarken Zaͤhnen eingefaßt iſt; kommen aber 
dieſe Fuͤße nicht mit den neun erſten Paaren der geſcheerten Fuͤße, und jedes 
hintere gezaͤhnte Glied mit dem Afterzahne, unſers Kiefenfußes uͤberein? 
Rumph gedenket zwar der andern Füße, die unter den geſcheerten liegen, 
nicht, und in ſeiner Abbildung ſind ſie auch nicht natuͤrlich angezeiget; allein 
man ſiehet ſie nicht nur in den Abbildungen beym Beßler, ſondern auch an 
mehrgedachten beyden Krebſen in der Harreriſchen Naturalienkammer 
und in den Abbildungen, ſo ich davon nehmen laſſen (), gar deutlich 
und eigentlich. Es find naͤmlich dieſe Füße lauter uͤbereinander liegende 
Blaͤttgen, die innwendig mit ordentlichen Kiefen verſehen ſind, welche 
längft dem Rande eingebogen liegen. Daraus erhellet aber unlaͤugbar, 
daß dieſe Blaͤttgen den Molucciſchen Krebſen eben das find, was bey uns 
ſerm Kiefenfuße die geblaͤtterten Füße vorſtellen; und daß fie einerley 
Werkzeuge find, die nur bey den Moluceciſchen Krebſen innwendig eine 
andere Richtung haben. Kumph ſagt, der ganze Leib des Molucciſchen 
Krebſes liege in dem Schilde, wie in einer Schuͤſſel; und wir haben faſt 

gleiche 

(*) Tab. VIL Fig. V. d. d. 


m 181 


gleiche Vergleichung von unſerm Kiefenfuße angegeben, da wir ſagten: 
es liege das Thtergen in dem Schilde, wie in einem Kahne. Rumph 
gedenket eines Saͤckgen, welches auf die Fuͤße folge, und darinn einiges 
eßbares Fleiſch ſey; ſollte dieſes nicht mit den Beutelgen an den Füßen 
unſerer Thiergen einige Aehnlichkeit und Verwantſchaft haben? Am fon, 
derbarſten aber iſt das, was Kumph von den Eyern dieſer Krebſe mels 
det. Er ſpricht: fie liegen zwiſchen einem dünnen, doch ſteifen, Haͤutgen 
unter der großen Schaale, und zwar daſelbſt in Menge. Solte dieſes 
Haͤutgen nicht die Stelle der Mutterfuͤhe und den innern Eyerſtock bey 
unſern Kiefenfuͤßen andeuten? Mir ſcheint es ſehr wahrſcheinlich. 
Kumph meyner : es gäbe Maͤnngen und Weibgen bey den Molucci— 
ſchen Krebſen. Nun kann ich zwar ſolches nicht widerlegen; es koͤnn⸗ 
te aber gleichwohl ein Irrthum ſeyn, und daß jeder dieſer Krebſe eben ſo 
Maͤnngen und Weibgen zugleich waͤre, als unſere Kiefenfuͤße. Ueber⸗ 
haupt aber moͤgte ſich noch Manches von der Ulebereinſtimmung dieſer 
Molucciſchen Krebſe mit unſern Kiefenfuͤßen angeben laſſen, wenn man 
ſie in unſern Gegenden lebendig haben und ſie nach allen ihren ganzen und 
unverletzten Theilen überſehen könnte. Ich zweifele ganz und gar nicht, 
es würden ſich noch vielerley Vergleichungsſtuͤcke finden, die ſich weder 
nach den Abbildungen noch Beſchreibungen derſelben, ja nicht einmal an 
den ausgetruckneten und zum Theile beſchaͤdigten, auseinander ſetzen lafs 
ſen. Indeſſen iſt, wie mich duͤnket, das Angefuͤhrte zureichend, daraus 
wenigſtens fo viel zu erkennen, daß dieſe Kiefenfuͤße und der Molucci— 
ſche Seekrebs einerley Geſchlecht und nur zwo verſchiedene Gattungen 
ausmachen. 


182 wre 
KENN TR NN NM N 


Fuͤnfter Abfchnitt. 


Von dem krebsartigen Kiefenfuße mit der langen 
Schwanzklappe, nebſt der Rechtfertigung ihrer Benen— 
nung, und einigen andern nuͤtzlichen Anmer⸗ 
kungen. 


(Sch habe gleich im Anfange dieſer meiner Abhandlung erinnert, daß 
Pal in unferer Gegend zweyerley Arten krebsartiger Kiefenfuͤße gefuns 

den werden; davon fich die eine durch einen hintern Fortgang der 
Schwanzklappe von der andern Gattung, welcher dieſer Fortgang fehlet, 
gar merklich unterſcheide. Und dieſes iſt eben die neue, und bisher 
ganz und gar unbekannte zweite Art dieſes Kiefenfußesgeſchlechtes, da— 
von ich nun in dieſem Abſchnitte naͤhere Auskunft zu geben habe. 


Ich habe dieſe neue und zweyte Gattung nur in einer einzigen, und 
zwar ſehr kleinen Gegend ohnweit unſerer Stadt mit jedesmaligem Anfan— 
ge des Frühlings angetroffen. Dieſe Gegend iſt zwiſchen unſern Stadt 
feldern ohnweit Dechbetten. Es befinden ſich daſelbſt ein Paar befanns 
te große Duͤmpfel, die auch im heißeſten Sommer felten völlig austruck— 
nen. Zwiſchen denſelben ſind auf der einen Seite noch ein Paar andere 
ſchmale Graben, davon der eine ſehr kurz, der andere aber ziemlich lang 
iſt. Und eben dieſe beyde Graͤben ſind es, wo ſich dieſe Kiefenfuͤße mit 
der langen Schwanzklappe, und zwar hier ganz allein, aufhalten. 


Es haben dieſe beyde Graͤben kein anderes Waſſer, als was ihnen 

im Fruͤhlinge von dem zerſchmolzenen Schnee, und dem fogenanntenwils 
den Waller zukommt. Daher fie auch gar bald austrucknen, ja die mei⸗ 
ſte Zeit im Sommer gar kein Waſſer haben. Und dieſes iſt zugleich eine 
von gan Urſachen geweſen; warum ich, wie ich bald melden werde, dieſe 
Thier⸗ 


e e f 183 


Thiergen nie anders, als ſehr klein, angetroffen habe. Denn ehe ſie nur 
eine mittelmaͤßige Groͤße erreichen konnten, war insgemein auch alles 
Waſſer abgedaͤmpfet. Wozu noch ein anderer Zufall kam. Wenn 
dieſe Gräben im Fruͤhlinge nur eine kurze Zeit Waſſer behielten, fo wur— 
den ſie gar bald dergeſtalt mit Froſchleich aus den benachbarten Duͤmpfeln 
angefuͤllet, daß ſehr fruͤhzeitig alles von jungen Froͤſchen in denſelben wim— 
melte. Sobald ſich aber dieſe ſehen ließen, verſchwanden auch in wenig 
Tagen die Kiefenfuͤße ſaͤmtlich; ſo daß ich nicht anders denken kann, als 
fie muͤſſen dieſer jungen Froſchbruch zum Fraße gedienet haben. 


Es iſt mir daher dieſe Art Kiefenfuͤße nie größer zu Geſichte gefoms 
men, als wie fie in der dritten und vierten Figur der ſechſten Kupfertafel 
abgebildet iſt. Und auch von dieſer Groͤße bin ich nur ein einzigesmal 
dreyer habhaft geworden. Ihre gewoͤhnlichſte Groͤße war insgemein nach 
der erſten Figur. 


Als ich fie das erſtemal gewahr wurde, hielt ich fie lange fuͤr die bes 
kannte Art mit der kurzen Schwanzklappe; und ich achtete ſie, ſonderlich, 
weil ſie klein waren, kaum des Anſehens wuͤrdig. Als ich aber einsmals 
andere Inſecten aus dieſen Graben gefangen hatte, und ſich unter ſolchen 
auch einige dieſer Kiefenfuͤße befanden; fo ſahe ich fie dießmals etwas ges 
nauer an, und entdeckte gar bald zwiſchen ihren Schwanzborſten einen 
gewiſſen Anſatz und fortgehenden Theil, der mir fremd und ungewoͤhn— 
lich ſchien. Ich kam dem Auge ſogleich mit einem Vergroͤßerungsglaße 
zu Huͤlfe, und ſahe wirklich einen Koͤrper von zwar beſondern, aber ganz 
regelmaͤßigen, Baue und Gemaͤchte. Ich ſaͤumte nicht, ſogleich mehrere 
zu fangen, und ich fand an einen jeden, auch nicht einen einzigen ausge— 
nommen, dieſen beſondern Theil nicht nur an ſich ſelbſt bey alen, ſondern 
denſelben auch auf einerley Art und Weiſe gebauet. 


Weil dieſe Thiergen klein waren, ſo vermuthete ich, daß vieleicht 
alle krebsartigen Kiefenfuͤße in ihrer Jugend dieſen Anſatz, wie die jun— 
gen Froͤſche, als eine Art des Schwanzes, zum Schwimmen gebrauchen, 
mit der Zeit aber ablegen moͤgten. Ich fahe daher an den uͤbrigen gemei⸗ 

nen 


184 n Ne 


nen Kiefenfuͤßen in den andern Gewaͤſſern ſorgfaͤltig nach. Alein, ich 
fand an der gemeinen Art, wenn fie auch noch fo jung war, nichts ders 
gleichen; ſo wie ich hinwiederum an dieſer zweyten Gattung den mehrge⸗ 
meldten Anſatz unter der Vergroͤßerung da ſchon ſehen konnte, wenn ſie 
kaum das Ey verlaſſen hatte. Ich fand auch in den beyden Graͤben, wo 
die mit der langen Schwanzklappe ſich befanden, eben fo wenig einen Kies 
fenfuß mit der kurzen Schwanzklappe, als wenig ich in den uͤbrigen Ge⸗ 
waͤſſern einen mit der langen Schwanzklappe antraff; faſt eben ſo, wie 
ich in vorigen Zeiten die grünen Armpolypen in beſondern, und die uͤbri⸗ 
gen Arten der Armpolypen, wieder in beſondern Gewaͤſſern entdeckt habe. 


Sollte ich aber aus allen dieſen Umſtaͤnden nicht Urſache haben zu 
glauben, daß dieſer beſondere Anſatz an dieſer Art von Kiefenfuͤßen ein ei⸗ 
gener und weſentlicher Theil derſelben ſeyn muͤſſe? Es iſt zwar wahr, daß 

ich ſolchen an Großen und Erwachſenen noch nicht geſehen habe, ders 
geſtalt, daß ich mir noch nicht einmahl getraue zu beſtimmen, ob dieſe 
Art eben ſo groß, als die andere Gattung, zu werden pflege; ich 
ich zweifele aber gleichwol ganz und gar nicht, wenn dem fo ſeyn follte, 
daß ſich auch an den Groͤßern dieſer Anſatz finden werde. Ich bin bes 
gierig dieſes mit der Zeit zu erfahren Wenigſtens habe ich mir vorgenom— 
men, bey der erſten Gelegenheit dieſe Kiefenfuͤße in andere Graͤben und Ge— 
waͤſſer hiefiger Gegend zu bringen, ſelbige damit, wie die Teiche mit Fis 
ſchen, zu beſetzen, um mit ihnen, wo moͤglich, meine Beobachtungen 
und Erfahrungen weiter vorzunehmen. Ich wuͤrde dieſes gleich anfaͤng⸗ 
lich gethan haben, wenn ich nicht daran waͤre gehindert worden. 


Ehe ich indeſſen dieſen weſentlichen Unterſcheidungstheil der Kieſen, 
fuͤße ſelbſt beſchreibe; muß ich nur noch fo viel zum voraus melden. In 
den Hauptſtuͤcken iſt dieſe zweyte Art mit der erſtern Gattung in allen voll, 
kommen gleich. Außer daß ſie nach gewiſſen Haͤutungen mehr laͤnglich 
zu ſeyn (Y, auch der untere mondfoͤrmige Kopftheil und hintere Ausſchnitt 
des Schildes, weiter hennnieräugchen ſcheinet; als es ſich bey der erſten 

gemets 
( Tab. VI. Fig. III. IV. 


gemeinen Art befindet. Die Augen, der Mund, die PURE Gars 
tungen der Füße mit ihren Kiefen und Beutelgen, und was vor Theile 
wir ſonſt an denen mit der kurzen Schwanzklappe bemerket haben, ſind auch 
an dieſen mit der langen Schwansflappe befindlich und auf gleiche Weiſe 
gebildet. Sie ſetzen auch, wie jene, ſchon in ihrer zarteſten Jugend, bes 
fruchtete Eyer, und ſind dadurch im Stande ſich fortzupflanzen. 


Was den eigentlichen und beſondern Theil ſelbſt betrifft; ; fo befinder 
fi ch ſolcher zwiſchen den Schwanzborſten mitten inne (). Er iſt, nach 
einer mäßigen Vergroͤßerung, ganz offenbar ein Fortgang der Schwanz 
klappe, wenigſtens derſelben ganz genau angegliedert, ſo daß die, an de— 
nen von der erſtern Gattung befindliche, mittlere Erhoͤhung bey dieſen 
fehler, und ſtatt derſelben in die Laͤnge weiter fortlaͤufet. Es iſt dieſer 
Fortgang eine ziemlich ſtarke, hornartige, oben etwas breitere, ſonſt aber 
faſt gleichbreite und unten rund auslaufende, Klappe (*); auf welcher ſich 
nicht nur in der Mitten eine ſcharf erhabene und mit Dornenſpitzen beſetzte 

Schneide oder Rippe befindet (***), ſondern die auch an ihrem ganzen 
Seltenrande und dem untern Rande mit lauter ſolchen ſcharfen Einſchnit⸗ 
ten, wie mit Saͤgezaͤhnen, eingefaßt iſt (*. 


Betrachtet man dieſen Theil auf der untern Seite (f); fo ſiehet man 
ihn etwas ausgehoͤhlet, er macht in der Mitten faſt eine Rinne, und oben, 
wo er ſeinen Anfang nimt oder anſitzt, iſt die Afteroͤffnung, die alſo oben— 
her von dieſer Klappe gleichſam bedecket und geſchuͤtzet wird. 


Bringet man ihn unter eine ſehr ſtarke Vergrößerung (Tr); fo ers 
ſcheinet er auf folgende Art. 


Da, wo er anſitzt, erblicket man ein Paar, nach hinten zu, ſtehende 
kegelartige Erhöhungen (Tr); davon jede ſich in vier verſchiedene Sta— 
cheln endiget. Er ſelbſt iſt denenjenigen beyden Seitenerhoͤhungen genau 

Der krebsartige Kiefenfuß. add ange⸗ 


Tab. VI. Fig. III. IV. V. V eig kig Uf ds k.k. 
( e. ch Fig. VII. a. (77) 1155 VIII. IX. (TT I) Ei. 
VIII. a n. Anal 5 1 


— „ 


186 9 22 
angewachsen (*) , welchen die Schwanzborſten eingegliedert ſind (5); ja 
er iſt ein bloßer Fortgang derſelben. 

Wenn man ihn auf der ſchraͤgen Seite anſiehet (*); fo kann man 
die erhabene Schneide oder Rippe am beſten ſehen (****). Sie ſtehet im 
Anfange am, hoͤchſten; verlieret ſich aber mehr und mehr; und wird zuletzt 
ganz unſichtbar. Es iſt dieſe erhabene Rippe mit lauter ſcharfen ſchief⸗ 
liegenden und nach hinten zu gerichteten Dornenſpitzen bewaffnet, die un⸗ 
gleich groß ſind, auch ungleich weit von einander abftehen ; und welche 
alſo, wie oben gedacht iſt, mit der dreykantigen und mit Dornenſpitzen 
beſetzten Stachel des Molucciſchen Krebſes gar fehr uͤbereinkommt. 

Das Uebrige dieſer verlaͤngerten Schwanzklappe iſt platt, etwas 
durchſichtig und von gruͤnlicher Farbe; jedoch ſind die Dornenſpitzen auf 
der Rippe und an der Randeinfaſſung brauner Farbe, auch meiſt gleich 
groß, außer an der untern Rundung, da man an den Seiten zwo, und 
in der Mitten eine einzelne, ſehr lange ſtachelaͤhnliche, Spitze gewahr wird. 

Und das iſt es alles, was ich dermalen noch von dieſer neuen und 
zweyten Art der krebsartigen Kiefenfuͤße ſagen kann. Es iſt zwar wenig 
genug, doch beweiſet es abermalen den Hauptſatz in der Naturkunde, daß 
die Natur bey ihren Geſchoͤpfen in allen Ordnungen, Claſſen, Geſchlech⸗ 
tern und Arten, keinen Sprung mache; daß fie alles durch eine faſt uns 
merkliche Kette aneinander haͤnge; daß uns davon nur wenige und vieleicht 
auseinandergeriſſene Glieder bekannt ſeyn; und daß eben ſolche unſere 
Unwiſſenheit ein ſyſtematiſches Naturgebaͤude ſchwer, wo nicht gar uns 
moͤglich, mache. Vieleicht iſt der Molucciſche Krebs das aͤußerſte Glied 
in der Kette der Kiefenfuͤße; der Kiefenfuß mit der langen Schwanzklap⸗ 
pe eines von den mittlern Gliedern; und der gemeine Kiefenfuß mit der 
kurzen Schwanzklappe das letzte Glied. 


Ich habe dieſe beyde Arten Inſecten krebsartige Kiefenfuͤße genen— 
net; und ich will nunmehro verfprochenermaßen von dieſem Geſchlechts⸗ 
und Gattungsnamen die Gruͤnde angeben. 

Die ſe 


00 Tab. VI. Fig. VIII. bb. () e. c. CH) Fig. IX. ( b. h. 


n 187 


Dieſe T Thiergen waren mir ſchon bekannt, ehe ich die fiſchfoͤrmi⸗ 
gen Kiefenfuͤße antraf, und ich war damals eben beſchaͤftiget noch wei— 
tere Erfahrungen mit ihnen anzuſtellen: da mir nun auch dieſe letzten zu 
Geſichte kamen, ſo wurde ich gar bald uͤberzeuget, daß ſie beyde zu einer 
und eben derſelben Claſſe gehörten, und daß fie unter ſich ſelbſt nur zwei 
Geſchlechter ausmachten. Ich verglich alſo beyde Geſchlechter ſorg— 
faͤltig miteinander, und ſahe mich je laͤnger je mehr genoͤthiget, auf einen 
ſolchen Claſſe, und Geſchlechtsnamen zu denken, wodurch dieſe Thiergen 
am beſten und natuͤrlichſten, theils von allen andern Inſecten, theils von 
ihres gleichen, zu unterſcheiden wären. Und ich glaubte endlich auf fol 
gende Weiſe der Natur am meiſten zu folgen, und dem eier am leich⸗ 
teſten zu Huͤlfe zu kommen. g 


Zum Claſſennamen ſchien BE diejenige Benennung die ungekuͤn⸗ 
ffeite zu ſeyn, deren ſich Herr Friſch ſchon von mir unter dem lateinis 
ſchen Ausdrucke apus bedienet hatte. Dieſer Name bedeutet ein ſolches Ges 
ſchoͤpfe, das entweder gar keine Fuͤße hat, oder doch derſelben ſich zu ganz 
was anderm bediener, als wozu ordentlicher Weiſe die Füße gemacht 
ſind. In letztern Verſtande kommt es allerdings unſern Thiergen zu, 
indem fie gemeldtermaßen zwar Füße genug haben, dieſelben aber, außer 
den Ruderfuͤßen, weder zum Gehen, noch Stehen, gebrauchen. Mithin, 
ſchickt ſich auch im Lateiniſchen der Name apus vor fie am beſten. Es iſt 
auch dieſe Claſſe ungemein zahlreich, indem die meiſten Arten derer, die 
der berühmte Herr Linnaͤus unter die Einaugen (monoculus) rechnet, 
zu dieſer Claſſe gehören; wie ich ſolches bey dem zackigen Waſſerflohe ſchon 
bemerket habe. Ich kenne auch noch manche andere Gattungen von Wafs 
ſerinſecten, die alle dieſes Merkmal haben, daß ſie ihre ſcheinbaren Fuͤße 
nicht zum Gehen oder Stehen, ſondern zu einen ganz andern Zwecke has 
ben, und alſo ebenfalls hieher gehoͤren. 


Ich habe dieſen Namen abus, im Deutſchen, durch Riefenfuß 
uͤberſetzet, weil das Wort Unfuß mir dazu nicht bequem und tauglich ger 
ung geſchienen hat; und weil ich durch jene Redensart zugleich eine ans 
6 Aa 2 dere 


188: ae 


dere Haupteigenſchaft dieſer Thiergen„ansorücken konnte, nämlich daß 
ihre Füße mit lauter fiſchohrigen Kiefen und Haarroͤhrgen verſehen ſind. 


Nachdem ich dieſe Thiergen unter ihre Claſſe gebracht, nämlich un⸗ 
ter die Claſſe der Kiefenfuͤße; fo mußte ich ſie nun auch nach ihrer 
Verſchiedenheit unter ſich ſelbſt in Geſchlechter abtheilen, und ſie nach ſel⸗ 
bigen benennen. Dieſes konnte mir ſo gar ſchwer nicht fallen. Ihre 
ganz verſchiedene und ſehr ſinnliche Bildung gab mir dazu ſelbſt den. ber 
ſten Stoff und Anlaß. 


Die eine Art von dieſen Kiefenfuͤßen, nämlich diejenige, die ich in der 
vorigen Abhandlung beſchrieben habe, war mit einem ordentlichen Fiſch— 
ſchwanze verſehen, und ich gab daher dieſem Geſchlechte den Namen der 
fiſchfoͤrmigen Kiefenfuͤße (apus piſeiformis). Die andere Gattung dies 
ſer Thiergen hatte einen ganz eigentlichen Krebsſchild, und noch außer dem, 
wie in dieſer Abhandlung haͤufig gemeldet iſt, viele andere Eigenſchaften der 
Krebſe; und es konnte daher nichts ſchicklicheres ſeyn, als daß ich dieſes Ge⸗ 
ſchlechte mit dem Namen der krebsartigen Riefenfüße (apus cancri- 
formis) belegte. Ich kenne auch ein anderes Waſſerthiergen, welches Herr 
Linnaͤus abyſſus [arme heißet, fo zu dieſem Kiefenfußgeſchlechte gehoͤret. 
Es befindet ſich innerhalb einer Schaale, wie in einer Muſchel, und man 
koͤnnte es den muſchelaͤhnlichen Riefenfuß heißen. Ja ſelbſt der za⸗ 
eckige Waſſerfloh, der ebenfalls hieher gehoͤret, und deſſen gewöhnlichen 
Namen ich vor der Hand noch beybehalten habe, koͤnnte der flohaͤhnli⸗ 
che oder huͤpfende Kiefenfuß genannt werden. Und fo würde es bey 
mehrern Entdeckungen ſolcher Geſchlechter zu halten ſeyn. Wollte man 
die Namen kürzer haben, ſo koͤnnte man dieſe Thiergen eben ſo gut Fiſch⸗ 
kiefenfuͤße , Arebakiefenfüße, Muſchelkiefenfuͤße, §lohkiefen⸗ 


fuͤße heißen; als der Name RE re ee 
löwe ic. bekannt iſt. 


Was endlich die Arten unſers Kiefenfußesgeſchlechts anlangt, ſo ha, 
be ich zwar von den fiſchfoͤrmigen noch keine entdecket „es mag aber 
N eben ſowohl welche ap als wir es nunmehro von den krebs⸗ 


arti⸗ 


n 133 


artigen wiſſen. Gleichwie fich nun dieſe letztere leicht haben unterſchei⸗ 
den und benennen laſſen; alſo wird es auch bey jenen angehen, wenn es 
noͤthig ſeyn wird. Und auf dieſe Weiſe hoffe ich dieſe meine Benennung 
Kiefenfuß, nebſt dem Geſchlechts und Gattungsnamen unſerer Thier, 
gen, ſattſam gerechtfertigt zu haben. 
. * r 

Ich wil Inadh einige: Anmertungen bepfügen. und damit die ſe Ab⸗ 
ente beſchließen. f 


Wenn man alles . was ich ie pon 1 0 5 Kiefenfuͤßen 
gemeldet und zum Theil erwieſen habe, zuſammennimmt; ſo glaube ich, 
mit Recht behaupten zu koͤnnen, daß ſich an dieſen, auch noch ſo gering 
und veraͤchtlich feheinenden, 1 er doch gleichwohl mehr, als ein Merk⸗ 

mal der Weisheit, Macht und 2 Vorſorge GOttes offenbaret und erken⸗ 
nen laͤſſet. 


Man uͤberdenke nur, wie ſondetbat dieſe Thiergen überhaupt gebauet 
find? Wir bewundern bilig das Gebaͤude unſers menſchlichen Korpers, 
der aus einigen hundert Gliedern zuſammengeſetzet iſt, und welche ſo weis— 
lich und kuͤnſtlich aneinandergefuͤget ſind, daß jedes nach der beſondern 
Abſicht, zu welcher es der Schöpfer beſtimmet hat, ſowohl aus einem eis 
genen dazu erforderlichen Weſen beſtehet, als eine beſondere Geſtalt hat, 
und an einem dazu ſchicklichen Orte geſetzt iſt. Wer ſollte aber vermu⸗ 
then, daß es auch, und zwar in truͤben und ſtinkenden Waſſern ſolche 
Geschöpfe ‚gäbe „die nicht nur an Menge der Glieder den menſchlichen 
Koͤrper gat ſehr übertreffen; ſondern welche Glieder ebenfalls auf die kuͤnſt⸗ 

lichſte und weiſeſte Art gebildet, zuſammen und angeſetzet ſind? Muß 
man ſich nicht hoͤchlich verwundern, daß an einem ſo kleinen Thiergen, 
wie unſer Kiefenfuß iſt, nicht einige hundert, fondern ſo viele hundert, 
tauſend Glieder angebracht ſind, die alle miteinander auf das kuͤnſtlichſte 
zuſammenhaͤngen, und deren jedes wieder ſeine beſondere Bildung und 
Abſicht, auch ſeinen eigenen Ort und Lage hat? Wer erſtaunet nicht 
Aa 3 über 


150 n 2 


über die Zärtlichkeit der einzelen Theile und Gefäße diefer Thiergen, die 
fo gar bey ihrer fo oftmaligen Haͤutung jedesmal ganz und unverletzt abs 
geleget werden? Iſt hier nicht alles voll Kunſt, Macht und Weisheit? 


Man gehe weiter, und uͤberlege nach dem, was bisher angefuͤhret 
worden iſt, die Lebensart dieſer Thiergen; welche Proben der Weisheit, 
Macht und Vorſorge des Schoͤpfers wird man auch hier gewahr werden! 
Wie kuͤnſtlich wiſſen dieſe Kiefenfuͤße diejenigen kleinen Waſſerthiergen 
an, und in ſich zu bringen, von denen fie ihre Nahrung und Unterhalt 
haben! Wie weislich find ihnen ſtatt der Werkzeuge, vermittelſt welcher 
andere Thiergen ordentlicher Weiſe leben, ihrer Nahrung nachgehen und 
ſich derſelben bemaͤchtigen, ſolche Werkzeuge und Huͤlfsmittel ertheilet 
worden, die ſenen in ihrer Art gewis nichts nachgeben. Wie vorſorgend 
iſt es, daß dieſen Thiergen eben ſolche Orte zu ihrem Entſtehen und Auf⸗ 
enthalte angewieſen worden find, wo diejenigen andern Thiergen in Mens 
ge erzeuget und angetroffen werden, von denen fie leben ſollen! Ja, ſoll⸗ 
te man nicht ſagen koͤnnen, es werde für den Unterhalt auch dieſer ge— 
ringen Geſchoͤpfe eher geſorget, als ſie noch wirklich da ſeyn; weil, wie 
ich oben bemerket habe, dieſe Kiefenfuͤße im Fruͤhlinge nicht eher zum Vor⸗ 
ſcheine kommen, als bis ihre Nahrungsthiergen in Menge ſchon vorhan— 
den find ? Iſt es nicht einer weiſen und vorſorgenden Einrichtung zuzu— 
ſchreiben, daß dieſe Kiefenfuͤße mit lauter Stacheln, ihre Feinde damit 
abzuhalten, verſehen find; und daß dieſe Stacheln eben da am häufigs 
ſten ſtehen, und in ganz beſondern Reihen geſtellet ſind, wo die darunter 
liegenden Theile des Thiergens am eheſten und gefaͤhrlichſten koͤnnen be— 
ſchaͤdiget werden; ja daß fo gar derjenige aͤußere Theil des Leibes, wel⸗ 
cher aus ſeinen Urſachen eine haͤutige Beſchaffenheit haben muß, eben 
darum mit einem eigenen Schilde bedecket iſt, damit die zaͤrtliche Haut 
um ſo mehr geſichert ſey? N 


Man erwege endlich die Fortpflanzungsart unſerer Kiefenfuͤße, man 
wird auch hier ſagen muͤſſen, daß alles weislich und vorſorgend iſt. Da 
dieſe Thiergen in ſtehenden Waſſern leben, die wegen der Ausduͤnſtung, 
Hitze und Kälte beſtaͤndigen und ſchnellen Veraͤnderungen N 

h ind, 


* . N 191 


find, fo koͤnnte es leicht mit ihrem ganzen Geſchlechte gethan ſeyn. Wie 
ſparſam wuͤrden ſie ſich wenigſtens vermehren, wenn ſie nicht, auch in 
Anſehung dieſer ihrer Fortpflanzung fo gemacht und geartet wären, als 
fie es wirklich ſind? Warum ſind alle dieſe Kiefenfuͤße, wo nicht allein 
weiblichen, doch weiblichen und maͤnnlichen Geſchlechtes zugleich? Wars 
um kan ein jeder, auch ohne von einem andern befruchtet zu werden, ſich 
ſelbſt fortpflanzen und fruchtbare Eyer ſetzen ? Warum ſind ſie mit ei⸗ 
ner ſo großen Menge Eyer fort und fort angefuͤllet? Warum laſſen fi ie 
dieſe ihre Eyer nicht nur in erwachſenem Zuſtande, ſondern ſchon ſehr bald 
nach ihrem Entſtehen, und zwar von da an, fo lang ſie leben, faſt ohne Auf 
hören aus ihren Mutterfuͤßen fallen! Warum haben dieſe Eyer eine faſt 
unverderbliche Eigenfchaft, ſo, daß fie keine Lange der Zeit, keine Hitze 
und Kälte, keine Verſtiebunglund Vermiſchung, leicht vereiteln, noch das 
Herauskommen der darinn verſchloſſenen Thiergen hindern kann? Sollte 
nicht dieſes alles darum ſo verordnet ſeyn, weil dieſe Kiefenfuͤße mehr, 
als andere Thiergen, dem ftuͤhzeitigen Abſtehen und der Verderbung uns 
terworfen ſeyn; weil ſie an Orten wohnen, und ihre Eyer oft dahin vers 
ſtiebet werden, wo es ihnen leicht am andern Geſchlechte fehlen kann; und 
weil ihre Eyer oft viele Jahre hintereinander warten muͤſſen, bis an die 
Orte, wo es noͤthig iſt, zulaͤngliches Waſſer komme? Heißt aber dieſes 
nicht ganz eigentlich dafuͤr geſorget zu haben, daß auch dieſes Geſchlechte 
der Geſchoͤpfe nie ausgehen, ſondern erhalten werden moͤge? 

Die ſe Vorſorge wäre freyllch unnoͤthig, wenn dem wirklich ſo waͤre, 
wie man vormals glaubte, daß naͤmlich aus allerhand Bluͤthen, aus dem 
Unrathe, und ſonderlich aus der Verweſung und Faͤulniſſen, Bienen, 
Fliegen, und ſo viel andere ordentliche Thiergen, erzeuget wuͤrden. Ich 
habe aber ſchon oben gemeldet, daß dieſer Gedanke in unſern Zeiten allen 
Glauben und Wahrſcheinlichkeit verlohren hat. Und wenn ja noch jes 
mand aus Unwiſſenheit, oder aus uͤbertriebener Liebe zu alem, was alt iſt, 
dieſer Meynung beypflichten ſollte; der darf nur unter andern die Gruͤnde 
erwegen, welche der berühmte Herr Linnaus dießfalls aus der Offenba⸗ 
rung, Vernunft und Erfahrung angebracht hat (). Ich bin verſichert, 

8 da 
(*) Amoenit, academ. Diff. XII. Sponſalia plantarum. p. 339. ſeg. 9 


192 n * 
daß man daraus uͤberzeuget werden wird, welch eine ſchlechte Ehre und Dienſt 
G Ott damit erwieſen werde, wenn man ſaget, daß aus Faͤulniß, Staub 
und Verweſung ordentliche Thiergen entſtehen, oder, welches bey mir im 
Grunde einerley heißt, daß von ſich ſelbſt aus nichts Etwas werde. 
Den Einwurf den man von denjenigen anſcheinenden Thiergen 
machen mögre, die in dem Waſſer von verfaulten Dingen aus dem Pflan⸗ 
sen, und Thierreiche zu entſtehen pflegen, hatte ich mir zwar vorgenom, 
men in dieſer Abhandlung noch zu heben; ich muß es aber aufs kuͤnftige 
verſchieben, weil die Sache eine ausfuͤhrlichere Erlaͤuterung erfor 
dert, als dermalen Zeit und Platz erlaubet. 


„ k k * * * k W * & fe K * E . K. . 


Erklaͤrung der Kupfertafeln. 
Die erſte Tafel. 55 


Fig. I. Ein krebsartiger Kiefenfuß mit der kurzen Schwanzklappe von 
mittelmaͤßiger Größe abwärts ſchwimmend, und von der gerieniften 
braungrünen Farbe. 

Fig. II. Ein dergleichen kleinerer aufwärts ſchwimmend. 

Fig. III. Ein erwachſener Kiefenfuß von der groͤßten Art, fo mir je zu 
Handen gekommen tiſt, von ſchildtrotenartiger Farbe, und wie er 
auf dem Bauche ſchwimmet. a 

a. 10 die beyden groͤßern zuſammengeſetzten und hierehförmigen 

ugen. 

b. das hintere runde Knoͤpfgen, als eine Gattung Anfucher Augen 

c. d. e. c. d. e. die drey Borſten an den, unter dem Schilde vers 
borgen liegenden, Ruderfuͤßen. 

f. f. der Schild. 

g. g. die hinter dem Schilde vorſtehenden Kiffe. 

h. der Schwanz. 

1.1. die Schwanzklappe. 

k. k. die Schwan zborſten. j : 

J. der aus der mittlern Erhöhung der Schwamklappe, als der 
Afteroͤffnung, herausgehende Unrath. 

Fig. IV. Eben derſelbe erwachfene Kiefenfuß von der größten Gattung, 

wie er auf dem Ruͤcken, oder dem Schilde, ſchwimmet. 


* 


a. a. die 


ce 193 


a. a. die unter dem mondfoͤrmigen Abſchnitte ſich befindenden Fuͤhl⸗ 
hoͤrner. 
b. die klappenaͤhnliche Oberlippe. 
c. die rundlichſcheinenden Zaͤhne. | 
d. e. f. d. e. f. die Borſten an den Ruderfuͤßen. 
g. g. die mit Eyern angefuͤllten Mutterfuͤße; über welchen die ges 
ſcheerten, und unter ihnen die geblaͤtterten, Kiefenfuͤße anſitzen. 
h. h. die Seitenſpitzen an der Schwanzklappe. i 
i. i. die Schwansborften. 
Fig. V. Eben derfelbe erwachſene Kiefenfuß; wie er auf dem Bauche lie⸗ 
get, und der Schild aufwaͤrts geſchlagen iſt. 5 
a. a. der aufgeſchlagene Schild. 
b. b. die beyden rothen Flecken auf deſſen Unterflaͤche; ſo aus 
mehrern, mit einem rothen Safte angefuͤllten, Roͤhrgen ſbeſtehen. 
c. e. die geſcheerten Kiefenfuͤße, mit ihren hintern anſitzenden Kies 
fen und rothen Beutelgen. 
d. d. die mit rothen Eyern angefuͤllten Mutterfuͤße. 
e. e. die geblaͤtterten Kiefenfuͤße, mit ihren Kiefen und Beutelgen. 
Fig. VI. Ein beſonderer Kiefenfuß, mit drey uͤbereinanderliegenden, und 
hinten zuſammenhaͤngenden, Schilden. Davon der obere mit gruͤ— 
nem Graſe bewachſen iſt. ‚ 


Die zweyte Tafel. 
Fig. I. Die ſehr ſtark vergroͤßerten Augen. 
a. a. die groͤßern zuſammengeſetzten nierenfoͤrmigen Augen. 
b. das erhabene Knoͤpfgen, mit ſeinen vier anderweitigen klei— 
nen und ſchwarzen Knoͤpfgen, als eine Art einfacher Augen. 
e. die roͤthlichen erhabenen Striche, wie ein altgothiſches M. geſtaltet. 

Fig. II. Der untere halbmondfoͤrmige Abſchnitt des Kopfes nach der Vers 
groͤßerung und in ſeiner natuͤrlichen Lage. 

a. der halbmondfaͤrbige Abſchnitt ſelbſt. 
b. b. die Fuͤhlhoͤrner. 

c. die Oberlippe. 

d. d. die Zaͤhne. 

e. e. die ohraͤhnlichen Freßſpitzen. 

f. f. die Unterlippen. 

Fig. III. Eben derſelbe halbmondfaͤrbige Abſchuttt des Kopfes, an dein 
die Oberlippe mit einer Stecknadel in die Hoͤhe geſchlagen iſt, um die 
natuͤrliche Lage der Zähne zu ſehen. 

Der Frebsartige Riefenfuß. Bb a. der 


194 


n 


a. der halbmondfaͤrbige Abſchnitt des Kopfes. 
b. b. die Fühlhörner. 5 
c. die aufgeſchlagene Oberlippe. 


d. d. die Zähne in ihrer ordentlichen Lage, und wenn ſie die Speiſe 


zerreiben. 
e. e. die Freßſpitzen. 
f. f. die Unterlippen. 


Fig. IV. Das abgeſchnittene fämtliche Gebiß, nach der Vergroͤßerung⸗ 


a. die aufgeſchlagene Unterlippe. i 

b. die Vertiefung in der Mitte der Oberlippe. 

c. c. die Zaͤhne. N 

d. 0 innere mit einem weißlichen Weſen ausgefuͤllte Hohlung der 

aͤhne. 

e. 5 die mit einer doppelten Reihe von Zacken beſetzte Krone der 
Zaͤhne. 

e: das aus der Hohlung der Zähne abgeloͤſete und in die Höhe ges 
ſchlagene zaͤhe Weſen. N 

f. die doppelten und groͤßten aͤußern Zacken an dieſer Krone. 

g. die zwo Unterlippen, wie fie auf der Seite in ihrer ordentli— 
chen Lage ſich uͤbereinander befinden. 

h. i. die beyden Unterlippen, wie fie auf der andern Seite etwas 
voneinander gedehnet ſind. 

k. das Maͤuslein, ſo den Unterlippen die Bewegung giebt. 


. Ein vergroͤßerter Ruderfuß. 


a. b. c. die drey Gelenke deſſelben. 
d. e. f. die drey Borſten. 
8. das kleinere Hoͤrngen. 
der zaͤhenaͤhnliche Anſatz unter der groͤßern Borſte. 
3. die dreyeckige oder beilfoͤrmige Kiefe. 
h. das Beutelgen. 
I. m. n. die drey hintern Anſaͤtze, fo bey den andern Fuͤßen den Af 
terzahn ausmachen. 


Fig. VI. Das erſte Paar der geſcheerten Kiefenfuͤße, wie ſie dem Ringe 
anſitzen, und in der natürlichen Größe, 


a. der Ring des Leibes, deſſen Inneres mit lauter unvollkomme— 
nen Eyern angefuͤlet iſt. 

b. b. die vordern Scheeren. 

c. c. die hintern Spitzen. 

d. die Kiefe. 

e. e. das Beutelgen. big. 


I ae > 195 


Fig. VII. & See Das zweyte und dritte Paar der gefcheerten Kiefenfuͤße. 
a. die S 
b. c. die ſpade⸗ und blattaͤhnliche e 
d. der Afterzahn. 
5 die Kiefe. 
x f. das Beutelge 
Fig. IX. Das bert Paar der geſcheerten Kiefenfüße, 
a. die Scheeren. 
b. der Afterzahn. 
c. die Kiefe. 
4. das Bentelgen. 
Fig. X. Das fünfte Paar der geſcheerten Kiefenfuͤße. 
a. die Scheeren. 
b. c. die fpadels und blattaͤhnliche Spitze. 
d. der Afterzahn. 
e. der Häufige Anſatz zwiſchen der Scheere und Kiefe. 
f. die Kiefe. 
g. das Beutelgen. 

Fig. XI. XIV. Die vier übrigen geſcheerten Kiefenfüße, XI. a. XII -- XIX. 
a. a. die Scheeren. XI. b. c. XII - XIV. c. d. e. die 11 8 und blattähne 
lichen 5 XI. d. XII -- XIX. e. der Afenabn. f. f. f. das Beutelgen. 
XI. e. XII -- XIV & die Kiefe. 

Fig. XV. - XIX. Die geblaͤtterten Kelle XV. XVI. a. die Oberſcheere. 
b. die Unterſcheere, Aſterſcheere und uͤbrigen Spitzen. c. der Afterzahn. d. bas 
dritte e Blaͤttgen. e. die Kiefe. k. das Beutelgen. XVII. a, die Ober⸗ 
ſcheere. b. die Unter- und Aſterſcheere, nebſt den übrigen Spitzen. c. die 
laͤngliche Kiefe. d. das faſt gleichdicke längliche Beutelgen. XVIII. a. die 
Scheeren, Spitzen, und der Afterzahn. b. die Kiefe. e. das Beutelgen. 


Die dritte Tafel. 


Die geſcheerten und geblaͤtterten Kiefenfüße nach der Vergrößerung. 
Fig. I. Der erſte geſcheerte Kiefenfuß. 
a. b. c. die drep Gelenke deſſelben. 
d. die Oberſcheere, mit ihren obern Haarröhrgen und innern Zähnen. 
e. die Unterfcheere, mit ihren innern behaarigten Knoͤtgen. 
f. die Afterſcheere. 
g. die Blattſpitze. 
B. die Padelcönliche Spitze. 
1. der Aſterzahn. 
k. der Ort, wo der Fuß dem Leibe angefeffen hal. 
J. das Beutelgen. 
m. n. O. p: die Kiefe. 
> 17 der Ort, wo bey den uͤbrigen ſich ein häufiger Fortgang zeiget. 
Fig. II. Der vierte geſcheerte Kiefenſuß. 
a. b. c. die drey Gelenke. 
d. die Oberſcheere. 
e. die Unterſcheere. 
f. die Aſterſcheere. 
die label 0 Shit 
bie aadelaͤhnliche Spitze. a 
padelaͤh Spitz 56 2 ide 


196 


e 


1. der Afterzahn. 

k. der Ort, wo der Fuß angeſeſſen hat. 
1. das Beutelgen. i i 
m. n. o. die Kieſe. 

p. der haͤutige Anſatz mit einigen Haͤrgen. 


Fig. III. Der fiebende geſcheerte Kiefenfuß. 


a. die Oberſcheere. 

b. die Unterfcheere. 

c. die Afterfcheere. 

d. die Blattſpitze. 

e. die ſpadelaͤhnliche Spitze. 

F. der Afterzahn. i 

g. der Ort, wo der Fuß dem Leibe angeſeſſen hat. 
h das Beutelgen. Be 
1. k. I. die Kieſe. 


Fig. IV. Der erſte geblätterte Kieſenſuß. 


Fig. 


die halbeirkelrunde Oberſcheere. 
. die Unterfcheere. 
. die Afterfcheere. i 
e. die blatt» und ſpadelaͤhnliche Spitze. 
der Afterzahn.“ - 
der Ort, wo der Fuß dem Leibe angefeſſen hat. 
das Beutelgen. | 
die Kieſe. 
. die Haarroͤhrgen, 
1. das dritte Blättgen., 
V. Einer von den geblätferten Kiefenfuͤßen aus der Mitten derfelben herausge⸗ 
nommen. 
a. die faſt völlig runde Oberſcheere. 
b. c. die Unter und Afterſcheere. { 
d. e. die blatt und ſpadelaͤhnliche Spitze. 
f. der 1 Fuß dem eib Sol] 
.der Ort, wo der Fuß dem Leibe angegliedert geweſen iſt. 
f. das Beutelgen. een 
i. k. J. die rundliche Kieſe. 


g. N 


* e 


Fig. VI. Einer von den letzten geblätterten Kiefenfuͤßen. 


Fig. 


Fig. I. Ein vergroͤßertes Fuͤhlhorn. 


a. die laͤnglichrunde Oberſcheere. 

b. e. d e. die übrigen Scheeren und Spitzen. 

f. die laͤnglichrunde Kiefe. 

g das Beutelgen. A 

h. das dritte fpigige Blaͤttgen. 
VII. Einer von denen dem bloßen Auge unkenntlichen kleineſten geblaͤtterten Kie⸗ 
ſenfuͤßen nach der ſtaͤrkſten Vergroͤßerung. 

a. die Scheeren und Spitzen. 

b. das Beutelgen. 

c. die Kiefe. 

d. bie Oberſcheere. 


Die vierte Tafel. 


a. die 


wen 197 
a. die drey Haͤrgen, ſo an der aͤußerſten Spitze deſſelben ſich befinden. 


b. das erſte gartenmeffergleiche Glied. 
c. das Gelenke. may 
d. das zweyte ſaſt gleichdicke Glied. 
e. das Huͤgelgen, welchem das Fuͤhlhorn auſſitzet. 
Fig. II. Das Paar Mutterfuͤße in natürlicher Größe. 
24. 2. die Oberſcheere. n 
b. b. die übrigen Scheeren und Spitzen. 
c. d. das doppelte, etwas geöffnete runde Blaͤttgen, oder die Gebaͤhrmutter; 
in welcher die rothen Eyergen befindlich find. 
e. das aufceſchlagene und auf die Seite gelegte kleine Oberblaͤttgen. 
F. das leere groͤßere Unterblaͤttgen. f 
g. die erhabene Oeffnung, wo die Zeugungsglieder verborgen liegen. 
Fig: III. Ein abgeſchnittener Mutterfuß nach der Vergroͤßerung. 
a, bie Oberſcheere. 
b. die Unterſcheere. 
c. die Afterſcheere. 
d. e. die blatt» und ſpadelaͤhnliche Spitze. 
f. der Afterzahn. 
2. die roͤthlich erhabene Oeffnung, als der Ort der Zeugungsglieder. 
1. das größere runde Unterblättgen, mit feinem Falſe. 
h. das kleine Oberblaͤttgen, wie es durch eine Art des Gewindes mit dem Un⸗ 
5 terblättgen verbunden iſt. 
Fig. IV. Der abgefhnittene, und von feinen anſitzenden Theilen befreyte Leib, des 
Kiefenſußes, nach der natürlichen Größe. 5 
a. der abgelöfete und auſwaͤrtsgeſchlagene Rüden. 
c. c. die Menge der blaßrothen unvollkommenen Eyer, welche das ganze In⸗ 
nere des Leibes ausfüllen. f 
b. b. die in der Mitten des Leibes laͤngshinunter laufenden Gedärme. 
d. 5 a den weggeraͤumten Eyergen ſich zeigende hellrothe Trompete des 
herſtockes. 5 | 
Fig. V. Der Unterleib in feiner naturlichen Größe, und wie die Gedaͤrme, mit dem 
anſitzenden Gebiße, außerhalb dem Leibe geleget ſind. 
a. a. die Zaͤhne. 
b. b. die Freßſpitzen. 
c. c. die Unterlippen. 
d. d. die Gedaͤrme. 
e. e. e. die unvollkommenen innern Eyer. IR 
F. die Oeffnung an dem zehnden Ringe (deren aber hier in Kupfer aus Verfes 
hen mehr gemacht worden find), wie fie unter den weggeraͤumten Eyern, und 
wo der Eyerſtock mit ſeiner Trompete weggenommen worden iſt, ſichtbar wird. 
Fig. VI. Der auf dem Rücken geöffnete und voneinander gedehnte Leib nach der 
Natur, und wenn alle Eher voͤllig ausgeraͤumt worden ſind. 
a. a. der Leib, oder vielmehr die Ringe deſſelben. 
b. b. der hellrothe Eyerſtock, 
c. e die durch den zehnden Ring durchbohrte Trompete. il 
Fig. VII. Ein vergroͤßerter Eyerſtock mit denen daran hängenden unpollkomenen Eyergen. 
a. a. a. 3. 4. a. die theils hellrothen, theils weißen, unvollkommenen Eyergen, 
die an baumartigen haͤntigen Gefäßen figen. 
b. b. b. b. der Eyerſtock ſelbſt, mit feinen eingewickelten hellrothen Eyerg. 
<, die kegelartige Trompete. Bb 3 Die 


198 £ n 
Die fuͤnfte Tafel. 


Pit Kiefenfuß vom Ehe an, und nach den erſten Lebenskagen. 
Fig. I. Die rothen Eper in natürlicher Größe. 
Fig. II. Ein halb zerborſtenes le Ey, und wie fi fi ch der Kiefenfuß eben aus 
ſelbigem zu befreyen im Begriffe iſt 
Fig: III. Ein vergrößerter Kiefeufuß , „ wie er ſich des Eyes entledigt und im Waſſer 
zu ſchwimmen oder vielmehr zu huͤpfen anfängt. 
a. die hier noch ſehr großen Fuͤhlhoͤrner. 
die Augen, welche wie ein einziges ausſehen. 
die Ruderfüße. x 
der Schild. 
der Leib. 
Fig. IV. Ein vergrößerter Kiefenfuß , der auf dem Ruͤcken fhwinmer, wie er nach 
der N Haͤutung ausſiehet, nach der Vergroͤßerung. 
a, a. die Fuͤhlhoͤrner mit ihren drey Haaren. 
b. die Augen. 
c. c. d. d. die Nuderfüße 
e. der Anſatz der ae mit ihren Borten 
Fig. V. Ein dergleichen ergrößerker Kiefenſuß / wie er nach der dritten und vierten 
Haͤutung m 
a. a. die Fühlhoͤrner. V 5 d 
b. die Augen. 150 
c. d. die Ruderſuͤße. 
e. die uͤbrigen Kiefenfuͤße. 
f. f. die noch ſehr kleinen Schwebe 
Fig. VI. Einige jungen Kiefenfuͤße nach der erſten Haͤukung, in natuͤrlicher Größe, 
Fund wie fie im Waſſer auf- und niederſchwimmen. 
Fig. 12 10 a. b. c. drey junge Kiefenfüße, ohngefähr nach der fechften und fiebenden 


9 


Fig. Yin, ix. Einer von dieſen jungen Kiefenfuͤßen nach einer ſehr farken Ver⸗ 
groͤßerung 
VIII. Wie er auf dem Bauch ſchwimmet. 
a, a. die Fuͤhlhoͤrner. 
b. das ausgezackte gruͤne Gefäße, fo den ganzen Kopf ausſuͤllet, und wo die 
Augen innerhalb demſelben. 
c. die Ruderfuͤße. 
die duc den Zähne. 
die durchſcheinenden roͤthlichen Flecken. 
die Schwanzborſten, 
Wie er auf dem Schilde liegt. 
a. die Fuͤhlhoͤrner. 
b. das ausgezackte gruͤnliche Gefäße im Kopfe. 
c, die Augen. 
d. die Ruderfuͤße. 
„das laͤnglichrunde Maͤuslein des Herzens. 
f. die Jaͤhne. 
7.8 die Kieſenſuͤße. 
der Schwanz. 
i i. die Borsten. 


n DD Eee — 0 


Fi g: * 


ur im ar 199 


Fig. X. a. b. Zween junge Kiefenfüße von verſchiedener natürlicher Große. 
Fig. Xl. Ein ſchon etwas erwachſener junger Kiefenſuß. 
Fig. XII. Ein vergroͤßerter Ruderfuß von den Jungen in der VII. IIX. und IX. Figur, 
3. der Afterzahn. l s 
d. das higterſte Gelenke. 
c. das Hoͤrngen. 
d. e. f. die drey Borſten. 5 
der zaͤhige Anſatz unter der groͤßern Borſte. 
. die Kieſe. 
i. das Beutelgen. = m 2... 30% — 5 
Fig. XIII. XIV. Zween geſcheerte Kieſenfuͤße, von den nämlichen Jungen, und nach 
der Vergroͤßerung. “ 8 a 
. die Oberſcheere. 
.die Unterſcheere. 
. die Aſterſcheere. 
. die Blattſpitze. 
die ſpadelaͤhnliche Spitze. 
. der Aſterzahn. 
.das Beutelgen. 
B. die Kieſe. 
Ji. ein Paar Haare unter der Oberſcheere. 1 
Fig. XV. Das fehr vergrößerte gruͤne und ausgezackte Gefäße, mit feinen Fortgaͤngen 
und anſitzenden Theilen. 5 
a. a. d. a. das aussezackte Gefäße im Kopfe. 
b. b. die Augen. 
c. ein ſchwarzes Knoͤpgen, wo hernach die, einem gothiſchen M gleichende, 
rothe Striche ſich befinden. 
d. die Oeffnung des Herzens. 
e. der uͤber und neben den Gedaͤrmen den ganzen Leib hinunterlaufende Fort— 
gang des grünlichen ausgezackten Gefaͤßes im Kopſe. 
f. f. das über dieſem grünen langen Gefäße aufliegende und ſchlagende Herz. 
g. g. die Zähne. a 


Die ſechſte Tafel. 


Die iweyte und neue Gattung der Kiefenfuͤße mit der langen Schwanzklappe. 
Fig. I. u. II. Ein Junger nach der natuͤrlichen Größe, wie er auf dem Bauche und 
auf dem Ruͤcken ſchwimmt. 
Fig. a I Ein etwas erwachſener, wie er auf dem Rücken und auf dem Baur 
e lieget. : 
a. die lange Schwanzklappe. 

Fig. V. Eben derſelbe, mit etwas uͤbergebogenem Schilde. 5 
a. die lange Schwanzklappe. f 

Fig. VI. Die lange Schwauzklappe mit den anſitzenden Schwanzborſten, nach der 
Vergroͤßerung und wie fie ſich von der Ruͤckenſeite zeige. 

Fig. VII. Eben dieſelbe, wie ſie auf der Bauchfeite ansſiehet. 

Fig. VIII. Die lange Schwanzklappe nach ciner ſehr ſtarken Vergrößerung, miete 
05 andern Theilen anſitzt, und wie fie ſich zeiget, wenn man fie nach oben zu ano 
ſiehet. 

8 a. a. die zwey in einige Dornenſpitzen auslaufende Huͤgelgen über dem Anfange 
der Schwanzklappe. a 
b. b. Die Decke der Schwanzborſten. o, e,. ein 


S ho AD 


200 un er 


o. c. ein Stuͤck der Schwanzborfien.. 3 
d. d. die lange Schwanzklappe felbft, mit ihren Seitenzacken. 
' e. die untern laͤngern Dornenſpitzen. : a 
f. die erhabene Nippe in der Mikten, mit ihren ſcharfen Dornenſpitzen. 
e lange Schwanzklappe, wie fie ausſiehet, wenn man fie nach der Seite 
etrachtet. 5 
a. die Decke der Schwanzborſten. 
b. b. die laͤngs hinunterlaufende dornige Rippe in der Mitten der Schwanz⸗ 


klappe. 
4 Die ſiebende Tafel. 


Fig. I. Ein nach dem Sonnenvergroͤßerungsglaſe abgebildetes Haarroͤhrgen. 

a. der runde Huͤgel, dem es allezeit aufſitzet, und welches die anſcheinenden 
Faͤltgen verurfachet. Es ſcheinet drey Hauptgelenke zu haben. 

b. das erſte Hauptgelenke mit feinen Seitenroͤhrgen. Dieſes ſcheinet nicht ſo, 
wie die andern zwey Hauptgelenke, gegliedert, ſondern ganz, zu ſeyn. 

c. d. das zweyte und dritte Hauptgelenke mit den Seitenroͤhrgen, und dieſe 
ſind wieder ſo oſt gegliedert, als en haben. Das ganze Haar⸗ 
roͤhrgen ſiehet einer Feder mit Baͤrtgen gleich; indem auch hier die Bart 
gen am erſten Hauptgliede im Anfange, bey dem Hügel, am kleineſten, for 
dann aber immer groͤßer werden; von dem zweyten 4 an aber bis 

5 oben hinaus ſich wiederum und immer mehr und mehr verkuͤrzen. d 
Fig. II. Ein vergrößertes Stuͤck von einer Kiefe.mit den anſitzenden Hanrröhrgen. 
Fig. Ech Eine vergrößerte Schwanzborſte von einem Kiefenfuße mit der kurzen 
Schwanzklappe. 
a. a. die Borſte ſelbſt mit ihren meiſt ſchieſeingeſchnittenen Abſaͤtzen und Glie⸗ 
dern, und den darauf ſtehenden haarigen Stacheln. ; 
g b. das innere fleiſchige Weſen dieſer Schwanzborſte. 
Fig. IV. u. V. Zween Moluceiſche Krebſe, nach denjenigen abgebildet und ausge 
mahlet, die ſich in der hieſigen Harreriſchen Naturkammer befinden. 
Fig. IV. Ein Molucciſcher Krebs von der kleinern Gattung, wie er fi) auf der Nie 
ckenſeite zeiget. 5 

a. der Oberſchild. 

b. b. die beyden netzfoͤrmigen zuſammengeſetzten Augen. 

c. c. der Unterſchild. 

d. d. d. d. die langen Seitenſtacheln am Unterſchilde. 

e. e. e. e. die zwiſchen dieſen Seitenſtacheln ſich befindenden Oeffnungen, mel» 
che Luftloͤchern ähnlich ſehen, und die bey allen andern Kupferſtichen, fo dar 
von vorhanden, unangemerket geblieben ſiud. 

ee. & e. der einſache Schwanzſtachel, a 
Fig. V. Ein Moluecciſcher Krebs von der größern Gattung, wie er auf dem Schilde lieget. 

a. a. der untere halbmondſoͤrmige Kopfabſchnitt des Schildes. 

b. b. b. b. die geſcheerten Fuͤße. 

e. c. der ſpitzige Ausgang des Oberſchildes. 

d. d. die geblaͤtterten Füße. R 

e. 5 5 die anſcheinenden Luftlöcher an dem Unterſchilde, mit den langen 

acheln. 

f die Afteröfnung unter dem Schilde, und unter dem langen Schwanzſtachel. 

g. g. der lange Schwanzſtachel ſelbſt. 


Die eingebildeten Würmer 
in Zaͤhnen. 


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Erſter Abſehnitt. 


Die Veranlaſſungsgruͤnde zu dieſer Unterſuchung 
und Abhandlung. 


egenwaͤrtige Blaͤtter ſind der Unterſuchung gewidmet, ob es 

eigentliche Zahnwuͤrmer gebe oder nicht? Ehe ich aber zu dies 
ſer Abhandlung ſchreite, erachte ich nicht undienlich zu ſeyn/ 
vorhero in der Kuͤrze anzuzeigen, was die entferntere und 
naͤhere Veranlaſſung zu derſelben gegeben habe. 


So edel die Arzneykunſt iſt: fo wenig iſt zu leugnen, daß ſolche noch 
lange nicht zu dem Grade der Vollkommenheit gediehen ſey, welcher ders 
ſelben zu wüͤnſchen wäre. Es iſt hier der Ort nicht, die Urſachen davon 
zu unterſuchen. Es moͤgen aber ſolche ſeyn, welche ſie wollen; ſo iſt doch 
ſo viel gewis, daß derjenige dem menſchlichen Geſchlechte allzeit einen ſehr 
heilſamen Dienſt erzeige, welcher in einer Wiſſenſchaft, die daſſelbe und 
feine Erhaltung ſo genau angehet, Vorurtheile hebet, Irrthuͤmer zeiget, 
das Zweifelhafte in mehrere Gewisheit bringet, und die Warheit aufklaͤ— 
ret. Und es wird alſo keines Beweiſes beduͤrfen, daß die allgemeine 
Menſchenliebe, denjenigen, welcher dieſes auch nur in einem Stuͤcke zu 
leiſten vermoͤgend iſt, verbinde, der Welt ſeine Verſuche, Erfahrungen, 
Entdeckungen und Aufklaͤrungen mitzutheilen. Dieſes iſt die erſte 
entferntere Veraͤnlaſſung dieſer Blätter. i 5 


Cc 2 Die 


208 un e 


Die zweyte entferntere hat ihre Beziehung mehr auf das Allgemeine 
der Wiſſenſchaften, und ſonderlich der Naturkunde. Es iſt bekannt, zu was 
vor einem Anſehen und Beweisgrunde die Erfahrungsſaͤtze in unſern Tagen 
gelanget ſind, und wie ſie gar oft auch den Vernunftsgruͤnden, und noch 
mit groͤſſerm Rechte demjenigen vorgezogen werden, was blos willkuͤhrlich 
angenommen, und nach dem Satze der Aehnlichkeit, des Wahrſcheinli— 
chen und der Muthmaſſungen, behauptet werden will. Allein, dem ohn— 
geachtet, machen Verſuche und Erfahrungen die Sache an ſich nicht aus. 
Sie muͤſſen, wenn ſie giltig ſeyn ſollen, gewiſſe Eigenſchaften haben, 
und nach gewiſſen Regeln behandelt und beurtheilet werden. Heſchtehet 
dieſes nicht, ſo koͤnnen ſie eben ſowohl, als irgend etwas anders, eine 
Quelle vieler Irrthuͤmer, uͤbereilter Urtheile und falſcher Schluͤſſe wer, 
den. Und ſollte nicht dieß die Urſache ſeyn, warum man noch heutigen 
Tages in den Schriften der beruͤhmteſten Naturlehrer manche Widerfprüs 
che findet, da der eine verneinet, was der andere behauptet; ein Jeder 
aber ſi ich gleichwohl auf Verſuche und Erfahrungen berufet? 


Sof alſo dieſes Letztere vermieden werden, und ſollen Erfahrungen 

und Verſuche ſicher zur Warheit führen, fo wird, wie mich duͤntet, 

dabey ohngefaͤhr auf folgende Weiſe zu verfahren ſeyn. Ein jeder wird 

En Verſuche ohne alle vorgefaßte Meynung zur Hand nehmen muͤſſen. 
Er wird mit der groͤßten Sorgfalt dabey zu Werke zu gehen, alle Neben— 

umſtaͤnde anzumerken und fein ganzes Verfahren umſtaͤndlich aufzuzeich⸗ 

nen haben. Er wird einen Verſuch zu wiederholtenmalen und zu verfchies 

denen Zeiten vorzunehmen, auch wohl ſolchen von einem Dritten oder Mehr 

teren nachmachen laſſen, ſich nicht duͤrfen gereuen laſſen. Er wird endlich 

bey oͤffentlicher Bekanntmachung ſeiner Verſuche nicht zu vergeſſen haben, 

ſowohl die Hauptſachen, als die Beſchaffenheit der Luft und des Wetters, 

den Grad der Wärme und der Kälte, und jeden geringſcheinenden Hand— 

griff genau anzugeben. Ich bin verſichert, auf dieſe Weiſe werden Ver⸗ 
ſuche und Erfahrungen ſelten und gar nicht truͤgen; ſie werden, wenn 

fie guch noch fo oft auf die Probe geſtellet werden ſollten, ſich jedesmal 

AR in 


un a 205 


in ihrer Stärke und ohne Widerſpruch zeigen; fie werden der ſicherſte 
Leitfaden zur Warheit und zu allerhand Entdeckungen feyn. Und auch 
von dieſen Sägen ſoll meine gegenwärtige Abhandlung eine Erlaͤuterung 
und Beſtaͤttigung ſeyn. 


Ich komme nunmehr auf die nähere Veranlaſſung, welche folgende 
iſt. Eine hieſige Perſon vom Stande hatte einige Tage hintereinander uns 
leidentliches Zahnwehe. Alle dagegen gebrauchte Mittel ſchaften ſo we— 
nig die geringſte Linderung , daß vielmehr das Uebel je länger je mehr zu⸗ 
nahm. Endlich ward von Jemanden angerathen, fich auf eine beſondere 
Art mit Judenkirſchen zu raͤuchern. Man verſicherte, daß man dieſes 
an ſich, und andern, als ein bewaͤhrtes Mittel befunden habe. Ja man 
gab davon die Urſache an, daß alles Zahnwehe von nichts als Würmern 
herkaͤme, die in den Zähnen ſich befaͤn den, und durch ihr Nagen den Schmerz 
verurſachten; die aber eben durch dieſes Mittel nicht nur getoͤdtet, ſondern 
auch aus den Zähnen abgetrieben würden. Und, daß dieſes Letztere wirklich 
geſchehe, wurde damit bekraͤftiget, weil, wenn man ſich gedachten Mittels 
auf die vorgeſchriebene Art bediene, man die getoͤdteten und abgetriebenen 
Wuͤrmer hauffenweiſe im Waſſer finden werde. 


Dieſer Vortrag hatte die Wirkung, daß ſich die gedachte Standes 
perſon entſchloß, das Mittel zu verſuchen. Sie dachte, daß daſſelbe ganz 
unſchuldig ſey, und daraus wenigſtens kein Nachtheil erfolgen koͤnne. 
Das Mittel wurde alſo gebraucht, und zwar auf folgende Weiſe. 


Man nahm einen irdenen Topf oder Hafen (), und machte indem, 
ſelben drey beſondere, in die Queere laufende, mehr breite, als lange, 
Oeffnungen (**), die eine im Boden, und die andern zwo auf den Sei— 
ten, und zwar ſo, daß letztere gegeneinander gerichtet waren. Man 
nahm hierauf eine Schuͤſſel, in welcher ſich reines und helles Waſſer be⸗ 

Ce 3 N fand 


(9 Fig. XI. a. (9) e. d, 


206 c 


fand (). In dieſes ſtellte man den Topf umgekehrt alſo, daß die Oeff⸗ 
nung im Boden oben zu ſtehen kam. Nach dieſem wurde ein etwas brei⸗ 
tes Eiſen, ſo in die Seitenoͤffnungen des Topfes paßte, und mit einer 
Handhabe verſehen war C“), ins Feuer geleget, und ſolches, fons 
derlich gegen die Mitte, fo gluͤend gemacht, als es nur moͤglich war. Bis 
dieſes erfolgte, nahm man zwo, bis drey, trockene Judenkirſchen; druckte 
ſie auseinander; vermengte ſie mit reinem und weißem Wachſe; ſo man 
uͤber Kohlen hatte etwas weich werden laſſen; und machte aus beyden 
ein plattgedrucktes Kuͤgelgen. Nachdem indeſſen das erſtgedachte Eiſen 
gluͤhend geworden war, legte man dieſes aus Judenkirſchen und Wachſe 
verfertigte Kuͤgelgen behutſam auf den Ort, wo das Eiſen am ſtaͤrkſten 
glühere, und fuhr damit eilends durch die eine Seitenoͤffnung des Topfes 
fo weit hinein, daß das Eiſen zur andern Seitenoͤffnung wieder heraus 
gieng, welches nachher auf dem untern Rande jeder Oeffnung ruhete, 
das Kuͤgelgen aber ohngefaͤhr in der Mitten zu liegen kam. 


Gewiß beſondere Anſtalten! Wir werden uns in der Folge darüber 
um fo mehr verwundern muͤſſen, wenn ich erweiſen werde, daß der ges 
ringſte Umſtand hiebey ſeinen zureichenden Grund habe, und daß alles recht 
mathematiſch eingerichtet ſey. Allein dieß iſt gleichwohl noch nichts ges 
gen den Erfolg dieſer ſeltſamen Zubereitung. 


Denn, nachdem das Wachs geſchmolzen war, und die darunter vers 
mengte Judenkirſchen zu brennen anfiengen; fo fahe man den davon ent⸗ 
ſtehenden, und nicht gar angenehm riechenden, Rauch zu der obern 
Oeffnung ſtark herausfahren. Man hielt den Mund, und ſonderlich die 
Gegend deſſelben, wo der wuͤtende Zahn ſich befand, uͤber dieſe Oeffnung, 
und ließ nicht nur den Rauch ſo lang daran gehen, als er vorhanden warz 
ſondern man ſuchte auch eine ſolche Leibesſtellung anzunehmen, damit der, 
von dieſem Rauche erregte, ſtaͤrkere Zufluß des Speichels durch gedachte 
obere Oeffnung des Topfes in das Waſſer fallen koͤnnte. Die ganze Cur war 
in Zeit von weniger, als vier und fuͤnf Minuten, vorbey. O! welch eine 

Freu⸗ 
O Fig. XII. f. f. (*) b. b. 


a e 207 


Freude! Der Schmerz war weg; man war nach fo vieltaͤgigen, 
und fo gar unmenſchlich erlittenen Schmerzen, auf einmal , wie 
neugebohren! Ja was noch mehr. Als man den Topf in die Hoͤhe nahm, 
fo erſtaunte man über den Anblick im Waſſer. Hier lagen, wie es vor 
her geſaget worden war, die getoͤdteten und abgetriebenen Wuͤrmer wirk— 
lich bey Hauffen (*). Wit einem Worte: Eo hatte geholfen » und 
die Würmer waren die ſinnlichſten Zeugniſſe der fuͤrtreflichen 
Wirkung dieſes ſo geringſcheinenden Mirtels. 


Dieſer Eur hatte noch eine andere Perſon beygewohnet. Dieſe woll 
te zwar nicht in Anſprache nehmen, daß ſich durch das gebrauchte Huͤlfs— 
mittel das Zahnwehe, wenigſtens vor erſt, moͤgte verlohren haben. Al— 
lein die Würmer wollten gar nicht ihren Beyfall erhalten; und fie mach» 
te dagegen einige gar gute Zweifel. Jedoch dieſe Perſon wurde von den 
Uebrigen bald uͤberſchrien. Man wieß alle dagegen vorgebrachte Einwuͤr⸗ 
fe kurz und gut damit ab: Das Mittel habe doch geholfen, und 
die Wuͤrmer ſeyen vor Augen. Endlich gab die unglanbige Perſon 
nach, und bath ſich von der Standsperſon, um hinter die Wahrheit zu 
kommen, nur dieſes aus, daß man dieſe vorgeblichen Wuͤrmer von Je— 
mand andern moͤgte genauer unterſuchen laſſen. Man erwaͤhlte mich zum 
Schiedsrichter; und ſchickte mir in einem mit Waſſer angefuͤllten Glaͤs— 
gen einige dieſer abgetriebenen Wuͤrmer, mit Bitte, daß ich aus Liebe zur 
Warheit, ſowohl überhaupt, als ſonderlich vermittelſt der Vergroͤßerung, 
unterſuchen moͤgte, ob es dann wahre Wuͤrmer waͤren. 


Als mir dieſe Wuͤrmer uͤberbracht worden waren, hatte ich eben keine 

Zeit ſie ſo gleich genau zu unterſuchen. Jedoch kamen fie mir gleich im 
erſten Anblicke allerdings beſonders vor, ja ſie ſchienen mir ſelbſt wahre und 
wirkliche Würmer zu ſeyn. Nebſt dem erinnerte ich mich, in den Schriften 
der Naturlehrer und Aerzte hin und wieder von Würmern in Zähnen 
geleſen zu haben. Daher ließ ich vor der Hand nur ſo viel zuruͤck wiſſen: 
daß, wie ſich aus dem erſten Anblicke und dem bloſen Augenſcheine abneh⸗ 
N . men 


0 Fig. I. 


288 e 2 


men ließe, dieſe Körper allerdings das Anſehen und die Geſtalt ordentli⸗ 
cher Wuͤrmer haͤtten; doch wuͤrde ſich erſt bey genauerer Pruͤfung und 
Zergliederung ausweiſen, ob der Augenſchein und die Sinnen nicht blen⸗ 
deten. 


ee e 222 e eee dee Ze ee ee ze 


Zweyter Abſchnitt. 


Die mit den angeblichen Zahnwuͤrmern, und ſonſt ge⸗ 
machten Verſuche, in ſo fern ſie dieſe Meynung zu beſtaͤrken 
ſcheinen, daß es eine Gattung eigentlicher und wah⸗ 
rer Wuͤrmer fey.. 


achdem ich in dem vorhergehenden Abſchnitte die Veranlaſſung die⸗ 

RS fer Blaͤtter umſtaͤndlich angefuͤhret habe; fo wende ich mich nun 

zur Sache ſelbſt, nämlich zur Prüfung, was aus den vorgedach⸗ 

ten und angeblichen Zahnwuͤrmern zu halten ſey. Ich werde die Verſu⸗ 

che beyzubringen haben, welche deswegen von mir angeſtellet worden ſind. 

Und, um ordentlich dabey zu verfahren, werde ich im gegenwärtigen 

Abſchnitte nur desjenigen gedenken, was dieſen Gegenſtand zu beſtaͤttigen 
und außer allem Zweifel zu ſetzen ſcheinet. 


Als ich an dem naͤmlichen Tage, da mir die erſtgedachten Zahn, 
wuͤrmer waren uͤberbracht worden, noch einige Zeit gewann, mich mit 
denſelben zu beſchaͤftigen; ſo war das Erſte, daß ich in den Schriften der 
Naturlehrer und beruͤhmter Aerzte nachſahe, wohin ihre Gedanken und 
Beſchreibungen von Würmern in Zähnen gehen moͤgten; um deſto beſſer 
mit denenjentgen eine Vergleichung anzuſtellen, welche ich vor mir hatte. 
Allein ich fand, wie es in dergleichen beſondern Faͤllen insgemein zu ge⸗ 
hen pfleget, bey nahe überall ſchlechten Troſt; wenigſtens das gar nicht, 
was ich hauptſaͤchlich ſuchte. 


In 


be - 22 209 


In des berühmten Hetrn D. Schaarmidts Pathologie (*) traf 
ich weiter nichts, als, unter den Urſachen der Zahnſchmerzen, dieſs we— 
nige Worte an: bald entſtehen ſie von den Wuͤrmern, die ſich 
in den Zähnen aufhalten. Der gelehrte Herr D. Kruͤger that mir 
auch kein Gnuͤge. Man will, heißt es in feiner Naturlehre, auch 
endlich angemerket haben, daß die Zahnſchmerzen bisweilen 
von ſehr kleinen Wuͤrmern entſtuͤnden, welche ſich in den hoh⸗ 
len Zaͤhnen aufhielten. Ich habe keine Erfahrung davon. Ich 
kann aber auch nicht abſehen, daß die ſes unmöglich wäre. Da 
ſich die Würmer in dem Magen und Bedärmen erhalten und 
fortpflanzen koͤnnen, warum ſollte dieſes in den Zaͤhnen nicht 
angehen. Es wird wahrſcheinlich, wenn wir bedenken, wie 
viel kleine Wuͤrmer wir mit Speiſe und Trank in den Magen 
bringen, wie wir nur an den Räfemilben ſehen koͤnnen, deren 
Genus bey dem Kaͤſeeſſen unvermeidlich iſt. Ich zog Herrn D. 
Kratzenſtein zu Rathe (**). Allein auch dieſer druckte ſich nicht nur 
ganz kurz aus; ſondern es war auch die Beſchreibung und Abbildung feis 
ner Zahnwuͤrmer von der Art, daß ich ſie auf die meinigen gar nicht an— 
wenden konnte. Und ſo gieng es mir mit mehrern Schriftſtellern. Je— 
doch an drey Orten traf ich eines und das andere an, welches ſich näher 
zu meiner Abſicht ſchickte. Ich will, was davon hieher gehoͤret, ſogleich 
beyfuͤgen, weil es demjenigen, was ich in dem folgenden beybringen wer, 
de, einige Erlaͤuterung giebt. 


Bey dem Velſchius (*) Liefer man dieſe Anmerkung: »Wir 
„wollen den Gebrauch der unempfindlichmachenden Mittel (narcotica) 
„nicht ganz verwerfen. Wir haben ſelbſt gar oͤfters geſehen, wie von 
„dem Rauche des Tollkrautes (hyoſciamus), fo mit Wachs vermiſchet 
„worden war, die Wuͤrmer aus den hohlen und angefreſſenen Zaͤhnen her— 

Wuͤrmer in Zähnen. Dd „aus- 


() Th. II. Abſchn. VI. Cap. II. Seit. 603. 

(*) Th. III. Cap. XXXI. S. 284. Seit. zer. 302. (.) Abhandlung von Wür: 
mern ꝛc. Seil. s, Fig. 1. ( Vena medinenſis five de dracunculis vete- 
zum, cap. V. p. 138. 


AO d e 


»ausgeſprungen ſeyn; welches auch ein Schriftſteller, mie Namen Erotis, 
„von Haͤnden und Fuͤſſen vorgiebt. ' 


In den Engliſchen Abhandlungen (*) wird die Erzählung von 
gewiſſen Folgen, die aus dem Genuße des Tollkrautes (juſqujame) ent- 
ſtanden, mit dieſer artigen Geſchichte beſchloſſen: 2 N 


„Bey Gelegenheit des Tollkrautes will ich ein Beyſpiel von den groſ⸗ 

„fen Tugenden der Körner dieſes Krautes für Zahnſchmerzen anführen. 
„Bor einigen Jahren hatte eine Perſon vom Range unglaubliche Zahn⸗ 
„fehmerzen. Man ſagte ihr von einem Quackſalber CEmpirique); und da 
»der gewaltige Schmerz fie dahin brachte, daß fie, um ſich geholfen zu 
„ſehen, alles brauchte, was ihr nur gerathen wurde; fo ließ fie auch dies 
„fen zu ſich rufen. Der Quackſalber warf Tollkrautskoͤrner aufs Feuer, 
„leitete den Rauch davon, vermittelſt einer kleinen Roͤhre, in die Hoh⸗ 
„lung des Zahnes, und der Schmerz hörte augenblicklich auf. Dieſer 
„Charlatan ließ unter den Mund des Kranken ein Gefäß mit Waſſer hal⸗ 
„ten, um damit, wie er ſagte, die Würmer aufzufangen, welche bey 
„dem Gebrauche dieſes Mittels aus dem Zahne fallen würden. Als ich 
„diefe Geſchichte vernommen hatte, fand ich Gelegenheit, einen dieſer 
„Wuͤrmer habhaft zu werden, wickelte ihn ſorgfaͤltig in Seide ein, und 
»fendere ihn dem Herrn von Leeuwenhock nach Delft in Holland. Dieſer 
»Wurm kam lebendig und wohlbehalten an. Herr Leeuwenhock unter, 
»fuchte ihn, und fand, daß er ganz eigentlich einer von denenjenigen ſey, 
»die ſich im Kaͤſe erzeugen, wenn er zu ſtinken anfaͤngt. Er nahm da— 
hero verſchiedene ſolcher Kaͤſewuͤrmer, und geſellte fie demjenigen bey, 
»den er von mir erhalten hatte; er naͤhrete ſie von einerley Kaͤſe; und alle 
»dieſe Wuͤrmer verwandelten ſich nach dem unwandelbaren Geſetze der 
„„Natur zu kleinen Kaͤfern. Herr Leeuwenhock ſchickte mir dieſe Kaͤfer 
v»insgeſamt, und ich habe nicht den geringften Unterſcheid an ihnen fins 
vden 


(Transactions philofophiques de la Societ@ Royale de Londres. Anno 
1733. p. 123. 


un ae an 


„den koͤnnen. Es iſt dahero mehr als wahrſcheinlich, daß, ohnerachtet 
»der Rauch von Tollkrautskoͤrnern das Uebel mag vertrieben habe, der 
„Charlatan dieſe Wuͤrmer muß mit ſich gebracht, und ſie ſchicklich ins 
» Waſſer haben fallen laſſen. Und das iſt noch immer das kuͤnſtlichſte und 
»beruͤchtigte Handwerk, vermoͤge deſſen fich die Marktſchreyer und Quack⸗ 
»ſalber noch alle Tage einen Ruf durch ein Mittel erwerben, darüber man 
„kaum den Mund aufthun würde, wenn es ein Arzneygelehrter, der ein 
ehrlicher und vernünftiger Mann iſt, verſchreiben ſolte. In der Anmers 
„kung zu dieſer Geſchichte heiſſet es: das Naͤmliche, und faſt mit gleichen 
„Umſtaͤnden, wird in Simon Paulli, unter dem Artickel des Tolkrauteg; 
„in dem Auszuge der Geſchichte der offieinellen Kräuter des Hrn. Cho— 
„mel Th. II. Seit. 778.der vierten Ausgabe; in der Pflanzengeſchichte 
„des Hrn. Bay, Buch XV. Abſchn. I. Cap. I. Seit. 714 und an mehr 
„andern Orten erzaͤhlet. Doch hindert dieſes nicht, daß man für dem 
„Ritter Sloane nicht alle Verbindlichkeit haben ſollte, eine Erfindung 
„bekannt gemacht zu haben, davon er Zeuge geweſen iſt, und die er fo 
„forgfältig unterſucht hat. N 


Endlich gehoͤrt noch hieher, deſſen der Pariſiſche Arzt, D. Andty, 
in feinem Unterrichte von Erzeugung der Wuͤrmer im menſch⸗ 
lichen Leibe gedenket (). Wider die Würmer in Zähnen, 
ſpricht er, rathen etliche Schriftſteller, man ſolle Bilſenkraut⸗ 
koͤrner verbrennen, und den Rauch an die Zähne gehen laſſen; 
und fagen, man wuͤrde alsbald aus dem Munde Wuͤrmer her⸗ 
ausgehen ſehen, welche dieſer Rauch mit ſich in die Luft zöge. 
FJoreſtus. Lib. XV. Obſ. 7. ſagt: dieſe eingebildeten Wuͤrmer ſchie⸗ 
nen nur Wuͤrmer zu ſeyn, denn dergleichen ſaͤhe man ſtets mit 
dem Rauche vom Bilſenkraut in die Hoͤhe gehen. Ich habe 
ſolches verſucht, aber nichts gefunden, das Wuͤrmern gleich 
fieber. Vermuthlich hat dieſes Foreſtus geſchrieben, ohne daß 
er eigene Erfahrung davon gehabt hat. Das wundert mich 

Dd 2 i aber, 


() Cap. IX. Seit. 193. der Leipziger Ausgabe 1716. 5 


212 n 


aber, daß ein anderer Schriftſteller ſchreibt, er habe es pro⸗ 

biret, und wirklich dieſe Erſcheinung der Wuͤrmer geſehen. 

Das ſind ſeine Worte: »Es jucket einen oft an den Haͤnden, weil 
„kleine Wuͤrmer und Milben, die ihren Unterhalt allda finden, daran 
„nagen. Damit ſie nun abfallen moͤgen, habe ich geſehen, daß man Bil— 
„ſenkraut, welches man deshalb auch Mottenkraut nennet, und kleine 
„Körner hat, nimt, und auf folgende Art damit verfaͤhret. Man hat 
„ein Feuerpfaͤngen mit Kohlen und ein Becken mit Waſſer an der Hand. 
„In die Kohlen ſchuͤttet man dieſe Koͤrner, und haͤlt die Haͤnde in den 
„Rauch. Wenn man ſie lang genug darinnen gehabt hat, tauchet man 

„fieins Waſſer, fo wird man augenblicklich unfäglich viel Wuͤrmer ſchwim⸗ 

„men ſehen; und ſagt man beſtaͤndig, daß dieſes die Würmer wären, die 
„aus der zarten Haut hervorgekrochen gekommen. Als ich dieſe Wirkung 
„angeſehen, und betrachtete hernach die Haͤnde, an denen nicht ſchiene, 
„daß ſich dergleichen zugetragen haͤtte, wollte ich gerne hinter den Betrug 
„kommen. Derhalben hielt ich ein Stuͤckgen Holz in den Rauch von Bils 
„fenförnern, und loͤſchte es hernach im Waſſer ab, und es kamen darauf 
„eben dieſe Würmer zum Vorſcheine. Dergleichen thaͤt ich mit einem 
„Pantofel, mit einem Stück Eiſen und andern Sachen mehr, und der 
„Erfolg war einerley. Ich hielt auch meine Hand daruͤber, an der mich 
„nichts jukte, und wurde gewahr, daß eben fo viel Würmer zu ſehen was 
„ren, als diejenigen ſollten von ſich gegeben haben, die mit großem Jucken 

„beladen waren. Deshalben konnte ich dieſes vor nichts anders als einen 

„Betrug halten, und daraus ſchließen, daß, wenn dieſe Körner im Rau⸗ 
„che aufgehen, ihr dicker Saft hernach im kalten Waſſer wiederum ſich 

zuſammen begebe, und gleichſam Wuͤrmer vorſtelle „Ich habe dieſe 
Probe gemacht, es hat mir aber keines wollen angehen; ich 
mogte auch in den Rauch halten, was ich wollte, und ins 
Waſſer tauchen, ſo wollte ſich doch nichts blicken laſſen, das 
ausſahe, wie ein Wurm. Ich habe es mit den Saͤnden einer 
Perſon verſucht, die die Aräge hatte, und es gieng auch nicht 
an. Da ſiehet man, was vor Sabeln bey den Schriftſtellern an⸗ 
zutreffen find, So viel ans gedachten Schriften. 80 


a e 213 


Ob ich nun gleich, auch in erſtgedachten Schriftſtellern, dasjenige 
eigentlich nicht antraf, was ich gerne wiſſen wollte, und welches mich 
der Mühe haͤtte uͤberheben koͤnnen, mit meinen dermaligen Zahnwuͤrmern 
ſelbſt eigene Verſuche anzuſtellen; ſo dieneten mir doch ihre Erzaͤhlungen 
und Anmerkungen zu einem Zeugniſſe, daß es von laͤngſt her eine gemeis 
ne Sage, und ein nicht ſeltenes Vorgeben ſey, daß es wahre Zahnwuͤrmer 
gebe; ja daß es, nach Herrn Kruͤgers Redensart, an ſich auch gar nicht 
unwahrſcheinlich ſey, ſondern nur noch an hinreichenden Erfahrungen fehle. 
Ich wurde alſo dadurch um fo mehr angereitzet, die Hand ſelbſt anzule⸗ 
gen, in der einsweiligen Hoffnung, daß mir dieſe Erfahrung, Entde, 
ckung und Entwickelung vieleicht moͤgte aufbehalten ſeyn. Und ich konnte 
dieſes um fo getroſter thun, indem ſo, viel von verſchiedenen Gelehrten 
vorlaͤngſt erwieſen worden iſt, daß der Schleim, welcher bey dem Eſſen 
an den Zähnen hängen bleibet, voller Inſecten und kleiner Würmer ſteckez 
und davon ein Jeder, der ſolchen Schleim mit etwas Waſſer duͤnne macht, 
und unter die Vergroͤßerung bringet, ſelbſt und am geſchwindeſten ein 
Augenzeuge werden koͤnne. 115 i 


Ich nahm alſo dieſe Zahnwuͤrmer aus dem Waſſer, und legte einige 
foͤrderſamſt dem Mahler vor, um ſie ſogleich nach der Natur und auch 
nach der Vergroͤſſerung abzuzeichnen; die andern nahm ich zur Unterſu— 
chung, und betrachtete ſie vor allen Dingen mit den bloßen Augen. Und 
wie ſonderbar! f i 


Ich mogte dieſe Körper anfehen, wie ich wollte, fo wurde der Ges 
danke, daß es wahre Wuͤrmer ſeyn moͤgten, immer glaubwuͤrdiger und 
lebhaftern in mir. Sie hatten alle einerley Hauptgeſtalt und Bildung (0, 
nur daß einige mehr und weniger gekruͤmmt; einige ganz weiß, andere 
etwas braungelb; einige groͤßer, andere kleiner; einige einfach geſchwaͤn⸗ 
zet, andere doppelt geſchwaͤnzet waren. Ich fand an ihnen alle weſent— 
liche Merkmaale und Unterſcheidungsſtuͤcke eines Wurms. Sie hatten 
einen etwas dicken Kopf, der vorn in eine ſtumpfe Spitze auslief, und 

Od 8 ö welche 
C0 Fig. 1 | 


214 l Ne 


welche der Mund zu ſeyn ſchien. Der Leib war nach Maaßgabe des Kopfes 
ziemlich lang, rundlich, und mir duͤnkte ringelartige Einſchnitte, als 
die weſentlichen und eigentlichen Kennzeichen eines Wurms oder Inſectes, 
an demſelben zu bemerken. Sie hatten auch einen Schwanz, der zwar 
an vielen nur einfach war, und ſtumpf auslief, der aber, als das Artig⸗ 
ſte, an den allermeiſten doppelt geſehen wurde, und zwar ſo, daß jeder 
nach außen zu gewoͤlbt, nach innen zu aber plattgedruckt war. Ihre Far⸗ 
be war, wie ſchon gedacht, bey den meiſten ſchoͤn weiß, nur daß an dem 
Kopfe um die Gegend des anſcheinenden Mundes, und unten am Ende 
des einfachen oder doppelten Schwanzes, ein braunes Fleckgen ſichtbar 
war; und daß auch einige ganz und gar ins braune oder gelbliche fielen. 
Ich zerdrückte einige mit einer Stecknadel; und da glaubte ich ganz eis 
gentlich zu ſehen, wie die Eingeweide und die innere Theile dieſer Wins 
mer durch den zerplatzten Balg ſich heraus begaben. Ja, ich konnte mit 
gar leichter Muͤhe die äußere Haut von den übrigen Theilen des Wurms 
abſchaͤlen und abſondern. Da ich einen ausgeſchaͤlten Wurm näher bes 
trachtete, fo duͤnkte mich an ihm Theile von verſchiedener Art, und wie 
eine Gattung von Gedaͤrmen zu beobachten. 


Um aber alles noch deutlicher auseinander ſetzen und beſtimmen 
zu koͤnnen, brachte ich etliche zu verſchiedenenmalen unter die Vergroͤſ— 
ferung (). Al hier fand ich die aͤußerliche Haut des Wurms ohne merk⸗ 
liche Einſchnitte und Abſaͤtze, ſtatt derſelben aber ſolche mit lauter vertief⸗ 
ten Puncten uͤberſtreuet (*); oder vielmehr als ein ſonderbares Gewebe 
von lauter erſtgedachten Vertiefungen. Wenn ich dieſe äußere Haut abs 
ſchaͤlete, zerſchnitte, und einzelne Stucke betrachtete; fo ſchien fie da, wo 
die vertieften Punete waren, ziemlich durchſichtig zu ſeyn. Der obere 
Theil des Wurms hatte eine ordentliche Kopfgeſtalt (***), und die vors 
dere ſtumpfe Spitze ſtellte itzo noch mehr, als dem bloßen Auge, einen 
ordentlichen Schnabelfoͤrmigen Mund oder Saugrüffel vor (f). Das 
braune Fleckgen an demſelben ſchien eine Art von Oeffnung zu ſeyn; ob 


f f i 
„N Fig. IV. V. WIN. X. N c) Fig. VI. à 4a. (] Fig, 
IX. X. XI. a. C) b. er 


2 de e 215 

ich ſie gleich ſo eigentlich nicht zu Geſichte bringen konnte, vieleicht, weil 
ſie gar zu klein war, oder weil es die dunkelbraune Farbe verhinderte. Von 
Augen konnte ich zwar nichts ausfindig machen; allein ich dachte, daß es 
auch Würmer geben koͤnne, an denen die Augen, wie an gewiſſen Poly⸗ 
penarten, fo leicht nicht zu bemerken waͤren. An dem Leibe (*) und 
an dem einfachen oder doppelten Schwanze (**) fahe ich weiter nichts 
Beſonders, was nicht ſchon angefuͤhret worden iſt; außer, daß da, wo 
der doppelte Schwanz anſaß, in der Mitte eine Oeffnung und der After, 
zu ſeyn mir vorkam (). Weil aber die einfach geſchwaͤnzten um dieſe 
Gegend keine Oeffnung hatten, ſo kam mir auch nicht ganz unglaublich 
vor, daß der braune Punct, in welchem ſich jeder einfache und doppelte 
Schwanz endigte (7), eine Oeffnung oder dergleichen etwas haben koͤnn⸗ 
te. Und ich muß überhaupt geſtehen, daß der doppelte Schwanz das ein⸗ 
zige war, was mir an dieſen Wuͤrmern ganz außerordentlich, und als 

| fo etwas vorkam, daß ich auf diefe Art bey keinem Inſecte noch gefunden 
harte, auch ſonſt bey keinem Schrifiſteller, ſo viel mir erinnerlich, ange, 
merket wird. Füße konnte ich auch unter der Vergrößerung nicht anſich⸗ 
tig werden; allein dieſe mangeln auch vielen andern Wuͤrmern. 


Was die innerlichen Theile dieſer Wuͤrmer anlanget, ſo zeigten ſie 
ſich unter der Vergroͤßerung ganz beſonders. Es waren lauter weiße, 
helle und durchſichtige Kuͤgelgen (}}), die in einer gar ſchoͤnen Reihe und 
Ordnung Linienweiſe neben und hintereinander fortliefen. Sie kamen 
den Polypenkoͤrnergen, oder denenjenigen Knoͤtgen, aus welchen die Polypen 
gebauet ſeyn, und deren ich in eigenen Abhandlungen ausführlicher gedacht 
habe, vollkommen gleich; und ich konnte eben keine Urſache finden, warum 
nicht auch dieſe Würmer, ohne ſonſt Eingeweide oder andere Gefaͤße zu haben, 
aus lauter polypenaͤhnlichen Kuͤgelgen oder Knoͤtgen beſtehen ſollten. Nur 
dadurch unterſcheideten ſich die gegenwartigen Koͤrngen an den Wuͤrmern, 
daß ſie weit ordentlicher und in deutlichen Linien nebeneinander ſtunden, 
da ſie bey den Polypen mehr unordentlich durcheinander bemerket werden; 

a und 
C*) Fig. IX. X. KI. e. CH ee. ( Fig. IK N. dd. CH 
Fig. IX. X. XI. f. f. (II) Fig. IV. V. VI. b. 


216 a + ce 


und daß ſie auch hier viel feſter aneinander geleimet, und gleichfam durch 
lange und zarte Zwiſchengefaͤßgen, wie durch Zaͤſergen, zuſammengehef⸗ 
tet waren. 


Dieß war der innere und äußere Bau dieſer fo berüchtigten Zahn 
wuͤrmer. Konnte ich wohl hiebey noch Anſtand nehmen, ſie vor wirkliche 
Wuͤrmer zu halten? Hatten ſie nicht mit den andern Wuͤrmern die groͤßte 
Aehnlichteit? Fand ſich nicht alles an ihnen, was man ſonſt an Würs 
mern beobachtet? Gewis, es gieng ihnen nichts, als nur noch das Leben 
ab. Und ob ich mir gleich eben nicht verſprechen konnte, ſie, aus leicht 
zu begreifenden Urſachen, jemalen in lebendiger Geſtalt habhaft zu wer— 
den; fü ſchien mir doch die Art, wie fie ſich auch fo gar todt darſtellten, 
die Muthmaßung mehr, als zu ſehr, zu beſtaͤrken, daß ſie vorher muͤß, 
ten gelebt haben. Ihre krumme und zuſammengezogene Bildung kam mit 
vielen Arten todter Würmer, fonderlich der Schlangenwuͤrmer und des 
rer, aus welchen gefluͤgelte Inſecten entſtehen, vollkommen uͤberein, als 
welche bekanntermaßen im Tode insgemein eine gekruͤmmte und halbmond, 
foͤrmige Geſtalt annehmen. Ja, da einige mehr und weniger gekruͤmmet, 
und viele auch voͤllig gerad ausgeſtreckt, vorgefunden wurden; fo war es 
wohl um ſo ſcheinbarer, daß fie im Leben mit dem Vermoͤgen wilführlis 
cher, das iſt, lebendigen Thieren eigenen und mannigfaltig veraͤnderlichen, 
Bewegungen müßten verſehen geweſen ſeyn. Ich machte mir zwar hie, 
bey noch verſchiedene andere Einwuͤrfe; allein es wurde mir nicht ſchwer, 
ſie nach demjenigen auch ſelbſt wieder auftausſen, was ſonſt von Wuͤr⸗ 
mern bekannt iſt. 


Ich will es nur offenherzig geſtehen. Bis hieher glaubte ich ſelbſt nichts 
anders, als Wuͤrmer, vor mir gehabt und behandelt zu haben. Ich fand 
bey nahe ſchon zum voraus ein rechtes Vergnügen in mir, auf dieſe Weis 
fe zur Entdeckung eines neuen Wurmgeſchlechtes gekommen zu feyn. Eis 
ne Entdeckung, welche man noch dazu nunmehro zum Nutzen der Men— 
ſchen weit gluͤcklicher würde anwenden koͤnnen, als da man dieſe Zahn— 
wuͤrmer bishero nur wahrſcheinlich geglaubet, und, als nicht ganz un— 
mögliche Urſachen der Zahnſchmerzen „dunkel angegeben hatte, 10 


O N ce 217 


Um aber nichts unausgemacht zu laſſen, was zur Beſtaͤttigung die, 
ſes neuen Wurmgeſchlechtes dienen moͤgte, fo ſtellte ich darüber noch ans 
derweitige Betrachtungen an. Ich glaubte, daß hierbey ſonderlich noch 
zweyerley zu unterſuchen und auszumachen waͤre. Einmal, ob dieſe 
Wuͤrmer nicht etwan zufaͤlliger Weiſe von außen her, und unter Zubes 
reitungen, moͤgten herbeygebracht worden ſeyn, oder wenigſtens in dem 
Wachſe und Judenkirſchen geſtecket haben? Und zwepytens, ob denn 
auch allezeit bey jedem Gebrauche des oftgedachten Mittels wider das Zahn⸗ 
wehe dieſe Würmer labgetrieben würden, und zum Vorſcheine kaͤmen? 
Ich ſtellte mir vor, daß, wenn bey allen Verſuchen die vorigen und eis 
nerley Erſcheinungen erfolgten, man ſicher werde ſchließen duͤrfen, daß 
hiebey nicht, wie bey der obigen Geſchichte des Herrn Ritters Sloane, 
Betrug, noch Blendwerk, Platz greiffen; ſondern daß es mit dieſen Zahn— 
wuͤrmetn und dem Huͤlfsmittel feine gute Richtigkeit haben werde. Ich 
machte mit dem zweyten bedingten Satze die Probe zuerſt. f 


Ich ließ mir vor allem den naͤmlichen Topf und die naͤmlichen Werks 
zeuge ausbitten, deren ſich die Standesperſon bey ihrer Eur bedienet 
hatte. Nun kann ich zwar nicht leugnen, daß mir gleich bey dem Ans 
blicke dieſes Topfes und der Werkzeuge manche Bedenklichkeit in die Ges 
danken kam, die mir vorher nicht beygefallen war. Allein, ich unter— 
drückte mit Fleiß dermalen noch allen Anſtoß, um regelmäßig zu verfahs 
ren, und durch nichts irre zu werden. Ich gieng unbedenklich weiter, 
und erkundigte mich nach einigen Perſonen, die mit Zahnſchmerzen ge— 
plaget waren. Ich bereitete mit eigener Hand verſchiedene der, oben be— 
ſchriebenen, Kuͤgelgen aus Wachſe und Judenkirſchen, und uͤberſandte 
nebſt dem Topfe und den Werkzeugen ſolche den leidenden Perſonen, mit 
der Bitte, ſich gehoͤrig damit zu raͤuchern, und den Erfolg davon mir 
un partheyiſch wiſſen zu laſſen. 


Man that mir dieſe Gefaͤlligkeit; und es mußte mir die groͤßte Ders 
wunderung verurſachen, da mir von einer jeden dieſer verſchiedenen Pers 
ſonen die naͤmliche Art von Wuͤrmern, ſo man nach dem Gebrauche des 
Mittels im Waſſer gefunden hatte, uͤberbracht wurde. Jedoch, fo übers 


Wuͤr mer in Zähnen. Ee ein 


918 ce u 2 


einſtimmig in dieſem Stucke die Auſſage aller dieſer Perſonen war; fo ver, 
ſchieden lautete fie in Anſehung der dadurch erlangten Huͤlfe. Einige 
waren des Zahnſchmerzens unmittelbar darauf loß geworden; einige hat⸗ 
ten darauf gar keine Linderung verſpuͤhret; und noch andere verficherrenr 
daß es gar noch aͤrger und der Schmerz weit heftiger geworden wäre 
Dieſer ſo ungleich lautende Anhang war mir freylich ſo gar angenehm 
nicht; indeſſen waren doch bey allen Wuͤrmer, und zwar einerley Art 
Wuͤrmer, abgetrieben worden. Wer weis, dachte ich, ob nicht etwan 
diejenigen Perſonen, welche den guten Erfolg nicht ſo, wie die andern, 
empfunden haben, beym Gebrauche dieſes Mittels etwas uͤberſehen, und 
daſſelbe nicht ſorgfaͤltig und lang genug moͤgen gebraucht haben? Ich 
achtete es dahero am rathſamſten bey erſterer Gelegenheit in meiner Ger 
genwart ſelbſt die Probe machen zu laſſen. Es fand ſich auch gar bald 
eine Perſon, wo ich den Verſuch machen konnte. Ich ließ dieſelbe auf 
mein Zimmer kommen; ich bereitete alles noͤthige ſelbſt dazu her, und ließ 
das, was dabey zu veranſtalten und zu verrichten war, ganz allein durch 
meine Haͤnde gehen. Nachdem die Cur vorbey, vermeynte die kranke 
Perſon, daß der Schmerz zwar etwas geringer, jedoch uͤberhaupt es nicht 
gar viel beſſer fey. Da ich aber den Topf in die Hoͤhe hob, waren, wie 
allezeit, Wuͤrmer im Waſſer. N 


Nach ſolchen ſo vielfachen Verſuchen konnte ich nun ſo viel gewis 
und mit Zuverlaͤßigkeit ſchließen: daß bey dem Gebrauche dieſes Mittels, 
wenn damit auf die beſchriebene Weiſe verfahren wuͤrde, ſich allezeit, ob— 
gleich bald mehrere, bald wenigere, der gemeldten Wuͤrmer vorfaͤnden. Es 
war alſo nur dieſes noch zu entwickeln, ob nicht etwan dieſe Wuͤrmer zu⸗ 
faͤlliger Weiſe moͤgten von außen dazu gekommen, oder allererſt von den— 
jenigen Dingen entſtanden ſeyn, deren man ſich bey dieſem Huͤlfsmittel 
zu bedienen habe. Allein, ich konnte durch nichts auf die geringſte Spur 
von etwas dergleichen kommen. N 


Dieſe Wuͤrmer waren durchgehends und in allen Stücken einander 
gar zu ähnlich, welches bey fo verſchiedenen Verſuchen von blos zufaͤlli⸗ 
gen und fremden Urſachen unmoͤglich wuͤrde erfolget ſeyn. Von dem 

Topfe, 


CE 219 


Topfe, von dem Eiſen, von der Schuͤſſel und dem Waſſer ließ ſich auch 
nichts dergleichen vermuthen. Dieſe waren, wenigſtens, da bey mir der 
Verſuch gemacht worden, von mir vorhero ſo genau beſichtiget und gerei⸗ 
niget worden, daß kaum ein Staͤubgen, geſchweige dann dergleichen ficht, 
bare Würmer oder Körper, hätten irgendwo hangen und verborgen bleis 
ben können. Ich unterſuchte das Wachs, davon ich gebrauchet hatte, 
und ich konnte auch an demſelben nicht das Mindeſte, anch nur von weis 
tem, gewahr werden, das dieſen Wuͤrmern aͤhnlich geweſen waͤre. Ich 
nahm die Judenkirſchen in Unterſuchung. Ich beſahe und zerlegte die 
Schaale; ich beleuchtete das duͤrre Mark und Fleiſch derſelben; ich bes 
trachtete den nierenfoͤrmigen Saamen. Aber weder an jener, noch 
an dieſen, fand ich das allergeringſte Merkmaal von dem, wie dieſe 
Wuͤrmer gebildet und gebauet waren; von dem Saamen konnte ich um 
ſo weniger dergleichen Wuͤrmer vermuthen, da jeder em: nahe doppel ſo 
lang war als ein Saamenkorn. 


Eines fiel mir noch bey. Vieleicht, dachte ich, moͤgen dergleichen 
wurmaͤhnlichen Körper entſtehen, wenn Wachs und Judenkirſchen, je— 
des vor ſich allein, oder beyde miteinander vermenget, durch das Feuer 
gehen und davon veraͤndert werden. Ich pruͤfte auch dieſes; und nahm 
daher zuerſt Wachs allein, legte es auf das glüende Eiſen, und hielt es 
uͤber eine Schuͤſſel mit Waſſer. Allein, es wollten ſich aus den ſchmel— 
zenden und herabfließenden Wachſe keine Würmer erzeigen, ich mogte es 
auch noch ſo oft verſuchen. Ich wendete mich zu den Judenkirſchen. Al— 
lein, hier kam vollends nichts heraus. Kaum daß ich ſie auf das gluͤen⸗ 
de Eiſen geleget hatte, ſo gaben ſie zwar einen ſtark ſtinkenden Rauch von 
ſich, es verbrannte aber auch alles augenblicklich zu einer ſchwarzen 
Aſche, und von Wuͤrmern war nicht das Geringſte zu ſehen. Ich nahm 
endlich Wachs und Judenkirſchen, untereinander gemiſcht, und legte eis 
nige daraus verfertigte Kuͤgelgen auf das gluͤende Eiſen. Allein, auch 
dieſes war vergebens. Es wollten auch hier keine Würmer ſichtbar wer» 
den; man hoͤrete nur einiges Knarren, und ſahe, unter dem Verbren— 
nen das zerſchmelzende Wachs hin und wieder ſpruͤtzen, oder etwas aus 


demſelben wegſpringen. 
Ee 2 Und 


320 K 

Und nun wußte ich in Warheit ſelbſt nicht mehr, was weiter zu un⸗ 
terſuchen und vorzunehmen ſeyn moͤgte, um das Wahre und Eigentliche 
bey dieſem Gegenſtande zu entdecken. Ich konnte hoffen, auf meiner 
Seite hierbey alles Moͤgliche gethan zu haben, um, wo immer moͤglich, 
dahinter zu kommen, ob dieſe Koͤrper wahre Wuͤrmer waͤren, und ob ſie 
von etwas andern, als aus den Zaͤhnen, ihren Urſprung haͤtten oder nicht? 
Da nun alles angezeigtermaßen fuͤr das Erſtere ausgefallen war; was 
konnte ich dann noch vor ein Bedenken und Anſtand nehmen, der Mey— 
nung beyzupflichten: daß dieſe Zahnwuͤrmer ein beſonders Wurm⸗ 
geſchlechte wären, und daß das angeruͤhmte Mittel fie toͤdte 
und abrreibe. 

Meine Leſer duͤrfen zwar nicht glauben, als ob unter den erſtgedachten 
Verſuchen nicht gleich vom Anfange hier und da manches Zweifelhafte und 
Bedenkliche mit untergelauffen ſey. Nein, ich habe ſchon eines ſolchen 
Umſtandes oben, als im Vorbeygehen, erwaͤhnet; und ich werde in dem 
folgenden Abſchnitte noch mehr davon anfuͤhren, wie ich nach und nach, 
und ſtufenweiſe auf den rechten Weg gekommen bin. Dermalen hab ich 
ſolches noch mit Fleiße zu uͤbergehen vor gut gefunden. Wollte man ſich 
indeſſen noch einmal die Muͤhe geben, und alles, was bisher von mir an⸗ 
gefuͤhret worden iſt, in kurze Saͤtze bringen; fo wuͤrde gewis nichts wahr⸗ 
ſcheinlichers ſeyn, wo nicht gar, als ganz augenſcheinlich gewis und zus 
verlaͤßig koͤnnen behauptet werden, als daß es mit dieſen Zaͤhnwuͤrmern, 
und dem Mittel wider ſie, ſeine ausgemachte Richtigkeit habe. 


Sollte noch etwas abgehen, ſo moͤgte es dieſes ſeyn: dieſe neue Wurm⸗ 
art auch in ihre Ordnung, Claſſe und Geſchlecht anzuweiſen. Vieleicht 
wurden fie einige vor eine Gattung Milben halten. Vieleicht moͤgte fie 
ein Anderer unter die Schlangenwuͤrmer rechnen. Und wer weis, ob 
nicht diejenigen, die in unſern Tagen alles mit Polypenaugen anſehen, und 
zu Polypen machen, die groͤßte Urſache finden moͤgten, auch dieſe Wuͤr— 
mer vor eine neue Polypenart zu erklaͤren. Ihr inneres gekoͤrntes Ges 
baͤude, und ihr doppelter Schwanz, koͤnnte fie wenigſtens nicht ohne alle 
Wahrſcheinlichkeit anf dieſe Gedanken bringen, 4 

nd 


re 221 


Und auf dieſe Weiſe genüger mir, in dieſem Abſchnitte ausgeführee 
zu haben, wie mehr als Eines allerdings zu beſtaͤttigen ſcheinet, was man 
von dieſen Zahnwuͤrmern, und dem Mittel dagegen, zu erzaͤhlen pfleget. 


ee e e . wee e e e e e e e e e 


Dritter Abſchnitt. 


Andere mit den vermeyntlichen Zahnwuͤrmern gemachte 
Verſuche, in ſo fern ſie die offenbareſten Zeugniſſe ſind, daß 
es mit dieſen Wuͤrmern, und alſo auch mit dem dagegen 
angeruͤhmten Huͤlfsmittel, lauter Irrthum, Vor: 
urtheil und Blendwerk ſey. 

Och habe in der vorhergehenden Abtheilung mit einer Menge der wahr— 
10 ſcheinlichſten Gruͤnde dargethan, daß die mehrgedachten Zabnwuͤr— 

mer nichts anders, als wahre und eigentliche Würmer ſeyn könnten; 
und wie es keine Einbildung, ſondern Warheit ſey, daß das vorgefchlas 
gene Huͤlfsmittel die beruͤhrte Wirkung habe. Nunmehro werde ich alles 
gerad umkehren, alle dieſe Gruͤnde ſelbſt durch Gegengruͤnde beſtreiten, 
und erſtere in ihrer ganzen Schwäche und ihrem offenbaren Ungrunde aufs 
ſtellen. Ich ſchmeichle mir auch zum voraus, daß ich Jedem meiner Le— 
ſer vom Letztern uͤberzeugen werde. 

Zuerſt will ich diejenigen Umſtaͤnde anführen, die mir von verſchiede⸗ 
nen Seiten her dieſe Wuͤrmer, und das Huͤlfsmittel dagegen, gleich Anfangs, 
und nachher allmählig immer mehr und mehr, zweifelhaft gemacht haben. 
Sernach werde ich, durch lauter Sinnlichkeiten, die völlige Unmoͤglichkett 
und die offenbare Betrüͤglichkeit erweiſen. Und damit alles erſchoͤpfet 
werde, will ich drittens, den wahren Urſprung dieſer Wuͤrmer, woher 
ſie kommen, und was ſie eigentlich ſind, auch die Urſachen beybringen, 
warum jenes Huͤlfsmittel, ohne daß Zahnwuͤrmer da ſeyen, und dieſe 
dadurch getoͤdtet werden, gleichwohl in Zahnſchmerzen ſeinen guten Nutzen 


ſchaffen koͤnne, und in gewiſſen Fällen wirklich habe. 
Se 3 So 


222 en u og 


So lang ich die bey der obgedachten Eur gebrauchten Werkzeuge 
nicht geſehen hatte; ſo lang war mir eben nach dem bloßen Augenſcheine 
wider die vor mir gehabten Würmer kein beſonderer Zweifel aufgeſtiegen. 
So bald ich aber dieſe Werkzeuge zu Geſichte bekommen hatte, ſo wurde auch 
fo gleich mancher Zweifel bey mit rege. Ich fand alſobald die eine Haupt 
oͤffnung im Boden ſo klein gemacht, daß ich mir nicht vorſtellen konnte, 
wie die in den Zähnen ſich befindenden Würmer, entweder für ſich, oder 
mit dem Speichel, und zwar ganz allein, durch dieſe Oeffnung hindurch, 
und ins Waſſer hinab fallen ſollten, ohne, daß oben auf dem Boden 
ſelbſt einer und der andere je zu liegen kaͤme; welches jedoch ausdruͤcklich 
von allen, die den Verſuch gemacht hatten, verneinet wurde. Ich konnte 
mir ferner davon keinen Begriff machen, wie, wenn ſich in einem hohlen 
Zahne des untern Kinnbackens, als welches der oben erzählte Fall war, 
Wuͤrmer befaͤnden, dieſe ihren Weg erſt aus dem Zahne ganz gerad oder 
ſchraͤg in die Höhe, und hierauf in einer geraden Linie nehmen, endlich 
aber alle bis vor die kleine Oeffnung gebracht, und dadurch ſaͤmmtlich hin⸗ 
ab fallen ſollten? Dieſes ſchien mir alsdenn um ſo unfaßlicher zu ſeyn, 
wenn der leidende Zahn einer von den zween letztern Backzaͤhnen ſeyn ſollte, 
indem ſich, wegen der Backen, der Lippen, und der Lage dieſer Zähne 
noch mehrere Schwuͤrigkeiten finden würden, lebendigen oder todten Würs 
mern, einen ſolchen Ausgang und Weg einzugeſtehen. 


Mein Verdacht wurde bey weiterm Nachdenken immer ſtaͤrker. Selbſt 
die Anzahl der Wuͤrmer, die ſich bey jeder einzeln gemachten Probe vors 
gefunden hatten, trug das Ihre nicht wenig bey. Man hatte derſelben 
oft zwanzig und dreyßig gezaͤhlet. Wie konnte doch dieſe Menge in ei— 
nem einzeln hohlen Zahne, wenn man ſich auch die Hoͤhle deſſelben noch 
ſo groß vorſtellen wollte, Platz und Raum gehabt haben? Ja, da bey 
einigen Perſonen, wie oben erinnert worden iſt, dieſe Anzahl noch nicht 
einmal Linderung geſchaffet hatte, fo war muthmaßlich, daß noch mehres 
re müßten zurück geblieben ſeyn. Kann aber wohl ein einziger Zahn zu 
einem ſolchen erſtaunlichen Wurmneſte geräumig genug fich vorgeſtellet 
werden? Zumal, da dieſe Menge von Wuͤrmern im Leben auch noch 
g Raum 


n N 223 


Raum gehabt haben mußten, um ſich bewegen zu koͤnnen, und eben das 
durch den Schmerz zu verurſachen. Dieſes war mir im hoͤchſten Grade 
unwahrſcheinlich, und vollkommen unglaublich. 


Als ich obgemeldtermaßen mit einer Perſon auf meiner Stube die 
Probe machte, ſo ließ ich das erſtemal den Topf bey Seite, und fieng, 
wie ich es ſonſt geſehen und geleſen hatte, den Rauch mit einem Trichter 
auf. Allein, es wollten auf dieſe Weiſe keine Wuͤrmer zum Vorſcheine 
kommen, ob ich es gleich einigemal hintereinander verſuchte. Ich nahm 
hierauf den Topf wieder zu Huͤlfe; und da waren auch alfobald die Würs 
mer, wie je und allezeit, zugegen. Dieſer ſeltſame Erfolg machte mir 
mehr, als alles Bisherige, Argwohn! Und da gedachte Perſon, wie gemel— 
det worden iſt, nach dem Gebrauche dieſes Mittels gleichwohl keine voͤllige 
Huͤlfe verſpuͤhrte, ſo nahm ich den Verſuch noch einmal, ohne den Topf, 
vor. Nun wollten zwar auch dießmal keine Wuͤrmer in das untergeſtellte 
Waſſer fallen. Als ich aber auf dem Tiſche, den ich vor dieſem Verſuche 
nochmals ſorgfaͤltig abgekehret und abgewiſchet hatte, nachſahe, fand ich 
ganz weit von der Schuͤſſel einen dieſer Wuͤrmer liegen. Dieſer Zufall 
machte mir folgends die Sache verdaͤchtig, und brachte mich von da an 
zu ſolchen Gedanken und Beranftaltungen, vermoͤge welcher ich endlich übers 
jeuget wurde, daß dieſe ganze Geſchichte wirklich ein eiteles Vorurtheil ſey. 


Vieleicht, dachte ich, hat es mit dieſen Zahnwuͤrmern eben die Bes 
ſchaffenheit, wie mit jener Fabel vom guͤldenen Fahne eines ſchleſiſchen 
Knabens. Nachdem ſich die Herren Gelehrten, wegen der natuͤrlichen 
Moͤglichkeit eines ſolchen guͤldenen Zahnes lang genug herumgetrieben, 
und einer dem andern über ſeine Meynung verketzert hatten; ſo verwan— 
delte ſich endlich der ganze Streit in ein leeres Nichts. Denn es fand 
ſich am Ende, daß der Zahn nie vom Golde geweſen war (). Wer weis, 

f urthei⸗ 
() Da Herr D. Krüger dieſe Geſchichte in ſeiner Naturlehre. Theil II. Cap. IV. 
$: 47. Seit. 89. nach ſeiner lebhaften Schreibart auf eine Weiſe anfuͤhret, die 


mit dem Zwecke meiner Abhandlung viele Gleichheit hat; ſo trage ich Wie 
en, 


224 e e 


urtheilte ich, ob am Ende hier nicht eben dergleichen etwas heraus kom⸗ 
men wird. Muthmaßungen hatte ich aus dem Angefuͤhrten genug dazu, 
und es kam nun auf weiter nichts, als auf den Erfolg desjenigen Ver⸗ 
ſuches an, der es klar machen ſollte. Ich glaubte an mir ſelbſt die beſte 
und ſicherſte Probe machen zu koͤnnen. Zwar bin ich GOtt Lob! den 
Zahnſchmerzen bis itzo nicht unterworfen. Allein, eben auf dieſe Weiſe 
vermuthete ich am erſten erfahren zu koͤnnen, ob dieſe Wuͤrmer ihren Ur⸗ 
ſprung aus Zaͤhnen haͤtten, oder nicht? 


Ich machte ſolchemnach den Verſuch zuerſt ohne den Topf. Allein, 
auf die Art gab es, wie es auch oben geſchahe, keine Würmer. Ich bes 
diente mich daher zum andernmale des Topfes; und hier ſahe ich wieder 


die 

ken, ſie hier beyzuſetzen. „Die Geſchichte, ſpricht er, iſt ſo luſig / und 400 die 
„Schwaͤche dererjenigen, welche die ſchwereſten Sachen ganz leicht begreifen, fo 
deutlich, daß ich mich nicht enthalten kan, ſie zu erzaͤhlen. Im Jahr 1593. 

nentſtund das Geruͤchte, daß einem Kinde in Schleſien, den im sten Jahre die 
„Zaͤhne ausgefallen waren, an ſtatt des Backzahnes ein neuer guldener Zahn gewach⸗ 
„ſen wäre. Dieſes war eine Gelegenheit, da die Gelehrten ihre Kunſt in Unter⸗ 
„ſuchung natürlicher Begebenheiten beweiſen konnten. Daher konnte es nicht feh⸗ 
„len, es mußte Horſt, ein Profeſſor der Arzneykunſt zu Helmſtaͤbt, im Jahr 1595. 
„eine Hiſtorie von dieſem Zahne ſchreiben, darinnen er behauptete, daß es theils 
„natuͤrlich, theils uͤbernatuͤrlich zugehe; ja GOtt habe ihn deswegen wachſen 
„laſſen, damit die Chriſten, die von den Tuͤrken gedraͤnget wuͤrden, dadurch ge⸗ 
v troͤſtet werden moͤgten. Freylich war es wohl ein großer Troſt vor die Chriſten, 
„daß ein Kind einen güldenen Zahn hatte, und man kan leicht denken, was zwiſchen 
„den Tuͤrken und einem guͤldenen Zahne vor ein Zuſammenhang ſey. Horſt ſollte die 
. von einer fo wichtigen Materie geſchrieben zu haben nicht allein: befigen. 

„Daher ſchrieb Ruland noch in demſelben Jahre eine neue Hiſtorie von dieſem 
„gahne. Nun hat es von allen Zeiten her Leute gegeben, deren Art es mit ſich 
„bringet, andern zu widerſprechen. Darum ſchrieb Ingolſtaͤter wider die Mey⸗ 
„nung, die Ruland von dieſem Zahne behauptet hatte; und Ruland that ſehr 
„wohl, daß er ſogleich eine ſchoͤne und gelehrte Antwort darauf verfertigte. End⸗ 
»lich ſuchte Libau alles das zuſammen, was von dieſem Zahne ſchon geſchrieben 
„worden war, und ſetzte noch ſeine eigene Gedanken hinzu. Dieſes war alles vor⸗ 
„ treflich; aber das war ſchlimm, daß der Knabe niemals einen guͤldenen Zahn ger 
„habt hatte. Denn als ein Goldſchmied denſelben unterſuchte: ſo fand er, daß 

man ein Goldblaͤttgen mit vieler Geſchicklich keit uͤber den Zahn geklebet hatte, 


une 225 


die Menge Wuͤrmer im Waſſer liegen. Da ich nun vorher keine Zahn, 
ſchmerzen gehabt hatte; ſo konnte ich nimmermehr glauben, daß dieſe 
Wuͤrmer ſollten in meinen Zaͤhnen geweſen ſeyn, ohne ſie, und von 
ihnen Schmerzen, empfunden zu haben. Um aber der ganzen Wurmge— 
ſchichte den letzten Stoß zu geben, ſo machte ich den letzten Verſuch mit 
ihnen, und zwar ſo, daß, nachdem ich alles gewoͤhnlicher Weiſe zugerichtet, 
den Topf ins Waſſer geſetzet, und die Kügelgen auf das gluͤhende Eiſen 
innerhalb den Topf gebracht hatte, ich mich mit dem Munde ſo wenig 
dem aufſteigenden Rauche naͤherte, daß ich mich vielmehr augenblicklich 
zu ruͤck begab, und den Rauch ungehindert in die Luft empor ſteigen ließ. 
Und wie wunderbar! Auch itzo waren dieſe beruͤchtigten Zahnwuͤrmer, wie 
vorher, in Menge vorhanden. Beweis genug von dem Betruge und der 
Unmoͤglichkeit, daß dieſe Würmer in den Zähnen wohnen, und durch den 
Rauch von den Judenkirſchen getoͤdtet und abgetrieben werden ſollen! 


Man mache mir hier nicht den Einwurf, warum ich nicht gleich das 
erſtemal fo, wie zuletzt, verfahren ſey? Denn eben dieſes dienet zu einem 
Zeugniſſe, wie leicht eine Sache oft zu entdecken waͤre, wenn uns jedes— 
mal ſogleich der rechte Gedanke beyfiel, und wenn man nicht durch Vor⸗ 
urtheile, und dadurch, daß man etwas ſchon vor bekannt und richtig an— 
nimt, in der Irre gefuͤhret, und durch ſcheinbare Gründe ſehr lang hers 
um getrieben wuͤrde. Nebſt dem kann ich auch gar nicht in Abrede ſeyn, 
daß mir dieſer letztere Verſuch manchmal in die Gedanken kam; ich wollte 
ihn aber, meinem dermaligen Zwecke gemäß, mit Fleiße zuletzt verfpahren. 

Dieß aber moͤgte man mir entgegen ſtellen: wie zwar zureichend ins 
Licht geſetzet und erwieſen worden ſeye, daß man dieſe vorgeblichen Wuͤr— 
mer fuͤr keine wahren halten koͤnne. Allein, es frage ſich eben daher: 
Was es denn fonft vor Rörper ſeyn mögen; wie es zugehe, daß 
fie nur auf die gemeldte Art zum Vorſcheine kommen; und was 
die Urſache ſeyn muͤße, daß der Gebrauch des vorgeſchlagenen 
Suͤlfs mittels gleichwohl die Zahnſchmerzen, wo nicht allezeit, 
doch meiſtentheils, zu ſtillen pflege? Ich hoffe im Stande zu ſeyn, 
dieſe drey nicht uneben vorgebrachte Fragen, und zwar ganz ſinnlich, aufs 
loͤſen zu koͤnnen. 


Wuͤrmer in Zähnen. Ff 7 0% Was 


* 


226 W i 


Was die erſte Frage betrift; fo ſucht man freylich, wie ich oben ſchon 
gedacht habe, dieſe anſcheinenden Wuͤrmer in entfernten aͤußerlichen Urs 
ſachen, in dem bey dieſem Huͤlfsmittel gebrauchten Werkzeuge, im Wach⸗ 
fe, und in Judenkirſchen, deffen Schaale und Fleiſche, ganz vergebens. 
Sollen ſie aber ja wo ſtecken, ſo moͤgte der nierenfoͤrmige Saame noch 
am wahrſcheinlichſten eine Vermuthung dazu geben. Vieleicht ſind ſie 
der in jedem Saamenkorne verborgen liegende Keim der Pflanze? 

Ich geſtehe es, dieſe Muthmaſſung gieng mir nicht ſo bald bey, als ſie 
mir nicht zugleich auch ſehr wahrſcheinlich vorkam. Nur ſtund ich darinn 
an, daß eines theils jeder anſcheinende Wurm viel zu groß war, als daß 
er in dieſem Saamenkoͤrngen ſollte Platz haben koͤnnen; und daß andern 
theils ich mir gar nicht vorſtellen konnte, wie dieſer Keim auf die erzaͤhlte 
Weiſe, und vermoͤge der gemeldten Behandlung, auf einmal ſichtbar wer⸗ 
den, und ſich auf eine fo beſondere Art aus feinem Gehäufe oder feiner 
Huͤlſe entwickeln ſolte? Jedoch, da mir wahrſcheinlich vorkam, daß, im 
Falle letztere Meynung Grund haben ſollte, ſolches wohl ohnlaͤugbar der 
Hitze des gluͤenden Eiſens, und dem dadurch zerſchmelzenden Wachſe zu zu⸗ 
ſchreiben ſeyn moͤgte; fo glaubte ich ſolches dadurch am eheſten und gemifs 
ſeſten erfahren zu koͤnnen, wenn ich eine Menge dieſer Saamenkoͤrner von 
Judenkirſchen im ſiedenden Waſſer aufquellen und kochen wuͤrde. Ich 
verſuchte es, und fand, daß ich nicht uneben geurtheilet hatte. Denn 
aus den meiſten dieſer Saamenkoͤrner hatte ſich unter dem Kochen und Auf 
ſieden der Keim ſo ſtark heraus begeben, daß er der Huͤlſe nur noch gar 
wenig anſaß (). 

Ich beſahe verſchiedene dieſer Keime auf das genaueſte, und fie mas 
ren den vermeyntlichen Zahnwuͤrmern volkommen gleich. Ich zerdrückte 
ſie; ich zergliederte ſie; ich brachte ſie unter die Vergroͤßerung; und kein 
Ey kann dem andern fo gleich kommen, als dieſe Keime den mehrgedach⸗ 
ten Würmern. Bey dieſen eraͤugten ſich, wie bey jenen, einerley Er, 
ſcheinungen und Beobachtungen. Und da ich einige dieſer Körner abloͤ— 
ſete, und ſie mit einer Stecknadel etwas behandelte, ſo wurde jeder auch 
doppelſchwaͤnzig. Um aber zu ſehen, was der Keim in dem Saamenkor⸗ 


. ne 
19 Fig. II. b. C. Fig. VII. A. A b. 


CE u 227 


ne vor eine natuͤrliche Lage habe; fo quellte ich eine Menge derſelben einige 
Tage lang im Waſſer auf. Als ich ſie nachmals zergliederte, fand ich, daß 
jeder Saame drey weſentliche Theile habe, nämlich, eine äußere Schaa— 
le, ein inneres Mark oder Fleiſch, und einen in einer hohlen Rundung 
liegenden Keim. Und hieraus erhellet zur Gnuͤge, was dieſe anfcheinen» 
den Zahnwuͤrmer nach der Warheit ſind. Sie ſind nichts weniger, als 
Wuͤrmer, oder Geſchoͤpfe, ſo zum Thierreiche gehoͤren; ſie ſind aus 
dem Pflanzenreiche, der Keim von den Saamenkoͤrnern der Ju⸗ 
denkirſchen. 

Auf die zweyte Frage, wie dieſer Keim auf die beſtimmte Behand 
lung zum Vorſcheine komme, laͤßt ſich auch mit Grunde antworten. 

Zuvoͤrderſt werde ich aus ber Kraͤuterkunde und der Koͤrperlehre als 
ausgemacht annehmen duͤrfen, daß der gleichſam auf eine gewaltſame Wer 
fe und in einer hohlen Rundung in dem Saamenkorne liegende und eins 
geſperrte, darneben aber mit einer Schnellkraft begabte Keim, eine ber 
ſtaͤndige Neigung habe, und ſich bemuͤhe, eine andere Richtung anı 
zunehmen. Ich werde ferner, aus den naͤmlichen Urſachen, für bekannt 
vorausſetzen koͤnnen, daß dieſe Bemuͤhung wirkſam werde, und eine an. 
dere Richtung wirklich erfolge, fo bald der Widerſtand gehoben worden iſt. 
Man wird es endlich drittens vor ebenfalls ſchon erwieſen gelten laſſen, 
daß Letzteres durch eine gewiſſe Art von Feuchtigkeit und durch einen ges 
willen Grad der Hitze, bald mehr, bald weniger, koͤnne befoͤrdert und bes 
ſchleuniget werden. 

Wendet man nun dieſe Saͤtze auf den gegenwärtigen Fall an; fo fin, 
det ſich, daß die zwo erſtern Bedingungen aus dem vorhergehenden ihre 
ungezweifelte Richtigkeit haben. Der Keim iſt mit einer Schnellkraft vers 
ſehen; er iſt in dem Saamenkorne ganz beſonders eingeſperret und zuſam— 
mengedruckt; er muß alfo eine beſtaͤndige Neigung haben, und eine 
Bemuͤhung anwenden, eine andere Richtung anzunehmen; und dies 
ſe muß wirklich ſo bald erfolgen, als der Widerſtand gehoben wird! Es 
wird alſo nur noch der dritte bedingte Satz zu erweiſen ſeyn. 

Daß das Wachs, wenn es ſchmelzet, eine Art fluͤßiger Feuchtigkeit 
vorſtellet, wird niemand in Anſprache nehmen. Wenigſtens wird man 

Ff 2 N es 


228 e 


es für eine ſolche Fluͤßigteit annehmen koͤnnen, die nicht nur die Saa⸗ 
menkoͤrner auf eine kleine Zeit vor dem Verbrennen bewahret, ſondern ih— 
nen auch in einer ungemein großen Geſchwindigkeit einen ſo ſtarken Grad 
der Hitze ertheilet, als auf eine andere Art eben nicht erfolgen moͤgte. Denn 
da das Wachs, wie aus der Naturlehre bekannt iſt, im Sieden einen weit 
größern Grad der Hitze erlanget, als das ſiedende Waſſer; fo muß auch 
dem im ſiedenden Wachſe ſich befindenden Saamenkorne und Keime ein 
weit groͤßerer Grad der Hitze zu Theile werden, als wenn er im ſiedenden 
Waſſer lieget. Da ferner dieſes Wachs auf dem gluͤenden Eiſen faſt in 
weniger als einem Augenblicke zum ſchmelzen und aufſieden gebracht wird; 
fo müffen auch, in Anſehung des Saamenkornes und des Keimes, dies 
jenigen Veraͤnderungen und Entwickelungen ganz ungemein ſchnell auf 
einander folgen, die ſonſt bey der ordentlichen Luft- und Sonnenwaͤrme, 
ja ſelbſt im ſiedenden Waſſer, nur nach und nach entſtehen. Da endlich 
bey gewiſſen Koͤrpern und in gewiſſen Umſtaͤnden durch eine ſchnelle und 
ſtarke Hitze nicht nur die Schnellkraft vermehret, ſondern zugleich auch 
ihr Widerſtand vermindert und gehoben werden kann; fo frift dieſes eben 
in dem gegenwaͤrtigen Falle zu, und macht begreiflich, wie der Keim in 
angezeigten Umſtaͤnden eine ſolche Gewalt auf einmal uͤberkommen fönne, 
daß er das Saamenkorn ausdehne, die Schaale öffne, und nach Art eis 
ner rundgefpannten und ploͤtzlich loßgelaſſenen Springfeder wegſchnelle. 
So ſtelle ich mir wenigſtens die Sache aus angefuͤhrten Urſachen vor! 


Damit mich aber gleichwohl Niemand beſchuldigen moͤge, als ob dieſe 
erſtangeführte Entwickelungsart des Keimes lauter willkuͤhrlich angenom— 
mene Saͤtze waͤren; ſo will ich dieſelbe ſo gar aus allen Kleinigkeiten der 
bey dieſer Zahncur ſich Außernden Umſtaͤnde, und aus der Geſtalt der 
herausgetriebenen und abgeſchnellten Keime, ſelbſt erweiſen. 


Die meiſten der vorgeblichen Zahnwuͤrmer haben am Kopfe und 
an dem Schwanze einen braungelben Punct oder Flecken (). Was iſt 
dieſer anders, als das Merkmaal, wie das Feuer den Keim in der Ge⸗ 
gend, wo er dem Knoten anlag, muͤſſe angegriffen und verſenget haben? 
Die meiſten dieſer Würmer haben eine halbrunde Geſtalt **). Iſt das 

nicht 
) Fig. IX. X XI. b. fr ( Fig. J. III. VIII. m 


EZ 229 


nicht ein Anzeigen, theils der natuͤrlichen Saage des Keimes, als er 
noch im Saamen verſchloßen war; theils ſeiner bey erfolgter Hitze 
geaͤußerten Schnellkraft. Die größte Anzahl dieſer Wuͤrmer find dops 
peltſchwaͤnzig (“). Iſt dieſes aber nicht auch den Keimen gemein und 
eigen, daß ſie ſich an dem einen Ende theilen? Sie haben eine aͤußere 
Haut, und beſtehen innerlich aus lauter weißen Kuͤgelgen oder Koͤrner— 
gen (**). Sind das nicht die erſten Grundlagen der Pflanzengefaͤße, der 
Saft, und Saugröhren, der Knoͤtgen, die auch ſchon im Keime vorhan— 
den ſind? Wird man ſich hiebey zugleich erinnern, was ich oben von ei— 
nem Knattern, Spritzen und Wegſchnellen angefuͤhret habe, welches jes 
desmal bey dem Schmelzen des Wachſes und dem Verbrennen der Ju— 
denkirſchen beobachtet wird; ſo iſt auch dieſes eine Beſtaͤttigung meiner 
Meynung. Ja ich habe wirklich einmal ein ſolchen Saamenkorn unter 
den andern verbrannten gefunden, wo ſich unter dem Zerplatzen der Keim 
nicht ganz entwickelt hatte, und davon man ſich aus der Abbildung den 
beſten Begriff machen kann (*). 

Es erweiſen aber alle ifo angefuͤhrten Umſtaͤnde zugleich auch dieſes, 
daß das ganze bey dem Gebrauche dieſes Mittels wider die angeblichen 
Zahnwuͤrmer vorgeſchriebene Verfahren in allen Stuͤcken feinen zureichen, 
den Grund habe. Denn da, wie ich aus der angefuͤhrten Geſchichte als 
lekannt annehmen kann, durch dieſes Mittel nicht etwa blos die Zahn— 
ſchmerzen geſtillet, ſondern dadurch zugleich und vornaͤmlich Wuͤrmer 
ſichtbar werden ſollen; ſo erfolget letzteres freylich nicht anders, wenisfteng 
nicht ſo leicht und ſicher, als nach der angegebenen regelmaͤßigen Vorſchrift. 


Wollte man Judenkirſchen allein, oder die aus ihnen und dem Wachſe 
verfertigten Kuͤgelgen, auf Kohlen, oder in ein Kohlpfaͤnngen, werfen; 
fo würde zwar der Rauch entſtehen, und die anſcheinenden Würmer oder 
Keime wuͤrden ſich vieleicht auch manchmal entwickeln und abſchnellen; 
allein, ſie würden zugleich auch in die Kohlen zuruͤck fallen, zur Aſche 
werden, und alſo unſichtbar bleiben. Dieſes macht das gluͤende Eiſen 
hiebey nothwendig, indem die Keime über ſolches hinüber ſchnellen, und 

alſo unverletzt erhalten werden. Wolle man die Judenkirſchen, ohne mit 
Ff 325 etwas 
OO Fig. IK. X. (*) Fig. IV. V. VI. C9 Fig. II. VIII. 


230 n . 


etwas anderm zu vermiſchen, an und vor ſich auf das gluͤhende Eiſen le⸗ 
gen, fo würden fie und ihre Saamenkoͤrner auf demſelben eher zuſammen 
brennen, als der Keim ſich zu entwickeln und wegzuſchnellen im Stande 
kommen würde. Dieſes ſcheinet das Wachs hiebey zu erfordern. Wie⸗ 
wohl auch dieſes, vermoͤge ſeines Rauches, zur Linderung der Zahnſchmer⸗ 
zen ſelbſt etwas beytragen mag. Wollte man die zubereiteten Wachskuͤ⸗ 
gelgen im Freyen auf das gluͤende Eiſen legen, fo würden die Würmer, 
oder entwickelten Keime, viel zu weit weg und auseinander ſpringen, als 
daß ſie jedesmal, ſonderlich demjenigen ſo gleich zu Geſichte kommen ſoll⸗ 
ten, der nicht zum voraus weis, daß bey dieſem Verſuche aus den Kuͤgel⸗ 
gen etwas Wurmaͤhnliches wegſpringet. Dieſes Wegſpringen wird durch 
den umgekehrten Topf verhindert, als an deſſen innern glatten Wand 
dieſe Wuͤrmer oder Keime anprallen, und hierauf innerhalb demſelben 
niederfallen. Nicht zu gedenken, daß der Topf das Wegſpringen und 
Herabfallen der Würmer aus den Kuͤgelgen ſelbſt unſichtbar macht, und 
alſo die Entdeckung des Betrugs um fo mehr verhuͤtet. Wollte man end» 
lich den Topf mit dem darein geſteckten Eiſen blos auf einen Tiſch, Bo⸗ 
gen Pappier, oder dergleichen etwas ſtellen; fo würde zwar alles gehörig 
erfolgen, und die Wuͤrmer wuͤrden ſichtbar werden. Allein, da zugleich 
der Speichel durch die obere Oeffnung des Topfes hinabgelaſſen wird, ſo 
wuͤrde dieſes einen unreinen und etwas eckelhaften Anblick verurſachen. 
Dieſem wird durch das Waſſer in der Schuͤſſel, worein der Topf ges 
ſtellet wird, abgeholfen. Wie es denn auch natuͤrlicher ausſiehet, wenn 
die Würmer auf dem Waſſer ſchwimmen. Und vieleicht kann eine mit 
Fleiß erregte oder zufaͤlige Bewegung des Waſſers, ſonderlich, wenn nach 
dem Verſuche der Topf ſchnell in die Hoͤhe gehoben wird, dieſen Wuͤrmern 
gar eine ſolche Bewegung mittheilen, welche die verblendeten Sinne und 
betaͤubte Einbildungskraft vor ein wahrhaftes Schwimmen und wirkliches 

Leben dieſer vermeintlichen Wuͤrmer anſehen und erklaͤren moͤgten. 
Iſt dieſes nicht ein recht kuͤnſtliches und bey nahe weißlich erfundenes 
Spielwerk? Hat nicht bey dieſem Betrugsmittel alles ſeinen guten Grund 
und ſeine eigene Urſache? Und mögte es nicht faſt ſchwer fallen, zu bes 
ſtimmen, ob ale dieſe Dinge eben fo von ohngefaͤhr und zufäliger Weiſe 
nach 


. 


un R 231 


nach und nach ſich begeben haben, oder ob fie mit gutem Bedachte aus, 
geſonnen, und mit einander verbunden worden ſeyn. So viel Muͤhe und 
Fleiß verſchwendet der Menſch, um andere zu verblenden und zu betrugen! 


Ich komme nunmehro auf den letzten Umſtand, welchen ich nach mei⸗ 
nem obigen Verſprechen noch zu eroͤrtern habe. Er betrift die Frage: 
Warum der Gebrauch dieſes Huͤlfsmittels gleichwohl das Zahnwehe Ins 
dere und gar vertreibe; ohnerachtet erwieſenermaßen das Vorgeben von 
den dadurch ſichtbar abgetriebenen Wuͤrmern falſch und erdichtet iſt? Ich 
ſtelle mir dieſe Wirkungsart ohngefaͤhr fo vor, und uͤberlaſſe eine nähere 
oder beſſere Beſtimmung den Herren Arzneygelehrten. 


Es iſt bekannt, daß die Zahnſchmerzen (odontalgia), ob ſie gleich 
überhaupt genommen, insgeſammt und allezeit eine widernatuͤrliche Bes 
ſchaffenheit oder Reitz der Nerven zum Grunde haben, gleichwohl in ein, 
zelen Faͤllen aus gar verſchiedenen Urſachen entſtehen; und daß ſie bald 
von einer Anhaͤufung, uͤblen Beſchaffenheit und Stockung der Säfte, 
bald von einer daher enſtandenen gewaltſamen Ausdehnung und Spans 
nung der Gefäße, bald von einer Säure, bald von wirklichen Würmern, 
und dergleichen, herkommen. Man weis ferner, daß gewiſſe Arzneymit⸗ 
tel eine reitzende und prickelnde Kraft haben (ſtimulantia), vermöge welcher 
ſie den Zufluß der Saͤfte zu einem gewiſſen Orte vermehren; daß andere Arz⸗ 
neymittel eine einſaugende und ſtumpfmachende Kraft haben (abforbentia), 
vermoͤge welcher ſie die Saͤure in ſich nehmen, einwickeln und unwirkſam 
machen; und daß noch andere, den Wuͤrmern ſchaͤdlich und toͤdtlich find 
(anthelmintica); ja, daß es gewiſſe Mittel giebt, in welche ſich dieſe ver⸗ 
ſchiedene Kraͤfte zugleich befinden. Sind aber dergleichen Mittel nicht 
eben ſolche, welche den obigen Urſachen der Zahnſchmerzen entgegen ſte⸗ 
hen, und welche alſo dieſelben zu heben, folglich auch den Schmerz ſelbſt 
zu lindern und zu vertreiben, vermoͤgen ſind 2 Und ſollte es wohl ſchwer 
fallen, von unſerm Huͤlfsmittel der Judenkirſchen die naͤmlichen Kräfte 
zu erweiſen? Ich will einen Verſuch machen. 


Die 


23% > 
Die Judenkirſchen (0) werden ihren eigentlichen Beſtandtheilen nach 
unter die Urintreibenden Mittel (diuretica) gerechnet. Ich glaube aber, daß 
dieſe hier in keinen Betracht zu nehmen ſind. Denn da nur ihr Rauch dabey 
wirket, ſo werden durch die vorhergegangene Verbrennung und Einaͤſche— 
rung ihre ſonſtigen und weſentlichen Theile viel zu ſehr verändert und zerſtoͤh⸗ 
ret, als daß fie noch weiters wirken koͤnnten. Wenigſtens bin ich in dieſem 
Stücke der Meynung vieler Naturlehrer, die dem Feuer ein ſolches Zers 
ſtoͤhren zuſchreiben. Mich duͤnket alſo, daß alle Wirkung dieſer Juden— 
kirſchen bey Zahnſchmerzen allein in demjenigen zu ſuchen, und davon herzu⸗ 
leiten iſt, was durch die Verbrennung in ihnen entſtehet und hervor gebracht 
wird. Dieſes iſt aber, wie die Chymie lehret, ein waͤſſeriges, oͤliges 
und ſalziges Weſen. Denn dergleichen wird aus allen Koͤrpern im 
Pflanzen- und Thierreiche durch das Verbrennen und Einäfchern hervors 
gebracht. Das Waſſer an ıfih, und fo fern es nicht mit den andern 
Theilen vermiſchet waͤre, moͤgte in Zahnſchmerzen von keiner großen Be⸗ 
deutung ſeyn. Da es aber mit jenen Theilen allezeit beſchwaͤngert iſt, 
in der Geſtalt des Rauches in die Hoͤhe ſteiget, und an dem leidenden Theil 
hingeleitet wird; fo giebt es gleichſam das Befoͤrderungsmittel (vehiculum) 
der oͤligen und falzigen Theile ab. Und dieſe letztern find die eigentlichen 
Theile, worauf es bey dieſer Cur ankommt. Das Oel iſt durch die Verbren— 
nung zu einem Stinkoͤl (oleum empyreumaticum) geworden; und das Salz 
gehoͤ⸗ 


(* Dieſes Kraut wird ſonſt auch Halicacabus, Phyfalis, Solanum veſicarium, 
Solanum halicacabum vulgare, Alkekengi offieinarum genannt. Die 
Pflanze hat eine vollkommene, einzele, regulaire, einblaͤtterige und trichter— 
aͤhnliche Blume, und gehoͤret alſo unter die zweyte Claſſe der Tournefortie 
ſchen Eintheilung. Sie hat einen einzeln Griffel und fuͤnf Staubfaͤden, und 
gehoͤret alſo, nach dem! Linnaͤiſchen Lehrgebaͤude, unter die erſte Abtheilung 
der fuͤnſten Claſſe (pentandria monogynia). Man giebt insgemein vor, daß 
der ſonſt ſaͤuerliche und angenehme Geſchmack der Kirſchen dieſer Pflanzen ſich in 
eine hoͤchſtunangenehme Bitterkeit verwandele, fo bald fie von bloſen Haͤnden ana 
geruͤhret wuͤrden. Es beſtehet aber der Irrthum eigentlich darinn, daß die Schaa⸗ 

le, in welcher dieſe Kirſchen liegen, bitter iſt, und bey dem Zerreißen derſelben 
1 den Fingern ſich angeſetzte, Bitterkeit unvermerkt auch den Kirſchen mitge— 
eilet wird. 


ee u” 233 


gehoͤret zu den flüchtigen Sangenfahen (fal alcali volatile). Da nun alle 
Stinkoͤle eine reizende und prickelnde Kraft haben, und zugleich, wie alle 
Oele, den Wuͤrmern unleidentlich ſind; alle Laugenſalze aber die Saͤure 
in ſich nehmen, und ihre ſchaͤdliche Wirkung ſchwaͤchen und daͤmpfen; ſo 
werden hoffentlich den verbrannten Judenkirſchen und deren Rauche die 
naͤmlichen Kraͤfte und Wirkungen nicht koͤnnen abgeſprochen werden, und 
es wird alſo gang ordentlich und nauͤrlich zugehen, wenn dieſes Mittel in ge— 
wiſſen Zahnſchmerzen bewaͤhret gefunden wird. Iſt eine Stockung der 
Säfte die Urſache des Zaͤhnſchmerzens, fo wird der Rauch von dieſen 
verbrannten Judenkirſchen, fo bald er in den Mund kommt, vermoͤge ſei— 
ner oͤligen Theile die Nerven reitzen und prickeln; es wird, nach dem be— 
kannten Veraͤnderungsgeſetze, ein ſtaͤrkerer Zufuß und eine vermehrte 
Abſonderung des Speichels erfolgen; es wird viel waͤſſeriges Weſen aus 
dem Munde fließen; die ſtockenden Säfte werden durch den vermehrten 
Trieb und die verſtaͤrkte Abſonderung aufgeloͤſet, verduͤnnet und damit 
die Stockung ſelbſt gehoben werden; das heißt, der Zahnſchmerzen wird 
auf einmal geſtillet ſeyn. Faſt ein gleiches wird erfolgen, wenn eine wi— 
dernatuͤrliche Spannung der Nerven den Schmerzen verurſachet; die her— 
bey gelockte und ſtaͤrkere Feuchtigkeit wird eine nachlaſſende und erweichen— 
de Kraft aͤußern, und dadurch Linderung verſchaffen. Iſt aber eine ge— 
wife Säure die Veranlaſſung der Zahnſchmerzen, fo wird der Rauch, 
vermoͤge feiner beſchwaͤngerten laugenfalsigen Theile, wirken; dieſe wers 
den die Saͤure in ſich ſaugen, einwickeln, und ihnen das Vermoͤgen 
nehmen, die Nerven weiter zu reitzen und zu prickeln; wiewohl ſolche 
Saͤure zum Theile auch durch den vermehrten Zufluß der Feuchtigkeit ge— 
ſchwaͤchet werden kann. Und wenn ſich endlich in den Zaͤhnen wahre und 
wirkliche Wuͤrmer finden ſollten, ob ſie gleich von anderer Art werden 
ſeyn muͤſſen, als die, von welchen ich in diefer Abhandlung geredet habe, 
fo wird fie der oͤlige Rauch ganz leicht und bald erſticken und toͤdten. 


Dieß iſt der Begriff, den ich mir von der naturlichen Wirkung dieſer 
Judenkirſchen und Stilung der Zahnſchmerzen mache; ohne jedoch damit 
denenjenigen vorgreiffen zu wollen, die alles auf eine andere und bequemere 
Wuͤrmer in Zähnen. Gg Art 


234 n N 

Art zu erklaͤren die Geſchicklichkeit haben. Indeſſen laßt ſich aus dieſer ange, 
gebenen naturlichen Urſache noch vielerley folgern. Einmal, da dieſes 
Mittel nur vermoͤge feiner oͤligen und langenſalzigen Theile in Zahnſchmer⸗ 
zen wirket; fo kann es unmöglich in allen Zahnſchme rzen Nutzen ſchaffen, 
und vom gutem Erfolge ſeyn. Und daher hat ſich auch bey obigen Ver⸗ 
ſuchen ausgewieſen, daß manchen Perſonen damit nicht geholfen wurde. 
Sweytens, da die eigentliche Wirkung dieſes Mittels dem Verbrennen 
und dem Rauche zu zuſchreiben; ſo wird der naͤmliche Nutzen auch von an⸗ 
dern Koͤrpern aus dem Pflanzen und Thierreiche zu erwarten ſeyn. Und 
daher wird auch wirklich der Tobacksrauch, der Rauch vom Papiere, von 
allerhand Harzen, und von einer Menge Kräuter, Wurzeln, und ders 
gleichen, für Zahnſchmerzen verordnet. Drittens, weil dieſes Mittel 
meiſtens durch den vermehrten Zufluß der Saͤfte, oder Einſaugung der 
Säure, feine Kraft aͤußert; fo wird es bey gewiſſen Mitteln nicht einmal 
des Verbrennens noͤthig haben. Das bloſſe Kaͤuen, das Auflegen und 
Hineinſtecken gewiſſer ziehenden Mittel, ja ſelbſt verſchiedene Arten von 
Kunſtgeiſtern, werden das Naͤmliche bewerkſtelligen. Und weil viertens 
blos der Rauch hiebey das Seine thut; ſo wird ſich von ſelbſt verſtehen, 
daß alle jene beſondern und ſeltſamen Anſtalten dabey unnuͤtz ſind, und 
daß, wenn es ſonſt Nutzen ſchaffen kann, ſolcher erfolgen wird, wenn 
man dieſe Judenkirſchen, oder dergleichen andere Kräuter und Saas 
menkoͤrner, auch nur allein auf Kohlen werfen und ſich damit raͤuchern 
wird. So viel von der natürlichen Wirkungsart dieſes Huͤlfsmittels. 


Sollte ſich aber nicht auch noch eine andere Urſache angeben laſſen, 
warum dieſes Mittel unter den oben angefuͤhrten Umſtaͤnden manchmal 
helfe, wenigſtens geholfen zu haben geglaubet werde? Sollten nicht auch 
Gemuͤthsbewegungen, eine bloſe Einbildungskraft und eine lebhafte Bor, 
ſtellung gar oft hier etwas ausrichten koͤnnen. Ich habe dieſem Einfalle 
nachgedacht, und ihn nicht unwahrſcheinlich gefunden. 

Es wird in der Phyſiologie erwieſen, daß die Seele in dem Körper, 
und der Koͤrper in die Seele, wirke; daß auf gewiſſe Empfindungen der 
Seelen gewiſſe Bewegungen und Veraͤnderungen im Koͤrper erfolgen, 

und 


u > 2 235 
und fo auch umgekehret; ja, daß wirklich gewiſſe lebhafte Eindruͤcke und 
Empfindungen der Seele, nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde, in dem 
Körper ein Uebel anrichten, aber auch manches Uebel heben konnen. Es 
pfleget weiters daſelbſt dargethan zu werden, daß der Schmerz eine See— 
lenempfindung Cfenfatio animalis) fer; daß wir nicht eher einen Schmerz 
empfinden, als wenn ſich die Seele deſſen auch zugleich bewußt iſt; daß 
dieſes Bewußt ſeyn in gewiſſen Fällen geſchwaͤchet, ja gar verdraͤnget 
werden koͤnne; und daß dieſes inſonderheit alsdann geſchaͤhe, wenn bey 
dem Schmerze ſolchelneue Eindruͤcke und die Empfindungen in der Seele ent⸗ 
ſtehen, die ſtaͤrker als der Eindruck und Empfindung des Schmerzens iſt; 
ja daß, da ſich die Seele zweyer Dinge zugleich und auf einmal nicht be⸗ 
wußt ſeyn kann, allesdasjenige die Seele von dem Bewußtſeyn und der Em⸗ 
pfindung des Schmerzens ableiten muͤſſe, was ſie ploͤtzlich und ganz allein 
auf eine andere Sache hinziehet, und ſie damit voͤllig einnimmt. Iſt nicht 
auf dieſe Weiſe im erſtern Falle Manchem durch ein ſchnell erregtes La— 
chen ein Geſchwuͤre aufgegangen, oder durch eine unvermuthete Freude 
und andere erregte Gemuͤthsbewegungen von einer Stockung der Saͤfte 
Huͤlfe wiederfahren; und pflegen wir nicht, im andern Falle, bey groſſer 
Betruͤbnis, bey ſtarken Kopfarbeiten, in angenehmen Geſellſchaften, und 
dergleichen, gar vielmal die unangenehme Empfindung oder den Schmerz 
des Hungers, und andere widernatürliche Unbequemlichkeiten nicht zu em— 
pfinden, ob ſie gleich wirklich vorhanden ſind? Und ich ſehe nicht, warum 
ſich dieſe beyden Faͤlle nicht auch oͤfter, als man glauben moͤgte, er— 
aͤußern ſollten, wenn obiges Mittel, ſonderlich an Perſonen gebraucht 
wird, die ohnedem mit einer allzulebhaften Einbildungskraft begabet ſind. 
Man uͤberlege hiebey nur folgendes. Wird nicht bey dieſer Cur, nach 
obgemeldter Geſchichte, den leidenden Perſonen die gewiſſeſte Hoffnung ei— 
ner augenblicklichen Linderung und Huͤlfe verſprochen, und dadurch zus 
gleich mehr als eine Gemuͤthsbewegung rege gemacht? Pfleger man ſich 
nicht auf Beyſpiele, wo es allezeit ſoll geholfen haben, zu berufen, und 
wie ſtark wird das Vertrauen zunehmen, wenn bey gehaltener Nachfrage, 
die Beſtaͤttigung erfolget? Verſichert man nicht, die Ulrſache dieſer 
Schmerzen ſinnlich zu heben, und zeiget die abgetriebenen Wuͤrmer ſelbſt 

Gg 2 im 


236 DE u 


im Waſſer liegen? Was muß die Einbildungskraft hier nicht vor ein Ge⸗ 
ſchaͤfte erhalten, und zu was vor einem ſtarken Grade erhoͤhet werden? 
Werden nicht vor, unter und nach dem Gebrauche lauter ſolche unge⸗ 
wohnliche Anſtalten, Vorkehrungen und Handlungen angewendet, wel— 
che die ganze Aufmerkſamkeit der leidenden Perſon an ſich ziehen muß, 
und wodurch ſich dieſelbe unvermerkt des Schtmnerzens wird unbewußt wer⸗ 
den? Komt, wie es oft geſchehen mag, zu allem dieſem noch ein gewiſſer 
Streit dazu, vermoͤge deſſen man die Parthey der abgetriebenen Würmer 
und des Wunderarztes zu vertheidigen ſich genoͤthiget findet, ſo werden 
noch mehr Gemuͤthsbewegungen rege werden. Und da man aus Beyſpie— 
len weis, daß ein blinder Eifer alles vermag, warum ſollte er naturlich, 
und mehr als natuͤrlich, nicht auch die Zahnſchmerzen vertreiben, und, 
wie alle Sinne und Empfindungen, ſo auch das Bewußtſeyn der Zahn⸗ 
ſchmerzen betaͤuben koͤnnen? Wollte nebſt allen dieſen Jemand auch dieſes 
vor eine mannigmalige Urſache der Huͤlfe angeben, daß gewiſſe Leute aus 
ganz begreiflichen Urſachen, und um nicht ausgelacht zu werden, daß ſie 
ſo leichtglaͤubig geweſen, oft wider alle Empfindung blos ſagen, es ſey 
beſſer geworden; fo wuͤrde ich dabey nichts zu erinnern haben. Wenig, 
ſtens moͤgte es demjenigen, welcher die Welt kennet, nichts Neues, ſon— 
dern etwas ſehr Gewoͤhnliches zu ſeyn ſcheinen. 


Hiebey koͤnnte ich es bewenden laſſen. Allein es wird mir erlaubet 
ſeyn, mich noch über diejenigen Geſchichten etwas näher herauslaſſen, de— 
ren in dem erſten Abſchnitte aus den Engliſchen Abhandlungen, und von 
dem Herrn D. Andry, gedacht worden iſt. 


So ſehr die erſtere Geſchichte, ſo der Herr Ritter Sloane angefuͤh⸗ 
ret hat, in der Sache ſelbſt und an ſich, mit der meinigen uͤbereinſtim— 
met, fo fehr gehet fie in dem Gebrauche des Mittels, welches Tollkrauts⸗ 
oder Bilſenkoͤrner geweſen ſind, und am meiſten darinnen davon ab, daß 
man wahre und eigentliche Wuͤrmer dabey annimmt; dieſelbe vor ſolche 
ausgiebt, die in faulen Kaͤſen leben; und es damit zu erweiſen ſucht, weil 
derjenige, welchen man erhalten, und dem beruͤhmten Herrn Leeuwen— 
hoek zugeſendet worden iſt, ein wahrer Kaͤſewurm geweſen ſey, und ſich 

in 


we. 847 


in einen dergleichen gewöhnlichen Käfer verwandelt habe. Ich muß es 
aber offenherzig geſtehen, daß mir dieſe angenommene Meynung und Er— 
klaͤrung ganz und gar nicht wahrſcheinlich vorkommt. So viel kann ſei— 
ne Richtigkeit haben, daß der dem Herrn Leeuwenhoek zugeſendete Wurm 
ein Kaͤſewurm mag geweſen, und daraus ein Kaͤſekaͤfer oder Kaͤſefliege 
entſtanden ſeyn. Ob aber dieſer Wurm einer von denenjenigen geweſen, 
die jener Charlatan abgetrieben zu haben vorgegeben hat, das iſt eine andere 
Frage; und aus der Erzählung, die Herr Sloane davon ertheilet, laͤßt 
es ſich fo genau nicht abſehen. Ich glaube gerad das Gegentheil, und halte 
dafuͤr, daß gedachter Charlatan nichts weniger als wahrer Wuͤrmer oder Kaͤ— 
ſewuͤrmer, fich bey feinem Betruge bedienet habe; ſondern, daß die von 
ihm durch den Rauch der Tollkrautskoͤrner vorgeblich abgetriebenen Wuͤr— 
mer eben ſolche Keime dieſer Saamenkoͤrner geweſen, als ich von den Ju— 
denkirſchen erwieſen habe; und es wird dieſe Vermuthung aus dem, was 
ich von dieſen Bilſeukoͤrnern bald mit mehrern anfuͤhren werde, außer 
allem Zweifel geſetzet werden. Warum aber dem Herrn Sloane eine 
Kaͤſemilbe ſtatt der eigentlichen fo genannten Würmer geſendet worden 
iſt , kann aus verſchiedenen Urſachen geſchehen ſeyn. Vieleicht haben dies 
jenigen, von welchen ſich der Herr Sloane einen abgetriebenen Wurm 
ausgebeten, keinen mehr gehabt, und haben alſo, um ihm gleichwohl zu 
willfahren, einen Kaͤſewurm überſendet. Vieleicht hat ein Scherz dabey 
obgewaltet, oder man hat durch Unterſchiebung eines wahren und leben⸗ 
digen Wurms die Vortreflichkeit und ſichere Wirkung des Huͤlfsmittels, 
und mithin die gründliche und vorzüglich tiefe Einſicht des berüchtigten 
Wundermannes außer allem Zweifel ſetzen wollen. So leicht iſt es, ſelbſt 
bey Unterſuchung der Warheit und Entdeckung des Betruges, der War— 


heit dennoch zu verfehlen, und betrogen zu werden! 


Das Urtheil des Herrn D. Andey über feine Geſchichte von abge— 
triebenen Zahnwuͤrmern iſt von gleicher fehlerhaften Beſchaffenheit. Dies 
ſer haͤlt ſich daruͤber auf, daß aus Tollkrautskoͤrnern auch nur anſcheinen, 
de Würmer entfliehen ſollten; er beſchuldigt den Foreſtus, daß er ohne 
Erfahrung rede; er legt es andern Schriftſtellern noch mehr zur Laſt, daß 
er durch eigene Verſuche was e wolle herausgebracht a 

9 3 e 


228° n . 
er widerſpricht dieſem Vorgeben durch ſeine Verſuche, und erklaͤret die 
ganze Erzählung vor lauter Fabelwerk? Allein, wie ſehr können doch auch 


gelehrte Leute fehlen, einander mishandeln, und ſich über Dinge anklagen, 
darinnen oft beyde zugleich recht und unrecht haben! 


Herr D. Andey kann recht haben, wenn er behauptet, daß von dem 
Rauche der Bilſenkrautskoͤrner keine wahren Wuͤrmer aus den Zaͤhnen 
abgetrieben werden. Er hat recht, wenn er laͤugnet, daß der Rauch von 
Bilſenkoͤrnern, wie man vorgegeben hatte, ſich in der Luft verdicke, und 
in etwas wurmaͤhnliches verwandele. Er hat recht, wenn er verſichert, 
daß er geſunde und kranke Theile des menſchlichen Koͤrpers oder andere 
Dinge mit Tollkrautskoͤrnern geraͤuchert, und nachher ins Waſſer getauchet 
habe, ohne jemalen auch nur ſcheinbare Wuͤrmer geſehen zu haben. Aber 
darinn hat er offenbar unrecht, und ſich uͤbereilet, wenn er den Satz, daß 
aus dem Verbrennen der gedachten Saamenkoͤrner keine wurmaͤhnlichen 
Körper zum Vorſcheine kaͤmen, an ſich und überhaupt laͤugnet, und für 
eine Fabel erklaͤret. Ich kann das Gegentheil verſichern, ſo gar, daß ich 
gefunden habe, wie ſich zu dieſem Blendwerke die Bilſenkoͤrner noch beſ—⸗ 
ſer, als der Saamen von Judenkirſchen, ſchickt. Denn aus erſtern entwickeln 
ſich die Keime, als die angeblichen Wuͤrmer, auch ohne Wachs, und wenn 
ſie nur gerad auf Kohlen geworfen werden; welches ich mit Judenkirſchen 
allein, ohne Wachs, nie moͤglich machen koͤnnen. Haͤtte alſo Herr D. 
Andry nur das Einzige geaͤndert, und, ſtatt die Hände oder andere Koͤr⸗ 
per nach dem Raͤuchern ins Waſſer zu tauchen, und alsdenn erſt die Wirs 
mer zu ſuchen, uͤberhaupt beſſer auf das geachtet, was unter dem Ders 
brennen hinweg geſprungen wäre, fo wuͤrde er ſcheinbare Würmer genug 
erblicket haben. Wer davon ein Augenzeuge werden will, der nehme nur 
ein gluͤendes Eiſen, lege es auf einen rein polirten Stein, werfe Bilſen— 
ſaamen auf das gluͤende Eiſen, und decke es ſchnell mit einem Trichter 
zu; ſo wird er gewiß die Menge wurmaͤhnlicher Koͤrper unter dieſem Trich⸗ 

ter gewahr, aber auch von dem Betruge obgedachter Wunder, 

eur, uͤberzeuget werden. 


Erklaͤ⸗ 


en e 239 


Erklaͤrung der Kupfertafel. 


Fig. I. Die einſach und doppeltgeſchwaͤnzten vermeyntlichen Zahnwuͤrmer oder' viel. 
mehr die durch die Hitze ausgeſprengten Keime des Saamens der Judenkirſchen in 
natuͤrlicher Groͤße. 


Fig. II. a. Der nierenförmige Saamen der Judenkirſchen ebenfalls in natͤͤrlicher 
Groͤße, ohne Keime. 5 
b. c. eben derſelbe, mit ſeinem in ſiedenden Waſſer herausgetriebenen und 

noch anſitzenden Keime. 


Fig. III. Ein anderer dergleichen Saamen in natuͤrlicher Größe, und wie ſich der 
Kern bogenförmig heraus begeben hat. 


Fig. IV. und V. Die mehr und weniger vergroͤßerten ſcheinbaren Eingeweide der 
Zahnwuͤrmer, oder vielmehr die innern erſten Grundlagen zur Entwickelung der 
Saamenblaͤttgen. 


Fig. VI. Ein Stuͤck der Haut und der herausgedruͤckten vermeyntlichen Eingewei⸗ 
de der Wuͤrmer, nach einer ſehr ſtarken Vergroͤßerung. 
a. a. die noch anſitzende Haut. 
b. die vermeyntlichen Eingeweide. 


Fig. VII. Der Saame der zweyten Figur, vergroͤßert. 
a. a. die Saamenſchaale. 
b. der Keim. 


Fig. VIII. Der Saame der dritten Figur, ebenfalls vergrößert. 
a. a. die Saamenſchaale. 
b. der Knoten. 
c. der gegen über bogenfoͤrmige herausgetriebene Keim. 


Fig. IX. X. XI. Dreyerley Arten der anſcheinenden Zahnwuͤrmzer nach der Vergroͤße⸗ 
rung; und wo die Buchſtaben überall einerley bedeuten. 
a. der Kopf. 1 


b. das 


240 Ce 2 > 


b. das braune Fleckgen, oder der Mund. 

c. der Leib. 

d. die eine ſcheinbare Oeffnung, oder der After. 

e. e. der einfache oder doppelte Schwanz. 

f. f. das braune Fleckgen des Schwanzes, ebenfalls als eine anſcheinende Oeff⸗ 
nung. 


Fig. XII. Abbildung der Werkzeuge und der Art, wie ſie bey dem Gebrauche des 
angeblichen Huͤlfsmittels wider die Zahnwuͤrmer pflegen geſtellet zu werden. 

a. der irdene Topf. 

b. die eine ſichtbare Seitenoͤffuung. 

c. die Oeffnung im Boden. 

d. d. das durch die beyden Seitenoͤffnungen geſteckte Eiſen, auf welchem in⸗ 
nerhalb des Topfes die Wachskuͤgelgen gelegt werden. ; 

e. der durch die Oeffnung im Boden in die Höhe ſteigende Rauch / welcher in 
den Mund gelaſſen werden ſoll. 

f f. Die Schuͤſſel mit Waſſer, wo der irdene Topf innen ſtehet, und in wel: 
ches die vermeyntlichen Zahnwuͤrmer fallen, und aufudemſelben nach der Eur 
gefunden werden. 5 


Die Sattelfliege. 


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EEE EEE BE EEE EEE EEE TITTEN 


ch habe mir vorgenommen, in diefen Blättern eine Fliege zu bes 
ſchreiben, die noch voͤllig unbekannt zu ſeyn ſcheinet. So reich 
und umſtaͤndlich diejenige Beſchreibung iſt, welche der unſterbli— 
che Keaumur, in feinen Nachrichten zur Erläuterung der In— 
ſectenhiſtorie, insbeſondere auch von den Fliegen, den Liebhabern der Na— 
turkunde mitgetheilet hat: ſo wenig finde ich, unter den daſelbſt verzeich⸗ 
neten Arten und Sorten einer Fliege gedacht, die ich für diejenige hal— 
ten koͤnnte, von welcher ich hier handeln werde. Es iſt mir eben ſo ergan⸗ 
gen, als ich in des beruͤhmten Koͤnigl. Schwediſchen erſten Leibarztes, 
Herrn Linnäus, Fauna Svecica nachſchlug; und die aͤltern, hieher ges 
hoͤrigen, Schriftſteller halten von ihr ein gleiches Stilſchweigen. Ich 
mache daraus den Schluß, daß jenen ſcharfſichtigen Maͤnnern die gegen— 
waͤrtige Fliege nicht zu Geſichte gekommen ſeyn muͤſſe; und daß dieſelbe 
in ihren Gegenden gewiß eben ſo ſelten ſich ſehen laſſe, als wenigſtens ich, 
meines geringen Orts, es von Regensburg, und der umliegenden Ge— 
gend, bezeugen kann. Denn, ob ich gleich ſchon verſchiedene Jahre mei— 
ne Nebenſtunden, und einſamen Spaziergaͤnge, der Auffuchung und 
der Betrachtung der Inſecten widme; ſo muß ich doch bekennen, daß ich 
dieſe Fliegenart hieſigen Ortes vor neun Jahren, nur ein einzigesmal, 
angetroffen habe (). Andere Gönner und Inſectenkenner, welchen ich 
davon hier, und anderwaͤrts, Nachricht ertheilet habe, verſicherten mich, 
daß ſie dieſelbe noch nie geſehen haͤtten. i 
Ich hoffe daher, Freunden und Kennern der Inſecten einen nicht 
unangenehmen Dienſt zu erweiſen, wenn ich ihnen dieſe ſeltene Flie— 
ge, in ihrer natürlichen Geſtalt und Farbe, abgebildet vorlege; und zu— 
gleich eine ſolche Beſchreibung von ihr beyfuͤge, als es der, von einer 
ſo ſeltenen Fliege vergoͤnnte Gebrauch, und die Sorge, ſolche, nicht 
zu zerſtuͤmmeln, ſondern unverletzt aufzuheben, verſtatten will. 
Es war gleich in den erſten Tagen des angehenden Fruͤhlings ge— 
dachten Jahres, als ich dieſe Fliege en erſtemal erblickte. Ich befand 
9 2 mi 
(0) Ich habe pon dieſer Fliege feit dem zwar jahrlich einige gefangen; es iſt aber als 
lezeit ein Gluͤck, eine oder die andere anſichtig zu werden. 


244 n c. 


mich damals eben auf dem Wege, zwiſchen zween, dem hieſigen hohen 
Domſtifte gehörigen, und nicht viel Über anderhalb Stunden von hier 
entlegenen Orten, Schwaͤbelweiß und Domſtauff, um in den daſi— 
gen Weinbergen gewiſſe Inſecten (*) aufzuſuchen; als dieſelbe, über 
die Felder, nach den Bergen hergeflogen kam, und ſich unmittelbar vor 
meine Fuͤſſe in dem Fahrwege niebderſetzte. 

Ihre Groͤße ſowohl, als ihre ſchwarze Farbe, und ihr feuerrother 
Bruſtſchild, machten mich ſogleich auſmerkſam; und ich freuete mich 
ſchon zum voraus, daß ich an ihr vieleicht etwas beſonderes und neues 
antreffen wuͤrde. ; - 

Ich betrachtete fie eine lange Zeit, ohne mich im geringſten zu bewe— 
gen, und dachte nur auf ein Mittel, ihrer ſicher und unverletzt habhaft 
zu werden. Allein meine, ſonſt faſt uͤberall gar brauchbare Fange, konnte 
mir dießmalen im Wege, bey einer mit ſtarkem Staube und allerhand Un⸗ 
rathe belegten Flaͤche, den noͤthigen Dienſt nicht erweiſen. Ich mußte es 
alſo bloß mit den Fingern wagen. 

Doch ich fand gar bald, daß ich unnoͤthig geſorget hatte. Die Flie— 
ge war nichts weniger, als leutſcheu; ſie bewegte ſich nicht eher, und gab 
ein Merkmaal des Lebens und der Empfindung von ſich, als bis ſie in der 
Gefangenſchaft, und in meiner Gewalt war. Vieleicht iſt dieſe Fliege 
von der Natur und Eigenſchaft der Säͤgefliegen, ob letztere gleich in 
eine andere Claſſe der Fliegen gehoͤren, als welche ſehr dumm ſind, und 
ſich daher ungemein leicht, bloß mit der Hand, fangen laſſen. 


Kaum hatte ich meine Fliege in Haͤnden, und etwas naͤher betrach⸗ 
tet; fo bemerkte ich auch alſobald, und mit bloßen Augen, daß ihr Bruſt— 
ſchild ungewoͤhnlich gebildet ſey. Er war an den Seiten eckig; am Ens 
de erhaben; und hatte daſelbſt, und in der Mitten, vier beſondere in die 
Hoͤhe ſtehende Spitzen. Als ich hernach des andern Tages noch eine ge— 
nauere Betrachtung, mit Huͤlfe des Vergroͤßerungsglaßes, anſtellte; fand 
ich mich noch mehr uͤberzeuget, daß dieſe Fliege, ſonderlich wegen des 
Bruſtſchildes, von ganz unbekannter Art ſey. 

Ich lege hiemit Liebhabern ihre Abbildung vor Augen; und werde 
dabey erzaͤhlen, was ich daran Beſonderes gefunden habe. Elle 

ei 


( Es waren dieſe ein Paar beſondere Cicaden, welche ich einige Wochen zuvor das 
ſelbſt angetroffen hatte. Der einen hat Lin naͤus in feiner Faung Svecica 
No. 641. kurzlich gedacht. Die andere iſt wegen ihrer Größe merkwuͤrdig. Denn, 
da in erſterwaͤhnter Fauna Specica, die größte als eine Hausfliege angege⸗ 
ben wird, fo iſt dieſe im Gegentheile einen ganzen Zoll lang, und 6, Linien breit. 


n un 245 


Gleich bey dem erſten Anblicke (Y, ſiehet man, daß fie nicht unter die 
gemeinen, oder taͤglich vorkommenden, zu rechnen ſey. Ihre durchge— 
hends ſchwarze Farbe, und der mitten innſtehende feuerrothe Bruſtſchild, 
giebt ihr ſchon ein gutes und ſonderbares Anſehen; noch mehr aber wird 
man durch die Seitenecken (**) durch die hintere wandfoͤrmige Erhoͤ— 
hung (***), und durch die auf derſelben (7), in der Mitten (FF), ſtark 
hervorragenden, Spitzen des Bruſtſchildes, in Verwunderung geſetzet. 
Naͤchſt dem iſt nach Maaßgabe der uͤbrigen Theile, wie ihr Kopf um viel 
kleiner, ſo ihre Fuͤße, welches ſich ſonderlich im Sitzen, und aus der erſten 
Figur, am beſten abnehmen laͤſſet, um ein merkliches groͤßer, als man 
ſonſt ordentlicher Weiſe an andern bemerket. Selbſt der Bruſtſchild iſt 
ſtaͤrker erhaben und gewoͤlbet. Und ſo kann man endlich auch die, nicht 
viel andern Fliegen eigene, Bildung des Hinterleibes dazu nehmen: in— 
dem derſelbe mehr kurz, als lang; gedruckt; hinten rundlich; oben und 
unten gewoͤlbet; und etwas nach unten zu gekruͤmmet iſt. N 

Nimmt man den Maaßſtab, und das Vergroͤßerungsglaß, zu Huͤlfe, 

und uͤberſiehet einen jeden Theil dieſer Fliege insbeſondere, fo entdecke 
man alsdenn erſt recht das, was an ihr Ungewoͤhnliches und Verwunde— 
rungswuͤrdiges iſt. 
Nach dem Parifer Maaßſtabe, hat dieſe Fliege in der Länge, vom 
Kopfe bis an das Ende der Fluͤgel, 73 Linien; ohne die Flügel aber, vom 
Kopfe bis an das Ende des Hinterleibes, gerade 6 Linien. Und zwar find 
von dieſen 74 Linien, dem Kopfe à; dem Bruſtſchilde 2; dem Sin⸗ 
terleibe 31; und den Fluͤgeln 3 eigen. Wenn die Flügel gleich mit 
dem Bruſtſchilbe ihren Anfang naͤhmen, und nicht vielmehr um eine Li— 
nie weiter hinten ſaͤßen; fo würden fie die Fliege, dem aͤußern Anſeben 
nach, um 24 Linien mehr vergroͤßern, als ſie doch wirklich nicht iſt. So 
aber verlängern fie dieſelbe nur um 14 Knien, als um fo viel fie in den 
Bruſtſchild hineingeruͤcket ſind, und uͤber den Hinterleib hinausgehen. 

In der Breite verhaͤlt es ſich mit dieſer Fliege folgender Geſtalt. Der 
Kopf / wo die Fliege am ſchmaͤleſten iſt, hat 11 Linien; davon jedes An⸗ 
ge den Raum von etwas mehr, und das Stirnband von etwas wenis 
ger, als von! Linie einnimmt. Wo fie am Bruſtſchilde am breiteſten 
auslaͤuft, ohne die Ecken mit zu rechnen, betraͤgt es 14 Linien. Und eben 
fo viel machen die Fluͤgel aus, wenn ſie im Sitzen übereinander liegen (). 
Sind aber die Flügel ausgebreitet (J), fo hat jeder, wo er am breiteſten 
iſt, etwas weniges mehr, als volle 2 Linien. Der Hinterleib hat da, wo 

3 er 
(Y Fig. 1. 2. 3. 2) Fig. 2. 3. 5. 6. g. k. 1. () Fig. F. 6. m. 
Dan (ff) Fig. 2. 3. §. 6, k. B. (If) Fig. 1. (CD Fig. a. 3 


246 . 2 > 


er am ſchmaͤleſten iſt, nicht viel über 1 Linie; am dritten Abſatze aber, wo 
er ſich am ſtaͤrkſten ausbreitet, etwas über 3 Linien. 

Die übrigen Theile der Fliege haben folgendes Verhaͤltniß gegenein— 
ander. Die Laͤnge der Fuͤhlhoͤrner (*), wenn fie gerade vor ſich aus 
geſtreeket find, iſt 13 Sinien, Jede Dornſpitze in der Mitte des Bruſt⸗ 
ſchildes (**) hat bey nahe 2; und jede hintere (***), auf der ſattelfoͤr⸗ 
migen Wand, etwas mehr als 4 Linien. Die Fluͤgelkoͤlbgen (1) find 
nicht viel über 1 Linie lang. Und in Anſehung der Fuͤße, hat das erſte 
Paar, oder die Vorderfuͤße, etwas mehr als 4; das zweyte Paar, oder 
die Mittelfuͤße, etwas mehr als 5; und das letzte Paar, oder die Zin⸗ 
terfuͤße „bey nahe ganze 7 Linien, wenn ſie ausgeſtrecket find. 

Nun moͤgte zwar jemand mir den Einwurf machen, wozu eine ſolche 
Kleinigkeit nuͤtze, als das angezeigte Maaß der Fliege iſt? Allein, derfels 
be frage andere Naturkuͤndiger, als welche ſich in ihren Schriften uͤber 
diejenigen hin und wieder ſehr beklagen, die in ihren Beſchreibungen ents 
weder das Maaß gar auslaſſen, oder die Vergleichung von andern Koͤr— 
pern, als z. B. von Gerſten⸗Pfeffer-Hirſchenkoͤrnern u. dergl., herneh— 
men; da doch immer ein Korn kleiner, und das andere groͤßer ſeyn kann, 
und daß folglich dieſes Vergleichungsmaaß ſo viel, als nichts, beſtimmet. 

Ich fahrefin meiner Beſchreibung fort. Da alle Fliegeln drey Haupt— 
theile haben, einen Kopf, einen Bruſtſchild, und einen Hinterleib, 
ſo will ich dieſer Ordnung nachgehen. 

Der Kopf überhaupt iſt, wie ich ſchon oben erwaͤhnet habe, viel 
kleiner, als bey andern gemeinen Fliegen; auch viel breiter, als er lang 
iſt; vornen rundlich; und hinten am Halſe abgeſchnitten, wie bey der ges 
meinen Hausfliege. Inſonderheit kommen an demſelben wieder ſechs 
beſondere Theile vor, die einiger Erlaͤuterung beduͤrfen. Erſtlich, die 
groͤſſern Augen (Pr); zweytens, das Stirnband zwiſchen denſelben (Tf); 
drittens, die kleinern Augen (); viertens, der Saugrüffel (**); fuͤnf⸗ 
tens, deſſen Fuͤhlſpizen (**); und ſechſtens, die Fuͤhlhoͤrner (}). 

Die groͤßern Augen, ſo auf beyden Seiten des Kopfes ſtehen, 
find ſehr gewoͤlbet, mehr breit, als lang. Sie find neuförmig, oder, 
eigentlich zu reden, ihre ganze Oberflaͤche iſt mit lauter runden Linſen, 
fo in einer ſechseckigen Einfaſſung an einander ſtoßen, überzogen; wel⸗ 
ches ihnen durch ein nicht allzu ſehr vergroͤßerndes Glaß, das Anſehen 
eines Netzes giebt. Am allermeiſten aber zeiget ſich dieſe Geſtalt eines 
Netzes, wenn man die rein ausgeputzten Augenhaͤutgen unter das Sons 

nen⸗ 
J Fig. 2. 3. f. f. () k.k. (N Fig. . nh. ( Fig N. 3. p. p. 
(II) Fig. 4. 5. 6. a. a. (F) b. O c. C d. G e. (0 f. f. 


un N 247 


nenvergrößerungsglaß bringet; da man fie auch fo gar nach der Reihe abs 
zuzaͤhlen im Stande iſt. Ihre Farbe iſt ſchwarz, und auf ihren fechs- 
eckigen Zwiſchenraͤumen ſtehen hin und wieder einzelne kurze und ſtumpfe 
ſchwarze Haͤrger. Sie nehmen faſt allen Raum des Kopfes ein, fo, daß 
nur oben, und an den Seiten herum, ein ſehr ſchmaler, in der Mitten 
aber, nach der Laͤnge herunter, ein ungleich breiterer, Streif uͤbrig bleibt. 
Der obere Streif und Seitenſtreif iſt ſchwarz und ſtark mit hellbraunen Haas 
ren beſetzet; daneben nicht vollig rund, ſondern, von hinten nach vornen zu, 
in etwas dergeſtalt abhaͤngig, daß zwiſchen ihm und den Augen eine Ver— 
tiefung, wie eine Furche, geſehen wird. Der breitere Mittelſtreif, wel— 
chen man das Stirnband () heißen koͤnnte, iſt in die Laͤnge herunter, 
zwar auch etwas gewoͤlbet, hat aber in der Mitten einen erhabenen ſchma— 
len Strich, welcher ſich an ſeinem breiteſten Ende in einen tiefen Spalt 
zertheilet, eben da, wo die Fuͤhlhoͤrner, von welchen ich gleich reden wers 
de, angewachſen ſind. Dieſer ganze erhabene Theil des Stirnbandes iſt 
ſchoͤn glaͤnzend ſchwarz, und ohne alle Haare; an deſſen Seiten aber ſie— 
het man hellbraune Haare, und zwar ſind die meiſten uͤber, neben und 
unter den Fuͤhlhoͤrnern. Oben iſt dieß Stirnband am ſchmaͤleſten; brei— 
tet ſich aber alſobald in eine hohle Linie aus, die nach auſſen gegen die 
Augen zu, ein kleines Ecke, und, nach innen zu, einen kleinen ſtumpfen 
Winkel machet; darauf lenket es ſich einwaͤrts; und nachdem es ſich zum 
zweytenmal, und noch mehr, in eine hohle Linie ausgebreitet hat, ſo machet 
es abermalen ein etwas groͤſſeres Ecke, oder einen ſtumpfen Winkel; und 
endlich gehet es wieder einwaͤrts, und wird alsdenn ebenfalls in der Ges 
ſtalt einer hohlen Linie, gegen das Maul zu, immer breiter und breiter. 
Oben, wo das Stirnband am ſchmaͤleſten iſt, bemerket man einige 
Erhöhungen und Vertiefungen, vor welchen unmittelbar ein anderer ey— 
runder Huͤgel, und auf demſelben drey runde Knoͤpfgen in einem Dreyecke 
ſtehen (*). Dieſe Knoͤpfgen find die kleinern einfachen Augen, woran 
das voͤrderſte, nach dem Maule zu, und welches gleichſam die oberſte Spi⸗ 
tze des Dreyeckes ausmachet, um ein merkliches größer iſt, als die beyden 
andern hinter demſelben. ; 
Wo das Stirnband den ſtaͤrkſten Winkel, oder das gröfere Ecke 
macht, doch etwas mehr herunter, an oben angefuͤhrter Spalte, ſt hen 
die Fuͤhlhoͤrner (*). Weil dieſe beſonders gebildet find, fo muß ich ſie 
umſtaͤndlich beſchreiben. Herr von Reaumur hat zwar 17. Sorten von 
Fühlhoͤrnern der Fliegen angegeben und abbilden laſſen; mich deucht aber, 
daß jene keinen von allen dieſen gleich ſeyn. Sie kommen jedoch derjeni⸗ 
ö gen 
© Fig. 4.5. 6. b. ( c. ( Fig. 2. 3. 4. 5. 6. E. . 


* 


243 n > 


gen Art noch am meiften bey, die er feilenfoͤrmige (les antennes en rape) 
nennet. Allein, auſſer dem, daß jene oben weit langer und ſpitziger, uns 
ten aber gar nicht kegelfoͤrmig zulaufen; fo finde ich auch ganz und gar 
nichts an ihnen, daß fie einer Feile ähnlich machen ſollte. Der große, 
und eigentliche Theil derſelben, iſt vielmehr rund; gegen die Seite, wo 
er am Kopfe anſitzet, am dickeſten; und lauft, nach einigen ringförmis 
gen Abſaͤtzen, in eine ganz ſcharfe Spitze aus. Sie ließen ſich vieleicht 
am beſten mit einer umgekehrten gelben Ruͤbe oder Maͤhre vergleichen, 
deſſen oberer und dickerer Theil dem Kopfe anſaͤße; und man koͤnnte ſie 
daher, ruͤben⸗ oder moͤhrenfoͤrmige Fuͤhlhoͤrner, (des antennes en 
rave,) heißen. 

Es ſind aber dieſe Fuͤhlhoͤrner eigentlich wieder aus drey beſondern 
Haupttheilen zuſammengeſetzet. Der erſtere iſt etwas lang, und wie 
ein umgekehrter Kegel. Seine Spitze ſtehet an dem Kopfe in einem flach» 
vertieften Ringe, und iſt ſowohl, als der ganze Abſatz, ſtark mit Haas 
ren, jener mit hellbraunen, dieſer mit ſchwarzen beſetzet. Der zweyte 
Haupttheil iſt, wie der vorige, rundlich, doch kuͤrzer, und vorne abges 
ſchnitten; auch ebenfalls mit vorwärts ſtehenden ſchwarzen Haaren übers 
decket. In dieſen Haaren, gleich, als wie in einer Crone, ſtehet der 
dritte, laͤngſte, und eigentlich fo genannte ruͤbenfoͤrmige Theil. Es 
hat aber auch dieſer wieder feine ſieben beſondern ſeichten Einſchnitte 
oder Ringe. Die zween erſtern Ringe am Kopfe ſind die dickeſten; dann 
kommen vier duͤnnere; und endlich iſt der letzte Ring am duͤnneſten, ſpi— 
tzigſten, und bey nahe noch laͤnger, als die vier vorhergehenden zuſam— 
mengenommen. Die Grundfarbe dieſes rübenförmigen Abſatzes ſcheinet 
ſchwarz zu ſeyn; weil er aber ſtark mit Haaren umgeben iſt, ſo ſpielet er 
ins braungraue. N 

Das Maul (), fo viel man ohne Zertruͤmmerung der Fliege hat fer 
hen koͤnnen, beſtehet aus einem Saugruͤſſel ohne Zaͤhne, wie bey der ge⸗ 
meinen Hausfliege. Doch iſt die ganze innere Fläche, oder die Lippen, 
mit Haaren bewachſen; zwiſchen welchen der Saugruͤſſel inneliegt, wenn 
ihn die Fliege zuruͤckziehet. 

Neben dem Saugrüffel zeigen ſich noch ein Paar rauhe, mit Daas 
ren bewachſene, ſchwarze Buͤſchel (**), welche ſonder Zweifel die gewoͤhn⸗ 
lichen, an dem Saugruͤſſel der Fliegen befindlichen, Fuͤhlſpitzen ſind; ſo 
dem eingezogenen Saugruͤſſel nebenausſtehen, und dadurch ſichtbar werden. 

Ich komme vom Kopfe zum Bruſtſchilde (***), als dem beſonder⸗ 
ſten und wunderbarſten Theile dieſer Fliege. Er haͤnget mit dem Kopfe 


durch 
(0 Fig. g. 5. 6. d. ( Fig. 4. 6. e, e. C Fig. 5.6. 


un nr 249 


durch einen ſehr langen Hals zuſammen; iſt uͤberhaupt ſehr erhaben und 
gewoͤlbet; vornehmlich aber uͤber und uͤber, bis an ſeine Einfaſſung, mit 
ſehr ſchoͤnen feuerrothen Haaren uͤberdecket, welches der Fliege eine bes 
ſondere Zierde giebet. . f 

Inſonderheit iſt ſeine Einfaſſung, und ſein unterer Rand, betrach⸗ 

tungswerth. Solcher Rand iſt uberall ſchwarz, auch mit ſchwarzen Haa— 
ren uͤberſaͤet. Auf jeder Seite deſſelben, findet man gleich beym Anſehen 
drey, und alſo in allen ſechs, ſtumpfe Ecken. 
a Das eine Eck befindet ſich gleich vornen am Kopfe, und koͤnnte da⸗ 
her das Vordereck heißen. Es iſt am groͤßten und etwas rundlich. Das 
zweyte iſt weiter hinten und faſt in der Mitten; es koͤnnte das Mit⸗ 
teleck genennet werden. Wiewohl, eigentlich zu reden, dieſes Mitteleck 
mehr ein doppeltes, als einfaches Eck iſt; indem die eine Seitenhoͤh— 
lung daſſelbe gleichſam von einander ſpaltet; als welches aus der Abbil— 
dung (*) am beſten zu erſehen iſt. f 

Unmittelbar vor dieſem doppelten Mittelecke gehet, uͤber die rothen 
Haare des Bruſtſchildes, in die Quere, faſt bis in die Mitte, ein tiefer 
Einſchnitt (**), welcher unten am Rande breiter iſt, als oben, wo er, 
wie in eine Spitze, zulaͤuft. 

Das dritte Eck ſtehet weiter hinten, und koͤnnte das Sintereck 
heißen. Alle dieſe Ecken ſind ſchwarz, und mit dergleichen Haͤrgen be— 
ſetzet. Und zwar ſtehen dieſe Haare an dem Vorderecke nach dem Kopfe 
zu; an dem Mittelecke auswaͤrts; und am Hinterecke gegen den Hinterleib. 

Zwiſchen dem Mittel- und dem Hinterecke (**), nach dem Quer- 
ſchnitte, erſcheinet auf jeder Seite eine ſtarke kegelfoͤrmige Erhöhung (5). 
Weil dergleichen Erhöhungen bey den Raupen Dornenfpigen pflegen 
genannt zu werden; ſo lege ich auch den gegenwaͤrtigen dieſen Namen bey. 
Es lauffen aber dieſe Dornenſpitzen, genau zu ſprechen, nicht ſcharf, fons 
dern ſtumpf, und etwas kolbig zu. Sie ſind auch mehr gedruckt, und an 
den Seiten mehr ſchneidig, als rund; darneben haben fie verſchiedene ſeich— 
te Einſchnitte; und ſtehen ſonderlich nicht ſo wohl ſenkrecht, und gerade 
in die Hoͤhe, daß ſie ſich vielmehr nach hinten und nach dem Rande zu 
ſchief aufwaͤrts neigen. 

Das merkwuͤrdigſte Stucke des Bruſtſchildes befindet ſich hinten an 
deſſen Abſatze oder Ende. Da, wo der ſehr erhabene gewoͤlbte Theil des 
Bruſtſchildes ſich endiget, und in die Tiefe ausgehet, zeiget ſich ein ſchief 
aufſteigender Fortgang, oder Anſatz (II), deſſelben, der ſich hinten 

Die Sattelfliege. i rund 
Eig. F. h. h. C Fig F. 6. m. i. i. ( Fig. 5, 1. I. h. h. (f) 
Fig. I. 2. 3. 6. k. k. (If) Fig. 5. G. m. 


L 


250 n a > 


rund hinunter ſchlaͤget, und oben an den Seiten mit ein Paar ſpindel⸗ 
foͤrmigen, doch weit größern, Dornenfpigen, als jene in der Mitten 
waren) verſehen iſt (). 11 40 1 
Sollte ich dieſen Fortgang des Bruſtſchildes durch eine Verglei⸗ 
chung kenntlich machen, ſo wuͤßte ich nichts beſſers dazu anzugeben, als 
die hintere Wand eines gemeinen Sattels. Ich will ihn alſo auch ins 
kuͤnftige die Sarrelwand nennen. Die beyden Dornenſpitzen, fo auf 
dieſer Sattelwand befindlich find, ſehen denen beyden Sinterbretern 
ziemlich aͤhnlich, die ſich auf den Poſtillonsſatteln befinden, woran die 
Felleiſen angebunden ſind, und Packbreter genennet werden s 
Die Sattelwand iſt, wie die beyden Dornenſpitzen, ganz fehwarz, 
und mit ſchwarzen Haaren uͤberall umgeben. Die Dornenſpitzen ſelbſt, 
ſind, wie ſchon gemeldet iſt, ſpindelfoͤrmig d. i. in der Mitte am dicke⸗ 
ſten, oben und unten am duͤnneſten, und an beyden Enden ganz ſpitzig. 
Sie haben darneben oben verſchiedene ſeichte Einſchnitte, und ob ſie 
gleich ſehr in die Hoͤhe ſtehen, ſo neigen fie ſich doch beyde mehr nach hin⸗ 
ten, eine jede aber vor ſich, mehr nach der Seite zu. Und gleichwie ſie 
beym Anſitzen einander am naͤchſten ſind; alſo entfernen ſie ſich im Auf, 
ſteigen immer mehr und mehr von einander, und ſind oben ganz auswaͤrts 
ebogen. 
x Unter diefer Sarrelwand, swifchen ihr und dem ſtumpfen Zinte 
terecke (), imgleichen zwiſchen dieſem Zinter⸗ und dem Mittelecke (**, 
ſtehen auf jeder Seite ein Paar ſtarke vertiefte Hoͤhlungen, davon die 
erſtere größer und laͤnglicher, als die andere iſt. Ob aber in einer von 
dieſen beyden Soͤhlungen das zweyte, bey andern Fliegen in dieſer Ges 
gend ſich befindende, Luftloch ſey, habe ich darum, weil mir die Fliege 
viel zu lieb war, als daß ich fie haͤtte zerſtuͤmmeln ſollen, eben fo wenig 
unterſuchen koͤnnen, als wenig ich auſſer dem ihren eigentlichen Zweck, 
und ihren Nutzen, zu beſtimmen im Stande bin. i 
Gerade unter den Seitendornenſpitzen (5) iſt der Ort, wo die 
beyden Fluͤgel (Ti) anſitzen. Sie find, nach Maaßgabe der ganzen Flie— 
ge, ziemlich fang, und gehen, wie ſchon oben bemerket iſt, ein merkliches 
über den Leib hinaus. Ihre aͤuſſere Seite iſt faft gerade; ihre innere Seite 
aber, nach dem Leibe zu, iſt anfangs ſehr ſchmal, läuft aber alsdann auf 
einmal ſehr ſtark in die Breite, und ſpitzt ſich endlich wieder rundlich zu. 
Mann die Flügel ausgebreitet find, haben fie eine durchſichtige hellbrau⸗ 
ne Farbe; liegen ſie aber uͤber dem Leibe auf einander, ſo ſehen ſie ſchwarz, 
und 
(0 Fig. . G nn. C00 Fig. 5. C. f. n. U CO LLkk CD Big 
56. K k. () o 1 


en e 281 


und manchmal ganz ſtahlblau aus. Haare habe ich an und auf denſelben 
nicht gefunden; wohl aber habe ich auf ihrer ganzen Oberflaͤche lauter 
runde Kuͤgelgen, wie Blaſen wahrgenommen. Sie haben naͤchſt dem 
drey ſtarke Hauptadern, oder Rippen, die ſich wieder in verſchiedene an 
dere, wie in Gabeln, zertheilen. 

Da, wo die Fluͤgel dem Bruſtſchilde anſitzen, zeigen ſich die mu⸗ 
ſchelfoͤrmigen Theile, die bey andern Fliegen öfters vorkommen, an 
dieſer nicht. Sie müßten denn fo klein ſeyn, daß man fie nicht leicht fins 
den koͤnnte. Die gegenwärtige Fliege macht alfo auch hierin eine Aus— 
nahme von den Eigenſchaften derjenigen Fliegen, in deren Claſſe fie doch, 
wie ich hernach zeigen werde, zu rechnen waͤre. Denn es ſaget der Herr 
von Reaumur Tom. VI. Dem. VI. S. 337. ausdrücklich, daß ihm kei⸗ 
ne Fliege bekannt ſey, die ſo wohl einen kurzen Leib, als auch zugleich den 
gewöhnlichen Saugruͤſſel ohne Zähne, habe, welche nicht mit dieſem mu⸗ 
ſchel / oder ſchuppenfoͤrmigen Theile verſehen ſey. Jedoch ſiehet man 
an dem Flügel ſelbſt einen kleinen Einſchnitt, der gegen den Rücken zu, 
gleichſam einen kleinen beſondern Fluͤgel macht, und den man auch 
an der gemeinen Hausfliege antrift. Dieſer kleinere Fluͤgel iſt vermuth— 
lich entweder zu beſſerer Schlieſſung der Fluͤgel an den Leib vorhanden; oder 
dienet dazu, daß die Fliege, beym Aufliegen, durch Anſtoſſung ihrer Fluͤgel an 
den Leib, nicht gehindert werde, indem die Klappe an dem Bruſtſchilde 
liegen bleibet, durch den Einſchnitt aber der Fluͤgel den groſſen Platz zum 
Schwunge bekommt. f 

Wenn die Fliege ſitzet, und in der Ruhe iſt, ſo leget fie ihre Fluͤ— 
gel jedesmal kreutzweiß übereinander (), und zwar fo, daß der eine Flür 
gel faſt voͤllig uͤber den andern lieget, und ihn decket; und dazu hat ſie 
wohl erſtbemeldten Einſchnitt noͤthig. Denn, wenn derſelbe nicht waͤre, 
wuͤrde der Bruſtſchild fie hindern ihre Fluͤgel in eine ſolche Lage zu brin— 
gen. Es ſiehet aber alsdenn nicht anders aus, als ob die Fliege nur ei— 
nen einzigen runden Fluͤgel haͤtte. Eben daher wird auch der Unterleib 
nicht ganz von den Fluͤgeln verdecket, ſondern es ſiehet auf beyden Seiten 
ein guter Theil deſſelben unter den Fluͤgeln hervor. 5 

Was den Untercheil des Bruſtſchildes anlaͤnget, fo iſt an dent 
ſelben weiter nichts beſonderes zu merken, auſſer, daß er ſehr gewoͤlbet, 
glaͤnzend ſchwarz, mit wenig Haaren beſetzet, und der Ort iſt, an wel— 
chem ſich die Flügelkoͤlbgen, und die drey Paar Füße, befinden. 

Die Sluͤgelkoͤlbgen (**) find ganz weiß, und, in Vergleichung 
anderer Fliegen, ziemlich lang und groß. Die Kolben ſind hinten, wo 

i 2 ſie 


g. . Y Fig. 2. 3. p. P. 


252 + e 

fie dem Stiele anſitzen, nicht völlig rund, ſondern etwas hohl und ein⸗ 
fallend. Sie ſtehen ganz am Ende des Bruſtſchildes, und ſind beweglich, 
ſo, daß ſolche die Fliege bald vor, bald hinter ſich, bewegen kann. 

Es iſt bekannt, daß man ihren Nutzen bisher noch nicht recht hat beſtim⸗ 
men koͤnnen, ſondern daß man ſich durchgehends mit ſtarken wahrfcheinlis 
chen Muthmaſſungen behelfen muͤſſen. Ich werde daher nicht unrecht thun, 
wenn ich dieſen auch die meinigen beyfuͤge. Sollte, ſonderlich bey Flie— 
gen, die kleine muſchelfoͤrmigen Theile an ihren Fluͤgeln haben, der, oben 
von mir beſchriebene, Einſchnitt nicht eine gewiſſe Verwandſchaft mit dies 
fen länger und größer ſeyenden Fluͤgelkoͤlbgen haben? Sollte die Aneinau⸗ 
derſpreitzung dieſer Theile, oder derſelben Unterbleibung, nicht in dem 
Fluge der Fliege eine Veränderung machen, und wohl gar dieſlrſache ſeyn, 
daß die Fliege mit ausgebreiteten Fluͤgeln bald vor, bald hinter ſich, flie⸗ 
gen kann? Jedoch dieſes erfordert eine weitere Ausfuͤhrung und mehrere 
Verſuche, als ich dermalen noch nicht habe anſtellen koͤnnen. So viel 
habe ich jedoch angemerket, daß die Fluͤgelkoͤlbgen uberhaupt der Fliege 
zu ihrem Fluge ganz unentbehrlich ſeyn muͤſſen. Denn ich habe wenig— 
ſtens in meinem Theile, ſo oft ich die Verſuche gemacht habe, gefunden, 
daß, wenn ich ſowohl kleinen Haus, als größern Felb -und Waldfliegen, 
dieſe beyden Fluͤgelkoͤlbgen, oder auch nur eines derſelben, abgeſchnitten 
habe, die Fliege nicht mehr hat fliegen koͤnnen. 

Ich ſetze meine Beſchreibung fort. Die drey Paar Fuͤße find in 
Abſicht des ganzen Körpers, überhaupt fehr lang, und durchgehends 
ſchwarz. Die Schenkel haben bey allen Fuͤßen einerley Breite; auch 
die Schienbeine an den Vorder- und Mirtelfuͤßen; an den Hinter⸗ 
fuͤßen aber haben fie eine beſondere Einbiegung (). Der Vorfuß hat 
Fünf Gelenke, wovon das hinterſte, fo dem Schienbeine anſtoͤßet, das 
laͤngſte und bey nahe fo lang iſt, als alle übrigen viere, welche herzfoͤr— 
mig find. Das aͤuſſerſte Gelenke hat vornen zwoo hackenfoͤrmige, 
fcharfe, und ſpitzige, Klauen, die zwiſchen einer zweymal geſpaltenen 
Tatze innen ſitzen; ſo daß der mittlere Theil dieſer Tatze von beyden Klauen 
eingeſchloſſen iſi. Dieſe Tatzen ſind von ſchwammiger Eigenſchaft, und 
unten mit hellbraunen ganz hart an einander ſtehenden Haaren, wie bey 
einer feinen Sammetbuͤrſte, bewachſen. 

Ich komme endlich von dem Bruſtſchilde auf den Hinterleib, als 
den dritten Haupttheil, der Fliege. An demſelben bemerket man eben 
nichts Außerordentliches. Er hat acht Abfäge. Wo er mit dem Bruft; 
ſchilde zuſammenhaͤnget, iſt er am ſchmaͤhleſten; wird ſodann auf einmal 

breit 
CY Fig. 2.3. 4.4. 


n 2 253 


breit und rund; und endiger ſtch in eine ſtumpfe Spitze. Oben iſt er ges 
woͤlbt; unten aber iſt er ringsherum eingebogen, doch ſo, daß er in der 
Mitte wieder eine leichte Woͤlbung macht. Ob er gleich hie und da mit 
kurzen Haaren beſetzet iſt; fo iſt er doch durchaus glänzend ſchwarz; den 
letzten Abſatz ausgenommen, welcher die meiſten hellbraunen Haare hat, die 
ſeiner ſchwarzen Grundfarbe den Glanz benehmen. Endlich iſt der ganze 
Hinterleib, oben und unten, Überall mit ganz ungemein zarten vertieften 
Puncten uͤberſtreuet. 

Nimmt man alles dieſes, was ich bisher von dieſer Fliege erzaͤhlet 
habe, zuſammen; fo wird es nun ganz leicht ſeyn, fie in eine der Ke— 
aumuriſchen Eintheilungsclaſſen zu bringen. 

Da fie nur zween Fluͤgel, und darneben einen Saugruͤſſel oh⸗ 
ne Zähne hat, fo gehört fie zu der erſten Claſſe der erſten allgemei⸗ 
nen Abtheilung. In Abſicht ihres Leibes iſt fie eine von denenjeni⸗ 
gen, die er kurzleibig und plattgedruckt nennet. In Anſehung ihrer 
Fluͤgelhaltung, muß man ſie zu der Art zaͤhlen, die ihre Fluͤgel kreu— 
tzet, und zwar alſo, daß ſie ſich einander ganz, den Hinterleib aber an 
den Seiten nicht voͤllig decken, ſondern uͤber denſelben hinaus gehen. 

Unter was vor ein beſonderes Geſchlechte der Fliegen man ſie aber 
eigentlich zu rechnen habe; das moͤgte wohl etwas ſchwerer zu beſtimmen 
ſeyn. Denn, mie ich gleich im Eingange erwaͤhnet, fo iſt mir, auffer 
ihr, ſonſt keine Fliege, weder in der Erfahrung, noch aus Schriften, be— 
kannt, mit der ſie ſich wegen ihres außerordentlichen Bruſtſchildes 
vollkommen vergleichen ließe. a 

Will man ſie aber ja unter ein ſchon bekanntes Fliegengeſchlecht fes 
sen; ſo iſt wohl keines ſchicklicher, als dasjenige, fo, bey Herrn von 
Keaumur, das Fliegengeſchlecht mit gewaffneten Bruſtſchilde, 
(a corcelet arme,) heißet; dergleichen Fliegen aus der Verwandelung der 

langen Waſſermaden ihren Urſprung nehmen. 

Es haben, außer erſtgemeldtem Herrn von Reaumur, die Geſchich⸗ 
te dieſer Waffenfliegen, Swoammerdam, Friſch und Röfel, beſchrie— 
ben, und die noͤthigen Abbildungen hinzu gefuͤget; und zwar erſtere unter 
dem Namen der Waſſerbreme, und letzterer unter dem Name der Wafz 
ſermuͤcke. Es ſcheinet aber, als wenn Jeder eine beſondere Gattung 
derſelben vor ſich gehabt habe, die aber insgeſammt mit der gegenwaͤr⸗ 
tigen in den wenigſten Stücfen uͤbereinkommen. f 

Da ich eben die deutſche Ueberſetzung der Swoammerdamiſchen 
Bibel der Natur vor mir liegen 312 ſo kann ich unmoͤglich a 

i 3 en, 


254 wa 


fen, die Anmerkung zu machen: daß der Ueberſetzer den Inſecten gar zu 
unbeſtimmte Namen beyleget, und wann er ſie veraͤndert, in der Auss 
wahl derer Ausdrücke, die er für gleichgültig halt, ſehr unglücklich ſey. 
Ganz recht giebt er Aſilus, ob gleich dieſe Waffenfliege nichts weniger als ein 
Aſilus des Linnaͤus iſt, auf deutſch durch Waſſerbreme; wie denn 
auch Herr Friſch dieſen Namen aus dem Swammerdam beybehalten hat. 
Nichts deſtoweniger macht der Ueberſetzer, ohne daß man die Urſache das 
von errathen kann, wann er auf die Beſchreibung derſelben kommt, dieſe 
Waſſerbreme zu einer Kuhfliege. Und wann man die Auslegung 
des Kupferſtiches nachſchlaͤgt, fo wird daraus endlich gar ein Kuhkaͤfer. 
Wer ſollte dieſe drey Dinge wohl fuͤr Eines halten? Nicht nur alle Inſe⸗ 
ctenbeſchreiber, ſondern auch der ungelehrte und gemeine Mann, verknuͤpfet 
mit dem Worte Käfer, den Begriff eines Inſectes, deſſen durchſichtige 
Fluͤgel mit harten undurchſichtigen bedecket ſind. Ja, der Herr Ueber— 
ſetzer ſelbſt nimmt bey Beſchreibung der Naſehornkaͤfer, dieſen Begrif 
an, und bedient ſich des Worts Kaͤfer hier, wie uͤberhaupt zu Anfange 
der dritten Claſſe, in den Eintheilungen. Er wird alſo nicht rechtfertigen 
koͤnnen, daß er hier eine zweyfluͤgliche Fliege einen Kaͤfer genannt 
hat. Was vor Verwirrung wuͤrde nicht in der Inſectenhiſtorie entſte— 
hen, wenn man, bey ihrem nunmehro zunehmenden Wachsthume, nicht 
hauptſaͤchlich mit darauf ſehen wollte, daß, auch in der deutſchen Spras 
che, die gar zu wilführlichen Benennungen in genauere und richtigere 
Begriffe eingeſchloſſen wuͤrden? 

Bey vorgedachten Schriftſtellern findet ſich die Verwandlung der 
Waſſerfliege viel beſſer und weitlaͤuftiger, als ſie ſelbſt, beſchrieben. 
Das Sonderbarſte aber iſt, daß, obgleich ein Jeder den andern anfuͤhret, 
ſie doch alle, ohne Swammerdam, der aber auch nur mit zwey Worten 
der Sache gedenket, das Vornehmſte an dieſer Fliege, nämlich ihren ge= 
waffneten Bruſtſchild eben fo wenig beſchrieben haben, als wenig ihre 
Abbildung das Mindeſte davon ſehen laͤſſet. Haben ſie denſelben nicht 
recht betrachtet, und vieleicht uͤberſehen? oder giebt es auch Verwande⸗ 
lungen ſolcher Waſſermaden, deren Fliegen keinen gewaffneten 
Bruſtſchild haben? i 

Wir werden uns alſo freylich allein an den Herrn von Reaumur 
halten, und von ihm, wegen der Waffen dieſer Fliege, des weitern uns 
belehren laſſen muͤſſen. Nur kuͤrzlich des Noͤthigen zu gedenken. Es hat 
dieſe Waffenfliege an ihrem Yruſtſchilde ein Paar hornige Fortgaͤnge, 
die wie krumme, und mit ihren eingebogenen Spitzen gegeneinander ſte— 
hende, Hagken ausſehen; und dabey ganz platt dem erſten ie 

elen⸗ 


a 255 


Gelenke, des Hinterleibes aufliegen. Allein, eben aus dieſer, auch nur 
ganz kurzen, Beſchreibung, ſiehet man ſogleich, daß der Bruſtſchild der 
gegenwaͤrtigen Fliege gaͤnzlich anders gebauet ſey. Der Fortgang ihres 
Bruſtſchildes lieget nicht platt auf, ſondern iſt erhaben; deſſelben beyde 
Spitzen ſtehen in die Hoͤhe; und ſie ſind nichts weniger, als hornig. 
Man muß alſo dieſe Fliege, wenn man fie ja unter das bewaffne⸗ 
te Kliegengeſchlechte zaͤhlen will, nothwendig wieder als eine beſondere 
Gattung deſſelben anſehen. Ich glaube aber auch nicht zu irren, wenn 
ich fie für ein ganz eigenes Geſchlechte halte; und, da ich fie nirgends bes 
ſchrieben, oder benennet, gefunden habe, will ich ihr den Namen der 
Sattelfliege beylegen. Ich glaube daran um ſo mehr recht zu thun; 
je mehr in der Inſectengeſchichte ſchon Raupen bekannt find, die wegen 
ihrer unterſchiedlichen Erhöhungen auf dem Ruͤcken, die Sattelraupen 
heißen. Doch ich werde mit Niemanden ſtreiten, der dieſe Fliege beſſer 
zu nennen weis; zumal da alle dergleichen Namen willkuͤhrlich ſind. 
Von ihrer Feugung und Verwandlung weis ich nichts zu ſagen. 
Ließe es ſich nach der Analogie allezeit ſicher ſchließen, ſo moͤgte ſie wohl 
eben ſo, wie die Waſſerfliege, einem ins Waſſer gelegten Eye, und 
einem daraus entſtandenen Waſſerwurme, ihren Urſprung zu danken 
haben. Solches wuͤrde dadurch um ſo wahrſcheinlicher werden, da ich ſie 
nicht nur das erſtemal ohnweit der vorbeyflteßenden Donau gefangen, ſon— 
dern auch nachhero allezeit, eben ſo an Baͤchen, Suͤmpfen und dergleichen 
ſtehenden Waſſern angetroffen habe, als man die Waſſerfliege an der⸗ 
gleichen Orten insgemein antrifft. Ja vieleicht ließe ſich auch, wenn 
man ſolche ihre Entſtehungs-und ſonderlich ihre Verwandlungsart ums 
ſtaͤndlich wuͤßte, alsdenn von dem Zwecke, und dem Nutzen, ihrer Dor— 
nenſpitzen und ihrer Sattelwoand, etwas Genaues beſtimmen. 
Jedoch, da ich je laͤnger je mehr in der Erfahrung finde, daß die 
Natur ſich in keine gleiche Schranken zwingen laͤßt; ſo will ich mit wei— 
tern Muthmaßungen zuruͤckhalten; und vorjetzo lieber bekennen, daß ich 
ihre Entſtehung, und den Nutzen ihres beſondern Gebaͤudes, eben ſo we— 
nig wiſſe, als wenig es ſich Herr von Reaumur fuͤr eine Schande geach⸗ 
tet hat, ſeine Unwiſſenheit, wegen des Nutzen der Waffen jenes Fliegen⸗ 
geſchlechtes, zu geſtehen. Späte mir aber insfünftige ihre Zeugung 
und Verwandlung bekannt werden, fo werde ich, ihre Ges 
ſchichte zu ergaͤnzen, nicht unterlaͤſſen. 


Erklaͤ⸗ 


256 ne” 


Erklaͤrung der Kupfertafel. 


Fig. I. Die Fliege in ihrer natürlichen Größe, figend, und in der Ruhe. Dan fie 
het hier ſonderlich die Art, wie ſich ihre Flügel ereutzen; wie der Hinterleib et⸗ 
was gekruͤmmet iſt; und wie die Füße ungewoͤhnlich lang ſind. 6 

k. eine von den mittlern Dornenſpitzen. 
n. eine von den hintern Dornenſpitzen. 
p- ein Fluͤgelkoͤlbgen. 
Fig. II. Die Fliege, ebenfalls in ihrer natürlichen Größe, ruͤckwaͤrts, und fliegend. 


Fig. III. Die Bauchſeite, wenn die Fliege auf dem Ruͤcken liegt. 

f. f. die ruͤbenfoͤrmigen Fuͤhlhoͤrner. 

g. 1 die vordern Seitenecken. 

K. k. die miktlern Dornenſpitzen. 

p. p. die Fluͤgelkoͤlbgen. N a 

9. J. der beſondere hohle Bug an dem Knie der Hinkerfuͤße. 

Fig. IV. Der Kopf allein, und vergrößert, damit man die einzeln Theile deffelben 
deſto beſſer erkennen, und von einander unterſcheiden moͤge. 

a a. die groͤßern, netzſoͤrmigen, und in den Zwiſchenraͤumen der ſechseckigen 
Liuſen, mit kurzen und ſtumpfen Haͤrgen bewachſene, Augen. 

b. das Stirnband zwiſchen dieſen groͤßern Augen. 

c. die in einem Dreyecke, ſtehendenden kleinern Augen; davon das Vordere, 
dem Saugrüffel zu, größer iſt, als die beyden hinter ihm. 

A chen f. deſſen aͤuſſeres Futteral, oder die Lefzen, ſehr mit Haaren 

ewachſen ſind. 

e. vermuthlich die beyden Fuͤhlſpitzen des Saugruͤſſels, fo ebenfalls ganz mit 
Haaren bedecket ſind. a ; 

f. k. die Fuͤhlhoͤrner, welche in einer ringfoͤrmigen Vertiefung en. Auch kan 
man an ihnen die 3 Haupttheile fo wohl, als ſonderlich an dem eigentlichen 
ruͤbenſoͤrmigen Theile, die 7 Ringe oder Einſchnitte, davon der letztere der 
laͤngſte iſt, deutlich ſehen und unterſcheiden. 


Fig, V. VI. Stellet das ſonderbar gebildete Bruſtſtuͤck vergroͤſſert vor. Die 
fuͤnfte Figur bildet es fo ab, wie man es gerade vor ſich; die ſechſte Figur, wie 
man es von der Seiten, ſiehet. a. a. die groͤßern netzfoͤrmigen Augen. d. das 
Stirnband. e. die kleinen einfachen Augen. d. der ſechſten Figur, der 
Saugruͤſſel. e. die Fuͤhlſpitzen des Saugruͤſſels. k. die ruͤbenfoͤrmigen Fuͤhl⸗ 
hoͤrner. g. g. das erſtere, oder vordere Seiteneck. h. h. das zwehte, oder 
mittlere, Seikeneck. i. i. der Einſchnitt über dem Bruſtſchilde. k. k. die 
mittlere Doruenſpitze. 1. 1. das dritte, oder hintere Seiteneck. m. der er⸗ 
habene Fortgang des Bruſtſchildes, den ich die Sattelwand genennet habe. 
n. n. die beyden hintern Dornenſpitzen auf der Sattelwand, und die ich mit den 
Packbretern eines Poſtillonſattels verglichen habe. o. o. ein Stkuͤck vom 
Fluͤgel, welcher oben abgeſchnitten iſt; unten zeigt ſich der Einſchnitt und die 
Klappe darinnen. „ p. p. die Fuͤhlkoͤlbgen. r. der fechſten Figur, zeiget den 
Anſatz der Vorderſuͤße, und 8. den Anſatz der Mittelfuͤße. 


883 Er 888. 


Das Afterjüngferaen, 


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8055 6008 90805 25 905 5 9055 8080 8098 <a O% 2055 9055 BR 9055 955 155 Er > 5 Bo: ER 


een Sc 


asjenige Inſect, von welchem ich in gegenwaͤrtigen Blaͤttern eine 
Beſchreibung, und, ſo wohl natuͤrliche, als vergroͤßerte, Abbil— 
dungen liefere, ſcheinet beydes um ſo mehr zu verdienen, je we⸗ 
niger deſſelben in den Schriften der Naturkuͤndiger, ſo viel ich 
mich erinnern kann, bis itzo noch Erwaͤhnung geſchehen iſt. 


Ich nenne dieſes Inſeet das Iwiefalter⸗ oder Afterjuͤngferchen 
(Libelloides ſeu Libellula ſpuria); und ich werde unten die Urſache ſolcher 
Benennung naͤher anzuzeigen nicht vergeſſen. 


Damit uͤbrigens dieſe meine Beſchreibung, nach Möglichkeit, ge⸗ 
nau und umſtaͤndlich ausfallen moͤge; ſo will ich folgende Ordnung beobach⸗ 
ten. Ich will zuerſt dieſes Afterjuͤngferchen ſowohl uberhaupt und im 
Ganzen betrachtet, als inſonderheit und nach allen ſeinen einzeln Theilen, 
beſchreiben. Sodann will ich die Geſchichte deſſelben, ſo viel davon zu 
meiner Kenntnis und Wiſſenſchaft gekommen iſt, erzaͤhlen. Endlich 
will ich eine Vergleichung mit andern ihm aͤhnlichen Inſecten anſtellen, 
um hieraus ſowohl die Urſache meiner Benennung einſehen, als auch be⸗ 
ſtimmen zu koͤnnen, ob dieſes Afterjuͤngferchen zu einem der ſchon bekann⸗ 
ten Geſchlechter gehoͤre, oder ob es nicht vielmehr ein neues und eigenes 
Geſchlechte ausmache? 


Betrachtet man alſo dieſes Afterjuͤngferchen zuerſt uͤberhaupt und 
im Ganzen; fo fallen einem ſogleich die ungewöhnlich langen Fuͤhlhoͤr⸗ 
ner am Kopfe (), und die hingegen ſehr kurzen Fuͤße (**) am Leibe, als 
k 2 etwas 
( Fig. I. II. III. b. b. ) Fig. J f A ene 
€ 


260 n Din; 
etwas Beſonderes, in die Augen. Den Ropf felbft (Y) finder man mehr 
breit, als lang, und mit einer ſolchen Menge kurzer Haare, von ver— 
ſchiedener Richtung und Farbe, umgeben und rauch, daß man, außer 
den auf beyden Seiten innenſtehenden ſchwarzen Augen, von ihm ſelbſt 
kaum etwas gewahr wird. Der Bruſtſchild (**) zeiget ſich glänzend» 
ſchwaͤrz; iſt ebenfalls rauchhaarig, wie der Kopf; und hat zwar mit die— 
ſem gleiche Breite, iſt aber mehr, als doppelt, länger. Er iſt etwas ges 
woͤlbet, und auf ſeiner Oberflaͤche ſiehet man einige Huͤgelgen, die ihm 
eine ungleiche und hoͤckerige Geſtalt geben. Auch bemerket man auf ſol— 
chen Huͤgelgen an einigen dieſer Thiergen je und allezeit etliche gelbe Dips 
pelgen (***), die andern hingegen allezeit fehlen (T). Und ich werde wei 
ter unten zeigen koͤnnen, daß dieſe gelbe Dippelgen nur den Weibgen 
eigen, die Maͤnngen aber derſelben allezeit beraubet, find. Dieſem Sruſt⸗ 
ſchilde find unten die drey Paar ziemlich kurzen Fuße angegliedert, die 
oben und am Ende ſchwarz, in der Mitten aber gelb gezeichnet ſind, und 
in ein doppeltes krummes und ſcharfes Haͤkgen auslaufen. Was den 
Leib (11) betrift, fo iſt folcher, wenn das Thiergen ſich in der Ruhe bes 
findet, und alsdenn die Flügel zuſammengeleget und geſchloſſen find, gaͤnz 
lich unſichtbar; indem er von ſolchen völlig bedecket wird (FIT). Lauret 
aber das Thiergen auf den Raub, und ſeine Fluͤgel ſind alsdann offen 
und ausgebreitet; ſo findet man den Leib ſchmaͤler und zugleich doppelt 
langer, als den Bruſtſchild, jedoch eben fo ſchwarz und rauchhaarig, als 
derſelbe iſt. Bey einigen dieſer Thiergen ſcheinet er durchaus gleich dicke 
zu ſeyn, wiewohl genau betrachtet, er auch hier in der Mitten allezeit et— 
was breiter, als an ſeinem Anfange, und Ende iſt; bey andern aber iſt 
dieſe letztere Beſchaffenheit fo merklich, daß er eine kegelartige Geſtalt hat. 
Das Beſonderſte aber, fo einem an dem Leibe dieſer Thiergen in das Ge 
fichte faͤllet, betrifft diejenigen zween krummen und ſtachelaͤhnlichen Fort⸗ 
ſaͤtze oder Anhänge, in welche der letztere ringfoͤrmige Abſchnitt bey einis 
gen auslaͤufet (). Der Klügel find vier an der Zahl (Hf). Sie find 
theils 
(Y Fig. I. II. III. a. (0 pig. UI. d. (4) Fig. I. d. (I) Fig. II. 
(c) Fig. II. f. f. II. f. (ff) Fig. I. e. e. ( Fig. II. g. (I) Fig. 

J. e. e. II. d. d. e. e. II. e, e. d. de 
E 


theils durchſichtig, theils undurchſichtig; und zwar erſteres die Oberflů⸗ 
gel mehr (0), als die Unterfluͤgel („). Da, wo fie undurchſichtig ſind, 
finder man die Oberfluͤgel gelb gezeichnet, und darzwiſchen ein kleines 

ſchmales ſchwarzes Streifgen; die Unterfluͤgel aber find an ihrem undurch⸗ 
ſichtigen Orte ſchwarz und gelb, faſt gleich ſtark, gezeichnet. Auch findet 
man die Oberfluͤgel etwas weniges länger, als die Unterfluͤgel hingegen 
dieſe hinwiederum merklich breiter und eckiger, als jene. 


Miſſet man dieſes Thiergen mit dem Maaßſtabe ab, ſo macht die ganze 
Laͤnge, von den Fuͤhlhoͤrnern bis zur Spitze des Leibes, 1 Zoll 7 Linien 
aus; ohne die Fuͤhlhoͤrner aber, vom Kopf an gerechnet, 7 Linien. Und 
die Breite von einer Spitze des offenen Oberfluͤgels bis zur Spitze des ans 
dern gerechnet, betraͤget gerade 2 Zoll. Es iſt alſo dieſes Thiergen, die 
Fuͤhlhoͤrner mit gerechnet, faſt eben fo lang, als es bey offenen Flügeln 
breit iſt. 

Dieß iſt die Geſtalt und Beſchaffenheit dieſes Thiergens uͤberhaupt 
und an ſich betrachtet. Nun wollen wir daſſelbe auch inſonderheit, und 
nach allen feinen einzeln Theilen, anſehen; und uͤberal, wo es noͤthig 
ſeyn wird, das Vergroͤßerungsglas zu Huͤlfe nehmen. 


Da dieſes Afterjuͤngferchen, wie andere feines gleichen, drey Haupt, 
theile hat, nämlich einen Kopf (*); einen Bruſtſchild CH), und eis 
nen Leib (T); jedem dieſer Haupttheile aber wieder beſondere Neben— 
theile angegliedert ſind: ſo wollen wir auch dieſer natuͤrlichen Abtheilung 


in der Betrachtung und Beſchreibung folgen. 

Dem Ropfe find die Fuͤhlhoͤrner, die Augen und der Mund 
eigen; und jeder dieſer Theile hat wieder ſeinen eigenen Bau und ſeine 
eigene Geſtalt. 

Kt 3 Der 
() Fig. I. d. d. II. e. e. (40 Fig: II. e. e. II. d. d. () Fig. I. I. 
II. a. (4) Fig. L d. (f) Fig. II. MI. f. 


262 el 


Der Nopf (Y) iſt, wie ſchon erinnert worden, mehr breit, als 
lang; indem die Breite von einem Auge zum andern gerechnet, 2 Linien 
betraͤget; da hingegen die Laͤnge, ohne die Haare mit zu rechnen, die ihm 
freylich ein laͤngers und breiters Anſehen geben, kaum 1 Linie ausmachet. 
Er iſt hornartig und glaͤnzendſchwarz, welches man aber nur erſt alsdenn 
gewahr wird, wenn man die Haare, mit welchen der ganze Kopf, obge— 
dachtermaßen, umgeben iſt, mit einer Scheere oder Meſſer bey Seite ges 
ſchaffet hat. 


Es ſind aber dieſe Haare von verſchiedener Farbe und Richtung, und 
ſtehen meiſt in abgeſonderten Buͤſcheln beyeinander. Einige befinden ſich 
auf der Stirne zwiſchen den Fuͤhlhoͤrnern; fie machen nur einen Buͤſchel 
aus; ſind ſaͤmmtlich ſchwarz, jedoch in der Mitten laͤnger, als nach den 
Seiten zu; und weil ſie der gemeinſchaftlichen kegelichen Grundflaͤche der 
Fuͤhlhoͤrner, welcher unten gedacht werden wird, aufſtehen; ſo haben ſte 
auch mit denſelben einerley, jedoch eben daher veraͤnderliche, Richtung, in⸗ 
dem ſie bald ſenkrecht, bald ſchief, bald wagrecht ſtehen, je nachdem die 
Fuͤhlhoͤrner dieſe, oder eine andere, Richtung annehmen. Andere bes 
finden ſich hinter den Fuͤhlhoͤrnern zwiſchen den Augen; haben eine aſch— 
graue, mehr und weniger helle, Farbe und eine ebenfalls ſenkrechte Rich⸗ 
tung; ſie machen uͤbrigens zween Buͤſchel aus, welche unten ganz nahe 
beyeinander ſtehen, ſich aber von da unmerklich, gegen die Seite zu von⸗ 
einander entfernen, und weil die mittlern Haare jedes Buͤchſels laͤnger, als 
die andern auf der Seite ſind, ſo ſtellen ſie beyde ein Paar Dreyecke vor. 
Noch andere ſtehen an den Seiten des Kopfes, und zwar ein Buͤſchel 
vor, und ein Buͤſchel hinter, jedem Auge. Dieſe haben, wie die zwiſchen 
den Fuͤhlhoͤrnern, ſaͤmmtlich eine ſchwarze Farbe; nur iſt ihre Richtung 
verſchieden, indem die, ſo vor den Augen ſtehen, hinterwaͤrts dem Leibe, 
und die, ſo hinter den Augen ſtehen, vorwaͤrts dem Kopfe, zugekehret ſind. 


Die Fuͤhlhoͤrner (**) ſindſder Stirne des Kopfes einverleibet, und 
ſtehen unmittelbar vor den Augen, doch ſo, daß ſie von ihnen, obgleich 
nur 

Y Fig. I. II. III. a. () Fig. I. II. III. b. b. 


nur etwas weniges, entfernet find. Sie haben eine etwas glänzende ſchwarze 
Farbe; ſtehen beyde auf einem gemeinſchaftlichen Grunde oder Abſatze, 
welcher ſeine eigene Eingliederung und Bewegung hat, und woher es 
kommt, daß die Fuͤhlhoͤrner, wenn das Thiergen das gemeinſchaftliche 
Grundgelenke beweget, ſich auf einmal zugleich und auf einerley Weiſe be⸗ 
wegen. Weil aber, außer dieſem gemeinſchaftlichen Grundgelente, jedes 
Fuͤhlhorn auch noch mit einer beſondern Eingliederung verſehen iſt; ſo 
kann das eine auch noch vor ſich eine beſondere Bewegung machen, wenn 
das andere zu eben der Zeit eine entgegengeſetzte, oder ſonſt willkuͤhrliche, 
Richtung hat und annimmt; doch ſcheinet dieſe letztere Bewegung ſelte— 
ner ich zu eraͤugen, als die erſtere durch Huͤlfe des gemeinſchaftlichen 
Grundgelenkes. Beyde Fuͤhlhoͤrner, zuſammen betrachtet, ſtehen am 
Grunde dergeſtalt nahe beyeinander, daß man faſt gar keinen Zwiſchen⸗ 
raum gewahr wird; von da aber entfernen ſie ſich mehr und mehr den 
Augen zu von einander, jedoch thun ſie dieſes nicht in einer geraden Linie, 
ſondern machen nach innen zu eine etwas gebogene oder gekruͤmmete Linie 
aus, ſo, daß ſie zuſammen betrachtet, einem Paare etwas gekruͤmmter 
Hoͤrner aͤhnlich ſehen, deren Spitzen oben gegen einander gebogen ſind. 


Ziehet man jedes Fuͤhlhorn in eine eigene und genauere Betrachtung, 
ſo findet man, daß ſolches aus einer Menge ringfoͤrmiger Einſchnitte oder 
Glieder beſtehet, die auch dem bloßen Auge, wenn ſie gegen etwas helles 
gehalten werden, nicht unkenntlich find; und an denen, außer der Laͤnge⸗ 
das Beſonderſte dasjenige laͤnglichrunde oder olivenaͤhnliche Knoͤpfgen (9) 
iſt, in welches dieſelben oben auslaufen und ſich endigen. Gleichwie nun 
dieſe Art Fuͤhlhoͤrner, im ganzen genommen, eine Kaͤule Cclaua) vors 
ſtellen; ſo haben ſolche von daher in der Inſectengeſchichte den Namen der 
käulfoͤrmigen Füͤblhoͤrner Cantennae clauiformes) erhalten. Miller 
man dieſe Fuͤhlhoͤrner in lebendigem Zuſtande, ſo machet die Laͤnge gegen 
9 Linien aus, da die Breite kaum den achten Theil einer Linie betraͤget; 
im todten Zuſtande aber ſchrumpfen fie etwas zuſammen, und werden das 
her, wiewohl ſehr wenig kurzer, ſonderlich das obere Knoͤpfgen. Er 

i 
Fig. I., II. e, e. 


264 mn RE 


Bringet man eines dieſer Fühlhörner unter die Vergrößerung (9; 
fo iſt man alsdenn erſt recht im Stande, ſich von dem Baue deſſelben 
den eigentlichen und gehoͤrigen Begriff zu machen. Man erkennet als⸗ 
denn, wie jedes, ſelbſt das obere Knoͤpfgen nicht ausgenommen, aus lau⸗ 
ter ringfoͤrmigen Abſaͤtzen oder Gliedern beſtehet, und ich habe deren, oh⸗ 
ne das Knoͤpfgen noch mit zu rechnen, bey 32 oder 33 gezaͤhlet. Jedes 
dieſer Glieder, außer dem erſtern, welches auf der gemeinſchaftlichen Grund⸗ 
fläche ſtehet, und fich kegelartig, auch dicker, als die übrigen, zeiget, hat 
eine runde und walzenartige Geſtalt, nur daß es oben und unten mir eis 
nem etwas breitern und gerundeten Rande verfehen A, und welcher mas 
chet, daß das Fuͤhlhorn dem bloßen Auge, oder unter einer ſchwachen 
Vergroͤßerung, ganz knotig wie eine Corallenſchnur, oder Roſencranz, 
ausſiehet (**). Sonſt find diefe Gelenke oder Glieder faſt von gleicher, we— 
nigſtens ganz unmerklich verſchiedener, kaͤnge; die erſten untern und obern 
ausgenommen, welche mit Unterſcheide etwas kuͤrzer ſeyn, und unter wel, 
chen das letztere, auf welchen das Knoͤpfgen ruhet, auch mehr trichter— 
foͤrmig, als walzenaͤhnlich, geſtaltet iſt. Die Art, wie diefe Glieder uns 
tereinander verbunden find, iſt auch unter der größten Vergrößerung 
und ſtaͤrkſten Bewegung des Fuͤhlhorns, kaum ſichtbar zu machen; es 
ſcheinet das Fuͤhlhorn eher aus einem einzeln und beugſamen Stuͤcke, als 
aus einzeln Gliedern zu beſtehen, und nur alsdenn, wenn man ein noch 
friſches und noch nicht ausgetruͤcknetes Fuͤhlhorn hie und da zerreiſſet, 
kann man die Eingliederung in etwas gewahr werden. Und was das obere 
olivenartige Knoͤpfgen betrift, ſo iſt daſſelbe, ſo ganz es auch, oben⸗ 
hin betrachtet, immer ſcheinet, dennoch ebenfalls aus mehrern Ringen 
oder Einſchnitten zuſammengeſetzet, und ich habe deren 8. bis 9. ges 
zaͤhlet. Die Ringe ſelbſt liegen ſchuppenartig aufeinander und nehmen 
von unten nach oben im Durchſchnitte zu, aber an Laͤnge ab; und das 
letzte obere Glied lieget, wie ein etwas gewoͤlbter Deckel, oder eine 
Hafendecke, auf dem vorhergehenden, und laͤufet, welches das Artig— 
ſte iſt, in der Mitten in ein ſtumpfes kegelartiges Spitzgen aus, das 
jedoch ſehr zerbrechlich und der Abnutzung unterworfen ſeyn muß, indem 


. es 
9 Lig. IV. e, e, f, f. ) e. e. 


n = 265 


es bey verſchiedenen großer und kleiner, ſcharf oder ſtumpfſpitzig iſt, und 
bey vielen ſiehet man nur noch ein kleines Huͤgelgen, als den Ueberbleib⸗ 
ſel davon. So rund indeſſen das Knoͤpfgen um und um zu ſeyn ſchei— 
net, ſo deutlich entdecket man jedoch an demſelben oben und nach innen zu 
einen kleinen Eindruck. Das ganze Fuͤhlhorn, und ſonderlich, wenn 
man genau aufſiehet, das obere Knoͤpfgen und deſſen Spitzgen, iſt uͤbri— 
gens ganz ungemein empfindlich, indem es ſich bey der geringſten Beruͤh— 
rung, und ehe man noch glaubet es beruͤhret zu haben, ſchon beweget und 
entfernet. Vermuthlich kommt dieſe große Empfindlichkeit, und, wie 
es ſcheinet, ſo gar noch von weitem her, von der Menge der kurzen und 
ſtumpfen Haͤrgen, mit welchen das ganze Fuͤhlhorn um und um, verſehen 
iſt. Wobey ich nur noch dieſes erinnern muß, daß man dieſe itzt gemel⸗ 
dete Beſchaffenheit der Fuͤhlhoͤrner bey einem noch lebenden Thiergen nach⸗ 
ſehen muß. Bey einem todten wuͤrde man es freylich nicht ſo, ſondern 
manches ganz anders finden, ſonderlich was das obere Knoͤpfgen anlanger, 
als welches im Tode zuſammenſchrumpfet, ſeine Rundung verlieret, und 
niche ſelten ganz zuſammengedruͤcket ausſiehet. 


Die zwey Augen (*) ſtehen rechts und links hinter und neben 9 
Fuͤhlhoͤrnern an den Seiten des Kopfes, und nehmen den groͤßten Raum 
deſſelben ein. Sie ſind laͤnglich rund, ſtark gewoͤlbet, von ſchwarzer, oder, 
nachdem das Licht auffaͤllt, auch oft kupferrother Farbe, und dergeſtalt 
ſtark hervorſtehend, daß fie auch dem bloßen Auge ſehr kennbar find, Be— 
trachtet man ſie unter der Vergroͤßerung, ſo findet man, daß ſie, wie 
bey andern Arten Inſecten, nicht einfach, ſondern aus einer faſt unzaͤhl⸗ 
baren Menge anderer kleiner und eigentlicher Augen zuſammengeſetzet find; 
und weil dadurch dergleichen Augen die Geſtalt eines Netzes erhalten, ſo 
pflegt man ſie, zum Unterſcheide anderer kleiner und einfacher Augen, die 
netzfoͤrmigen, groͤßern oder zuſammengeſetzten Augen zu nennen. 
Nur iſt an den Augen dieſer Thiergen dieſes noch anzumerken, daß fie 
nicht gaͤnzlich und durchaus gewoͤlbet oder laͤnglichrund ſind, ſondern daß 

Das Afterjuͤngfergen. K fie 


CE. Mad TR j } 


26⁵ n e 


fie in der Mitten durch einen mondfoͤrmigen vertieften Strich oder Fur⸗ 
che, deſſen Hörner den Fuͤhlhoͤrnern zugekehret ſind, gleichſam in zween 
Theile alſo zerſchnitten zu ſeyn ſcheinen, daß es auch das bloße Auge ers 
kennen kann. Da nun, wie ſchon erinnert worden, das Licht insgemein 
auf eine, die obere oder untere, ſcheinbare Haͤlfte mehr auffaͤllt, als zu 
der naͤmlichen Zeit auf die andere; ſo bekommt es gar das Anſehen, als 
wenn jedes Auge aus zween verſchiedenen Augen, einem kuͤpferigen und 
ſchwarzen, zuſammengeſetzet wäre (0). Uebrigens find dieſe Augen ohne 
alle eigene Bewegung, und ſitzen in dem Kopfe feſt und unbeweglich. 


Ich habe allererſt gewiſſer kleiner und einfacher Augen gedacht 
Dieſe haben bekanntermaſſen verſchtedene Inſectenarten, als Fliegen, 
Bienen, Weſpen, u. d., zugleich nebſt den groͤßern und zuſammenge⸗ 
ſetzten. Allein bey dieſem Afterjüngferchen habe ich ſie an dem Orte, wo 
fie ſonſt ihren Sitz bey andern zu haben pflegen, nämlich hinter den groͤſ 
ſern Augen, mit aller Muͤhe vergeblich geſuchet. Sie ſind derſelben in 
Warheit gaͤnzlich beraubet, und wenn ſie ſolche auch haͤtten, ſo wuͤrde 
durch den ſtarken Buͤſchel graͤulicher Haare, die hier den ganzen Raum 
einnehmen, der Gebrauch derſelben dennoch vereitelt werden. Zwar has 
be ich an dieſem, den einfachen Augen ſonſt eigenem, Orte ein paar glaͤn— 
zendſchwarze Erhoͤhungen, unter der Vergroͤßerung und nachdem ich die 
Haare bey Seite geſchaft hatte, gar wohl bemerket; allein, ſie ſind viel 
zu lang, und laufen von dem Hintertheile des Kopfes bis zum Fuͤhlhoͤr— 
nern, nebeneinander ſo bandfoͤrmig fort, als daß man ſie nimmermehr 
por etwas den Augen im mindeſten Aehnliches halten kann. 


Ich komme zu dem Munde (**), welcher faſt den ganzen vordern 
und ſenkrecht abgeſchnittenen Theil des Kopfes ausmachet. Es iſt dieſe 
Flaͤche mit lauter Haaren dergeſtalt uͤberwachſen und rauch, daß man 
nichts als vorne ein Paar kleine ſchwariglaͤnzende, und wenn das Thier 
lebet, bewegliche Spitzgen (*), und an den Seiten ein Paar gelbe, ſchma⸗ 
le, den Augen anſchließende und neben denſelben herablaufende Flecken 

oder 
C0 Fig. V. b. () Fig. IV. e. e. C fig. IV. c. C. dd 


Ic e 267 


oder Einfaſſungen, gewahr wird. Die Haare ſelbſt, ſo ſich hier zeigen, 
ſind von doppelter Farbe, Lage und Richtung. Einige ſtehen ganz oben 
über und zwiſchen den erſtgedachten gelben Seitenflecken; find aſch— 
grau; und haben, wenn das Thiergen den Kopf gerade vor ſich hinhaͤlt, 
eine ſenkrechte und mit den Fuͤhlhoͤrnern gleiche Richtung; auch nebſt dem, 
weil fie dem obgedachten Grundgelenke aufſtehen, mit denfelben einerley 
Bewegung. Die andern Haare nehmen den ganzen Raum zwiſchen den 
Augen und über dem Munde ein; fie find kurz, ſtumpf, von hellbrauner 
Farbe, und ſtehen meiſtens gerad in die Höhe. Schneidet man dieſe Haa— 
re mit einer Scheere rein ab, ſo kommen alsdenn erſt verſchiedene beſon— 
dere Theile zum Vorſcheine, die aber alle zum Munde gehoͤren, und den— 
ſelben zuſammengenommen ausmachen. Hieher gehoͤren: die Oberlip⸗ 
pe, die Unterlippe, die Niefern, die Juͤhlſpigen, und die Freß⸗ 
zange. 


Die Oberlippe iſt, von oben betrachtet, gewoͤlbet, doppelt geglie— 
dert, vorne etwas herzfoͤrmig ausgeſchnitten, und ſparſam behaaret; von 
unten aber betrachtet (), ſcheinet fie vorn mehr zugerundet, und am 
Rande ſtark mit hellbraunen Haͤrgen eingefaſſet zu ſeyn; das Uebrige ders 
ben iſt wegen der andern Theile im natuͤrlichen Zuſtande unſichtbar. 


Die Unterlippe (“%, welche etwas kleiner, als die Oberlippe, iſt 
laͤnglichrund, behaaret, braun, und hat drey eigene Gelenke oder 
Abſaͤtze. Das erſte macht den größten Theil aus, iſt unterwaͤrts 
gewoͤlbet, oben und an den Seiten zugerundet, unten aber, wo es mit 
dem folgenden Gelenke verbunden iſt, abgeſchnitten; und dieſes iſt der 
Theil, welchem unterwaͤrts, nach den Seiten zu, das innere Paar Fuͤhl— 
oder Freßſpitzen (***) anſitzet. Unter dieſem erſten Gelenke ſiehet man ein 
zweytes, mehr breites, als langes; und unter dieſem noch ein drittes, ſo 
dem zweyten vollkommen gleich, nur daß es etwas groͤßer, und daß mit 
ſolchem unterwaͤrts die Freßzange CH) ſcheinet verbunden zu ſeyn. Alle 
drey Gelenke find auf der Unter faͤche mit langen ſchwarzen Haaren bes 

n rg | 2 a d wach⸗ 


(0 Fig. V. a. a. (%) Fig. V. g. CM Fig. V. f. f. (H Fig. V. e. e. 


258 e e e 
wachſen, welche man alsdenn am beſten ſiehet, wenn man dieſe Unter⸗ 
lippe auf der Seite betrachtet. 


Der Kiefern (), welche bey andern auch die Zähne heißen, find 
zwey an der Zahl, nämlich auf jeder Seite eines. Sie befinden ſich zwi⸗ 
ſchen der Ober und Unterlippe, und das lebendige Thiergen beweget ſol— 
che, bey der Eroͤfnung des Mundes, ſeitwaͤrts zwiſchen der Ober / und 
Unterlippe von -und gegeneinander; und im todten Zuſtande, find fie ſo 
feſt aneinander geſchloſſen, daß ſie nur einen Theil auszumachen ſcheinen, 
und ſchwer voneinander zu bringen find. Betrachtet man fie unter die Ders 
groͤßerung, ſo findet man ihren Bau und ihre Geſtalt alſo beſchaffen. Sie 
beſtehen aus einem Stücke; find neben der gelben Randeinfaſſung der Au 
gen einer hornigen braunen Grundfläche angegliedert; haben einen breis 
tern und auf der Außern Seite gerundeten Anfang; werden gegen die 
Mitte etwas ſchmaͤler; und ſcheinen hier wie gegliedert oder abgeſetzet zu 
ſeyn, fo aber nur ein Betrug der Augen iſt; laufen alsdenn nach der ins 
nern und aͤußern Seite in einem einander entgegen ſtehenden Bogen und 
zwar ſo aus, daß der aͤußere Bogen noch einmal ſo lang hinauf gehet, 
als der innere, beyde aber ſich in eine gekruͤmmte Spitze oder ſcharfen Zahn 
endigen, der Zwiſchenraum aber ſchraͤg abgeſchnitten und ebenfalls ges 
ſchaͤrfet iſt N). Sie ſind ſchwarzbrauner Farbe, und an den aͤußern 
Seiten und Zaͤhnen ganz dunkel und glaͤnzendſchwarz. Wenn man ſie 
im Ganzen vom Rucken betrachtet, fo find fie an den Seiten zugerundet, 
und gewoͤlbet, laufen aber von der Mitte an, die etwas vertieft iſt, in 
eine ſcharfe Schneide aus. Betrachtet man ſie aber von untenher, ſo 
find fie auf dieſer Flaͤche ausgehoͤhlet, und man erblicket hier noch eine drits 
te krumme Spitze oder ſcharfen Zahn, der dem großen gegen uͤber und et— 
was ſchraͤg von ihm abſtehet. Man koͤnnte alſo dieſe Kiefern einer hohlen 
Hand mit zween Fingern und einem Daumen vergleichen, womit ſie wirk— 
lich viel Aehnlichkeit haben; oder einem dreyeckigen Keile, der an der ges 
ſchaͤrften Seite mit drey Zähnen verſehen fey. ö 


Der 
0 Fig. IV. c. c. (Y Fig. V. e. e. 


wu e 269 


Der Fuͤhl⸗ oder Freßſpitzen (*) zaͤhlet man vier, nämlich auf 
jeder Seite zwo; eine innere und eine aͤußere. Die zwo innern Fuͤhlſpi⸗ 
gen (*) find, wie oben ſchon erinnert iſt, der Unterlippe angeglievere- 
Sie beſtehen aus drey ſchwarzbraunen Gelenken oder Gliedern, davon das 
untere das kleineſte, das mittlere das groͤßeſte, und das dritte oben zu— 
gerundet iſt; welches jedoch in der Abbildung ſo natuͤrlich nicht, als es 
hätte ſeyn ſollen, ausgedruckt iſt. Das Paar aͤußere Fuͤhlſpitzen (* 
ſtehet auf dem zweyten Gelenke der Freßzange, und iſt von den innern 
wenig unterſchieden, nur daß es nicht ſowohl aus drey, als recht genau 

zu reden, aus fuͤnf Gliedern beſtehet. Die beyden unterſten ſind ſehr klein 
und ring⸗ oder knopfartig; das dritte iſt am laͤngſten; das vierte kuͤrzer, 
als das dritte und fuͤnfte, welches letztere ſtumpfſpitzig auslaͤuft. Alle die, 
fe Fuͤhlſpitzen find ſehr beweglich, allezeit bogen» weiſe nach innen zu ges 
kräͤmmet, und mit Haͤrgen bewachſen. 


Es iſt noch die Freßzange (5), als der vierte und letzte Theil des 
Mundes uͤbrig. Sie hat einen haͤutigen und ſehr breiten Grund, den 
ſie zuſammenlegen und unter die Unterlippe verbergen kann. Außer dem 
hat fie zwey Hauptgelenke und Abſaͤtze, die ſchwarz, hornartig und ſtark 
mit Haaren beſetzet ſind. Auf dem obern Gelenke ſtehet, neben der ſchon 
beſchriebenen äußern Fuͤhlſpitze nach innen zu, die Zunge, nebſt ihrer 
beſondern Fuͤhlſpitze an jeder Seite. Jene iſt ein gelbes, halbdurchſich— 
tiges, buͤrſtenaͤhnliches langes Haͤutgen, an der aͤußern Seite gewoͤlbet, 
an der innern faſt ſenkrecht abgeſchnitten, und an dieſem Orte mit lan— 
gen und vielen Haaren verſehen. Ihre Fuͤhlſpitze ſtehet zwiſchen ihr und 
der aͤußern Fuͤhlſpitze mitten inne; ſie iſt ſo groß, als die Zunge, gelb, 
halbdurchſichtig, und dreymal gegliedert, davon das mittlere das laͤngſte, 
die beyden ubrigen aber gleichlang und ungleich kuͤrzer, als das mittlere 
iſt. Dieſes ſey genug von dem erſten Haupttheile des Thiergens, naͤm— 
lich dem Kopfe. , 
Ä Ur Zn Den 


(O Fig. V. f. f. d. d. (9 Fig. V. ff. C Fig. V. d. d. CH Eig. 
V. e. e. 1 a 


270 un a Me 


Den zweyten Haupttheil an dieſem Afterjuͤngferchen macht der Bruſt⸗ 
ſchild (*) aus. Es iſt derſelbe mit einem haͤutigen Halſe, den das Thier⸗ 
gen ſtark beugen und ausdehnen kann, mit dem Kopfe verbunden. Und 
zwar iſt dieſer in der Mitten, mit einer hornartigen harten Decke verſehen, 
und den wir den Halsſchild nennen wollen. Dieſer Halsſchild beſtehet 
aus einem ringartigen ſchmalen Abſatze. Auf der obern Haͤlfte iſt ſolcher 
in der Mitten ſtark vertieft und wie ausgehoͤhlet, hat an der vordern und 
hintern Seite einen erhabenen Rand, und iſt daſelbſt in der Mitten et— 
was gelb gezeichnet; wie dann dergleichen gelber Flecken ſich auch auf jeder 
Seite befindet, der jedoch bey den Maͤnngen ſehr ſchwach und faſt gar 
nicht zu bemerken, bey den Weibgen aber um ſo ſtaͤrker und ſichtbarer iſt. 
Der untern Haͤlfte dieſes Halsſchildes find die erſten Paar Füße einvers 
leibet, von denen wir bald das Naͤhere beybringen werden. Das Thier— 
gen kann dieſen Halsſchild ſo ſtark an den Bruſtſchild ſchlieſſen, daß 
man glauben ſollte, es machte derſelbe mit ſolchem nur ein einziges und 
ganzes Stuͤcke aus. Ich habe allererſt geſaget, daß das Thiergen ſeinen 
Hals ſehr ausdehnen und beugen koͤnne. Dieſes erfolget, wenn es den 
Kopf ſtark niederwaͤrts bieget, und alsdenn ſiehet man, wie ſich der Hals 
vor dem Halsſchilde, der hier ſchoͤn gelb, hinter demſelben aber ſchwaͤrz— 
lich ausſiehet, in drey gelbe Huͤgelgen erhebet, welche in einem Dreyan— 
gel beyeinander ſtehen, und die leicht vor diejenigen drey einfachen Au⸗ 
gen koͤnnten angeſehen werden, von welchen wir oben geſagt, daß ſie die⸗ 
ſen Thiergen fehlen. 


Der Bruſtſchild iſt etwas länger, als er breit iſt; er hat eine 
ſchwarzglaͤnzende Farbe, iſt hornartig, doch etwas weich, und man ſie— 
het auf demſelben eine Menge ſchwarzer und grauer Haare, die ihm ein 
ganz rauches Anſehen geben. Vornen, dem Halsſchilde zu, iſt er etwas 
ausgeſchnitten, und hier am breiteſten; von da wird er nach hinten zu 
immer ſchmaͤler, und laͤuft endlich gerundet aus, fo, daß er einem ums 
gekehrten und ſtark gerundeten Kegel ziemlich beykommet. Seine 

Ober⸗ 


CY big. V. d. 


„ 


n O 27 


Oberflache iſt gewoͤlbet; und man kann an demſelben ein Paar vertiefte 
Linien, und 4. beſondere Huͤgelgen, auch mit dem bloßen Auge, gar deutlich 
unterſcheiden. Die zwo vertieften Anien oder Furchen laufen über den 
Bruſtſchild hin und zerſchneiden ſich in der Mitten alſo, daß ſie ein ordent⸗ 
liches Creutz vorſtellen; zwo aber find in die Qveere. Die Huͤgelgen ent— 
ſtehen von dieſen vertieften Linien, und ſehen daher wie kleine erhabene 
Dreyangel aus, die mit ihrer obern Spitze einander zugekehret ſind. Die 
beyden Seitenhuͤgelgen oder Dreyangel ſind glatt; das vordere und hin— 
tere Huͤgelgen aber iſt von neuem mit einer vertieften Linie oder Furche 
bezeichnet, welche bey jenem die Lange herab, bey dieſem aber in die Qveere, 
ſtehet. So weit dieſe vertiefte Knien und Huͤgelgen gehen, ſiehet der 
Bruſtſchild faſt viereckig aus. Allein, er hat hinten noch einen beſon— 
dern, doppelten und zugerundeten Anſatz und Fortgang, welcher ihm eben 
eine kegelartige Geſtalt giebet. Er machet, genau zu reden, vor ſich ein 
eigenes und beſonderes Stuͤck aus, indem er mit einer beſondern Haut dem 
erſtgedachten vordern viereckigen Theile angegliedert iſt. 


Wir haben oben gewiſſer gelben Flecken, oder Puncte, gedacht, mit 
welchen dieſer Bruſtſchild, ſonderlich bey den Weibgen, gezeichnet ſey. 
Und ſo findet es ſich auch allerdings. Man zaͤhlet derſelben an den Weib— 


gen g, und ſind ſaͤmtlich, auch den bloßen Augen, ſattſam ſichtbar. Mit 


zween iſt der vordere Dreyangel an den Seiten gezieret; mit einem der 
mittlere Dreyangel, faſt in der Mitten; und zween ſtehen neben beyden 
Dreyangeln auf jeder Seite, unmittelbar vor der Angliederung des Ober— 
flügels. Dieſe 8. gelbe Flecken haben wir oben den Männgen völlig abs 
geſprochen. So ſcheinet es auch wirklich dem bloßen Auge. Allein, wenn 
man recht ſcharf und mit einer guten Vergroͤßerung nachſiehet; ſo fehlen 
den Maͤnngen nur die Haͤlfte, naͤmlich die vier auf denen vordern und 
mittlern Dreyangeln; die vier aber neben denſelben an den Seiten ſind 
auch den Maͤnngen eigen, jedoch ungemein ſchwach und kaum der Anmer— 
kung wuͤrdig. 


f . Die⸗ 


272 e e 


Dieſem Bruſtſchilde find noch zwey andere beſondere Stücke anges 
gegliedert, die einer genauen Beſchreibung beduͤrftig ſind; naͤmlich, au 
den Seiten die Fluͤgel, und unten die zwey Paar Sinterfuͤße. Wir 
wollen die Fluͤgel zuerſt vor uns nehmen. 


Di.ieſer Kluͤgel find vier an der Zahl, naͤmlich zween Gberfluͤgel (“) 
und zween Unterfluͤgel (**). Sie find insgeſamt pergamenthaͤutig, 
theils durchſichtig, theils undurchſichtig, und an beyden Orten ſtark ges 
aͤndert. Da dieſe Art Fluͤgel mit einem Dreyecke viel Aehnlichkeit haben; 
ſo wollen wir auch in der Beſchreibung uns an dieſes Gleichnis halten. 


Die OGbetfluͤgel (***) find um ein ſehr weriges, und faſt unmerk⸗ 
lich laͤnger, dagegen aber merklich ſchmaͤler und ſtumpfſpitziger, als die 
Unterfluͤgel. Sie ſind mit einem ſchmalen, ringartigen, ungleichen 
und ſehr haarigen Gelenke den Seiten des viereckigen Vordertheiles des 
Bruſtſchildes, und zwar in gerader Linie dem mittlern, und ſonder⸗ 
lich bey den Weibgen gelbgefleckten, Huͤgelgen angegliedert. Die Spitze 
der Oberfluͤgel iſt etwas zugerundet, jedoch mehr abgeſchnitten, und 
haͤnget mit dem vorigen ringfoͤrmigen Gliede durch ein haͤutiges Weſen zus 
ſammen. Von da nimmt die aͤußere Seite einen rundlichen Anfang, 
läuft bis gegen die Mitte gewoͤlbet fort, macht alsdenn einen hohlen Auss 
ſchnitt, und nimmt hierauf wieder eine gewoͤlbte Richtung, die gegen 
und bis an das Ende am ſtaͤrkſten zunimmt. Es iſt dieſe aͤußere Seite die 
laͤngſte, und betraͤget gegen 11 Linien. Die innere Seite iſt nicht gar halb 
fo lang, als die aͤußere; und macht nur 5 Linien aus. Sie hat einen 
ausgeſchnittenen Anfang; woͤlbet ſich alsdenn bis gegen die Mitte, da ſie 
wieder ausgehoͤhlet wird; und von da bis an die Queerader, welche den 
gelben undurchſichtigen Theil von den übrigen abſchneidet, wieder gewoͤl⸗ 
bet auslaͤufet. Die Grundfläche iſt kleiner als die äußere, und größer 
als die innere Seite, und macht nicht gar 8 enen aus. Sie hat da, wo 

die 


( Fig. II. d. d. HI. e. e. (0 Fig. 1. e. e. III. d. d. ( Fig. I. e. e. 
II. d. d. III. c. . 


sn 273 


die äußere Seite, erſtgedachtermaßen, ſich endet, ihren und zwar gewoͤlb⸗ 
ten Anfaug, wird in der Mitten etwas hohl, und laͤuft alsdenn bis zur 
Vereinigung mit der aͤußern Seite gewoͤlbet aus. Da uͤbrigens die in, 
nere Seite ſich vom Anfange bis ans Ende von der aͤußern Seite entfer— 
net, die Grundflaͤche aber umgekehrt ſich vom Anfange bis ans Ende der 
aͤußern Seite naͤhert; ſo entſtehet daraus bey der Vereinigung der innern 
Seite eine Art Winkel oder Ecke, die aber nicht ſpitzig, ſondern ſtark ges 
woͤlbet iſt und zugleich die groͤßte Breite des Fluͤgels ausmachet. Das 
Innere dieſer Dberflügel beſtehet vornaͤmlich aus dem häufigen Aderwer— 
te, welches netzfoͤrmig und auf verſchiedene Art den ganzen Raum zwi⸗ 
ſchen den Seiten und der Grundfläche ausfüler, 2 


Unter dieſer Menge von Adern unterſcheiden ſich ſonderlich drey 
Sauptadern. Die erſte und vorderſte iſt der aͤußern Seite ſehr nahe, 
und laͤuft in einem ganz gerade fort; gegen die Mitte aber entſpringt aus 
ihr wieder eine andere kleinere, und die ſich darauf wieder in neue und 
mehrere Nebenaͤſte zertheilet. Die zweßyte und mittlere entfernet ſich 
gleich nach ihrem Urſprunge von der erſten, und laͤuft nach einer faſt un⸗ 
merklichen Hohlung in einem Bogen bis gegen die Mitte der innern Sei— 
te. Die dritte und hinterſte Hauptader hat die naͤmliche Laͤnge und Rich⸗ 
tung wie die mittlere, ſtehet nicht gar eine halbe Linie, jedoch uͤberall gleich 
weit, von ihr ab; und gleichwie jene ohne alle Nebenaͤſte iſt, ſo zeiget ſich 
an dieſer ein merklicher Nebenaſt, der in einem Bogen bis zur gewoͤlbten 
Ecke, oder Vereinigung der innern Seite und Grundflaͤche, gehet. Die 
ſe drey Hauptadern haben einerley Urſprung, naͤmlich bey der Spitze 
oder Angliederung des Fluͤgels; und eben hier haben ſie, wie der Bruſt— 
ſchild, ein gelbes Puͤnetgen, welches jedoch bey den Weibgen merklicher, 
als bey den Maͤnngen, aber ſchwaͤcher, iſt. Aus dieſen drey Hauptadern und 
ihn ihren Nebenaͤſten entſpringet ſodann das uͤbrige kleine Aderwerk, da— 
von diejenigen, ſo zwiſchen der aͤußern Seite und der erſtern Hauptader 
ſich befinden, lauter kleine Vierecke machen; die andern aber eine Ver— 
miſchung von Drey⸗Vier-Fuͤnf- und Sechsecken vorſtellen (). Den 

Das Afterjuͤngferchen. M m Raum 
& Fig. VII. f ö 


274 N N 


Raum zwiſchen dem Aderwerke füllt ein ungemein zartes, duͤnnes und 
glängendes Pergamenthaͤutgen aus; welches jedoch nicht überall, obgleich 
dem groͤßten Theile nach, durchſichtig; ſondern vom Urſprunge des Fluͤ⸗ 
gels bis ohnweit der Mitte deſſelben und zwar an dreyen Orten, undurch⸗ 
ſichtig iſt; nämlich zwiſchen der äußern Seite und der erſten Hauptader, 

wo ſich eine anfänglich ſchwarze, ſodann aber gelbe, Zeichnung zeiget; 
ſodann zwiſchen der zweyten und der dritten Hauptader, wo eine ſchwar⸗ 
ze Zeichnung iſt; und endlich zwiſchen der dritten Hauptader und deſſen 
bogenartigem Nebenaſte, und der Grundfläche, allwo wieder eine gelbe 
Zeichnung bemerket wird. Alles übrige, und folglich mehr als die Haͤlf⸗ 
te dieſer Oberfluͤgel iſt durchſichtig. Außer dieſen find noch zwey Stuͤcke 
an dieſen Oberfluͤgeln einer Anmerkung werth. Das eine betrift ein klei— 
nes viereckiglaͤngliches dunkles Fleckgen, fo ſich am Ende der erſten Haupt⸗ 
ader und zwiſchen ihr und der aͤußern Seite veroffenbaret; und deſſen wir 
unten mit mehrerm gedenken werden. Das zypeyte find die Menge klei⸗ 
ner ſtachelaͤhnlichen, krummen, und alle gegen die Vereinigung der Aufs 
fern Seite und der Grundfläche zugekehrten, braunen Haͤkgen (*), oder 
Haͤrgen, welche auf den Adern und den pergamentenen, ſowohl durchſich— 
tigen als undurchſichtigen Haͤutgen, unter einer ſtarken Vergroͤßerung, 
geſehen werden. Sie ſtehen alle etwas, und, wie es ſcheinet, faſt regel— 
maͤßig, gleichweit entfernet voneinander; und von ihnen kommt es zwei— 
felsohne her, daß dieſe Flügel zu gewiſſen Zeiten, und nachdem die Licht⸗ 
oder Sonnenſtrahlen auffallen, eine mannigfaltige ſehr ſchoͤne und regen, 
bogenartige Farbe annehmen. Miſſet man die Oberfluͤgel ab, ſo iſt ihre 
Laͤnge 11 Linien und die größte Breite 34 Knie. 


Die Unrerflügel (**) haben das Meiſte mit den Oberfluͤgelnngemein, 
naͤmlich, die Zaupradern, das kleinere Aderwoerk, das viereckig⸗ 
laͤnglich dunkele §leckgen, und die ſtachelaͤhnlichen Zaͤkgen oder 
Härgen. Wir werden alſo bey ihnen nur das anzumerken haben, wo⸗ 
durch ſie von jenen abgehen und verſchieden find. Sie find dem kegelar— 
tigen Hintertheile des Bruſtſchildes angefuͤget, und das obige gelbe Puͤnet⸗ 


N gen 
C) Fig. vn. 69 Fig. II. e. e. II. d. d. 


a ee 275 


gen fehler ihnen. Ihre Laͤnze macht 97 Linie aus, und ſind folglich 1 
Linie länger als die Oberfluͤgel; aber ihre Breite uͤbertrifft hingegen die 
Breite jener um 14 Linie, indem fie 42 Linie betraͤget; und beſtehet alſo 
der ganze Unterſcheid in Anſehung der aͤußern und innern Linte und der 
Grundflaͤche, im Vergleiche mit den Oberflügeln, darinnen, daß hier die 
innere Seite mit der Grundflaͤche faſt gleichgroß iſt, da ſie dort kleine war; 
und daß beyde da, wo ſie zuſammenſtoßen und ſich vereinigen, ſtaͤrker von 
der aͤußern Seite entfernet, folglich hier breiter ſind, und einen groͤßern 
gewoͤlbten Winkel machen. Dazu kommt endlich noch die Durchfichtigs 
keit und Zeichnung. Jene iſt hier, bey den Unterfluͤgeln, ſehr geringe, 
und aͤußert ſich nur in einem ſchmalen Striche an der Grundflaͤche, und 
außerdem noch von der Mitte der aͤußern Seite bis zur Vereinigung mit 
der Grundflaͤche; und auch an dieſen Orten iſt alles nicht fo rein, wie bey 
den Oberfluͤgeln, ſondern mehr halbdurchſichtig. Alles übrige iſt undurch— 
ſichtig, und gleichwie die obere Gegend von der Angliederung bis faſt in 
die Mitte eine bogenartige ſchwarze Zeichnung hat; fo hat die hintere Ge— 
gend eine ausgebreitete gelbe Zeichnung. Dem man vieleicht noch dieſes 
beyfuͤgen koͤnnte, daß die Unterfluͤgel von ihrem Anfange gegen die Mit— 
te zu etwas gefaltet ſind; und daß ſowohl der Anfang der aͤußern Seite, 
als noch mehr die innere Seite, ſehr ſtark mit ſchwarzen Haaren beſetzet 
iſt; welche Falten und Behaarung der innern Seite aber den Oberfluͤ— 
geln fehlen. 5 


Endlich kommen an dem Bruſtſchilde noch die Fuͤße (*) in Betrach⸗ 
tung. Es ſind derſelben drey Paare; auf jeder Seite drey. Sie haben, 
wenn man fie mit dem bloßen Auge und nur uͤberhaupt anſtehet, ſaͤmt— 
lich am Anfange und am Ende eine ſchwarze, in der Mitten aber eine gelbe, 
Farbe; ſind nach Maasgabe des Thiergens ziemlich kurz, ſcheinen jedoch 
faſt gleich groß zu ſeyn; haben drey beſondere Gelenke, deren ſich das letzte 
in ein Paar krumme und ſcharf auslaufende Haͤkgen eudiget. Das erſte 
Paar Fuͤße hat, wie oben erinnert iſt und genau zu reden, nicht an dem 
Bruſtſchilde, ſondern an dem obgedachten Halsſchilde, feine Eingliede— 

Mm 2 rung; 
(0 Fig. I. f. II. e. e. 


276 n N 


rung; das zweyte und dritte Paar aber ſtehet an dem eigentlichen Bruſt⸗ 
ſchilde, und zwar jenes an dem vordern viereckigen, und dieſes an dem 
hintern kegelartigen, Theile deſſelben. Es wuͤrde eine unnoͤthige Weir 
laͤuftigkeit ſeyn, wenn ich mich mit der Beſchreibung eines jeden Fußes 
beſonders abgeben wollte. Es wird genug ſeyn, wenn ich nur einen Fuß 
genau, und ſonderlich nach der Vergroͤßerung, beſchreibe; bey den uͤbri⸗ 
gen aber nur die Abweichung und den Unterſcheid anzeige. Wir wollen 
hierzu das dritte Paar erwaͤhlen; weil eben aueh auf der Kupfertafel 
Fe vorgeſtellet iſt. 


Es iſt dieſes dritte Paar Fuͤße (*) dem hintern kegelaͤhnlichen Theile 
des. Bruſtſchildes mittelſt eines umgekehrtkegelichen, dicken und kurzen 
Gelenkes (**) angegliedert; welches hornartig, glaͤnzendſchwarz, und 
mit dergleichen ſchwarzen Haaren ſtark bewachſen iſt. Man koͤnnte ſol— 
ches zum Unterſcheide das Afterglied oder den Afterſchenkel heißen. Auf 
daſſelbe folget das Dickbein oder der Schenkel, als das erſte eigentliche 
Fußglied. Es iſt durch ein kegelartiges Vorgelenke mit dem Aftergliede 
verbunden; hat eine faſt walzenfoͤrmige Geſtalt, iſt jedoch in feinem Ans 
fange dicker, als im Fortgange und am Ende, und ſiehet folglich kaͤulen— 
foͤrmig aus; nebſt dem iſt es, wie das Afterglied, hornartig, und bis 
ein ſehr weniges am Ende, da es gelb gezeichnet iſt, glaͤnzendſchwarz; 
auch eben fo, wie jenes, mit langen Haaren bewachſen. Mit dem Dick⸗ 
beine iſt das Schienbein , als das groͤßte und mittlere Fußglied, uns 
mittelbar, und ohne ein Vorgelenke, blos durch eine zarte Haut, verbuns 
den; es hat umgekehrt einen ſchmalen Anfang, wird aber bis ans Ende 
unmerklich dicker; iſt ebenfalls hornartig und behaaret, doch find die Haa— 
re hier etwas kuͤrzer, auch mehr ſtachelaͤhnlich, als bey dem Dickbeine; 
wozu noch die doppelt verſchiedene Farbe kommt, als die hier, wenn 
man das Fußblatt mit rechnet, gleichgroß, naͤmlich an der obern Haͤlfte 
gelb, und an der untern Haͤlfte ſchwarz iſt. Endlich macht der 
eigentliche Fuß, oder beſſer und um Verwirrung zu vermeiden, das 


Fuß⸗ 
Y Fig. VI. C) Fig. VI. a. Ce) Pig. VI. e. 


n 27 


Fußblatt, das dritte, hinterſte und letzte Fußglied aus (). Dieſes ber 
ſtehet wieder aus 5 andern beſondern Gelenken oder Gliederchen; die alle 
hornartig, glaͤnzendſchwars, und um und um, ſonderlich unten, mit 
kurzen ſtachelaͤhnlichen Haͤrgen oder Doͤrnchen gewafnet; ſie ſelbſt aber 
der Groͤße und dem Baue nach, voneinander verſchieden find. Die vier 
erſten gleichen einem kurzen Kegel, deſſen Spitze oder duͤnnere Theil dem 
dickern Theile des vorhergehenden Gliedes gleichſam eingeſtecket iſt; und 
gehen nur darinnen von einander ab, daß das erſte, ſo dem Schienbeine 
anſtehet, etwas laͤnger iſt, die uͤbrigen aber immer kleiner werden, ſo, 
daß folglich das vierdte das kleineſte unter allen; der ganze Unterſcheid 
aber kaum merklich iſt. Das fuͤnfte und letzte Glied iſt das groͤßte unter 
allen; ſtellet einen verlaͤngerten Kegel vor; und weil es am Ende in ein 
Paar lange, krumme und ſcharfe Haͤtgen ausläufet (*), koͤnnte man es 
das Hakengelenke nennen. Nicht nur dem bloßen Auge, ſondern auch 
unter der Vergrößerung, ſcheinet dieſes Hakengelente ganz zu ſeyn und 
aus einem Stücke zu beſtehen; ob es mir gleich in gewiſſen Stellungen 
vorgekommen, als wenn es aus mehr andern ſchuppenartig, uͤbereinan⸗ 


der liegenden, Abſchnitten zuſammengeſetzet ſey; welches ich jedoch nicht 
vor ganz gewiß ausgeben will. 


Mit dieſem itzt beſchriebenen dritten und hintern Paare Fuͤße, kom⸗ 
men nun die uͤbrigen beyden vordern, das erſte und das zweyte Paar, faſt 
in allem vollkommen uͤberein, und betrifft der ganze Unterſcheid faſt nur 
allein den Ort des Anſitzens oder die Angliederung. 

Das erſtere und vordere Paar Füße () iſt nicht, wie es ſchei⸗ 
net, dem eigentlichen Bruſtſchilde, ſondern dem obgedachten Halsſchilde, 
jedoch auf die Art, naͤmlich vermoͤge eines dickern Aftergliedes, wie das 
hinterſte Paar Füße, angegliedert. Das mittlere und zweyte Paar 
Fuͤße aber, iſt allerdings mit dem eigentlichen Bruſtſchilde, und zwar 
dem vordern viereckigen Theile deſſelben, durch ein dickes Afterglied vers 
bunden. Außerdem wuͤßte ich wirklich zwiſchen jedem Paar Fuͤße nicht 

Mm 3 den 
O Fig. VI. d., C Fig. VI. e. e. (9) Fig. III. e. e. 


a d e 


den geringſten erheblichen Unterſcheid; auch nicht einmal was ihre Laͤnge 
betrifft; indem nicht nur an jedem Fuße das Dickbein, Schienbein und 
Fußblatt, letzteres bis zur aͤußerſten Spitze der Haͤkgen gerechnet, ſaͤmt, 
lich von gleicher Sänge, nämlich 14 Linie, find; ſondern auch die Fuße 
ſelbſt im Ganzen genommen mit einander gleiche Laͤnge haben, naͤmlich 
gegen 4 Linien; wenigſtens babe ich bey aller Genauigkeit, ſo ich im Ab⸗ 


meſſen beokaditee; ‚fanm um z Linie den Unterſcheid gegeneinander fin⸗ 
den koͤnnen. 


Und dieß waͤre denn auch die Geſtalt und der Bau des Bruſtſchil⸗ 
des, und dererjenigen Theile, ſo ihm angegliedert ſind. Wir kommen 
nun zu dem letzten Haupttheile. 


Dieſer letzte und dritte Haupttheil betrifft den Leib (). Er iſt 
mit dem Bruſtſchild ſehr genau verbunden; kegelig, hornartig, glaͤnzend— 
ſchwar; und überall rauchhaarig. Er hat einen ſchmalen Anfang, läuft 
hierauf in die Breite aus, die aber von der Mitte bis an das Ende wies 
der nach und nach abnimmt; und endiget ſich etwas ſtumpfſpitzig. Bey 
einigen, nämlich bey den Maͤnngen (**), iſt der Leib ſchmaͤler und gegen 
die Mitte weniger dicke, als bey den Weibgen, an denen er, ſonderlich 
wenn er mit Eyern angefuͤllet iſt, oder zur Legezeit, ungemein dick und 
aufgerrieben iſt, und welches gegen die Mitte ſich am ſtaͤrkeſten zeiget. 
Er beſtehet bey den Maͤnngen und Weibgen aus ſieben befondern ring⸗ 
artigen Abſchnitten, die oben ganz hornartig und haͤrtlich, unten aber 
mehr haͤutig und weichlich, und an den Seiten mit den bekannten Luft— 
loͤchern verſehen ſind. Ihre Laͤnge iſt verſchieden, indem die erſtern und 
letztern die kuͤrzeſten und ſchmaͤleſten, die mittlern aber die laͤngſten und 
breiteſten ſind. Sonſt iſt aͤußerlich an dem Leibe, deſſen Laͤnge gegen 6 
Linien ausmachet, nichts Beſonderes anzutreffen, außer an den Maͤnn⸗ 
gen diejenigen krummen und hoͤrnerartigen Fortfäge (***), deren wir 
oben ſchon gedacht haben, und die den Weibgen gaͤnzlich fehlen. 


Diefe 
(Fig. I. f. f. II. f. (0 Fig. I. f. f. () Fig. I. g. 


A * 27 


Dieſe hornaͤhnlichen Fortſaͤtze (*) befinden ſich an dem letzten ringfoͤr⸗ 
migen Abſchnitte, und machen gleichſam einen beſondern aus. Zwiſchen 
und innerhalb demſelben liegt der After, ſo, daß wenn man den Leib ſtark 
druͤcket, ſich dieſe beyden Hoͤrner von einander entfernen und der Afterdarm 
zwiſchen ihnen empor ſteiget. Sie ſind bey 2 Linien lang; hornartig, 
glaͤnzendſchwarz und nicht nur uͤberall ſparſam mit langen ſchwarzen Haas 
ren bewachſen; ſondern es zeigen ſich auch an dem obern und duͤnnern 
Theile eine Menge kurzer, etwas gebogener, und ſcharfer Staͤchelgen; 
die vermuthlich dazu dienen, daß dasjenige, was zwiſchen dieſe Art einer 
Fange kommt, deſto feſter gehalten werden kann. An ſich haben ſie einen 
etwas breiten außen gewoͤlbten und innen ausgehoͤhlten Anfang; werden 
von da rund; und laufen bis gegen das Ende gleich dick fort, da ſie denn 
wieder etwas dicker werden, und ſich zugerundet enden; wiewohl an die— 
ſem obern und dickern Ende die innere Seite, wo die Staͤchelgen Kr 
mehr flach, als rund zu ſeyn ſcheinet. 


Und bey dieſer Beſchreibung der ſaͤmmtlichen aͤußerlichen Theile die⸗ 
ſes Afterjuͤngferchens laſſe ich es denn billig bewenden; und will nur noch 
etwas weniges von der Beſchaffenheit dererjenigen innern Theile melden, 
welche die Werkzeuge der Fortpflanzung ſind; und die bey den Männgen 
und Weibgen alsdenn zum Vorſcheine kommen, wenn man ihren Leib 
gegen den After ſtark druͤcket. 


Nimmt man alſo den Leib der Maͤnngen zwiſchen dem Daumen und 
Zeigefinger und drücker ſolchen mit einer gewiſſen Behutſamkeit, und fo, 
daß nichts zerreiſſet oder zerplatzet, von oben herab nach unten zu; fo 
werden verſchiedene Theile ſichtbar (“*). Drücker man Anfangs etwas 
ſchwach, fo erhebet ſich nach vorne zu ein hornartiger Theil (***), welcher 
in der Mitten und an den Seiten in eine ſtumpfe Spitze auslaͤuft, die alle 
drey etwas nach hinten zu gebogen ſind; und davon die an den Seiten 
ſehr ſtark, die mittlere aber ſehr wenig, mit Haaren bewachſen; und gleichwie 

ſich 
(0 Fig. I. g. (9 Fig. X. CH) Pig. X. a. 2. 


280 g n N. 

ſich die Seitenſpitzen ſehr genau an die aͤußere Seite der hoͤrnerartigen 
Fange anſchließen, alſo ſchlieſſet die mittlere ſehr genau zwiſchen dieſelbe 
ein, und bedecket alſo die Theile, welche ſowohl zwiſchen, als vor der 
Fange, verborgen liegen. Druͤcket man hierauf ſtaͤrker, ſo weichen oder 
entfernen ſich auch die zwey Fanghoͤrner auf die Seite; und alsdenn ſtei⸗ 
get zwiſchen, oder mehr hinter ihnen, ein darmaͤhnlicher haͤutiger Theil in 
die Höhe (5), welcher nichts anders, als der Afterdam mir feiner Deff 
nung iſt; vorne aber hinter dem dreyſpitzigen hornigen Theile erhebet ſich 
aus einer anfänglichen Vertiefung mehr und mehr ein zweytes darm— 
ähnliches Gefäße empor (**), und welcher, meines Dafuͤrhaltens, das ei⸗ 
gentliche und ordentliche Zeugungsglied, oder die männliche Ruthe iſt. 
Zwiſchen dieſer Ruthe und dem After ſiehet man hinten, dem After zu, 
einen kleinen zweyſpitzigen, nach vorne zu ausgehöhlten, und bornartis 
gen Theil (***), welcher in der Mitten manchmal eine Oeffnung zu has 
ben, manchmal aber nur, wie ein Knoͤpfgen „ erhaben zu ſeyn ſcheinet; 
und welcher Theil bey der Paarung zur Vermehrung des Reitzes und der 
Empfindung dienen mag. Welchem endlich noch diejenigen zwo haͤutigen 
ſtarken Erhoͤhungen beyzufuͤgen ſind, welche zwiſchen ihm und der Ruthe 
an der Seite ſtehen (J); und von deren Abſicht und Gebrauche ich nichts, 
auch nichts waheſchemüches „anzugeben vermag. 


Verfaͤhret man auf die nämliche erſt angezeigte Art durch Drücrung 
mit dem Leibe der Weibgen (FF); fo zeiget fich hier folgender Unterſcheid. 
Der bey den Maͤnngen dreyſpitzige Horntheil iſt hier ohne Spitzen, und 
ſcheinet blos die untere Hälfte des letzten Abſatzes zu ſeyn (Tr). Hinter 
dieſem ſiehet man zwar, wie bey den Maͤnngen, auch ein darmaͤhnliches 
Gefaͤße ſich erheben, es iſt aber ſolches viel kuͤrzer, und ſonderlich in der 
Mitten mit einer Qveeroͤffnung verſehen (J), aus welcher nicht ſelten 
die Eyer in die Qveere zugleich herausgedrücket werden; und was kann 
Ne anders als das weibliche Geburthsglied ſeyn? Weiter hinter dieſem 

ſind 


(0 Fig. X. e. OH Fig. X. e. 9 Fig. X. d. cr Fig. X. b. b. 
(ID 55 IX. (ff) Fig. I. a. a. (I) Fig. IX. b 


un 281 


find ein Paar ſchwarze, haarige, und warzenartige Erhöhungen (), wel, 
che mit dem zweyſpitzigen Theile der Maͤnngen ſcheinen in einer Verwant⸗ 
ſchaft zu ſtehen. Endlich iſt ganz hinten, eben ſo wie bey den Maͤnngen, 
der Afterdarm zu ſehen (**), der an feinem hintern Theile hornartig ges 
decket iſt (*). So viel von dem, was die Beſchreibung dieſes Af⸗ 
terjuͤngferchens betrifft. 


Ich wende mich, nach der oben gemachten Abtheilung, nunmeh— 
ro zu dem, was mir von ſeiner Geſchichte bekannt iſt. Ich rechne aber 
hiezu folgende Stuͤcke. Die Zeit der Erſcheinung; den Ort ihres Auf— 
fenthaltes; den Gebrauch der Fluͤgel; die Nahrung; die Paatung 
nebſt der Lortpflanzung, und endlich die Verwandlung vom Eye bis 
zum fliegenden Thiere. 


Gleich die er ſten Tage des Fruͤhlings find es, in welchen ſich bey 
uns dieſe Afterjüngferchen ſehen laſſen; und ich bin aus mehr als einem 
Umſtand uͤberzeuget worden, daß alle die, fo ich zu der Zeit jaͤhrlich und 

in ziemlicher Anzahl, gefangen habe, lauter erſt ausgeſchloffene, friſche 
und keine vorjährigen waren. Sie bleiben auch bis über die Mitte des 
Sommers; da ſie alsdenn ſparſamer werden, gegen den Herbſt aber 
fich ganzlich verlieren. In der Fruͤhe wenn es noch naß, oder ſonſt Re— 
genwetter iſt, ſitzen ſie in der Ruhe; ſo bald es aber trocken und warm 
wird, fo bald ſiehet man fie fliegen; und je heißer es iſt, je häufiger fies 


gen fie. 


Der Ort ihres Aufenthaltes, wo man fie su erſtgemeldeten Zeiten 
in unſern Gegenden antrifft, find die Berge jenſeit der Donau, von Ober— 
winzer bis Donauſtauf. Zwar will ich damit nicht behaupten, daß 
ſie Ausſchlieſſungsweiſe nur in dieſem Striche waͤren; es kan moͤglich ſeyn, 
daß ſie auch weiter oben und weiter unten angetroffen werden. Ich ſage 
damit nur ſo viel, daß ich ſie ſelbſt nirgends anders, als auf und bey ge— 

Das Afterjuͤngferchen. Nn melde⸗ 


& Fig. 1% C. C. 9 Fig. I E. CH) Fig. I d. d. , 


282 e 


meldeten Bergen angetroffen habe, und daß man fie daſelbſt jährlich ges 
wiß, und in ziemlicher Anzahl, ſehen und fangen kann. Dieſes aber kann 
ich eher mit Gewisheit ſagen, daß ich kein einziges in der Ebene, von 
gedachten Bergen weit entfernt, angetroffen habe. Nur an dem Fuße der 
Berge, und wo ſonderlich Getraide ſtehet, ſiehet man hie und da einige 
fliegen; wie man fie denn auch auf den ſchmalen Wieſen, die zwiſchen ges - 
dachten Bergen liegen, zu Zeiten einige antrifft. Auf den Bergen ſelbſt 
aber iſt allezeit ihr ſtaͤrkeſter und gewiſſeſter Aufenthalt. 


Was den Gebrauch ihrer Fluͤgel betrifft; ſo iſt derſelbe ein ande⸗ 
rer, wenn ſie ruhen, und wieder ein anderer, wenn fie auf den Raub lau⸗ 
ren oder fliegen. Wenn fie ruhen (), oder auch wenn es naß, neb— 
lich, oder regneriſches Wetter iſt; legen fie die vier Flügel zuſammen, 
und ſchließen ſolche dergeſtalt dem Leibe an, daß die Unterfluͤgel unter die 
Oberfluͤgel zu liegen kommen, und von dieſen faſt voͤllig bedecket werden, 
jedoch fo, daß noch etwas weniges von der gewoͤlbten Ecke der Unterfluͤ— 
gel den Oberfluͤgeln vorſtehet. Dieſe Haltung und Lage der Flügel iſt als⸗ 
denn auf beyden Seiten nicht gerade, ſondern ſchraͤg auf oder abwaͤrts, 
nämlich fo, daß fie unten an der aͤußern Seite von einander am weiteſten 
entfernet find; alsdenn ſchraͤg aufwärts ſich mehr und mehr einander naͤ⸗ 
hern; und endlich die innere Seite mit ihrer Ecke ziemlich aneinander ſtoſ—⸗ 
fen, die Grundflaͤche aber die übrige ſchraͤge Lage der Flügel behält, Da 
dieſe Lage und Haltung der Flügel einem auf beyden Seiten ſchraͤg gebau⸗ 
ten Dache aͤhnlich ſiehet; ſo nennet man ſie in der Inſectengeſchichte die 
dachfoͤrmige Fluͤgelhaltung. Sliegen aber dieſe Afterjuͤngferchen, 
oder ſitzen und lauren auf den Raub; ſo haben ſie alle vier Fluͤgel offen 
und ausgebreitet, und zwar dieſes im letztern Falle alſo, daß die Flügel 
von dem Orte, wo ſie ſitzen und lauren, allezeit und durchaus gleichweit 
abſtehen (**). Indeſſen find fie im Sitzen, fie mögen nun ausruhen oder 
auf den Raub lauren, ziemlich leicht, und wenn man behutſam umgehet, 
auch mit der bloßen Hand zu fangen; und dieſes alsdenn um ſo leichter, 
wenn des Morgens vom Thaue, oder zu anderer Zeit vom Regen, die 


Fluͤ— 
Y Fig. I. e. Y Fig. II. d. d. e. e. 


. 283 


Flügel naß, ſchwer, und folglich zum Gebrauche untuͤchtig ſind. Ihr 
Flug iſt etwas ſchwer, bald ſchwebend, bald flatternd, und wird durch 
die geringſte Bewegung der Luft geaͤndert; und die Thiergen nehmen nur 
alsdenn einen ſchnellen und fortſchieſenden Schwung, wenn ſie ihr Ge— 
ſchlechte oder den Raub verfolgen. 


Da ich nur erſt des Raubes gedacht, auf den dieſe Thiergen zu ge 
wiſſen Zeiten lauren und ihn verfolgen; fo habe ich hiemit auch ihre Nah⸗ 
tung angezeiget. Sie gehoͤren zu den Raubthieren, die von andern fleis 
nen Thiergen und Inſecten leben. Ihr ſtarkes gezaͤhntes Kiefer im Mun— 
de verraͤth zum Theile ſchon ſolches; ich habe fie aber auch wirklich und 
mehrmalen nicht nur den Fliegen, weichſchaaligen Kaͤfern u. d. nachjagen; 
ſondern auch dergleichen verzehren geſehen, und auch zu Zeiten ſelbſt noch 
aus ihren gezaͤhnten Kiefern genommen. So raubgierig und gefraͤßig ſie 
übrigens in der Freyheit immer ſeyn mögen; fo wenig greifen fie Fliegen 
und andere Inſecten, als ihren doch ſonſtigen Fraß, in der Gefangen⸗ 
ſchaft an. Ich habe bald einzelne, bald mehrere, in ſehr große Zuckerglaͤ— 
ſer gethan, und ihnen lebendige und todte Fliegen, in Menge, zugeſellet; 
ohne daß ſie auch das geringſte Merkmal gegeben, als kennten ſie ſolche. 
Sie ſterben lieber Hunger, als daß ſie freſſen wollen. Weil ich indeſſen 
doch gerne ihre Paarung ſehen wollen; ſo habe ich vielmals mehrere Maͤnn— 
gen und Weibgen zugleich ſo gar in ein großes Zimmer gebracht, und ſol— 
ches mit lebendigen Fliegen in Menge verſehen; allein auch ſelbſt hier, in 
dieſer ſcheinbaren Freyheit, habe ich fie nicht zum Freſſen oder Paaren brin— 
gen koͤnnen. Jedes Maͤnngen und Weibgen blieb und zum Theile auf dem 
Orte, den es einmal im Sitzen und Ruhen genommen, fo lang vor ſich eins 
zeln und unbeweglich, bis es aus Hunger matt wurde und endlich todt her— 
abfiel. So ſehr ſcheinen dieſe Thiergen der Freyheit, der freyen Luft, und 
des offenen Feldes, zum Leben zu bedürfen, 


So gewoͤhnlich und gemein es indeſſen bey andern Fliegenarten und 
Inſecten iſt, daß man fie gepaaret antrifft; fo wenig iſt mir auch nur ein⸗ 
mal die Paarung dieſer Aſterjuͤngferchen zu Geſichte gekommen. 

Nn 2 Was 


284 W 


Was wird es aber mit der eigentlichen Sortpflanzung und damit ders 
knuͤpften Verwandelung, diefer Afterjuͤngferchenvor eine Beſchaffenheit 
haben? Ich muß es frey bekennen, daß ich hiervon nichts, als nur die⸗ 
ſes zu ſagen weis, daß ich den Leib der Weibgen, ſo oft ich ſolche aufge⸗ 
ſchnitten, mit einer nicht gar großen Anzahl laͤnglichrunder bald gelblis 
cher, bald purpurartiger, Eher angefuͤllet gefunden habe (). Alles übrige 
iſt mir verborgen geblieben. Zwar habe ich allerhand angeſtellet, um auch 
hierinnen Entdeckungen zu machen. Da ich aus der Aehnlichkeit mit 
den ordentlichen Juͤngferchen (libellulae), und aus andern Urſachen, muth⸗ 
maßen koͤnnen, daß dieſe Afterjuͤngferchen, wie jene, ihre Eyer dem Waf⸗ 
fer anvertrauen, und folglich der daraus entſtehende Wurm, bis zur Ent— 
wickelung zu einem fliegenden Thiere, ein Waſſerwurm ſeyn werde; ſo 
habe ich jährlich und zu wiederholtenmalen eine Menge Weibgen mit 
dick aufgetriebenen Leibern und folglich befruchteten und dem Legen nahe 
ſeyenden Eyern, in ein großes und weites Glas gethan, welches ich 
gegen die Haͤlfte mit Waſſer, und nebſt dem mit langen Staͤngeln von 
Rohr angefuͤllet hatte; in der Hoffnung, dieſe Weibgen wuͤrden auf dieſe 
Weiſe ihre Eyer ausſchuͤtten und ins Waſſer fallen laſſen. Allein, es 
war die Muͤhe umſonſt und vergebens. Und eben ſo wenig erhielte ich 
Würmer aus denenjenigen Eyern, die ich aus dem aufgeblafenen Leibe 
der Weibgen ſelbſt nahm und ins Waſſer brachte! Ich muß es alſo blos, 
was die Fortpflanzung und Verwandelung dieſer Afterjuͤngferchen anlan— 
get, darauf ankommen laſſen, ob vieleicht die kuͤnftige Zeit das Eigent— 
liche entwickeln werde; mit Muthmaſſungen iſt vermuthlich Niemanden 
gedienet. 


Es iſt alſo nichts mehr uͤbrig, als daß ich noch diejenige Verglei— 
chung diefer Thiergen mit andern ihnen Ähnlichen Inſecten anſtelle, wozu 
ich mich oben anheiſchig gemacht habe. 


Da dieſes Afterjuͤngferchen kaͤulenfoͤrmige (antenne elavatae) Fühls 
hoͤrner hat, und nebſt dem feine Flügel in der Ruhe dachfoͤrmig zuſam, 
men 


(0 Fig. VIII. a. 


we 287 


men leget; beydes aber gewiſſen Zwiefaltern eigen iſt; ſo koͤnnte man 
leicht auf den Gedanken kommen, ob es nicht von darum in die Claſſe der 
Zwiefalter gehöre. Allein, da den Flügeln die federartigen Schup— 
pen fehlen, undhin gegen der Mund mit Kiefern oder Zaͤhnen bewafnet 
iſt; ſo ſchließet dieſer doppelte Umſtand dieſe Afterjuͤngferchen gaͤnzlich 
von der Claſſe der Zwiefalter aus, als deren Flügel mit Schuppen bede— 
cket ſind, und die ſtatt des Mundes und der Kiefern eine Saugroͤhre 
haben. . 5 


Vieleicht gehoͤren die Afterjuͤngferchen zu den ordentlichen Juͤng⸗ 
ferchen (libellulae)? Es iſt wahr, die Art wie fie im Fliegen, und wenn 
fie auf den Raub lauren, ihre Fluͤgel halten, und der hintere fangen 
aͤhnliche Anſatz oder Fortſatz des Leibes der Maͤnngen macht ſolches ziem⸗ 
lich wahrſcheinlich. Allein, die ungemeinen langen Fuͤhlhoͤrner, die 
Abweſenheit der drey kleinen einfachen Augen, und ſonderlich der Ort, 
wo die Feugungsgefaͤße ſich befinden; geben ihnen auch unter den ors 
dentlichen Juͤngferchen keinen Platz. 8 


Sollten nicht etwan die Afterjuͤngferchen eine Art der Kruͤhlings⸗ 
fliegen (phryganea), oder, wenn auch dieſes nicht, doch eine Gattung 
der Stinkfliegen (hemerobius) ſeyn? Auch dieſes, anderer Urſachen 
nicht einmal zu gedenken, kann blos um der Fuͤhlhoͤrner willen keinen Platz 
haben. Denn bey jenen, den Frühlingsfliegen, find die Fuͤhlhoͤrner 
zwar lang, aber borſtenartig (ſetaceae); und bey dieſen zwar etwas kaͤul, 
artig, aber viel zu klein und auch ganz anders gebauet, als bey den Af— 


terjuͤngferchen. 


Wohin werden wir alſo die Afterjuͤngferchen rechnen ſollen? Da ſie 
angezeigtermaßen keinem, obgleich in manchen Stuͤcken Ähnlichen In, 
ſectengeſchlechte gleichkommenz ſo glaube ich vollkommen, daß es das Beſte 
ſeyn wird, ſie zu einem neuen und eigenen Geſchlechte zu machen. Ich 
habe wenigſtens kein Bedenken genommen, ſolches zu thun, und ihnen 

Nn 3 eben 


286 e 


eben daher den Namen der Afterjuͤngferchen (belloides) gegeben, weil 
Ar noch in den meiften Stuͤcken den ordentlichen Juͤngferchen aͤhnlich ſind. 


Ja ich glaube ſo gar, daß dieſes Inſestengeſchlechte in Anſehung der 
Claſſen, koͤnne als eine Art der Mittelinſecten angeſehen werden. Ich 
habe dieſer Art der Inſecten in meinen Abhandlungen von Inſecten bey vers 
ſchiedenen Gelegenheiten erwaͤhnet; und es iſt auch die Sache ſelbſt mehr 
als zu richtig: daß naͤmlich zwiſchen jeder Claſſe es immer wieder ſolche 
Inſecten giebt, die vieles mit der vorhergehenden, und wieder vieles mit 
der nachfolgenden, Claſſe gemein hat. Denn auch hier ſind der Natur 
die Spruͤnge (faltus) unbekannt, ob wir gleich die Zwiſchenſtufen nicht 
allezeit angeben koͤnnen. Ich ſollte alſo glauben, man koͤnnte die Afters 
juͤngferchen zwiſchen die Claſſe der netzfoͤrmigen oder pergamentigen 
geaͤderten (neuroptera) und zwiſchen der ſchuppigen (lepidoptera), Ju⸗ 
ſecten ſetzen, oder ihnen gar eine eigene Claſſe zwiſchen beyden anweiſen. 
Wenigſtens haͤtte ich ihnen um deswillen den Namen der Swiefalterjuͤng⸗ 
ferchen zu geben kein Bedenken; weil fie von den Zwiefaltern die eine Dat: 
tung der Fluͤgel, und die Fuͤhlhoͤrner; von den Juͤngferchen aber die an— 
dere Haltung der Flügel, und den fangenaͤhnlichen Auslauf des Leibes ges 
mein haben. . 


Jedoch ich werde mit Niemand ſtreiten „bey dem mein Beweis und 
Erklärung keinen Beyfall finden ſollte; fondern werde demjenigen gern 
meinen Beyfall geben, der in dieſem Stücke der Natur naͤher, 
als ich kommen ſollte. 


Erklaͤ⸗ 


wa 297 


Erklärung der Kupfertafel. 


g. I. Ein Weibgen, wie es ſitzet und ausruhet. 
a. a. der Kopf. 
b. b. die Fuͤhlhoͤrner. 
c. c. das olivenaͤhnliche Knoͤpfgen der Fuͤhlhoͤrner. 
d. der Bruſtſchild, nebſt dem vorſtehenden Halsſchilde. 
e. e. die Fluͤgel. 
f. die drey Paar Fuͤße. 
ig. IT. Das Maͤnngen, wie es ſlieget, oder auch im An auf den 
Raub lauret. 
a. a. der Kopf. 
b. b. die Fuͤhlhoͤrner. 
c. c. das olivenartige Knoͤpfgen der Fuͤhlhoͤrner. 
d. d. die Dberflügel. 
e. e. die Unterfluͤgel. 
f. f. der Leib. 
g. die beyden Anſaͤtze und Fortgaͤnge des Leibes, oder die hoͤrner— 
artige Fange. 
Fig. III. Ein Weibgen, wie es auf dem Ruͤcken lieget. 
a. der Kopf. 
b. b. die Fuͤhlhoͤrner. 
C. c. die Oberfluͤgel. 
d. d. die Unterfluͤgel. 
e. e. das erſte Paar Füße. 
f. der Leib ohne Fange. 
g. IV. Ein vergroͤßerter Kopf. J 
a. die Haare, ſo auf der Stirne ſich befinden. 
b. die halb ſchwarzen und halb kuͤpferigen Augen; nebſt der gelben 
Einfaſſung. 
c. c. die geſchloſſenen Kiefern oder Zaͤhne. 
d. d. ein Paar Fuͤhl- oder Freßſpizen. N 
e. e. die Fuͤhlhoͤrner. 
f. f. die olivenartigen Knoͤpfgen. 


V. Die vergrößerten Werkzeuge des Mundes, wie fie ſich von uns 
ten her zeigen. 


Der) 


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8 2.2. die 


288 e e 


a. a. die Oberlippe. - 
b. b. die Kiefern. 
c. c. die fchräg abgeſchnittene innere und gezaͤhnte Seite der Kiefern. 
d. d. das Äußere Paar Fuͤhl⸗ oder Freßſorzen. 
e. e. die Freßzange. 
f. f. das innere Paar Fuͤhlſpitzen. 
. die Unterlippe. 
der Ort, wo der Kopf dem Halsſchilde angegliedert iſt. 


Een) VI. Ein vergrößerter Fuß des hinterſten oder dritten Paares. 
a. das Afterglied oder der Afterſchenkel. 
0 b. das Dickbein oder Schenkel. 

c. das Schienbein. 

d. das gegliederte Fußblatt. 

e. e. die zween krummen Näfgen des Fußblattes. 


Fig. VII. Ein Stuͤck eines vergrößerten Fluͤgels. 


Fig. VIII. Der aufgetriebene und aufzeſchnittene Leib eines Weibgens. 
a. die Eyer. 
b. b. b. der ausgeſpannte Leib. 


Fig. IX. Das vergroͤßerte Geburtsglied des Weibgens. 
a. der ringartige Abſatz. 
b. das Geburtsglied. 
c. c. die zwey ſchwarzen, haarigen und warzenartigen Erboͤhungen. 
d. d. die hornartige Bedeckung des Afterdarms. 
e. der Afterdam ſelbſt. N 


Fig. X. Das vergrößerte Zeugungsglied des Maͤnngens. 
a. a. der dreyſpitzige und hornartige Vorring. 
b. b. die wey haͤutigen Erhöhungen neben und hinter der Ruthe. 
c. die Ruthe ſelbſt. 
d. A zweyſpitzige Koͤrpergen, zwiſchen dem Afterdarme und der 
uthe. 
e. der Afterdam. 
f. f. die hoͤrnerartige Fange. 


„88 (0) 888 


VII. 


Der weichſchaalige Cronen— 
und Kaͤulenkaͤfer. 


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ls ich im Jahre 1761. die gegenwaͤrtige Abhandlung ankuͤndig⸗ 

te, konnte ich mit vieler Zuverlaͤßigkeit behaupten, daß derjes 

nige Kaͤfer, den ich in ſolcher beſchreiben werde, unter die 

noch ziemlich unbekannten, wenigſtens unbeſchriebenen, und 

ganz und gar noch nicht abgebildeten, Inſecten gehoͤre. Nun iſt zwar 

ſeit dem der Verfaſſer der Pariſiſchen Inſectengeſchichte (*) mir zu⸗ 

vorgekommen, indem er uns in dieſem ſchoͤnen Werke auch von dieſem 

Käfer eine Beſchreibung und Abbildung geliefert hat (**). Allein, da 

eines Theils dieſe Beſchreibung, nach dem Zwecke des Herrn Verfaſſers, 

nicht anders, als ſehr kurz, ſeyn koͤnnen; andern Theils von ihm nur ei— 

ne einzige natuͤrliche, und ſonderlich unausgemahlte, Abbildung mitgetheilet 

worden iſt; ſo habe ich geglaubet dem ohnerachtet gehalten zu ſeyn, jenes 

mein Verſprechen zu erfuͤllen, und nicht nur eine ausfuͤhrliche Beſchrei— 

bung, ſondern aud) natürliche ausgemahlte Abbildungen, dieſes Kaͤfers, 
wie hiemit geſchiehet, an das Licht zu ſtellen. 


Der beruͤhmte Schwediſche Naturkuͤndiger, Herr Ritter Kinnäus, 
bat in feiner neueſten Ausgabe des Naturgebaͤudes (*) die bekannten 
ſpaniſchen Sliegen (cantharis officinarum ſeu veſicatorius) aus dem Ge⸗ 
ſchlechte der Johannis wuͤrmchen (cantharis) genommen, und fie dem 
Geſchlechte der Mayen wuͤrmer (meloe) einverleibet. Da nun dieje, 
N Kaͤferart, von denen in dieſen Blaͤttern die Rede iſt, gleich bey dem 

Oo 2 erſten 


(Y Hiftoire abregée des inſectes, qui fe trouvent aux environs de Paris. 
Tom. I. II. 1762. G Tom. I. p. 387. Planch. 6. Fig. 9. ( 
Caroli Linnaei Sy ſtema naturae. Tom. I. II. 1758. 


292 * 


t 


erſten Anblicke, mit den ſpaniſchen Fliegen die groͤßte Aehnlichkeit hat; ſo 
hat es nicht wohl anders ſeyn koͤnnen, als daß er ſie ebenfalls zu letzterm 
Geſchlechte rechnen muͤſſen. Vermuthlich bin ich der erſte geweſen, wel, 
cher dem Herrn Linnaͤus dieſen Kaͤfer bekannt gemacht, indem ich mich 
gar wohl erinnere, daß ich ihm ſchon vor vielen Jahren eine Mahlerey 
davon zugeſendet habe; und dieſer Umſtand mag ihn zweifelsohne auch 
veranlaſſet haben, daß er ihm, ſeiner bekannten Gewohnheit nach, den 
Unterſcheidungsnamen von mir gegeben, und ihn den Schaͤfferiſchen 
Mayenwurm (meloe Schaefferi) zu nennen, vor gut gefunden hat (Y. 


Der obgedachte Verfaſſer der Pariſiſchen Inſectengeſchichte hat 
aus dieſer Kaͤferart ein eigenes und neues Geſchlechte gemacht, und ſol, 
ches, nach den Fuͤhlhoͤrnern der Maͤnngen, den Federbuſchkaͤfer (cero⸗ 
coma) geheißen (“*). Ulnd ich muß geſtehen, daß mir dieſe Auswahl 
und dieſer Name vollkommen und ſo wohl gefaͤllet, daß ich letztern auch 
in dieſer Abhandlung würde beybehalten haben, wenn ich nicht dieſen Kaͤ— 
fer obgedachtermaßen, ſchon vor dem Jahre, unter einem andern Namen 
angekuͤndiget haͤtte. 


Ich habe ihn damalen den weichfluͤglichen, oder beſſer, den weich⸗ 
ſchaaligen Tronen, und Räulenkäfer genennet. Und dieſen Namen 
mag er denn auch voritzo und ſo lang behalten, bis ich etwan bey der noch 
immer vorhabenden Beſchreibung und Abbildung der Bayeriſchen und 
Pfaͤlziſchen Inſecten um Regensburg eine Aenderung zu machen 
vor gut finden werde. Ich nenne aber dieſen Kaͤfer weichſchaalig, weil, 
wie unten vorkommen wird, ſeine Fluͤgeldecken oder Fluͤgelſchaalen keines, 
weges hart, ſondern ungemein weich und nachgiebig ſeyn. Ich heiße ihn 
den Eronenfäfer, weil die Fuͤhlhoͤrner der Maͤnngen einer Crone nicht 
unaͤhnlich ſehen; zugleich aber auch den RäulenFäfer, weil den Fuͤhlhoͤr, 
nern der Weibgen das Cronenartige der Maͤnngen fehlet, und ſie ganzlich 
kaͤulenfoͤrmig ausfeben. 

Aus 

O Syft. nat. edit, 10. Tom. I. p. 470. n. 7. (% Hiſt. abreg. Tom. I. 

P. 258. n. 7. 


r 293 


Aus dem erſtgedachten verſchiedenen Baue der Fuͤhlhoͤrner, welcher 
anders bey den Maͤnngen, und anders bey den Weibgen, gefunden wird, 
iſt ſchon offenbar, daß ſich zwiſchen den Weibgen und Maͤnngen ein Uns 
terſcheid zeiget. Es giebt aber außer den Fuͤhlhoͤrnern noch andere Un— 
terſcheidungsſtuͤcke, darinnen das Maͤnngen von dem Weibgen eben 
ſo beſtaͤndig abgehet, als hinwiederum beyde in andern Stuͤcken beſtaͤndig 
einander gleich gebildet und bezeichnet ſeyn. Damit ich alſo eine Sache 
ohne Noth nicht zweymal ſagen duͤrfe; ſo will ich zuerſt das Maͤnn⸗ 
gen nach allen ſeinen Theilen beſchreiben. Ich werde damit ſo 
viel gewinnen, daß ich hernach bey dem Weibgen nur diejenigen Unter— 
ſcheidungsſtuͤcke nahmhaft zu machen habe, die ihm allein eigen find. 


Wenn man ein Maͤnngen dieſer Kaͤfer, und welches ich den Cro⸗ 
nenkaͤfer nenne, uͤberhaupt und auf die Art betrachtet, wie es ſich dem 
bloßen Auge, und zwar zuerſt ſitzend und mit geſchloſſenen Fluͤgeln, zei— 
get (/); lo hat es eine ungemein ſchoͤne goldgruͤne und glänzende Farbe; 
davon jedoch die Fuͤhlhoͤrner und Fuͤße ausgenommen ſind, als welche ei— 
ne gelbe Farbe haben. Die Fuͤhlhoͤrner vorn am Kopfe geben ihm ein 
ganz ſeltenes Ausſehen, indem ſie aus ſo mannigfaltigen und ſonderbar 
gebauten Theilen zuſammengeſetzet find, daß es nicht anders ausſiehet, 
als wenn der Kopf mit einer Crone gezieret waͤre. Unter und neben den 
Fuͤhlhoͤrnern ſiehet man einige kleinere Theilgen ſich bewegen, welches, 
wie unten vorkommen wird, die Freß- oder Fuͤhlſpitzen ſind; und die, 
wie die Fuͤhlhoͤrner, eine gelbe Farbe haben. Der Kopf iſt ſchoͤn gold— 
und glaͤnzendgruͤn; hat eine platte, jedoch ungleiche, Oberflache, und 
wie er vorn in eine ſtumpfe Spitze auslaͤufet, ſo iſt er an den Seiten 
und hinten gerundet. An jeder Seite des Kopfes ſiehet man eine ſchwarze 
laͤnglichrunde und ſtark gewoͤlbte Erhoͤhung; welches die Augen find. 


Der Bruſtſchild iſt mehr lang als breit; er hat, wie der Kopf eine 
gold und glänzendgrüne Farbe; iſt kegelartig, oben gewoͤlbet und faſt um 
und um zugerundet; ſonderlich aber wird man auf ſeiner Oberflaͤche vorn 


. Oo 3 bey 
OO Fig. I. I. 


294 d 


bey dem Kopfe ein paar vertiefte Eindruͤcke, und in der Mitten die Laͤnge 
herab einen ebenfalls vertieften Strich oder eine zarte Furche, gewahr. 


Die Fluͤgelſchaalen oder Fluͤgeldecken, find wie der Kopf und 
Bruſtſchild, ſchoͤn glänzend und goldgruͤn, und bey nahe noch einmal fo 
lang, als der Bruſtſchild, der Kopf und die Fuͤhlhoͤrner zuſammenge, 
nommen. Sie haben vom Anfange bis zum Ende eine ſcheinbar gleiche 
Breite, und endigen ſich, in geſchloſſenem Zuſtande, in eine ſpitzig aus⸗ 
geſchnittene Rundung. Die ganze Oberfläche iſt ungemein ſtark und ver, 
tieft gedippelt. Beyde Fluͤgeldecken ſchließen ſehr genau zuſammen, und 
laſſen, außer dem erſtgedachten hintern Ausſchnitte, nicht den geringſten 
Zwiſchenraum; hingegen ſind ſie um und um zart geſaͤumet. Den Hin— 
terleib bedecken fie nicht gaͤnzlich, ſondern man ſiehet den letzten ringar— 
tigen Abſatz vorſtehen, und wenn das Thiergen gewaltthaͤtig behandelt 
wird, kommen auch wohl die zween und drey letztern Abſaͤtze unter den 
Fluͤ gelſchnalen zum Vorſcheine. 


Der Fuͤße find ſechs, auf jeder Seite drey. Ste find ziemlich lang, 
und ſonderlich ſcheinen die Hinterfuͤße am laͤngſten zu ſeyn; und ob ſie 
gleich insgeſamt eine gelbe Farbe haben, fo iſt doch das hintere Paar Fuͤße 
an dem ſogenannten eigentlichen Fuße mehr braun, als gelb, gezeichnet. 
Und auch das bloße Auge ſiehet, wie jeder Fuß ſich in ein Paar krumme 
Haͤkgen endiget. 


Das dreyeckige Schildgen, ſo ſich oben zwiſchen den Fluͤgelſchaa⸗ 
len befindet, iſt fo klein, daß es dem bloßen Auge völig unkenntlich iſt; 
und erſt unten bey der Vergroͤßerung beſchrieben werden kann. So zeigt 
ſich dieſer Cronenkaͤfer dem bloßen Auge, wenn er ſitzet und ſeine Fluͤ⸗ 
gelſchaalen geſchloſſen hat. 


Hebet man die Fluͤgelſchaalen in die Hoͤhe, und breitet fie ausein⸗ 
ander; fo kommen zuerſt die darunter liegenden ordentlichen, haͤuti⸗ 
gen und durchſichtigen Sluͤgel zum Vorſcheine, die in der Mitten etwas 

ubers 


übereinander liegen, hinten aber einwaͤrtsgeſchlagen und zuſammengele⸗ 
get ſind. Dieſer Bug oder eingeſchlagene Theil machet, daß bey ges 
ſchloſſenen Fluͤgeln dieſe Unterfluͤgel von den Fluͤgelſchaalen völlig vers 
decket ſind, und gleichgroß zu ſeyn ſcheinen, ob gleich jene merklich groͤßer 
find, als dieſe. Man erkennet dieſes, fo bald man den erſtgedachten 
Bug, oder eingeſchlagenen hintern Theil, der Unterfluͤgel herausſchlaͤget, 
indem alsdenn die Unterfluͤgel über die Fluͤgelſchaalen gar merklich hinaus— 
gehen. Hebet man weiters auch dieſe Unterfluͤgel auf und ſchiebet fie 
auf die Seite; ſo zeiget ſich zuletzt der Leib. Er iſt glänzend gold und 
ſtahlgruͤn, hat einen ſchmalen Anfang, nimmt hierauf mehr und mehr 
an Breite zu, und, wie er an den Seiten eine Falte hat, ſo laͤuft er 
hinten mehr ſtumpfſpitzig, als gerundet, aus. 


Leget man den Cronenkaͤfer oder Kaͤulenkaͤfer (*) auf den Ruͤcken; ; fo 
erkennet man an dem Kopfe diejenigen Theile, die den Mund ausmachen, 
ohne fie jedoch gehörig unter ſcheiden zu koͤnnen. Dem Bruſtſchilde findet man 
die erſten Paar Füße, und dem Vorderleibe die zwey übrigen Paar Fuͤße anges 
gliedert; und dieſer Bruſtſchild hat, wie der Kopf, eine gold, oder glänzends 
gruͤne Farbe. An dem eigentlichen Hinterleibe aber iſt gar nichts beſon⸗ 
ders zu bemerken, außer die verſchiedenen ringartigen Einſchnitte, aus 
welchen er beſtehet, und daß die Farbe hier insgemein ins ſtahlblaue faͤl— 
let. Dieß iſt die Beſchaffenheit dieſes Cronenkaͤfers nach dem bloßen Aus 
ge und wenn man ihn überhaupt betrachtet. 


Wir wollen ihn nun auch nach allen ſeinen einzelnen Theilen und 
unter der Vergroͤßerung anſehen, und dasjenige ganz genau auer 
was wir an ihm finden werden. 


Der Kopf machet den erſten Haupttheil des Käfers aus. Sie⸗ 
het man ihn von oben an (**), ſo giebt die ſtumpfe Spitze, in welche er 
vorn auslaͤufet, und die ſtarke Breite, welche ſich gegen die Mitte zei 
get, ihm nicht uneben das Anſehen eines Dreyangels. Seine ganze Laͤn⸗ 

9% 


O Fig. IV. CY FEE e 24 


296 n 


ge, die Fuͤhlhoͤrner nicht mitgerechnet, betraͤget 4 Linien; die ſtaͤrkſte 
Breite aber, wo die Augen ſtehen, macht etwas über 1 Linie aus. Er iſt 
unter der Vergrößerung über und uͤber unordentlich vertieft gedippelt; hat 
in der Mitten eine merkliche Flaͤche und gleichſam dreyeckige Vertiefung, 
die an den Seiten von derjenigen etwas erhabenen und nach außen zu 
bogenartig gegen die Augen laufenden Einfaſſung der Fuͤhlhoͤrner, und hin⸗ 
ten von der ſtark gewoͤlbten Rundung, entſtehet, mit welchen der Kopf 
verſehen iſt. Nebſt dem ſiehet man den ganzen Kopf mit haͤuftgen etwas 
langen und hellgelben Haaren alſo uͤberwachſen, daß er davon ein ganz 
rauches Ausſehen uͤberkommet. Betrachtet man den Kopf von unten (D, 
ſo iſt wegen der hier angegliederten Theile des Mundes wenig von ihm 
ſichtbar, nur nach hinten zu ſiehet man einen gewoͤlbten, und in der Mit 
ten durch eine ſtarke Vertiefung gleichſam abgetheilten, Rand, welcher, 
wie die Oberflache, glaͤnzendgrün, vertieft gedippelt, und haarigrauch 
iſt. Uebrigens iſt dieſer Kopf durch einen haͤutigen, ſchmutzigtweißen, oft 
ganz ſchwärzlichen, Hals dem Bruſeſchlde angegliedert, welcher da am 
ſtaͤrkſten keuntlich wird, wenn das Thiergen, nach ſeiner Gewohnheit, 
den Kopf beym Anfühlen, oder wenn es Jah, ea behandelt wird / 
abwaͤrts beuget. 25 N 

Die Fuͤhlhoͤrner ee); als das Saite an Hefe Greninth 
fern, fisen dem Kopfe vorn, und zwar der ſtumpfen Spitze an, in welche 
er e Sie ſind bey nahe noch einmal ſo lang als der Kopf, naͤm⸗ 
lich 13 Linie. Ihre Farbe iſt ſchoͤn gelb und wie halbdurchſichtig. Man 
kann fonderfich 3 Haupttheile unterſcheiden, aus welchen jedes Fuͤhlhorn 
gebauet iſt. Wir wollen, um alles moͤglichſt deutlich zu machen, jedem 
Theile einen beſondern Namen geben. Der unterſte Theil, welcher un⸗ 
mittelbar dem Kopfe aufſtehet, fol der Ohrenaͤhnliche; der mittlere fo 
darauf folget, der Cronenaͤhnliche; und der Jörn und letztere der Kaͤu⸗ 
lenfoͤrmige Abfas heißen. 


Was 


CH) Fig. VI. CE) Fig. V. c. c. Fig. VI. VIII. IX. 


ee rn 297 


Was den ohrenaͤhnlichen Abſatz (“) betrift, fo iſt derſelbe vermoͤ⸗ 
ge- eines runden, knopfaͤhnlichen und beweglichen Gliedes mit dem Kopfe 
verbunden, welches, wie die andern Theile, gelb und halbdurchſichtig iſt. 
Der ohrenaͤhnliche Abſatz ſelbſt, beſtehet aus einem haͤutigen, von außen 
und den Augen zu, hohlen, von innen aber gewoͤlbten, Theile. Er hat ei— 
nen hohlen breiten Anfang, laͤuft alsdenn immer ſchmaͤler und zuletzt in 
eine ſtumpfe Spitze aus; und da er an der aͤußern Seite einen gewoͤlbten 
Rand, an der innern Seite aber wie gerad abgeſchnitten iſt, fo wüßte ich 
ihn in der That mit nichts beſſerm, als mit dem Ohre eines Hundes oder 
Eſels zu vergleichen. Indeſſen ſtehet dieſer Abſatz dem ohraͤhnlichen Ab— 
ſatze des andern Fuͤhlhornes auf der Grundfläche dergeſtalt nahe, daß fie 
hier gleichſam zuſammengewachſen ſcheinen; wie ſie denn auch der Kaͤfer 
wenig oder gar nicht zu bewegen pfleget. Dabey noch dieſes nicht zu übers 
ſehen iſt, daß dieſer ohrenaͤhnliche Theil an der Seite mit einem andern 
kleinern ſtumpfſpitzigen Anſatze oder Fortgange verſehen iſt. 


Der mittlere und cronenaͤhnliche Abſatz (**) iſt von dem vorherges 
henden voͤllig verſchieden. Er beſtehet nicht aus einem Theile, ſondern 
iſt dreyfach gegliedert; wozu noch das vierte runde, knopfaͤhnliche und 
kleine Gliedgen kommt, mit welchem er dem ohraͤhnlichen Abſatze, inner— 
halb deſſen Aushoͤhlung, angegliedert iſt. Auf dieſe runde Angliederung 
folget ein langes, auswendig gewoͤlbtes, inwendig ungleich ausgehoͤhltes; 
unten rundes und breites, in der Mitten ſchmaͤleres und wie hogenartig 
ausgeſchnittenes; endlich aber oben wieder breit auslaufendes Glied. Es 
iſt fo ungleich eckig und ausgehoͤhlet gebildet, daß es ſich nach verfchtenes 
nen Wendungen immer dergeſtalt anders zeiget, daß es Mühe koſtet, feis 
nen eigentlichen Bau angeben zu koͤnnen. Auf dieſem langen Gliede ſte— 
hen ein Paar andere ſehr kurze, aber breitere, Glieder, und davon das 
obere wieder breiter, als dasjenige iſt, fo ſich unter ihm befindet. Uebri— 
gens hat dieſer Abſatz mit ſeinen Gliedern in der That etwas, ſo einer 
Crone gleichet; und iſt auſſerdem ziemlich behaaret. 


Cronen u. Kaͤulenkaͤfer. Py Der 


(Y Fig. VII. VIL, (0 Fig. V. e. 


295 e Ne 


Der obere und kaͤulenfoͤrmige Abſatz, ſtehet unmittelbar in dem 
mittlern Abſatze; und gleichwie das ganze Fuͤhlhorn hier die ſtaͤrkſte Bes 
wegung hat, alſo weis der Kaͤfer beyden Theilen insgemein eine ſolche 
Stellung zu geben, daß das Fuͤhlhorn an dieſem Orte, wie gebrochen zu 
ſeyn, ſcheinet, und einen fpikigen Winkel machet (). Der Abſatz ſelbſt 
hat 4 Glieder. Die z unterſten find faſt gleich groß, und trichterförmig 
oder becherartig. Das vierte und oberſte aber iſt faſt fo lang, als die 3 vo⸗ 
rigen zuſammengenommen. Es ſteiget aus dem oberſten oder becherartigen 
Giiede mit einem ſchmalen Anfange empor; nimmt fodann immer an Dicke 
zu; und lauft endlich in einen oben rundlich abgeſchnittenen, und nach der 
Außern Seite zu etwas eckigrunden, überhaupt aber mehr gedruckten als 
kugelrunden, Knopſ oder Kaͤule aus, und die weniger, als die uͤbrigen 
Glieder, behaaret iſt. 


Unter den Fuͤhlhoͤrnern lieget der Mund mir feinen Theilen, naͤm⸗ 
lich, die Kiefer oder Zähne, die Freßſpitzen und die Zunge. 


Die beyden Kiefer oder Zaͤhne (**) find nicht eher ſichtbar, als bis 
man ſie mit Gewalt und unter gewiſſen Handgriffen durch eine Stecknadel 
zwiſchen den Fuͤhlhoͤrnern und Freßſpitzen auf die Seite zu bringen ſuchet. 
Alsdenn erkennet man, daß fie aus einem Stucke beſtehen, ungezaͤhnet 
ſind, unten einen breiten gelben und wie haͤutigen Anfang haben, alsdenn 
aber hornartig, auswendig gewoͤlbet und innwendig ausgehoͤhlet werden; 
und ſich endlich in eine krumme ſcharfe und braͤunliche Spitze endigen. Die⸗ 
fe Kiefer, wenn fie ruhen, liegen mit ihrem ſpitzigen Ende etwas gecreu, 
tzet übereinander, und habe ich fie niemalen von dem Thiergen ſelbſt bewe⸗ 
gen ſehen. 

Unter dieſen Kiefern oder Zähnen liegen die Freßſpitzen, deren auf 


jeder Seite zwo ſind, und zwar ſo, daß jede ihren eigenen Bau und ihre 
verſchiedene Groͤße hat. 


Das eine Paar (*) Freßſpitzen iſt ſehr ſichtbar. Jede hat zween 
eigene und beſondere Theile, die unten mit einander verbunden ſind und 


eine 
Fig. VI. Gg Fig. X. ) Fig. V. d. d. Fig. X. 


4 


m e 2090 


eine gemeinſchaftliche haͤutige Grundfläche haben. Der eine Theil befin- 
det ſich innerhalb (*); er iſt gelb, aus einem Stücke, ſchmal, ſehr lang, 
haͤutig, ungemein haarig, und wie gewunden. Der andere Theil ſtehet 
außerhalb, iſt ebenfalls gelb und haarig, aber viermal gegliedert (**), 
Das unterſte Glied iſt ſchmal, rundlich und etwas lang. Die beyden 
darauf folgenden Glieder find ungemein dick, und ſehen wie ein Paar runs 
de Becher aus, die uͤbereinander gedecket, oder wie ein unten gerundeter 
Kegel, der in der Mitten zerſchnitten iſt. Das oberſte Glied iſt ſchmal, 
laͤnglich und oben zugerundet. 


Das zweyte Paar Freßſpitzen (***) iſt der Zunge angegliedert. Je⸗ 
de iſt, wie die vorigen, gelb und haarig, und aus vier ungleichgroßen laͤng—⸗ 
lichen und umgekehrt kegeligen Gliedern zuſammengeſetzet. 


Und was endlich die Zunge (F) betrifft; fo iſt ſolche nichts, als ein 
haͤutiger, halbdurchſichtiger, ſchmutzigweißer und haariger Theil, dem, 
wie erſt gemeldet iſt, das duͤnnere Paar Freßſpitzen anſitzen. 


Noch iſt der Augen (It) an dem Kopfe zu gedenken. Sie befinden 
ſich an den Seiten, ſind ungemein hoch gewoͤlbet, eyrund, netzfoͤrmig 
und von ſchwarzer Farbe. Sie beſtehen bekanntermaßen aus einer ſehr 
großen Menge anderer kleiner und eigentlicher Augen, die in einen als 
gemeinen Sehenerven zuſammenlaufen, und vermoͤge derer dieſe Art In— 
ſecten die Gegenſtaͤnde von allen Seiten her bemerken kann. 


Ich komme zu dem Bruſtſchilde (Tr), als dem zweyten Haupt⸗ 
theile des Kaͤfers. Gleichwie ſolcher, vorgemeldtermaßen, vorne durch 
einen haͤutigen Hals mit dem Kopfe, eben ſo iſt er auch hinten durch ei— 
ne kurze Haut, mit dem Leibe verbunden. Er iſt nicht gar 1 Linie breit, 
hingegen 14 Linie lang. Seine Geſtalt iſt kegelartig, indem er hinten, 
dem Leibe zu, eine ziemlich gerade, jedoch in der Mitten etwas ausge— 


Pp 2 ſchnit⸗ 


(Y big. X. b. (0 Fig. V. d. d. X. a. ( Fig. XII. CT) Fig. 
XI. XII. (I.) Fig. V. b. b. (.) Fig. XIX. 


300 en ee 


ſchnittene, Grundfläche hat; an den Seiten gegen die Mitte zwar etwas 
breit iſt, jedoch von da wieder ſchmaͤler und in eine gerundete Spitze aus⸗ 
läuft. Auf der Oberfläche ift er gewoͤlbet, vertieft gedippelt; an den Geis 
ten ohne Saum, hinten aber mit einem dergleichen, doch ſehr ſchmalen, 
Saume, verſehen; uberhaupt aber uͤberall ſehr ſtark behaaret. Was aber 
dieſen Bruſtſchild vor andern betrachtungswerth machet, iſt auf jeder 
Seite, vorn dem Kopfe zu, eine laͤnglichrunde Vertiefung oder Ein— 
druck, und zwiſchen derſelben in der Mitten ein ſchmaler ebenfalls vertief— 
ter Strich oder Furche. Die Farbe iſt, wie bey dem Kopfe und Fluͤgel— 
decken, ſchoͤn gold, und glaͤnzendgruͤn. Der untere Theil des Bruſtſchil— 
des machet einen ſehr geringen und in der Mitten etwas ſpitzig zulaufen— 
den Theil aus, der wie die Oberfläche gedippelt, glaͤnzendgruͤn und haa— 
rig iſt; und dem, wie bald folgen wird, das erſte Paar Fuͤße angeheftet ſind. 


Der dritte Haupttheil betrifft den Leib und diejenigen beſondern 
Stucke, die mit ihm verbunden find. 


Der Leib iſt mit dem Bruſtſchilde, wie ſchon gedacht iſt, durch eine 
kurze und ſchmutzigweiße Haut verbunden. Er beſtehet eigentlich wieder 
aus zween einzeln abgeſonderten Theilen, davon derjenige, ſo mit dem Bruſt⸗ 
ſchilde zuſammenhaͤnget, der Vorderleib; der aber, ſo auf ihn folget, der 
Hinterleib genennet werden kann. Beyde zuſammengenommen betra— 
gen an den groͤßten Kaͤfern in der Breite 13 Linie, in der Laͤnge aber 4 Ki 
nien; davon dem Vorderleibe 14, und die uͤbrigen 23 Linien dem Hinter 
leibe, eigen find. Oben ſcheinen beyde Leiber nur aus einem Stücke zu 
beſtehen, unten aber iſt ihre verſchiedene Abtheilung nur allzukenntlich. 


Der Vorderleib iſt faſt viereckig, gewoͤlbet, ungleich, und mit eints 

gen Vertiefungen bezeichnet. Er har zween beſondere Abfäge oder Ein, 
ſchnitte, die ſich ſelbſt der Farbe nach unterſcheiden. Der andere Einſchnitt 
iſt bey nahe doppelt fo lang, als der folgende hintere; ſcheinet mehr haͤu— 
tig zu ſeyn; hat eine glaͤnzendſchwarze Farbe; und, außer einigen andern 
unordentlichen Erhoͤhungen und Vertiefungen, iſt endlich diejenige lange 
kegelartige Furche zu bemerken, die in der Mitten laͤngsherab ſtehet, und 
0 N l an 


e Zo 


an den Seiten einen ſchmalen Saum hat. Der hintere Einſchnitt iſt mehr 
haͤrtlich, und hat, wie die Fluͤgelſchaalen, eine ſchoͤne glänzend und golds 
gruͤne Farbe. In der Mitten iſt er flach, aber auf jeder Seite hinter— 
waͤrts durch eine dreyeckige Vertiefung eingedruͤcket; und lauft zuletzt hohl 
und in einen aufgeworfenen Rand aus; wie er denn auch mehr, als der 
vordere Abſatz, mit gelben Haͤrgen verſehen iſt, die jenen faſt gaͤnzlich feh— 
len. Die Unterflaͤche des Vorderleibes iſt ſehr erhaben, gewoͤlbet, und 
etwas herzfoͤrmig; nebſt dem hart, glaͤnzendgruͤn, haarig, vertieft gedip— 
pelt, und ihm das mittlere und hintere Paar Fuͤße angegliedert. 


Der Hinterleib iſt laͤnglich, von faſt gleicher Breite, und laͤuft uns 
ten ſtumpfſpitzig oder zuzerundet aus. Er hat feine beſondern 7 ringars 
tigen Abſaͤtze oder Einſchnitte. Oben iſt jeder Abſchnitt in der Mitten 
durch einen vertieften Strich wie abgetheilet, an der Seiten aber gleichſam 
einwaͤrts zuſammengerollet, und hat einen runden erhabenen Rand oder 
Einfaffung. Und gleichwie alle dieſe Abſaͤtze faſt gleich ſeyn, fo iſt hin— 
gegen der letzte merklich kleiner, und am Ende ziemlich zugerundet. Die 
Farbe des ganzen Hinterleibes iſt, wie das Meiſte des Kaͤfers, ſchoͤn glaͤn— 
zend und goldgruͤn, doch bey einigen mehr ſtahlblan, vertieft gedippelt, 
und ſonderlich am Rande ſtark behaaret. Und eben dieſe Beſchaffenheit 
hat es mit der Unterflaͤche dieſes Hinterleibes, nur daß ſie bey allen mehr 
ſtahlblau, auch ſtaͤrker mit Haaren uͤberwachſen iſt, als die Oberflaͤche. 


Diejenigen Stuͤcke, ſo dem Leibe und zwar nur allein dem Vorder— 
leibe angegliedert ſind, beſtehen oben in dem Schildgen, den Fluͤgel⸗ 
ſchaalen und denſdurchſichtigen Unter fluͤgeln; unten aber in dem mitt⸗ 
lern und hintern Paar Süße. 


Das Schildgen (*) iſt dreyeckig, nach Maasgabe ſehr klein, vorn 
etwas hohl ausgeſchnitten, hinten aber ſtumpfſpitzig. Seine Oberfläche 
hat eine ſchoͤne glaͤnzendgruͤne Farbe, iſt gedippelt, und nicht nur an den 
Seiten geſaͤumet; ſondern auch in der Mitten durch einen vertieften 
Str ich abgetheilet, und uberhaupt ziemlich behagret. 

Py 3 Die 
Y Fig. XVIII. 


302 iS tn 


Die Fluͤgelſchaalen haben auf jeder Seite neben dem Schildgen 
ihre Angliederung; find glänzend und goldgrün, vertieft und unordent, 
lich gedippelt, daneben über und über ſehr ſtark mit kleinen gelben Haͤr⸗ 
gen überwachfen. Jede Fluͤgelſchaale iſt wie zartes Leder ungemein beug⸗ 
ſam und ganz weich anzufuͤhlen. Die Oberfläche iſt gewoͤlbet und gläns 
zendgruͤn, und um und um zart geſaͤumet, unten aber ausgehoͤhlet und 
blaulichſchwarz; und wie ihre Laͤnge 32 Linie ausmachet, ſo betraͤget ihre 
Breite nicht gar 1 Linie. 


Die durchſichtigen Unterflägel find dem Bruſtſchilde, etwas weiter 
nach hinten zu, als die Flügeldecken, angegliedert. Sie haben einen 
ſchmalen Anfang, nehmen alsdenn nach innen zu an Breite mehr und 
mehr, und zwar bogenartig zu, und laufen endlich vorn in eine ſtumpf⸗ 
ſpitzige Rundung aus. Die aͤußere Seite iſt faſt gerade, und mit einer 
ſtarken Ader eingefaſſet; wie denn auch eine andere der Laͤnge nach den 
Fluͤgel gleichſam in zween Theile, aus der wieder andere kleinere und zaͤr— 
tere Adern entſpringen, abtheilet. 


Es ſind noch die Fuͤße zu beſchreiben uͤbrig. Da ihrer drey Paar 
ſind, ſo will ich das erſte Paar genau beſchreiben, und bey den uͤbrigen 
nur dies anführen, worinnen fie von dem erſten Paare abgehen und von 
ihm verſchieden ſind. 


Das erſtere und vordere Paar Füße iſt dem Bruſtſchilde angeglie, 
dert (“); es hat ausgeſtrecket 35 Linie; und außer dem 4 beſondere Abs 
theilungen, naͤmlich den Afterſchenkel, das Dickbein oder den rechten 
Schenkel, das Schienbein, und den eigentlichen Fuß. Der After⸗ 
ſchenkel iſt etwas kuͤrzer, als der ordentliche Schenkel; hat eine ſchoͤne 
glaͤnzendgruͤne Farbe; und gleichwie er von da, wo er dem Bruſtſchilde 
anſtehet, ſehr ſchmal iſt, alſo laͤufet er gar bald dick und zuletzt ganz kaͤu⸗ 
lenfoͤrmig aus. Der rechte Schenkel oder das Dickbein iſt ohngefaͤhr 
14 Linie lang, faſt gleich dick, doch da, wo er dem Afterſchenkel anſitzet, 
etwas dicker; und ob er gleich durchaus eine gelbe Farbe hat, ſo iſt er 


doch 
C Fig. XXIII. 


> a nn 304 


doch an ſeinem dickern Theile mit einem braunen Flecken gezeichnet. Das 
Schienbein iſt ſchmaͤler, und auch kuͤrzer, als das Dickbein, naͤmlich 
1 Linie lang. Es hat einen ſchmalen Anfang, und iſt am Ende am dick⸗ 
ſten. Es ſcheinet nicht ſowohl viereckig, als vielmehr dreyeckig zu ſeyn, 
und iſt an feinem aͤußerſten Ende mit drey Dornenſpitzen bewaffnet, das 
von die eine ſich oben an der aͤußern Seite, die andern aber unten nebene 
einander befinden; uͤbrigens hat es durchaus eine gelbe Farbe. Der ets 
gentliche Fuß iſt mit feinen aͤußerſten Haͤkgen fo lang, als das Dickbein, 
naͤmlich 14 Linie. Er hat nicht bey allen, obgleich bey den meiſten, eine 
gelbe, ſondern bey vielen, und zwar bald mehr, bald weniger, eine brau— 
ne Farbe; und iſt fuͤnfmal gegliedert. Jedes Glied ſtellet einen umgekehr— 
ten Kegel vor; und gleichwie die erſten einander faſt gleich gros find, fo 
iſt hingegen das vierte das kleinſte, und das fuͤnfte oder letzte Glied das 
laͤngſte, welches ſich denn auch in ein Paar krumme Haͤtgen oder ſcharfe 
Naͤgel endiget. Wobey noch dieſes zu erinnern iſt, daß der ganze Fuß, 
und alle einzele Glieder deſſelben, ſtark mit gelben Haaren umgeben iſt. 


Dieſem itzt beſchriebenen erſten Paar Fuͤße ſind die uͤbrigen zwey 
Paar Fuͤße in den meiſten Stuͤcken voͤllig gleich; außer daß dieſe dem 
Bruſtſchilde anſitzen, und daß das mittlere Paar um 3 Linie länger, als 
das erſtere vordere Paar; und das letztere wieder um ſo viel laͤnger als 
das mittlere iſt. ö 


Nur allein bey dem letzten oder hintern Paare hat der eigentliche Fuß 
dieſes Abweichende und Sonderbare, daß er nicht, wie die andern, fünf, 
mal, ſondern nur viermal gegliedert iſt. Dieſer Umſtand iſt um fo ans 
merkungswuͤrdiger, weil die gleiche oder ungleiche Zahl der Glieder an 
dem eigentlichen Fuße dem Verfaſſer der Pariſiſchen Inſeltenge⸗ 
ſchichte zu einer beſondern, und, wie es mir annoch ſcheinet, gar na⸗ 
tuͤrlichen, Eintheilung den Stoff gegeben hatte. 


Und dieſes mag denn von der Beſchreibung des Maͤnngen, als des 
Cronenkaͤfers, genug ſeyn. Ich wende mich nun zu dem Weibgen. 
Ich 


304 un 


Ich nenne das Weibgen, den Kaͤulenkaͤfer, weil, wie gleich fol, 
gen wird, feine Fuͤhlhoͤrner einer ordentlichen Kaͤule gleichen. Ich wers 
de aber bey Beſchreibung dieſer Weibgen um ſo kuͤrzer ſeyn koͤnnen, weil 
ich, verſprochenermaßen, von ihnen nur dasjenige anzufuͤhren habe, wor— 
innen ſie von den ee abgehen, oder was ſie vor ihnen beſonders 
haben. 


Ueberhaupt kaun man ſagen, daß Vergleichungsweiſe die Weibgen 
kleiner, als die Maͤnngen ſind. Zwar iſt nicht zu laͤugnen, daß auch un⸗ 
ter den Männgen in Anſehung ihrer Größe ein beſtaͤndiger Unterſcheid 
iſt, und daß man oft welche antrift, die kaum halb ſo groß ſind, als an— 
dere. Allein, wenn man auch die groͤßten Maͤnngen mit den groͤßten 
Weibgen, und fo durch alle Stuffen hindurch bis zu den kleineſten Bars 
tungen, miteinander vergleichet; ſo wird ſich doch allezeit dieſer Unter— 
ſcheid zeigen, daß die Maͤnngen größer, als die Weibgen find. So habe 
ich es wenigſtens, nach mehrmalen gemachten Verſuchen, allezeit gefunden. 
Ferner kann man überhaupt von den Weibgen dieſes, als etwas eigenes, 
angeben, daß ihre Hauptfarbe faſt durchgehends mehr ins ſtahlblaue, als 
grüne faͤllet, obwohl dieſes ſtahlblaue wie bey den Maͤnngen, ſehr ſchoͤn 
glänzend, und insgemein auch mit Gold vermenget iſt. 


Der Ropf der Weibgen kommt in den meiſten Hauptſtuͤcken mit dem 
Kopfe der Maͤnngen uͤberein; nur daß er hier vollkommen ſtahlblau iſt, und 
daß ihm zwar diejenigen dreyeckigen Vertiefungen und bogenweiſe erha— 
bene Einfaſſungen fehlen, deren wir bey jenen gedacht haben; an deren 
Stelle aber unmittelbar vor dem Fuͤhlhorne auf jeder Seite ein ſolches er, 
habenes Knoͤpfgen ſtehet, welches man leicht vor Augen anſehen koͤnnte. 


Eben fo iſt auch der Bruſtſchild der Weibgen von dem Bruſtſchil⸗ 
de der Maͤnngen in nichts verſchieden; als daß hier die dort gemeldeten 
laͤnglichrunden vertieften Eindrücke fehlen, wo an den Weibgen kaum die 
geringſte Spur geſehen wird. Nebſt dem iſt ebenfalls der Bruſtſchild hier 
vollfommen ſtahlblau. 


Was 


a zu 305 

Was die Fluͤgelſchaalen betrift, ſo kommen fie mit den Fluͤgelſchaa⸗ 
len der Maͤnngen in allen Stuͤcken vollkommen überein ; jedoch mit dem 
Unterſcheide, daß fie bey denenjenigen Weibgen, die ſtark mit Eyern am 
gefüner find, den Leib hinten nicht fo ſtark, und an den Seiten nicht fo 
völlig, bedecken, als es bey den Maͤnngen geſchiehet. Was die Farbe der 
Fluͤgelſchaalen anlanget, fo ſind dieſelben insgemein ſchoͤn ſtahlblau; jes 
doch iſt diefes fo allgemein nicht, wie bey dem Kopfe und Bruſtſchilde. 
Es werden zu Zeiten auch ſolche gefunden, deren Farbe, wie bey den Maͤnn⸗ 
gen, ſchoͤn glaͤnzend und goldgruͤn iſt. 

Das Schildgen hat auch nichts Beſonderes, ſo nicht an dem Schil⸗ 
de der Maͤnngen ſich finden ſollte; nur daß es ebenfalls keine gruͤne, ſon⸗ 
dern ſtahlblaue, Farbe hat. 

Die durchſichtigen Unterfluͤgel, und der ganze Leib der Weibgen, 
hat gleichfalls den naͤmlichen Bau und die naͤmliche Beſchaffenheit, als 
wir es bey den Maͤnngen bemerket haben; und den ganzen Unterſcheid 
möchte hoͤchſtens abermal die ſtahlblaue Farbe ausmachen, die hier beſtaͤn⸗ 
dig und allezeit gefunden wird. Wohin man etwan noch dieſes rechnen 
koͤnnte, daß bey den Weibgen, wenn ſie ſtark mit Eyern angefuͤllet, und 
folglich der Hinterleib oben ſtark aufgetrieben wird, die aufgerollten Sei— 
tenfalten ſich mehr ausſpannen, und ſodann zwiſchen ihnen und den Ab— 
ſaͤtzen, den ganzen Leib hinunter, eine gelbliche Haut zum Vorſcheine 
kommt, auf welcher bey jedem Abſatze diejenigen Luftloͤcher geſehen wer⸗ 
den, die bey den Maͤnngen von den Falten verdecket, und folglich, im na⸗ 

türüchen Zuſtande, unſichtbar ſind. 

Das Eigentlichſte, Gewiſſeſte und Anmerkungswuͤrdigſte, wodurch 
ſich alſo die Weibgen von den Maͤnngen aͤußerlich unterſcheiden, betrifft 
wohl die Fuͤhlhoͤrner (*), und das eine Paar Freßſpitzen (“). Dies 
ſe ſind allerdings bey allen Weibgen anders gebauet und beſchaffen, als 
bey den Maͤnngen. 

Den Fuͤhlhoͤrnern der Weibgen (***) fehlen zuerſt die ohr / und ero⸗ 
nenaͤhnliche Theile, die den Maͤnngen eigen find. Hingegen ſind die Fuͤhl— 

Cronen u. Kaͤulenkafer. Da hörner 
(Y Fig. XX. CY Fig. XXI. ( Fig. XX. - 


306 Ice Yen 


hoͤrner der Weibgen auch um fo mehr gegliedert. Siehet man ein ſolches 
Fuͤhlhorn uͤberhaupt und im Ganzen an; ſo iſt es von brauner und gang 
dunkeler Farbe, nimmt von feinem Anfange bis an das aͤußerſte Ende ums 
merklich an Dicke zu, und ſcheinet faſt gleichdick und rund zu ſeyn; ganz 
oben aber nimmt es auf einmal ſo ſehr an Dicke zu, daß es ſich in ein ſtar⸗ 
kes und laͤnglichrundes Knoͤpfgen endiget. Und eben dieſer Bau im Gans 
zen machet es, daß dergleichen Fuͤhlhoͤrner kaͤulenfoͤrmig oder kolben⸗ 
foͤrmig (antenna clauata ſ. clauiformis) genennet werden; weil ſie den Streit, 
kaͤulen oder Kolben der Alten ziemlich beykommen. Indeſſen beſtehet jer 
des Fuͤhlhorn wieder aus beſondern Gliedern. Ich habe deren bey allen 
zehen gezaͤhlet. Das erſte iſt unmittelbar dem Kopfe einverleibet, und 
ſtellet nur ein kleines Kügelgen vor. Das zweyte, fo darauf folget, ift laͤn— 
ger, und an feinem obern Theile dicker, als an feinem Anfange, folglich 
umgekehrt kegelig. Das dritte iſt wieder ein rundes und kleines Kuͤgelgen. 
Das vierte iſt hingegen wieder mehr als dreymal länger, vollkommen wals 
zenaͤhnlich, und ſcheinet die Stelle desjenigen Theils bey den Maͤnngen zu 
vertreten, den wir den cronenfoͤrmigen genennet haben. Auf dieſen fols 
gen fünf andere Glieder, die von unten angerechnet immer größer werden; 
ein jedes aber, wie die letztern bey den Maͤnngen, eine trichterfoͤrmige Ges 
ſtalt hat. Das zehende und letzte Glied beſtehet aus dem laͤnglichrunden 
Knoͤpfgen: welches aber demjenigen letzten Gliede faſt gänzlich gleich iſt, 
deſſen wir bey den Maͤnngen erwaͤhnet haben. Uebrigens iſt dieſes ganze 
Fühlhorn der Weibgen, eben fo wie bey den Maͤnngen, ganz ungemein 
ſtark mit kurſen und gelblichen Haͤrgen uͤberwachſen. 

Das zweyte Hauptunterſcheidungsſtuͤck, worinnen die Weibgen von 
den Maͤnngen abgehen, iſt das erſte Paar Freßſpitzen (). War dieſe 
Freß ſpitze bey den Maͤnngen einem ſchmalen, behaareten und ziemlich geraden 
Theile angegliedert; ſo findet ſich dieſes auch bey den Weibgen alfo (**), 
Beſtund die Freßſpitze der Maͤnngen aus vier Gliedern; fo find deren 
auch fo viele bey den Weibgen (*). Allein bey den Männgen war das 
zweyte und dritte Glied außerordentlich dick und, ſtark, und ſtellte ein Paar 


. Halb- 
Fig. XXI. () Fig. XXI. b. ( Fig. XXI. a. 


un un 307 


Halbkugeln vor; dieſes finder ſich an den Weibgen nicht fo. Das zweyte 
und dritte Glied iſt wie die andern gleichdick, rund, mehr umgekehrt kege, 
lich, als kegelfoͤrmig. “ 


Dieſes fen alſo genug von dem, was es mit dieſer Kaͤferart ſowohl 
uͤberhaupt, als nach allen einzeln Theilen, vor eine Beſchaffenheit hat. 

Ich ſollte nun auch die Geſchichte dieſer Kaͤfer anfuͤhren. Allein, 
wie wenig vollſtaͤndiges weis ich dießfalls zu ſagen! Das Meiſte und Vor⸗ 
nehmſte, was zu ſeiner Geſchichte gehoͤret, naͤmlich die Fortpflanzung, 
und die Entſtehung deſſelben aus dem Eye, durch alle Stufen der Ver⸗ 
wandelung bis zum Käfer, iſt mir verborgen und unbekannt geblieben. 
Ich werde alſo mich nur allein auf die Feit und den Ort des Aufenthal— 
tes; auf die Paarung und Zeugungsglieder ; und endlich auf einige bes 
fondere Eigenſchaften einſchraͤnken muͤſſen, die man an ihm gewahr wird. 

Die Zeit, wenn dieſe Cronen- und Räulenkäfer in den Gegenden 
um unſere Stadt angetroffen werden, laͤſſet ſich nach beſondern Monathen 
nicht genau beſtimmen; ob ich fie. gleich in den Monathen des Junius und 
Julius am haͤufigſten und beſtaͤndigſten geſehen habe. Doch find mir auch 
in andern Monathen hie und da einige zu Geſichte gekommen. In den 
vielen Jahren, da ich dieſe Käfer kenne und beobachtet habe, ſind fie mir 
beftändig als ſolche vorgekommen, die ſich nur ſparſam bey uns aufhielten. 
Allein, in dieſem gegenwaͤrtigen Jahre, und ſonderlich im Monathe 
Julius, habe ich das Gegentheil bemerket; indem ſie dießmalen ſich derge— 
ſtalt Häufig haben ſehen laſſen, als es mir kaum von einer andern Kaͤfer— 
art bekannt iſt. Vermuthlich muß die heurige Witterung ihrer Ders 
wandelung und ihrem Ueber: gange zum Käfer vorzüglich guͤnſtig Nerz 
ſen ſeyn! 

Der Ort, wo ſich dieſe Kaͤfer aufhalten, und ihre Nahrung ſuchen 


und finden, iſt das freye Feld, und zwar diejenigen Blumen auf den Rats 
nen, Aeckern, Wieſen u. f. we, welche von den Kraͤutergelehrten die Son— 


nenſchirmigen (los umbellatus) und Bluͤmgenblumen (floſculoſus) 
genennet werden, und zwar unter dieſen ſonderlich diejenigen, welche eine 
weiße Farbe haben. Ich will damit eben nicht ſagen, daß ſie nicht auch 

Qq 2 auf 


308 d 


auf andern Blumen ſollen gefunden werden; ſondern ich rede nur von 
dem, wo ich ſie allezeit angetroffen habe. Sonderlich ſcheinet die Schaaf⸗ 
garbe (millefolium), das Vogelneſt und wilde Maͤhre (daucus) und die 
Chamille (chamomilla) diejenige Blume zu ſeyn, welche dieſe Käfer vor, 
zuͤglich lieben. Je haͤufiger nun ſonderlich die Schaafgarbe auf den 
Rainen und an Wegen zu wachſen pfleget; je mehr hat man dieſe Käfer 
auf ihren Blumen ſitzen zu ſehen und zu finden Gelegenheit. 

Und dieſe gedachten Blumen ſind auch zugleich der Ort, wo ſich dieſe 
Kaͤfer paaren. Ich habe dahero auf mancher Schaafgarbe eine große 
Menge Maͤnngen und Weibgen in dieſem Geſchaͤfte und zu dieſem Zwecke zus 
gleich und miteinander angetroffen. Es hat indeſſen ihre Paarung nichts Bes 
ſonderes vor andern ihres gleichen; und welche an den ordentlichen Mayen⸗ 
kͤͤfern fo bekannt iſt, daß ich fie gar wohl mit Stillſchweigen übergehen 
darf. Sie ſcheinet übrigens von kurzer Dauer zu ſeyn, wenigſtens habe 
ich unter der großen Menge, die mir zu Geſichte gekommen, kaum zweymal 
oder dreymal einige fo angetroffen, daß fie noch gepaaret geweſen waren. 

Dieſe erſtgedachte Paarung führer mich auf diejenigen innern Wer 
zeuge (*), vermoͤg deren ſolche geſchiehet. Man kann dieſelben ganz leicht 
ſichtbar machen, wenn man mit einer gewiſſen Vorſichtigkeit den Hinter⸗ 
leib zwiſchen den Daumen und Zeigefinger nimmt, und ihn von unten 
nach oben zu behutſam druͤcket. 

Auf dieſe Weiſe kommen dann bey den Maͤnngen folgende Theile 
zum Vorſcheine. Zuerſt begiebt ſich die obere und untere Schaale des 
letzten ringartigen Abſchnittes von einander und weichet auf die Seite. 
Sodann ſteiget zwiſchen ihnen hinten ein darmaͤhnlicher Theil empor (**), 
der bey anhaltendem Drucken ſehr lang herausgetrieben werden kann, und 
deſſen Grundflaͤche mit ein Paar ſchmalen hornartigen, braunen und be— 
haarten Blaͤttgen hinterwaͤrts dedecket iſt; und welches nichts anders als 
der Afterdarm ſeyn kann. Unter dieſem Afterdarme ſiehet man einen 
andern rundlichen und haͤutigen Theil, der vorne in eine ſtumpfe und ges 
ſpaltene Spitze auslaͤufet (***), an jeder Seiten aber mit einem ſchwarz⸗ 


il.‘ 5 brau⸗ 
C Fig. XIII. XIV. % pig. XIII. a. (9 Fig. XIII. b. 


l N 30 


braunen, hornartigen und behaareten Dügelgen bezeichnet iſt. Ich glas 
be nicht zu irren, wenn ich dieſen Theil vor das eigentliche Zeugungs⸗ 
glied des Maͤnngens angebe. Allein, was, fol man aus demjents 
gen Theile machen, der unter dieſem Zeugungsgliede noch bemerket 
wird (*) 2 Er iſt gezaͤhnet und vollkommen ſaͤgenfoͤrmig. Wäre dies 
ſer Theil dem Weibgen eigen; ſo koͤnnte man vieleicht auf die Gedanken 
kommen, daß er dasjenige Werkzeug waͤre, wodurch die Rinde oder die 
Blaͤtter gewiſſer Kräuter und Bäume aufgeſchnitten und der Weg zum 
Eyerlegen geoͤffnet wurde. Wenigſtens iſt dieſes von einem Fliegen 
geſchlechte bekannt, die eben daher die Saͤgenfliegen (tenthredo) ges 
nennet werden. Da aber dieſes Werkzeug bey unſern Kaͤfern juſt den 
Weibgen fehlet, und dagegen nur den Maͤnngen eigen iſt; ſo iſt leicht zu 
erachten, daß es zu einem ganz andern Zwecke da ſeyn muß, als bey den 
Saͤgefliegen. Ich halte alſo davor, daß dieſer ſaͤgenartige Theil bey der 
Paarung einen beſondern Dienſt leiſten muß; ob ich gleich ſolchen nicht 
anzugeben weis. 5 
Nimmt man auf erſtgemeldete Art ein Weibgen zwiſchen den Dau— 
men und Zeigefinger, und druͤcket damit den Hinterleib, ſo werden alsdann 
folgende Theile ſichtbar (**). Nachdem ſich der letzte Ring voneinander bes 
geben, fo erſcheinet hinten faſt auf die naͤmliche Art, wie bey den Männgen, 
der Afterdarm (*); nur daß ihm das hintere doppelte Blaͤttgen fehlet, als 
welches hier ein einfaches, rundes, und behaarigtes Huͤgelgen iſt; und 
daß das behaarigte Huͤgelgen ſo auf jeder Seite des Zeugungsgliedes der 
Maͤnngen war, hier bey den Weibgen mehr an dem Afterdarme zu ſtehen 
ſcheinet. Unter dieſem Afterdarme lieget ſodann ein zweyter, oft ſchoͤn 
gelber und halb durchſichtiger Theil, welcher nicht nur oben mit einer 
Oeffnung (5), ſondern auch an jeder Seite mit einer kegelartigen und be⸗ 
haareten Warze verſehen iſt. Und was kann dieſer Theil anders, als das 
weibliche Geburtsglied ſeyn? Es iſt dieſes bey mir außer allem Zweifel 
geſetzet worden, da ich einigemal waͤhrendem Drucken, wirklich die Eyer 
aus der obern Oeffnung dieſes Theiles, habe ſehen emporſteigen. Sie 
Qq 3 wa⸗ 
O Fig. XIII. e. (0 Fig. NAV. (9 Fig. XIV. a. CH Fig. XIV. b. XV, 


3 0 n . 
waren lang, gleichrund, folglich walzenfoͤrmig, und ganz blaßroth (). 
Noch beſſer aber kann man dieſe Eyer an dem doppelten Eyerſtock zu Bes 
ſichte bekommen, wenn man ein am Hinterleibe ſtark aufgetriebenes Weib⸗ 
gen aufſchneidet (**). 

Ich habe endlich noch einer und der andern beſondern Eigenſchaft 
zu gedenken, die man an dieſen Kaͤfern gewahr wird, und die zu ihrer 
Lebensart gehoͤren. 

Es iſt, bekanntermaßen, den ſpaniſchen Fliegen eigen, daß, wenn 
fie berührer oder gewaltthaͤtig behandelt werden, fie den Kopf und Brufts 
ſchild ſtark niederbeugen und die Fuͤße einziehen. Dieſes thun auch dieſe 
Kaͤfer, und ſonderlich die Weibgen. Sie bleiben auf dieſe Weiſe eine 
ziemliche Zeit unbeweglich und wie todt liegen. Wie ich denn dieſe Nie, 
derbeugung des Kopfes und Bruſtſchildes an allen denjenigen Kaͤferarten 
bemerket habe, die weichſchaalige Fluͤgeldecken haben, und beym Linnã⸗ 
us ehemalen das Geſchlecht der Canthariden ausgemacht haben. 

Da dieſe Käfer, obgedachtermaßen, die Blumen lieben und auf den⸗ 
ſelben gefunden werden; ſo darf man es ſich nicht befremden laſſen, wenn 
man fie auf denſelben oft fo gelb beſtaͤubet antrifft, daß es nicht anders iſt, 
als wenn fie mit einem gelben Mehle uͤberpudert wären. Es kommt dies 
ſes von dem gelben Blumenſtaube (pollen antherae) her, der ſich ihnen, 
indem ſie auf den Blumen ſchnell hin und her laufen, anhaͤnget, und an 
ihnen um ſo mehr haͤngen bleiben muß, je mehr, oberwaͤhntermaßen, der 
ganze Käfer an allen feinen Theilen ſtark rauchhaarig iſt. 

Wenn es ſehr heiß iſt, fo find dieſe Käfer am lebhafteſten; und als, 
denn ſind ſie, ſonderlich die Maͤnngen, mit bloßen Haͤnden ſehr ſchwer 
zu fangen. Sie fliegen entweder ſo bald man ſich ihnen naͤhert, davon; 
oder ſie wiſſen mit einer unglaublichen Geſchwindigkeit ſich auf die untere 
Seite der Blume zu begeben und gleichſam unſichtbar zu machen. Man 
muß ſich alſo zu der Zeit entweder einer Fange bedienen; oder ihnen nach» 

gehen, wenn es in der Fruͤhe noch feucht, oder ſonſt nebliche 

und naſſe Witterung iſt. 
(Fig. XVII. C) Fig. XVI. 


Erklaͤ⸗ 


d 311 


Erklaͤrung der Kupfertafel. 


Fig. I. Ein Maͤnngen, oder Cronenkaͤfer, mit goldgrünen Fluͤgeldecken, 
von der kieinen Art, und wie es ruhet. 


Fig. II. Ein Maͤnngen mit grünen Stügelbeiten, von der großen Art 
und wie es flieget. - 


Fig. III. Eben daſſelbe, wie es ruhet oder kriechet. 
Fig. IV. Ein Weibgen oder Kaͤulenkaͤfer, auf dem Rucken liegend. 
Fig. V. Ein vergrößerter Kopf des Maͤnngen, von vorne oder obenher 
betrachtet. 
a. der Kopf ſelbſt. 
b. b. die Augen. 
c. c. die Fuͤhlhoͤrner. 
d. d. das erſte Paar Freßſpitzen. 


Fig. VI. Ein vergroͤßerter Kopf des Maͤnngen, von hinten oder unten 
her betrachtet. 


Fig. VII. Eben derſelbe vergroͤßerte Kopf, wie er ſich auf der Seite zeiget. 
Fig. VIII. Ein vergroͤßertes Fuͤhlhorn des Maͤnngen, von oben betrachtet. 
ig. IX. Eben daſſelbe, von unten betrachtet. 


Fig. X. Eine vergroͤßerte Freßſpitze des erſten Paares und zwar der 
Maͤnngen. 
a. der dickere gegliederte Theil. 
b. der ſchmale gewundene Theil. 


7 
el 
E 


XI. Die vergroͤßerten Zähne, wie fie ſich auf der untern Seite eis 
gen, nebſt demjenigen Theile, welchem fie angegliedert find, 15 
18. 


312 n e 
Fig. XII. Das vergrößerte zweyte Paar Freßſpißen. 


Fig. XIII. Das vergroͤßerte Zeugungsglied des Maͤnngen. 
a. der Afterdarm. 
b. das Zeugungsglied ſelbſt. 
c. das ſaͤgenfoͤrmige Werkzeug. 


Fig. XIV. Das vergroͤßerte Geburtsglied des Weibgen. 
a. der Afterdarm. 
b. das Geburtsglied ſelbſt. 


Fig. XV. Das vergroͤßerte Geburtsglied beſonders. 

Fig. XVI. Ein vergroͤßerter Eyerſtock. 241 
Fig. XVII. Drey vergroͤßerte Eyer. 

Fig. XVIII. Das vergroͤßerte dreyeckige Schildgen. 

Fig. XIX. Der vergrößerre Bruſtſchild. 2. 

Fig. XX. Ein vergrößertes Fuͤhlhorn des Weibgens. 


Fig. XXI. Eine vergroͤßerte Freßſpitze des erſten Paares und zwar der 
Weibgen. 


a. der gegliederte Theil. 
b. der gewundene Theil. 


Fig. XXII. Ein vergroͤßerter Fuß des erſten Paares. 
e (o) Fi“ 


VIII. 


Der wunderbare Eulenzwitter 


nebſt der Baumraupe aus wel. 
cher derſelbe entſtanden. 


Vorbericht. 


s war im Brachmonathe des 1752ten Jahres, als ich auf einer 
Reiſe in mein Vaterland, Qverfurth, ein vielfältiger und ber 
truͤbter Augenzeuge von dem wurde, was das Raupengeſchlech⸗ 

i te vor ein ſchaͤdliches und verderbliches Ungeziefer ſey, und welch 
eine Verwuͤſtung ſolches in ganzen Gegenden anrichten koͤnne, wenn es 

in großer Menge vorhanden iſt. Die ſchnelle Vermehrung und große 

Schaͤdlichkeit gewißer Raupenarten, war mir zwar ſchon vorhero und von 

daher nicht ganz unbekannt geblieben, weil ich einige Jahre zuvor die Auf 

ſuchung, Beobachtung und Sammlung, wie anderer Inſecten , ‘fo vors 
naͤmlich auch der Raupen, mir in Nebenſtunden den Vorwurf einer an— 
genehmen Beſchaͤftigung hatte ſeyn laſſen; um auch in dieſen, ſonſt fo 
veraͤchtlichen, Geſchoͤpfen die Groͤße der Almacht, Weisheit, Guͤte und 
Gerechtigkeit GOttes kennen und verehren zu lernen. Allein, alle meine 
davon bis dahin gehabten Begriffe und Vorſtellungen waren, wie gar 
nichts, gegen dem, was anitzo meine Augen ſahen. Denn, ich fand an 
ſehr vielen Orten in Sachſen, fonderlich bey Altenburg, Zeig, N ium⸗ 
burg, Sangerhauſen, und fo in mehr andern Gegenden, die Baͤume 
in Gaͤrten und Weinbergen, die Wildlinge und Geſtraͤuche auf dem Fel— 
de, ja fo gar ganze Wälder, dergeſtalt vom-Laube entbloͤßet und abgefreſ— 
ſen, daß es hin und wieder nicht anders, als im Winter, ausſahe. Die 

Aeſte und Zweige waren ſtatt der Blätter um und um dick mit Raupen 

überzogen, und auch auf den Grasboͤden lagen fie in gehaͤufter Anzal. 


Es kam mir gleich bey dem erſten Anblicke, und noch im Vorbeyfah— 
ren, der Gedanke ein, daß vieleicht dieſe ganze ſchaͤdliche Brut nur eine 
einzige Raupenart ſeyn moͤgte. Und bey einer genauern Unterſuchung 


fand es ſich auch wirklich ſo. 
| Rr 2 Als 


816 n 


Als ich nachfragte, ſeit wann dieſes verderbliche Raupengeſchmeiſe ſo 
ſtark uͤberhand genommen haͤtte? erhielt ich die Antwort, daß es ohngefaͤhr 
drey Jahre wären. Im erſtern Jahre haͤtte man dieſes Ungeziefer fo ſtart 
eben nicht wahrgenommen; im zweyten wäre es ungleich häufiger erſchie⸗ 
nen; und itzo, als im dritten Jahre, wäre es, wie ich ſelbſten fähe, in 
außerordentlicher Menge vorhanden. 


Meine Neugierigkeit war hiebey viel zu groß, als daß ich nicht haͤtte 
nachforſchen ſollen, was man wohl von der Beſchaffenheit dieſer Raupen, 
ihrer Entſtehung, und den Mitteln ſie auszurotten, vor Gedanken hegen 
moͤgte ? Ich hielt daher ſowohl in Städten, als ſonderlich auf dem Lande, 
wodurch ich die Reiſe machen mußte, bey verſchiedenen Perſonen daruͤber 
Nachfrage. Allein, was mir dieſerhalben zur Antwort wurde, ſchmeckte 
groͤßtentheils nach Unwiſſenheit, nach Aberglauben, und oft nach mehr, 
als kindiſchen, Vorurtheilen. Einige glaubten, fie wuͤchſen von fich ſelbſt, 
wie das Gras, aus der Erde hervor. Andere ſchrieben ſie dem Teufel, 
oder doch wenigſtens boͤſen Leuten zu, die ihnen ſolche angezaubert haͤtten. 
Noch Andere verſicherten, es mit ihren Augen geſehen zu haben, wie ſie 
der Wind bey tauſenden in der Luft herbey gefuͤhret haͤtte. Und endlich 
blieben die, jo noch am beſten davon zu denken glaubten, blos das 
dey ſtehen, daß es eine Strafe GOttes ſey. 98 8 


Was konnten aus dieſen unaͤchten und ſeltſamen Begriffen, von der 
Entſtehung dieſer Raupen, wohl andere, als noch ſeltſamere Folgerungen 
wegen deſſen “erwartet werden, wie dieſem Raupenuͤbel zu ſteuern und ab⸗ 
zuhelfen fey. Einige, fo dieſe Raupen, erſtgedachtermaßen, vor eine 
unmittelbare Strafe Gottes anfahen, vermeyneten, es laſſe fich ganz 
und gar nichts dagegen vorkehren; man wiſſe vielmehr aus der Erfah— 
rung, je mehr man dieſem Uebel abzuhelfen ſuche, deſtomehr nehme es 
ſichtbar zu und uͤberhand. Andere, ſo dieſes Ungeziefer dem Winde, 
den Hexen, dem Teufel, und ich weiß nicht wem noch 2 zuſchreiben, 
glaubten um fo weniger zur Verringerung und Tilgung derſelben das Als 
lergeringſte beytragen zu koͤnnen. Viele hielten dieſe Geſchoͤpfe, gar vor 
giftig, und furchten ſich vor ihnen nicht wenig; und eben um dieſer 
ihrer Furcht willen, dachten ſie, ſattſam entſchuldigt zu ſeyn, wenn ſie 
wegen ihrer Ausrottung unbekuͤmmert blieben. Ja, es gab verſchiedene 
Perſonen, welche mit ganz gutem Willen und ohne alle Hinderung dars 
um alles abfreſſen ließen, weil ſie die ſuͤße Einbildung hatten: En 

le⸗ 


ZI m NE 317 
dieſes ſey das beſte Mittel dieſe Raupen in ihren Nachkoͤmm⸗ 
lingen gänzlich zu vertilgen. Denn, faaten fie, wenn die ges 
genwärtigen Raupen alles kahl abgefreſſen haben, fo muͤſſen 
die kuͤnftigen Jungen entweder Hungers ſterben, oder aus Man⸗ 
gel fernerer Nahrung weiters ziehen; mithin wird man auf 
dieſe Art ſolche ſchaͤdlichen Gaͤſte am eheſten und ſicherſten los. 


Ich kann nicht bergen, daß mich die Denkungsart, und die daraus 
entſpringende Nachlaͤßigkeit, dieſer Leute ſehr ruͤhrete; und ich hatte mit 
ihnen ein um ſo groͤßeres Mitleiden, je theurer ihnen dieſe ihre Unwiſſen— 
heit, dieſer ihr Aberglaube, und dieſe ihre Vorurtheile, zu ſtehen kamen, 
und je mit einem groͤßern und augenſcheinlichen Verluſte in Gaͤrten, Fel— 
dern und Waldungen ſie ſolches buͤßen mußten. Indeſſen wirkte dieſes 
Mitleiden doch auch etwas Gutes. Es trieb mich an, ſowohl auf der Rei— 
fe ſelbſt, als ſonderlich während meines Aufenhaltes in meinem Baterlans 
de, von dieſen Raupen, und dem daher entſtehenden Schaden, oͤfters 
zu ſprechen; die Entſtehungs Lebens- und Vermehrungsart derſelben, 
nebſt ihren uͤbrigen Eigenſchaften, anzuzeigen; ſonderlich aber derjenigen 
Mittel zu gedenken, durch deren Gebrauch und Anwendung es beydes 
möglich und leicht ſey, dieſer Landplage, wo nicht auf einmal gaͤnzlich, 
doch nach und nach abzuhelfen, wenigſtens ihr Graͤnz und Ziel zu ſetzen. 


Nun wollte zwar ſolche meine Anzeige der Entſtehung, Verwande— 
lung und Vermehrung dieſer Inſecten, bey vielen weder Glauben, noch 
Eingang, finden. Es wollte ihnen ganz und gar nicht einleuchten, 
daß jede dieſer Raupen aus dem Eye eines Zwiefalters, oder einer Eule, 
entſtanden ſey; daß jede in kurzer Zeit eine andere Geſtalt annehmen, und 
fi) in eine gleichſam aus Tod und Leben zuſammengeſetzte Puppe veraͤn— 
dern; und daß auch dieſe endlich wieder in einen Zwiefalter, oder in eine 
Eule, uͤbergehen, und folglich aus einem anfaͤnglich kriechenden nun— 
mehro ein gefluͤgeltes, Thier entſtehen werde. Jedoch, andern ſchien die 
Sache ſo unglaublich eben nicht, und ich erhielt zuletzt von vielen Beyfall. 

a, es fand ſich in kurzem eine anſehnliche Menge von Goͤnnern und 
Suche ſonderlich von adelichen Herrſchaften, die mich gar ſehr erſuch⸗ 
ten, meine diesfalls habende Kenntniß und Erfahrung, ſonderlich aber 
die ihnen bereits muͤndlich angezeigten Ausrottungsmittel dieſer Raupen, 
in einen ſchriftlichen Aufſatz zu bringen, und den Abdruck davon ihnen zu 
uͤberſenden; unter der Verſicherung, daß fie ſowohl ſelbſt, als auch bey 

Rr 3 ihren 


318 > 


ihren Unterthanen und Nachbarn, davon einen guten Gebrauch machen 
wuͤrden. 


Ich konnte mich anfaͤnglich nicht entſchließen, diesfalls etwas zu ver⸗ 
ſprechen, weil mir nicht unbekannt war, daß es in Sachſen ſelbſt an Mäns 
nern nicht fehle, die es, wie in allen Wiſſenſchaften, ſo auch in Kennt— 
nis der Inſecten, ungemein weit gebracht haben; und davon nicht nur 
ihre Schriften, ſondern anch die vielen und ſchoͤnen Sammlungen, de— 
ren einige ich auf meiner Reiſe ſelbſt zu ſehen das Vergnuͤgen gehabt hat— 
te, die thaͤtigſten Zeugniſſe waren. Jedoch bey weiterer Ueberlegung gab 
ich dem Anverlaugen jener Goͤnner und Freunde gleichwohl nach; und 
dieſes unter andern auch darum, weil Gelehrte, ihre Erfahrungen ins— 
gemein auch auf eine gelehrte Art, und nur Gelehrten, bekannt zu mas 
chen pflegen; dem Landvolke und geringen Leuten aber ſelten davon etwas 
zur Kenntniß und zum Nutzen kommt. Und obgleich auch ein beruͤhmter 
Reaumur in Frankreich, ein gelehrter Friſch zu Berlin, und ein ges 
ſchickter Koͤſel zu Nürnberg, dieſe Raupenart ſchon beſchrieben hatten; 
ſo konnte doch auch dieſes keine Aenderung und Hinderung in meiner Ent— 
ſchlieſſung machen, da eines theils die Koſtbarkeit dieſer Werke, andern 
theils die Schreibart, in welcher ſie abgefaßt ſind, nicht Jedermann ver— 
ſtattet, ſich ſolche anzuſchaffen und nutzen zu koͤnnen. 


Ich gab alſo noch im Auguſtmonate des obgedachten Jahres eine Ab— 
handlung von dieſen Raupen in Drucke. Sie kam unter folgender Auf— 
ſchrift ans Licht: Nachricht von einer Raupe, ſo etliche Jahre 
her an manchen Orten in Sachſen vielen Schaden gethan bar, 
nebſt einigen aus der Natur dieſer Raupen hergeleiteten Vor⸗ 
ſchlaͤgen, ſolche am leichteſten zu verringern und auszurotten. 


Es war dieſes die erſte meiner phyſikaliſchen Abhandlungen, ſo oͤffent— 
lich erſchien. Und ich ſchaͤme mich nicht zu bekennen, daß ich hinterher 
ſelbſt und vieleicht mehr, als irgend ein Anderer, dieſelbe hie und da un— 
vollkommen, und an ein paar Orten wirklich unrichtig, befunden habe. 
Indeſſen fand ſie gleichwohl Liebhaber; und es ſind ſchon einige Jahre, 
daß fie ſich voͤllig vergriffen hat. Mein Herr Verleger hat mir daͤhero 
ſchon vorlaͤngſt augelegen, eine neue Ausgabe derſelben zu beſorgen. Er 
glaubte, daß ich ſolche um ſo unbedenklicher unter Handen nehmen koͤnnte; 
je mehr von einer Meßzeit zur andern nach dieſer Saͤchſiſchen Raupe 125 

gefra⸗ 


n e 319 


gefraget werde. Und da ich vor einigen Monathen eben im Begriffe war, 
ſolches zu thun; hatte ich das Vergnuͤgen von einem meiner ſehr werthen 
Freunde in Haag mit der Abbildung eines ſehr ſeltenen Eulenzwitters 
beehret zu werden. Dieſes Geſchenk war mir um ſo lieber, je mehr dieſer 

witter aus eben der Raupenart entſtanden war, von welcher in meiner 
Abhandlung geredet wurde. Ich kam alſo dadurch in den Stand, dieſe 

zweyte Ausgabe zugleich mit etwas ganz Neuem, und zugleich ſehr Selte— 
nem, zu vermehren. 


Dieß iſt die Veranlaſſung, die Abſicht und der Innhalt der gegen— 
waͤrtigen Blaͤtter. Und ich habe es aus mehr als einer Urſache vor gut 
gefunden, derſelben dießmal eine Kupfertafel ausgemahlter Abbildungen 
beyzufuͤgen, um alles deſto kennbarer und nuͤtzlicher zu machen. 


Sie wird drey Abſchnitte enthalten. In dem erſtern ſol die ſchaͤdliche 
Baumraupe nach ihrer Beſchaffenheit, ihren Eigenſchaften und ihrer Ders 
wandelung ausfuͤhrlich beſchrieben, und das Unvollkommene und Unrichs 
tige der erſten Ausgabe ergaͤnzet und verbeſſert werden. In dem zwey— 
ten Abſchnitte will ich von dem ſeltenen Eulenzwitter, ſo aus dieſer Rau— 
penart entſtanden iſt, handeln. Und in dem dritten Abſchnitte ſollen 

die Verringerungs und Tilgungsmittel dieſer ſchaͤdlichen 
Baumraupe vorkommen. 


Erſter 


320 . 
* X X X RX NM M T KNM NK KN N X NK NM NM T M K M X X „ * 


Erſter Abſehnitt. 


Eigentliche und genaue Beſchreibung der Raupe aus, 
welcher der ſeltene Eulenzwitter entitanden iſt, und die vor 
einigen Jahren in Sachſen fo großen Schaden ge: 
than hat. 


Is hat dieſe Raupe, von welcher wir gegenwaͤrtig reden, in den 
xy Schriften der Naturforſcher gar verſchiedene Namen. Der Herr 
von Keaumur nennet fie die Eichen- und Ulmenraupe mit 
Ohren (0. Herr Friſch gedenket ihrer unter der Benennung der bund⸗ 
koͤpfigen Garten und Waldraupe (**). Und Herr Roͤſel beſchrei⸗ 
bet fie als die ſchaͤdliche großkopfighaarigbraune Raupe (%). 
Nimmt man dieſe Benennungen alle zuſammen, ſo kann man ſich von 
derſelben ſchon einen ziemlichen Begrif machen; wobey zugleich die Abs 
bildung (}) nachzuſehen ſehr gut ſeyn wird. 


Damit aber dieſe Raupe noch naͤher nach ihrer Natur, Eigenſchaft 
und Veraͤnderungen, kenntlich ſeyn moͤge; ſo merke man Folgendes von 
ihr an. Sie gehoͤret unter die großen und gemeinen Raupen faſt aller 
Gegenden. Sie iſt, wenn fie vollig ausgewachſen, zween Zolle und dars 
über lang, und, nach Mansgabe dieſer Laͤnge, auch dick. Sie hat, wie 
viele Raupen, ſechszehen Fuͤße; davon die erſtern ſechſe hornig und ſpitzig, 
die zehen uͤbrigen aber haͤutig, abgeſtutzt und gecroͤnet find. Sie hat 
zwoͤlf Abſaͤtze oder Einſchnitte. Die drey erſtern haben die ſechs hornigen; 
der ſechſte, ſiebende, achte und neunte die acht mittlern; und der zwoͤlfte 
das letzte Paar Fuͤße; und gehoͤret alſo zur erſten Claſſe der Reaumu⸗ 
riſchen Eintheilung. Zwar eignet ihr Herr Friſch nur zehen Abſaͤtze zu; 

da 
( Mem. des Inſedd. Tom. II. Part. I. p. 112. (“) Beſchreib. der Inſ. Th. I. 


S. 14. T. III. () Inſectenbel. Nachtvoͤg. Claſſ. U. S. 17. Tab. III. 
CH Fig. I. II. 


a 2 321 


da aber unſere Beſchreibung von zwoͤlfen ſowohl mit der Erfahrung, 
als mit der Reaumuriſchen und Koͤſeliſchen Nachricht, übereinſtimmet, 
ſo muß Herr Friſch entweder, wie es auch dem Sorgfaͤltigſten in der— 
gleichen Faͤllen vielmals zu gehen pflegt, nicht recht, oder auch wohl gar 
anders, gezaͤhlet haben. Es iſt ihr Kopf nach der letzten Haͤutung von 
ungewöhnlicher Groͤße, und ſcheinet in Verzleichung des Kopfes, den fie 

vorhin gehabt, bey nahe ein ganz anderer und neuer zu ſeyn. Die Farbe 
dieſes Kopfes iſt ockergelb, und zu beyden Seiten befinden ſich ein Paar 
große dunkle Flecken, welche ein unerfahrner vor Augen halten follte: 
Man ſiehet vorn uͤber dem Maule zween andere lange Flecken, ſo ein 
Dreyeck machen. Neben den gewöhnlichen Freßſpitzen ſiehet man auf je⸗ 
der Seite eine Art einer, in einander ſteckenden, vorſtehenden Warze, und 
daruͤber ſechs, bis ſieben, in einen Kreis geſtellte ſchwarzleuchtende Puncte, 
welche die wahren Augen ſeyn. An dem erſten Abfase hat die Raupe, 
auſſer den ſechs ordentlichen Knoͤpfen, noch zween groͤßere, ſoͤ gegen den 
Kopf zu ſtehen, und wie Ohren ausſehen. Dieſe zween Knoͤpfe ſind 
ſtark mit Haaren beſetzt, und ſcheinen, wie der Kopf an einem Spritzkruge 
loͤcherich zu ſeyn. Die uͤbrigen ſechs ordentlichen Knoͤpfe eines jeden Abs 
ſatzes, und die in der Rundung umher ſtehen, haben, wie die zween vori— 
gen, ihre beſonderen ſchwarzen Haare. Das mittelſte Haar an den ober— 
ſten Knoͤpfen ſtehet gerad uͤber ſich, und ringsherum zehen andere, und 
um dieſe wiederum kleine weiße in einem Kreiſe. Die untern Knoͤpfe 
haben weisliche und weichere Haare. Wobey noch als etwas Beſonderes 
anzumerken iſt, daß auf dem neunten und zehnden Abſatze oben in der 
Mitte des Ruͤckens auf dem gelblichweiſſen Striche, ſo uͤber alle Abſaͤtze 
der Raupe der Laͤnge nach gehet, zwo warzenfoͤrmige helrothe Erhoͤhun— 
gen ſich zeigen, welche die Raupe einziehen und ausſtrecken kann. Herr 
Röfel, der hierinn vermuthlich Herrn Friſch gefolget iſt, ſaget, dieſe 
zwo hellrothen Erhoͤhungen ſtuͤnden auf dem achten und neunten Abſatze, 
da doch ſeine Figur ſie auf dem neunten und zehnden ſetzet. Ich habe aber 
ſchon oben angemerkt, daß Herr Sriſch feine Abſaͤtze muͤſſe beſonders, 
oder wohl gar unrecht, gezaͤhlet haben. Neben dem unter den Ruͤcken 

Eulenzwitter. Ss hin⸗ 


322 ur m 

hinlaufenden gelblichweiſſen Striche befindet ſich auf jeglicher Seite noch 
eine andere ſchmale ockergelbe Linie und zwar vom Kopfe bis zu den letz— 
sen Füßen. Zwiſchen dieſen Linien ſtehen die obbeſchriebenen Knoͤpfe— 
wovon die obern fuͤnf voͤrderſten Paare violetblau, und die folgenden ſechs 
dunkelroth find. Die unterſte Reihe der Knöpfe aber iſt von gelbbrauner 
Farbe, ſo wie die Grundfarbe des Leibes ſchwarzgrau, oft auch gruͤnlich iſt. 
Der Bauch dieſer Raupe iſt ſchwurz, und die Füße rothgelblich. Auch 
kann man gar deutlich die Spiegelpuncte, oder Luftloͤcher, an den ge⸗ 
woͤhnlichen Orten erkennen. i 


Sollte Manchem dieſe Beſchreibung der Raupe zu weitlaͤuftig düns 
ken, der darf nur auf dieſe drey Stücke acht haben. Erſtlich, auf das 
warzige und haarige der Raupe; zweytens, auf die obere weisliche und 
auf beyden Seiten ockergelbliche Linie; und vornaͤmlich drittens, auf die 
fünf Paar violetblauen und ſechs Paar dunkelrothen Knöpfe, oder Pun, 
cte, auf dem Ruͤcken. Auch auf dieſe kurze Art, wird einem Jeden dieſe 
Raupe kenntlich ſeyn, und er ſie von andern zu unterſcheiden wiſſen. 


Was den Urſprung dieſer jetzt beſchriebenen Raupe anlanget, ſo iſt 
ſolcher, wie bey alen Inſecten, ein Ey. Zwar iſt es eben ſo gar lang 
noch nicht, da viele, ſelbſt gelehrte Maͤnner, der Meynung waren, es 
entftünden und wuͤchſen manche Geſchoͤpfe aus der Erde, aus der Faͤul— 
niß, und aus andern Dingen von ſich ſelbſt hervor, ohne ihren Urſprung 
von einem, und zwar ſolchem, Eye zu haben, das von einem ihnen gleichen 
Geſchoͤpfe geleget, oder von ſolchem das ſchon vorgefundene Ey belebet, 
worden ſey. Und ſo glaubte man auch von manchen Raupenarten; naͤm— 
lich, daß ſie in verfaulten Sachen, im Miſte, im Holze, im Obſte und 
dergleichen, von ſich ſelbſt, keinesweges aber aus einem Eye, herkaͤmen. 
Allein es iſt durch anhaltenden Fleis und unausgeſetztes Beobachten der 
Maturforſcher, ſonderlich ſeit dem man ſich der Vergroͤßerungsglaͤſer 
bedienen koͤnnen, nun auſſer allem Zweifel geſetzt, und durch uns 
zaͤhlige Verſuche ohnlaͤugbar dargethan worden, daß, wo nicht alles 
Lebendige, wenigſtens keine Art Inſecten und Raupen anders entſtehe 

und 


n N 323 


und fortgepflanzet werde, als von einem Eye. Unſerer Raupe kann die, 
ſes um ſo weniger abgeſprochen werden; je mehr wir alle Umſtaͤnde und 
Kleinigkeiten von dieſer Art ihrer Entſtehung und Fortpflanzung angeben 
koͤnnen. 


Man findet dieſe Eyer im Monathe Auguſt, manchmal fruͤher, manch 
mal ſpaͤter, zu etlichen hunderten an Baͤumen, Staͤmmen, Steinen, Waͤn— 
den, und dergleichen. Sie find auswendig uͤber und über mit, bald mehr hellen, 
bald mehr dunkelbraunen, Haaren, als wie mit einem Pelze, überzogen (D. 
Schabet man dieſe Haare behutſam ab, fo zeigen ſich unter denſelben alfos 
bald die Ener (*), neben und übereinander. Sie haben eine gelblichweiße 
Farbe; ſind von einer ſichtbaren Groͤße; und glaͤnzen, ſonderlich wenn es 
helle iſt, oder die Sonne darauf ſcheinet, gar ſchoͤn. Ihre Anzal iſt nicht 
allezeit gleich, doch find ihrer immer mehr, als 300; oft habe ich ihrer über 
500 bey einander gefunden. Wollte man zweifeln, ob aus dieſen Eyern 
wirklich lebendige Thiere, und zwar ſchlechterdings keine andern, als unfes 
re Raupen, entſtehen; fo darf man ſich nur einen ſolchen Eyeranſatz mer— 
ken, nach wenigen Tagen wieder nachſehen, ſo wird man an dieſen Orten 
nichts als eine Menge junger, vorher nicht dageweſener, Raͤuplein gewahr 
werden. Oder man darf eine Menge ſolcher Eyer in einer Schachtel auf— 
heben, fo wird man in kurzer Zeit aus dieſen Eyern, und ſtatt derſelben, aus— 
gekrochene Raupen haben. Von wem und wie aber dieſe Eyer an die 
Staͤmme und Waͤnde angeleget werden, wird unten vorkommen. 


So bald dieſe Raͤuplein (% in dieſen angeſchmeißten Eyern zu ih 
rer Vollkommenheit gediehen, wozu ſie eine Zeit von ohng gefaͤhr vierzehn 
Taͤgen nörhig haben, kriechen fie alfobald aus, und gehen ihrem Futter 
nach. Wo fie ſolches finden, da bleiben fie; zwar nicht, wie die geſelli⸗ 
gen Raupen, klumpenweiſe beyeinander, aber, doch zerſtreut und jede vor 
ſich, an demſelben Baume oder Staude ſo lang, bis alles abgefreſſen iſt. 
Sind fie damit fertig, gleichwohl aber noch nicht ausgewachſen, und ohr 
ne daß die Zeit ihrer Verwandelung annoch vorhanden iſt, ſo nehmen ſie 
ihren Weg weiter auf den naͤchſten Baum, oder auf das naͤchſte u 

52 e, 


C) Fig. V. b. b. C) Pig. IX. 


324 . Ne 


che; und dieſes wiederhohlen fie fo oft, als fie einen Baum nach dem ars 
dern zwar entblaͤttert haben, ſelbſt aber der Nahrung noch bedürftig find, 
zu derſelben auch noch Luſt und Kraͤfte haben. Es duͤrfen ihrer nur drey 
oder vier Bruten an einem Baume ſeyn, ſo ſind dieſe ſchon zureichend, 
binnen zwo und drey Wochen den groͤßten und belaubteſten Baum in ein 
kahles Beſenreis zu verwandeln. 


Wegen der Nahrung nnd Futter iſt dieſes Raupengeſchlecht gar 
nicht leckerhaft, ſondern nimmt mit Allem vorlieb. Es laͤſſet ſich alle Ar⸗ 
ten von Baͤumen, Buͤſchen und Geſtraͤuchen, ja bey nahe alles, was nur 
Blaͤtter hat, ohne die mindeſte Auswahl, wohlſchmecken. Sind ſolche 
Raupen im Walde, ſo ſaͤttigen ſie die bitterſten Haſelſtauden, Eichen, 
und dergleichen, eben fo aut, als in Gaͤrten die Apfel- Birn- und Pflau— 
menblaͤtter. Und ich habe vor eilf Jahren in Sachſen ſo gar hie und da 
etliche angetroffen, die, nachdem alle Baͤume und Geſtraͤuche in derſelben 
Gegend ſchon abgefreſſen waren, auch fo gar auf den Gras- und Gerrais 
deſtaͤngeln ſaſſen, und ſolche, zu meiner nicht geringen Verwunderung, 
abnageten. N 


Mit dem Wachſen dieſer Raupe gehet es etwas langſam her (*) Denn 
fie braucht bis zum völligen Auswachſen eine Zeit von etlichen Monathen. 
Diejenigen, ſo manchmal im Herbſtmonathe ſchon auskriechen: ſind um 
ſo uͤbler daran. Der ſogleich darauf folgende Herbſt und Winter benimt 
ihnen nicht nur gar bald alle Wärme und Nahrung, ſondern macht auch 
in ihrem Wachsthume bis auf den Fruͤhling einen Stillſtand. Und die⸗ 
jenigen, ſo den Winter uͤber in Eyern verborgen bleiben, folglich gleich 
mit Anfange des Frühlings auskriechen, brauchen doch auch bey fünf und 
ſechs Monathe, bis ſie ihre rechte Groͤße erlangen. Man findet daher 
dieſe Raupen ſelten eher als im Heumonathe voͤllig ausgewachſen. 


Doch wuͤrde man ſich ſehr irren, wenn man glauben wollte, daß ſie die 
Zeit ihres Heranwachſens hindurch immer einerley und eben dieſelben, ohne 
alle Abaͤnderung, blieben. Nein, alle Raupen, und alfo auch dieſe, pfle⸗ 
gen ſich zu haͤuten. Es geſchiehet dieſes von ihrem Anfange bis zur Ver⸗ 


00 Fig. J. we 


ce u 325 


wandelung, nach einer jedesmaligen gewiſſen Zwiſchenzeit, insgemein 
dreymal; und gehet es damit alſo zu. Wenn die Raupe eine gewiſſe 
Größe erlanget hat, ſo ſetzet ſie ſich mit ihren Paar Hinterfuͤßen auf ein 
Blatt oder ſonſt wo feſte. Man ſiehet hierauf zuerſt den Kopf aufſchwel⸗ 
len, der in ſeinem Anwachſen das erſte Gelenke der Raupe von einander 
treibet. Sodann gehet dieſes Aufſchwellen der Raupe, zugleich aber auch 
das Zerreiſſen, ihrer Haut immer von Glied zu Glied, und das ſo weit 
fort, bis endlich die ganze Haut zerborſten und abgeſtreifet iſt; aus welcher 
denn eine verneuerte, und um ein merkliches groͤßere, Raupe herfuͤrkomt. 
Den abgelegten Raupenbalg findet man lange Zeit an Blaͤttern und ſonſten 
hin und wieder hangen, bis ihn der Regen abwaͤſchet oder der Wind ab— 
ſchuͤttelt. 


Wenn die Raupe zu ihrer gehörigen Groͤße und Vollkommenheit ge— 
langet iſt (0); fo gehet nun mit ihr die zweyte Veraͤnderung vor, weh 
ches ihre Verwandelung genennet wird. Die Ranpe verſpuͤret an 
ſich ſelbſt, wenn ſolche ihre Verwandelungszeit vorhanden iſt. Sie fehis 
cket ſich dahero auch ſelbſt und zwar auf folgende Weiſe dazu an. Zuerſt 
enthaͤlt fie ſich einige Tage lang aller Speiſe und Nahrung; fie ent— 
leeret ſich alles in und bey ſich habenden Unrathes; und ſuchet endlich 
ein Obdach, oder andern etwas verdeckten Ort, es mag Holz, Stein, 
oder dergleichen ſonſt etwas ſeyn, wenn fie nur von demfelben einigermaſ— 
ſen bedecket iſt. Im Falle ſie keinen bedeckten Ort haben kann, iſt ihr 
auch eine jede Baumritze, oder etliche von ihr ſelbſt zuſammengeſponnene“ 
Blaͤtter zu ihrer gegenwaͤrtigen Verbergung tauglich. An einem ſolchen 
Orte huͤllet fie ſich gar balde in ein braͤunliches, mehr und weniger weit 
laͤuftiges Geſpinnſte, ein (**), um indemfelben ſowohl vor dem Derabfals 
len, als der Nachſtellung ihrer Feinde, der Voͤgel und Schlupfweſpen, 
geſichert zu ſeyn. 


Hat ſich die Raupe eingeſponnen; ſo leimet ſie ſich mit ihren 
Hinterfuͤßen in ihrem Geſpinnſte feſt an, und man ſiehet fie hierauf von 
Tage 

9 Fig. IH. (0 Fig. III. 


326 ce e 


Tage zu Tage, wie der Laͤnge nach immer kuͤrzer, alfo der Breite nach 
immer dicker werden. Endlich zerplatzet nach etlichen Tagen auch dieſer 
ihr Raupenbalg, und ſie uͤberkommt nunmehro eine ganz andere, und von 
der bisherigen völig verſchiedene, Geſtalt. Sie heiſſet nunmehr eine 
Puppe (). 


Dieſe Puppe hat, wenn ſie am groͤßten iſt, etwas mehr als einen 
Zoll in die Lange; ſcheinet aber darum fo klein, weil fie, wenn fie weibs 
lich, ungemein dick iſt. Ihre Farbe iſt meiſt dunkelbraun, oft ganz ſchwaͤrz⸗ 
lich. Oben an dem Kopfe ſind ein Paar ſchwarze Puncte zu ſehen, die 
ein Unwiſſender vor Augen halten wuͤrde. Naͤchſt dem iſt fie an vielen 
Orten des Foͤrder und Hinterleibes mit weislich-ockergelben Haaren bes 
wachſen. Dieſes zuſammengenommen machet ſie ungemein kenntlich und 
ſichtbar. Man kann dahero im Auguſtmonathe, ohne eben fein Geſicht ſtark 
anzuſtrengen, oder ſich ſonſt viele Mühe zu geben, an Bäumen, Waͤn— 
den, unter den Gartendaͤchern und Gelaͤndern, dergleichen Puppen in 
Menge finden. Neben dieſer Puppe lieget insgemein der abgeſtreifte und 
zuſammengeſchrumpfte Raupenbalg (“h). 


Wer furchtſam iſt, dem will ich es nicht rathen dieſe Puppe durch An⸗ 
rühren zu beunruhigen. Denn ſo leblos fie in der Ruhe ſcheinet, fo bald 
zeiget ſie ſich, wenn ſie beruͤhret wird, lebendig; und zwar auf dieſe be— 
ſondere Art, daß ſie ſich in großer Geſchwindigkeit, und eine ziemliche 
Zeit lang, immer nach einer Seite zu im Kreiſe herumdrehet. Damit 
aber ihr Faden, mit welchem ſie ſich angeſponnen, und der ohnedem eben 
nicht lang iſt, nicht abreiſſe, fo drehet fie ſich gleich wieder auf und rück 
warts nach der andern Seite zu. Die Urſache dieſes ihres Hin und 
Herdrehens iſt, ihre Feinde zu erſchrecken und von ſich abzuhalten. 


Bleibet dieſe Puppe geſund, ſo trift die Raupe nach Verlauf ohnge⸗ 
faͤhr eines Monathes die dritte, und, wenn man ihren endlichen Tod nicht 
dazu rechnet, die letzte Veraͤnderung. Es wird, oder beſſer zu reden, es 
f kommt 


C0 Fig. II. a. () Fig. III. b. 8 


. N 327 


kommt aus der Puppe eine Eule (*) oder Nachtvogel herfuͤr, und zwar ganz 
eine andere, wenn es ein Maͤnnlein (5), und wieder eine andere, wenn es 
ein Weiblein iſt (“). Dieſes gehet fo zu. Wenn die Puppe anfangs 
noch weich und durchſichtig iſt, kann man ſchon ſehen, wo die Fluͤgel, 
die Füße, der Saugruͤſſel des Maͤnngen, und dergleichen, von der kuͤnf— 
tigen Eule zu liegen kommen. Ja wenn ſie auch ſchon erhaͤrtet, kann 
man ſich doch aus ihrer Bildung und Erhoͤhungen von dem Orte und der 
Laage angefuͤhrter Theile einen guten Begriff machen. Am beſten aber 
kann man ſich hievon uͤberzeugen, wenn man entweder eine ſolche Puppe 
juſt um die Zeit, da ſie ihre Reife hat, welches aus ihrer Weiche und 
mehr als anfangs dunkelſchwarzen Farbe zu erkennen iſt, oͤfnet; oder, 
wenn man eben dazu kommt, da die Eule aus ihrer Puppe triechet. 
Im erſten Falle wird man die Eule weißlich in der Puppe, wie in ein 
kleines Behaͤltnis verkleinert, und zuſammengelegt, bey einander fins 
den; und man wird ſich hierdurch um fo mehr von der Urſache fo vieler 
wunderbaren Zuͤge, Erhoͤhungen und Bildungen der Puppe eine gegruͤndete 
Vorſtellung machen koͤnnen. Im andern Falle wird man ſich an der Ent 
wickelung der Eule nicht genug ſehen und verwundern koͤnnen. Denn, 
wenn dieſe Eule in der Puppe ihre Reife erlanger hat, fo beweget fie ſich 
etliche mal ſehr ſtark hin und her, bis oben, wo der Kopfiſt, eine Oeffnung 
wird. Hierauf ſchiebet ſie ſich ſo weit in die Hoͤhe bis ſie, nebſt ihren Fühl⸗ 
hoͤrnern und Saugriſſel, die Foͤrderfuͤße herausbringen, und ſich damit auf 
dem obern Theil der Puppe anſetzen kann. So bald das geſchehen, ruhet 
fie eine kurze Zeit aus, kriechet aber alsdenn hurtig aus der Puppe vollig 
heraus. Sie hat ſodann, ſonderlich das Weibgen, ein ziemlich garſtiges 
Anſehen: indem die Fluͤgel ſo klein ſind, daß ſie kaum die Haͤlfte des dicken 
und langen Hinterleibes bedecken. Doch dieß aͤndert ſich bald. Die Fluͤ— 
gel, welche die Eule frey in die Luft herunter hängen laͤſſet, fangen ſogleich 
an ſich zuſehens in die Laͤnge und Breite auszudehnen, und in weniger, als 
einer viertel Stunde, find fie voͤlig ausgewachſen. Die Eule haͤlt alsdenn 
noch eine kurze Zeit die Fluͤgel ſenkrecht in die. Hoͤhe, fo bald fie aber völlig 

gus⸗ 

& Fig. IV. V. VI. VII. (% Fig. VI. VII. @®s IV. V. 


328 un e 


ausgetrocknet find, fo ſchließet fie dieſelben etwas dachfoͤrmig übereinander, 
welche ſodann den ganzen Leib bedecken. Weil dieſe Eule ein Nachtvogel, 
ſo bleibet ſie, wenn ſie bey Tage ausgekrochen, und ein Maͤnngen iſt, ſo 
lang auf ihrem Orte ſtille ſitzen, bis es Nacht wird; alsdenn gehet ſie un⸗ 
geſaͤumt, theils dem Futter nach, theils einen Gatten zu ſuchen, um ſich 
noch denſelben Abend zu paaren. 


Ich habe allererſt geſagt, daß dieſe Eulen, ihrem Geſchlechte, nach gar 
merklich von einander verſchieden ſeyn. Und ſo iſt es auch wirklich. Sie 
gehen der Größe, der Zeichnung, der Farbe und Geſtalt nach fo von eins 
ander ab, daß man bey dem erſten Anblicke ſtark zweifeln ſollte, ob fie bey— 
de von einerley Raupengeſchlechte entſprungen. Das Weiblein (*) iſt 
uberhaupt, und ſonderlich dem Hinterleibe nach, wohl zweymal groͤßer und 
dicker, als das Maͤnnlein (**. Die Fuͤhlhoͤrner find bey dem Weiblein 
theils länger, theils ſchmaͤler und ſpitziger (“*), als bey dem Maͤnnleinz 
an welchem fie kurz, krumm und federförmig find (T). Inſonderheit hat 
das Weiblein an den Oberflügeln eine weißlichgraue (Tr); das Maͤnnlein 
eine dunkelbraune (T); an dem Hinterleibe eine gelbliche, das Maͤnn— 
lein eine helbraune Farbe. Bey dem Weiblein gehen uͤber die Oberfluͤgel 
fünf verſchiedene krumme kappenfoͤrmige Streife, und zwiſchen dem zwey— 
ten und dritten iſt ein großer ſchwarzbrauner Punct (). Solcher Puncte 
giebet es ordentlicher Weiſe auch am Rande der Oberftuͤgel vierzehn (**)) 
und am Rande der Unterfluͤgel ſechzehn (**). Außer dieſen ſiehet man 
noch am aͤußerſten Rande der Oberflügel etliche dergleichen Puncte. Ueber 
haupt aber find die Ober und Unterfluͤgel, und vornaͤmlich der ganze Uns 
terleib, ſehr ſtark mit wolligem Federſtaube uͤberleget. Von allem dieſen 
iſt die Zeichnung des Maͤnnleins (T) faſt durchgehends unterſchieden. Auf 
den Oberfluͤgeln (II) find nicht fo viel kappenfoͤrmige ſchwarze Streifen, 
und ſowohl der mittelſte als letzte iſt mit einem breiten ſchwaͤrzlichen Stris 
che noch vergeſellſchaftet. Doch ſiehet man auch an ihm die obgemeldten 
ſchwarzbraunen Puncte, nur viel kleiner, als bey dem Weiblein. 8 

as 


9 Fig. V. v. C Fig. VI. vn. (9 fig. V. a. a. V. e. e. 
CJ Fig VI. VI. . CRV. b.b. F 
VII. b.b. (O pig. V. a. 2 (9 Fig. IV. b. b. ( Fig. V. c. e, V. 
d. d. (j) Pig. VI. VII. (ff) Fig. VI. VII. b. b. 


n e 329 


Das Weiblein werde nach ſeiner Entwickelung von einem Maͤnnlein 
befruchtet oder nicht, fo leget es hald darauf ſeine Eyer ; nur mit dem Unter⸗ 
ſcheide, daß die Eyer in jenem Falle fruchtbar, in dieſem unfruchtbar ſindz 
das iſt, aus jenen kommen Raupen, aus dieſen keine. Sie laſſen ſich auch 
nicht daran hindern, wenn man ſie mit einer Stecknadel feſtgemacht hat. 
Es entlediget ſich aber das Weiblein feiner Eyer ſowohl auf eine beſondere 
Art, als in einer großen Anzal. Unter 300 habe ich nie gefunden, wohl 
aber gar oft 4, 5, ja einigemal 600 beyeingnder. Und weilen viele von 
diefen Eyern über Winter bleiben muͤſſen, fo haben wir ſchon oben ge⸗ 
meldet, daß das Weiblein im Anlegen der Eyer zugleich auch einen Flebris 
gen dunkelbraunen Federſtaub von ſich giebet, womit ſie ihre Eyer ganz 
und gar, als wie mit einem Pelze, uͤberziehet (), und wodurch fie dann 
vor der Kaͤlte und Naͤſſe im Winter ſattſam verwahret ſind. 


Nachdem endlich die Eulen ihr Geſchlecht fortgepfl flanzet, ſo erſtirbt 
das Weiblein insgemein uber dem Eyerlegen, und wird dahero gar haͤufig 
am Ende des braunen Eyerpelzes entweder ganz matt, oder gar ſchon todt, 
gefunden. Das Maͤnnlein flattert zwar noch etwas länger herum, end— 
lich aber muß es doch auch wegen der Herbſtkaͤlte und Mangel der Nah⸗ 
rungsmittel das Leben einbuͤſſen. 


Ich muß, ehe ich dieſen Abſchnitt endige, noch eines beſondern Baues 
der Weibgen gedenken, und welches Manchem anfänglich, wie ein Maͤhr⸗ 
lein, daͤuchten moͤgte. Das Weibgen iſt des Saugriſſels, welcher den 
Zwiefaltern ſtatt des Mundes iſt, und wodurch fie aus den Blumen ihs 
ren Nahrungsſaft in ſich ziehen, voͤlig beraubet. Nicht einmal eine Oeff— 
nung ſindet ſich bey ihnen an dem Orte, wo bey den Männgen, und ans 
dern Schmetterlingen, der Saugriſſel angetroffen wird. Es kann alſo 
auch nie Nahrung zu ſich nehmen; ſondern iſt blos allein dazu gemacht, 
daß es ſein Geſchlecht durch die empfangene Befruchtung und Eyerlegen 
fortpflanzen und hierauf ſterben ſoll. Ein Umſtand, der gewis ſonderbar iſt, 
und der in der Natur noch an keinen Arten der Geſchoͤpfe fo natürlich, 

Eulenzwitter. Tt. und 


(9 Fig. V. b. b. 1 84 


850 e eee 


und von dem Schöpfer fo eigentlich beſtimmt, angemerket worden iſt, als 
an den Weibgen dieſer und einigen andern Arten der Eulen. Vieleicht 
ließe ſich hieraus Einiges und das Andere folgern, welches ich 8 billig 
mit Stillſchweigen übergehe: ; 


„. . „ „ b „ „ . z. „. . b. b. e 4 . * 


Zweyter Abſchnitt. 


Beſchreibung des ſeltenen Eulenzwitters. 


H wunderbar iſt nicht die Natur in ihren Werken und Dervors 
bringungen! Sie ſchaffet nicht nur Dinge in der Ordnung und 
nach der von ihr ſelbſt angenommenen Regel; nein, ſie ſtellet 
zu Zeiten auch ſolche dar, die von aller Regel und Ordnung offenbar ab⸗ 
zuweichen ſcheinen. Sie weis ſo gar ſolche Dinge mit einander zu verbin⸗ 
den und zu vereinigen, wobey der menſchliche Verſtand ſtille ſtehen, und, 
mit einer Art des Erſtaunens, ausrufen muß: Welch ein Wunder 
der Natur! Wie iſt dieſes zugegangen? Was hat es damit 
vor einen Zweck und vor eine Abſicht? Wie: iſt dieß von 
ohngefaͤhr und zufälliger Weiſe, oder aber ordnungsmaͤßig, 
naturlich und nach eigenen Beſtimmungen entſtanden? 


Das wunderbare und allerdings hoͤchſtſeltene Naturſtuͤcke, fo ich ans 
io bekannt zu machen und zu beſchreiben im Begriffe bin, iſt wohl von 
den erſt angeführten Sägen ein mehr, als ſonnenklarer Beweis. Ich 
bin verſichert, daß Niemand die Abbildung davon (*) fo bald anſichtig 
werden und einer Betrachtung wuͤrdigen wird, als er nicht bey ſich ſelbſt 
ſtille werden und in die aͤußerſte Verwunderung gerathen ſollte. Und ich 
Würde es einem Manchen eben nicht zur Suͤnde anrechnen, wenn er beym 
erſten Anblicke ſo gar ver ſuchet werden moͤgte, die ganze Geſchichte der 
Wirklichkeit in Zweifel zu ziehen. Wie? auch in dem Juſectenreiche ſol 

Fig IR 1 


K 331 


es Zwitter geben? Zwitter, die es der aͤußern Bildung und dem Baue 
nach weit deutlicher, augenſcheinlicher und vollkommener ſind, als man 
es wohl ſchwerlich noch bey einem Zwitter anderer Thiere bemerket hat? 
Zwitter, die ſo ſichtbar die Geſtalt und Bildung eines Mannes und Weis 
bes zugleich haben, die ſo ſinnlich aus der Haͤlfte eines Mannes und aus 
der Haͤlfte eines Weibes zuſammengeſetzt, und in eines gebracht worden 
find, daß ſich nicht das Allergeringſte dagegen einwenden laͤſſet? 


Da indeſſen die Naturlehre ſo wenig, als irgend eine andere Wiſ— 
ſenſchaft der Gelehrſamkeit, einen blinden Glauben und Beyfall kennet; 
da ſie nichts, auf das bloße Wort eines Andern, als wahr und guͤltig 
annimmt, ſondern uͤberall Beweiſe und Zeugniſſe der Warheit und Glaub⸗ 
wurdigkeit fordert; fo werde auch ich foͤrderſamſt die Geſchichte unſers 
Zwitters anzufuͤhren, und damit zugleich die Wirklichkeit, Warheit und 
SGlaubwuͤrdigkeit deſſelben zu erweiſen haben. Ich glaube dieſes am 
beſten dadurch thun zu koͤnnen, wenn ich dasjenige Auszugsweiſe anfuͤhre, 
was mir mein ſehr ſchaͤtzbarer Goͤnner und Freund, der Fuͤrſtl. Sachfens 
coburgiſche Legationsſecretair im Haag, Herr von Meuſchen, bey uͤber⸗ 
ſandter Zeichnung dieſes Zwitters zuzuſchreiben die Guͤte gehabt hat. 


Der Beſtitzer dieſes Zwitters iſt der große Kenner und Freund der Mas 
turkunde, Herr Carl Burkhardt Voet, der Arzneykunſt Doctor und Auf 
ſeher von den Siegeln der Gemeinen Landesmitteln der Provinz Holland zu 
Dordrecht. Es iſt dieſer gelehrte Naturkuͤndiger ein Sohn des gleiche 
falls großen Kenners und Freundes der natuͤrlichen Wiſſenſchaften, Herrn 
Johan Euſebius Voet, der Arzneykunſt Doctors und Generalinſpectors 
der Gemeinen Landesmitteln der Provinz Holland. Beyde Herren Ges 
lehrte, und deren Gemahlinnen, ſtreiten ſeit geraumer Zeit um den Vor— 
rang der ſchoͤnſten und zahlreichſten Sammlung der Inſecten und Zwie— 
falter, ſonderlich derer, die aus Indien gebracht werden; und obgleich 
beyder Herrn Doctoren Sammlungen vor die vollſtaͤndigſten in ganz Hol— 
land geachtet werden; ſo ſoll dennoch des erſten, als des Herrn Sohnes, 
Sammlung die vaͤterliche in Anſehung der Menge und Seltenheiten inns 
Jändifcher Inſecten und Zwiefalter augenſcheinlich uͤbertreffen. 

Tt 2 Wohl⸗ 


332 un 


Wohlgedachter Herr Voet erzog im Jahre 1756. eine Anzal der im 
vorigen Abſchnitte beſchriebenen Baumraupen, und welche in Holland 
unter dem Namen der Plahrüpzen bekannt ſeyn. Dieſe verwandelten ſich 
gewoͤhnlichermaßen von Zeit zu Zeit in Puppen; und eben aus einer die⸗ 
ſer Puppen erhielt er im Monathe Auguſt dieſen ſeltenen Zwitter, von 
dem wir reden. Er ſteckte dieſes Wunderthiergen mit einer Stecknadel 
auf, und gleichwie es fünf ganzer Tag fortlebete, alſo wurde es in ſolchem 
lebendigen Zuſtande von fehr vielen Perſonen und Liebhabern der Natur— 
ſeltenheiten geſehen und bewundert. Der Herr Doctor hielt es mit allem 
Rechte vor eines der allerſeltſamſten Naturſtuͤcke, welches die Inſecten⸗ 
geſchichte je aufweiſen konnen. Er glaubte dieſes um fo zuverſichtlicher 
behaupten zu koͤnnen, da ihm zwar, ſowohl die Hollaͤndiſchen, als viele 
auslaͤndiſche, Inſectenſammlungen bekannt genung waren, ſich aber 
nicht erinnern konnte, daß ihm jemalen ein dergleichen außerordentlicher 
Zwiefalter zu Geſichte gekommen ſey. Eben ſo wenig fand er in den 
Schriften Anderer etwas dergleichen angefuͤhret. Ja, ſo ſtark und zahl⸗ 
reich auch feine eigene Inſectenſammlung immer iſt, und welche nicht nur 
überhaupt eine Menge vieler tauſend Thiergen enthält, ſondern darunter 
auch inſonderheit eine betraͤchtliche Anzal von Naturſpielen ſich beftn⸗ 
den, hatte er doch niemalen einen Zwitter angetroffen, der ſich ſo gar 
kenntlich mache, als der gegenwärtige. Herr Voetr hielt das Andenken 
dieſes Zwitters einer Verewigung wuͤrdig; er ließ von einer geſchickten 
Hand eine Zeichnung machen; behaͤndigte ſolche meinem obgedachten 
Freunde, Herrn von Meuſchen, mit Bitte, ſolche mir in ſeinem Na⸗ 
men und unter dem Erſuchen zuzuſenden, dieſe Abbildung einer meiner 
Inſectenbeſchreibungen beyzufuͤgen. 


Je mehr ich nun dem Herrn Doctor Voer vor dieſes ſchoͤne Ge— 
ſchenke, und ſonderlich auch davor, daß er eben mir die Ehre der Bekannt; 
machung dieſer Naturſeltenheit hat uͤberlaſſen wollen, den verbindlichſten 
Dank ſchuldig bin, und Ihm ſolchen hiemit oͤffentlich abſtatte; je weni⸗ 
ger bedarf es etwas Weiteres, als die ebenangefuͤhrte Geſchichte, um die 
Warheit und Wirklichkeit dieſes Zwitters außer alen Zweifel und Wider, 

ee eee 1 ſpruch 


oo 


ni N 333 


ſpruch zu ſetzen. Und wer ja noch ſo unglaubig ſeyn, und daran zwei— 
feln wollte, dem wuͤßte ich Hide anders zu rathen, als: er gehe ſelbſt 
hin und ſehe es. 


Ich wende mich zur nähern Beſchreibung des Zwitters. Wird die— 
ſelbe gleich ziemlich unvollkommen ausfallen; ſo wird mir doch auch Jeder 
die Gerechtigkeit wiederfahren laſſen, daß es meine Schuld nicht iſt, im» 
dem ich keine andere Beſchreibung davon geben kann, als mir die bloſſe Zeich⸗ 
nung und der, darnach veranſtaltete, Kupferſtich erlaubt und zulaͤßt. 


Es gehoͤret dieſer Zwitter zu derjenigen Ordnung der Zwiefalter, 
welche die Nachtvoͤgel unter ſich begreifet (). Es iſt alſo ein Eulen 
zwitter. Und weil er obgedachtermaſſen aus der ſchaͤdlichen Baumraupe 
entſtanden, fo koͤnnte man ihn den Eulenzypitter der ſchaͤdlichen 
Banmranpe nennen. Wenigſtens heißer bey den Herren Hollaͤndern 
dieſe Art ordentlicher Eulen, Uils van de Plahrups oder Plahrups Uils. 


Dieſe Arten Eulen von der ſchaͤdlichen Baumraupe find, wie wir 
oben angefuͤhret, wenn es Männgen find, auch äußerlich beſonders ges 
bildet, geſtaltet und gezeichnet; und haben hingegen wieder eine andere 
äußerliche Bildung, Geſtalt und Zeichnung, wenn es Weibgen find. Und 
eben dieſe Unterſcheidungsſtuͤcke find es, welche unſern Zwitter fo gar 
kenntlich und bewundernswuͤrdig machen. Wir wollen dieſe Unterſchei⸗ 
dungsſtuͤcke näher beleuchten; und zwar 1556 an den Maͤnngen, her / 
nach an den Weibgen. 


T 3 . Die 


l 2 Es giebt bekanntermaßen zweyerley Arten Zwiefalter. Einige ſind nur bey 
Tage ſichtbar; fliegen und gehen im Hellen der Nahrung und ihrem Gatten nach. 
Andere verbergen ſich bey Tage, und kommen nur des Nachts zum Vor ſcheine; 
fliegen und fuchen ihre Nahrung und ihren Gatten im Dunkeln. Die erſtern 
heißen daher Tagvoͤge!; die letztern Nachtvogel. Und es hat mir die Be⸗ 
nennung der Herren Hollaͤnder, welche die Nachtvoͤgel zugleich auch Eulen heiß 
fen, fo natürlich und fo wohl gefallen, daß ich dieſen Zwitter den Eulenzwitter 
zu nennen ſehr ungezwungen befunden habe. 


334 a e 


Die Fuͤhlhoͤrner der Maͤnngen find fürser, dagegen aber oben 
breiter und federiger (), als an den Weibgen; eben ein ſolches kuͤrzeres, 
dagegen aber breiteres und federiges Fuͤhlhorn ſtehet auf der rechten Kopf— 
ſeite unſers Zwitters (**). Die Ober und Unterfluͤgel der Männgen 
find ungleich kleiner, dunkeler gefaͤrbet, und ganz anders gezeichnet (““), 
als an den Weibgen; eben ein ſolcher kleinerer, dunkeler gefaͤrbter und 
anders gezeichneter Ober- und Unrerflügel befindet ſich an der rechten 
Seite des Zwitters (f). Der Leib der Maͤnngen iſt ſichtbar kleiner, su 
geſpitzter, und dunkeler gefaͤrbt (TI), als der Leib der Weibgen; eben ſo 
ſichtbar kleiner, zugeſpitzter und dunkeler gefaͤrbt iſt auch der Leib auf der 
der rechten Seite des Zwitters (T). 


Die Fuͤhlhoͤrner der Weibgen find länger, ſchmaͤler und den bloſ⸗ 
fen Augen weniger federig (1), als an den Maͤnngen; eben ein ſolches 
weibliches Fuͤhlhorn befindet ſich auch an der linken Seite des Zwitters (II). 
Die Ober- und Unterfluͤgel der Weibgen ſind groͤßer, weisgefaͤrbter, 
und ganz anders gezeichnet (LIT), als an den Maͤnngen; eben ein ſol— 
cher weiblicher Ober- und Unterfluͤgel iſt der linken Seite des Zwitters an— 
gegliedert ((). Der Leib der Weibgen iſt dicker, rundlicher und meißs 
licher (**), als der Leib der Maͤnngen; eben einen folchen weiblichen Leib 
ſiehet man auch auf der linken Seite des Zwitters (***). 

Nimmt man nun dieſes alles, was eben angefuͤhret worden iſt, zu 
ſammen; ſo kann wohl kein Vernuͤnftiger in Zweifel ziehen, daß unſere 
Eule auf der rechten Seite ein wahres und ordentliches Maͤnn⸗ 
gen, und auf der linken Seite ein wahres und ordentliches Weib, 
gen, das iſt, ein wahrer Eulenzwwitter iſt. 


Zwar werde ich mit Niemand ſtreiten, wenn er zum volkommenen 
Weſen eines Zwitters etwas Mehreres, als nur den aͤußerlichen Bau, 


die 

( Fig. VI. VII. a. a. ( Fig. IX. f. (e) Fig. VI. VII. b. b. c. c. 
CH Fig. IX. e. d. (I) Fig. VII. d. HD Fig. IX. h. (U) Fig. 
IV. a. a. V. c. e. (II) Fig. IX. e. AD Fig. IV. b. b. c. c. V. a. a. 


( Fig. IX. a. b. (9 Fig. IV. d. (9 Fig. IX. g 


ce 2 335 


die aͤußerliche Geſtalt und die aͤußerliche Bildung verlanget. Er hat Recht, 
wenn er behauptet, daß die Hauptſache bey einem ordentlichen ſogenann⸗ 
ten Zwitter auf die Zeugungs und Geburthsglieder ankomme. Und in 
Warheit, ich wuͤnſchte ſelbſt nichts mehr, als vermoͤgend zu ſeyn, auch dieſe 
Stuͤcke von unſerm Eulenzwitter angeben zu koͤnnen. Allein, da mir keine 
Zeichnung von dieſen Theilen mitgetheilet worden iſt: kann ich freylich dieß— 
falls nichts Gewiſſes beſtimmen. Zwar habe ich auf meiner Seite nicht 
ermangelt, alles zu thun, was von mir abhanget, um auch hierinn das 
noͤthige Licht ertheilen zu koͤnnen. Ich habe bey dem mehrgedachten Be— 
ſitzer dieſes Zwitters, dem Herrn D. Voet, anfragen laſſen: ob man 
an demſelben keine Merkmaale gewahr werde, wodurch auch 
die innern maͤnnlichen und weiblichen Gliedmaßen koͤnnten er⸗ 
weißlich gemacht werden? Allein, die ganze Antwort, ſo ich durch 
meinen Freund, den Herrn von Meuſchen, darauf erhalten, hat in 
dieſen wenigen Worten beſtanden: »der Leib des Switters ſcheinet 
allen, welche ſolchen geſehen haben, auf der einen Seite duͤnn, 
und folglich maͤnnlich; auf der andern Seite aber dick, mithin 
weiblich zu ſeyn. Nebſt dem glaubet Herr Voet, ohne je— 
doch durch ein Vergroͤßerungsglas ſolches unterſuchet zu ha⸗ 
ben, daß die nunmehrige Eintrocknung dieſes Zwitters, die, 
vieleicht im lebendigen Zuſtande ſichtbar geweſene, Geburchs⸗ 
theile unſichtbar gemacht habe. 


Nur eines werde ich noch zu erinnern haben. Meine Abbildungen, 
Zeichnung und Farbe der Oberfluͤgel der männlichen ordentlichen Eulen () 
find ja von der Abbildung, Zeichnung und Farbe der Oberfluͤgel der rech— 
ten oder männlichen Seite des Zwitters (**) gar ſehr verſchieden. Jene find 
augenſcheinlich viel dunkeler, als dieſe. Allein, ich kann mich getroſt auf 
die Erfahrung berufen, daß eben dieſer Unterſcheid auch bey den ordentli— 
chen männlichen Eulen bemerket wird. Man darf nur mehrere dergleichen 
fangen oder auskriechen laffen, fo wird man ſehen, wie der eine immer dans 
keler, und der andere hingegen heller und weißlicher iſt, als der andere. 

Es 
9: Fig. VI. VII. b. b. () Fig. IX. d. e. 


336 O 2 ze 


Es iſt und bleibet alfo nach allen Betrachtungen dieſe halb maͤnnliche 
und halb weibliche Eule allerdings ein wahrer Zwitter, und das urea 
Naturſtuͤck des Inſectenreiches. 


* X X X X X M K N NMR NMX N NM NM NM NN KIM K X € 


Dritter Abſehnitt. 


Einige Verringerungs⸗ und Tilgungsmittel der bes 
ſchriebenen ſchaͤdlichen Baumraupe. 


m der im erſten Abſchnitte ertheilten narhrlichen und ausführlichen 
Beſchreibung der ſchaͤdlichen Baumraupe laͤſſet ſich nun, wie wir 
verſprochen, theils die Urſache ihrer ſchnellen Vermehrung und 
großen Schaͤdlichkeit, theils die Moͤglichkeit und Art anzeigen und be⸗ 
greifen, wie beyden ergiebiger Einhalt zu thun iſt. 


Ihre geſchwinde Vermehrung und Schoͤdlichkeit wird durch Manches 
befoͤrdert. Ein einiges Weiblein legt, wie gemeldet iſt, aufs wenigſte 
300 Eyer auf einmal; und die, weil ſie mit einem dicken Federſtaube uͤberzo⸗ 
gen ſind, im Winter nicht leicht verderben. Den daraus entſtehenden Rau⸗ 
pen kann, weilen ihnen alles wohl ſchmeckt und bekommt, es nicht leicht an 
Futter und Nahrung fehlen Sie find im Raupen» und Puppenſtande 
vermoͤgend und geſchickt ihre Feinde, die ihnen nach dem Leben ſtehen, 
von ſich abzuhalten Es iſt ihnen endlich ſelten eine Witterung ſchaͤdlich, 
indem ſie dauerhaft gebauet ſind. Kann es nun alſo wohl anders ſeyn, 
als daß ſie vor allen andern ihres Geſchlechts ſich in wenig Jahren unend⸗ 
lich vermehren muͤßen? Und da dieſe Raupen zugleich vielfraͤßig ſind 
fo muß nothwendig mit ihrer Anzal auch ganz naturlich der Schaden, f6 
durch fie entſtehet, zunehmen. Dieſe ihre Beſchaffenheit und Eigenſchaf— 
ten bringen es ſchon mit ſich, daß wo ihrer heuer wenig waren, uͤbers Jahr 
deren eine unzaͤhlbare Menge ſeyn muß; und daß, wo ſie heuer nur einze⸗ 
le Blaͤtter abnageten, fie uͤbers Jahr ganze Bäume abfreſſen werden. 


Damit 


a > 337 


Damit jedoch diefer Satz recht ſinnlich und begreiflich werden moͤge, 
fo wollen wir einen kleinen, und zwar den allergeringſten Vermehrungs⸗ 
uͤberſchlag machen. Man nehme in einem Garten 50 Bäume an. Man 
ſetze vor dieſes Jahr auf jeden Baum nur 15 Raupen. Die werden ung 
ja wohl nicht auffreffen, und man kann ihnen alfo das Leben laſſen. Wolan 
ſie ſollen leben bleiben. Hiervon rechne man einen Theil fuͤr Voͤgel und 
Schlupfweſpen ab, die ſie wegfangen und verderben: ſo kommen zehen 
Raupen zur Verwandelung und werden Eulen. Die Haͤlfte davon rechnen 
wir vor Maͤnnlein, fo bleiben vor jeden Baum anf heuer nur fünf weibli⸗ 
che Eulen, die Eyer anlegen; und im ganzen Garten haben wir nicht mehr 
als 250. Iſt dis nicht eine kleine Zahl, und was ſoll vor Schaden daher 
entſtehen, wenn man ſie ungetoͤdtet gehen laͤſſet? Von dieſen 250 Eulen 
Weibgen leget eine jede aufs wenigſte 300 Eyer, folglich bekommt ein jeder 
Baum, fuͤnf auf einen gerechnet, 1500 Eyer, und der ganze Garten 75000. 
Im Fruͤhling kommen aus dieſen Eyern ſchon das erſte Jahr an jedem 
Baume, ſtatt der vorigen funfzehn Raupen, nun ſchon fo viel hundert, 
und ſtatt der ſiebenhundert und funfzig im ganzen Garten, fuͤnf 
und fiebenzig tauſend. Dieſe neue Raupen laſſe man auch leben. 
Wir wollen a 5 oo abermalen den Voͤgeln und Weſpen Preis geben, und 
von denen übrigen daraus entſtehenden 5000 Eulen ebenfalls 25000 vor 
männlichen Geſchlechtes gelten laſſen. So bleiben heuer im ganzen Bars 
ten nur 25000 weibliche und vor jeden Baum nur 500. Auch dieſe moͤ⸗ 
gen ungehindert Eyer anſetzen; ſo bekommt der Baum, abermals nur zu 
300 gerechnet, von ſeinen Eulen 150000 und der ganze Garten eine Au— 
zahl von 7500000 Eyer. Folglich giebt es das zweyte Jahr im Fruͤh⸗ 
ling auf jedem Baume ſtatt der erſten funfzehn Raupen 149985, und 
im ganzen Garten ſtatt der erſten 250, aus welchen weibliche Eulen wur— 
den, 7499750 mehr. Man laſſe nun dieſe noch ein Jahr ungetilget fort— 
leben, und nehme auch nur den dritten Theil vor weibliche Eulen ; wie 
viel wird es nun im naͤchſten Fruhlinge Raupen geben? Nach der gering— 
ſten Rechnung 15000000 auf jedem Baume, und im ganzen Garten 
750000000; mithin find die 15 Raupen des erſten Jahres, im dritten 

Eulenzwitter. Un Jahre 


338 e 


Jahre an jedem Baum um 14999985, und im ganzen Garten von 250 
Eulen, bis 749999750 Raupen mehr angewachſen. Wer ſiehet hieraus 
nicht ſonnenklar, daß, ohne der darunter mitwirkenden Hand GOttes ers 
was zu vergeben, dieſe Vermehrung ganz natuͤrlich zugehe, und daß die 
kleineſte Anzal Raupen, wenn ſie nicht verringert wird, in drey Jahren 
unzaͤhlbar ſich vervielfaͤltigen muͤſſe. 


Im jetzigen Ueberſchlage, der wohl niemalen wirklich fo klein ſeyn 
mag, iſt dargethan, daß ein Baum, der anfangs nur 15 Raupen zu er⸗ 
naͤhren hatte, im dritten Jahre, wenn keine Hinderung dazwiſchen kommt, 
vor 15000000 Blätter haben ſoll. Iſts Wunder, wenn der Baum gleich 
im erſten Triebe und in den erſten Tagen ganz abgefreſſen wird, und wenn 
an demſelben nie ein gruͤnes Blatt zum Vorſcheine kommen kann. 


Iſt denn aber dieſem entſetzlichen Landuͤbel ganz und gar nicht abzu⸗ 
helfen ? Es giebt ja in andern Dingen gewiſſe Hilfs und Linderungsmit⸗ 
tel. Sollte denn vor dieſes Raupengeſchmeiſe kein Gegenmittel ſeyn? 
Ich antworte: allerdings kann man auch dieſem verderblichen Geſchlech⸗ 
te Graͤnz und Ziel ſetzen, wenn man ſich nur ſagen laſſen, die dienlichen 
Mittel gebrauchen, und den nöchigen Fleiß anwenden will. Ich werde eis 
nige ſolcher Huͤlfs / und Verringerungsmittel bekannt machen, welche, wie 
in der Ausuͤbung möglich, alſo auch in der Folge von betraͤchtlichem Nu⸗ 
tzen, ſeyn werden. 


Will man dieſer Raupenart im großen Abbruch thun, ſo kann und 
muß ſolches geſchehen erſtlich in ihren Eyern; zweytens in ihrer Brut, 
und wenn fie ausgewachſen; drittens in ihrer Puppe; und viertens in 
ihren Eulen. Nimmt man alle vier Arten zuſammen und verbindet fie 
miteinander, ſo iſt der Erfolg davon um ſo erwuͤnſchter. 


Wer die Raupen in ihren Eyern verringern will, der muß am En⸗ 
de des Auguſt und im Anfang des Herbſtmonates, oder wenigſtens gleich 
mit angehendem Fruͤhlinge dazu thun. Er muß die oben beſchrie— 
benen 


n 339 


benen Eyeranlagen (“) ſorgfaͤltig aufſuchen. Sie find ſehr ſichtbar und 
folglich auch gar leicht zu finden. Man beſichtige zu gemeldten Zeiten 
die Baͤume, ſonderlich die Aeſte auf der untern Seite, die Gartendaͤcher, 
die Wände, die Gelaͤnder u. ſ. f; man wird dieſer braunen Eyerneſter mehr 
finden, als einem lieb ſeyn kann. Man verfertige ſich ein breites und 
ſchmales Stuͤckgen Holz, wie einen kleinen Spatel. Wo man frey zu— 
kommen kann, da zerknirſche man mit dem breiten Spatel die Eyer alle 
auf einmal. Wo aber die Eyer in Ritzen find, bediene man ſich des ſchmaͤ— 
lern. Dieſe Bemühung wird ſich reichlich belohnen, weil man durch Zers 
ſtoͤrung eines ſolchen Eyerneſtes eben ſo viel ausrichtet, als wenn man drey 
oder vierhundert Raupen auf einmal toͤdtete. Denn, zerdruͤcke ich von 
den Eyeranlagen, zum Exempel 20, ſo hat man kuͤnftiges Jahr ganz ge⸗ 
wiß, aufs geringſte gerechnet, 6 bis 7000. Raupen weniger im Garten. 


Weil es aber bey dem beſten Fleiſe gleichwol nicht moͤglich iſt, alle Rau⸗ 
peneyer dergeſtalt ausfindig zu machen daß nicht, hie und da einige uͤberſehen 
werden ſollten: fo iſt noͤthig, daß man weiters auf die Ausrottung der 
Raupen ſelbſt, wenn ſie noch jung oder ausgewachſen find, feinen Bedacht 
nehme. Wenn ſie ſich ein oder zweymal gehaͤutet, ſind ſie an den Zweigen 
und unter den Blaͤttern leicht zu ſehen; ſind ſie aber noch jung, ſo muß man 
ſchon ſchaͤrfer Acht haben, um ſie wahrzunehmen. Es verrathen aber die Lös 
cher in Blaͤttern insgemein gar bald ihre Gegenwart, und wenn man nur erſt 
etliche angetroffen, wird es immer leichter werden, mehrere ausfindig zu 
machen. Ich habe auf dieſe Weiſe ganz allein in einer Stunde nicht fels 
ten einige Tauſende theils andern gezeiget, theils ſelbſt getoͤdtet. Man les 
ſe alſo die kleinen und großen Raupen entweder einzeln ab, oder zerdruͤcke 
ſie gleich auf der Stelle. Wobey ſonderlich noch dieſes zu bemerken iſt, daß 
dieſe Raupen beym Regenwetter, und zur Zeit der zweyten und dritten Haͤu— 
tung, am leichteſten zu ſehen und in Menge zu toͤdten ſind. Denn ſowohl 
im Regenwetter, als wenn ſie ſich haͤuten, kriechen insgemein mehrere zu— 
ſammen auf einen Haufen. Sollten aber die Baͤume von den Raupen 
ſchon abgefreſſen ſeyn, und fie an den Aeſten und Zweigen ganz dick ſitzen; 

Uu 2 ſo 
) Fig. V. b. b. Ix. ' 


340 * 


ſo ſchaffe man zuerſt das Gras unter den Baͤumen weg, und kehre ſie her⸗ 
nach mit einem Beſen ab, und zertrette ſie auf dem Boden; welches ein ſehr 
leichtes und kurzes, aber gewis auch recht taugliches Ausrottunasmittel, iſt. 
Und man darf dieſes alles um ſo unbeſorgter thun, weil dieſe Raupen ihre 
Haare nicht fo leicht, wie manche andere, im Angreifen, oder wenn fie auf 
jemanden fallen, fahren laſſen. Man darf ſie dahero auch ungeſcheuet mit 
bloßen Haͤnden angreifen. a 


Geſetzt, es waͤren gleichwohl noch einige Raupen entkommen; ſo ge⸗ 
ben die Puppen (*) neue Gelegenheit, ſie zu entdecken und auszurot⸗ 
ten. Dieſe Puppen find , wie oben gemeldet worden iſt, ebenfalls der 
Größe, der Farbe und Geſtalt nach fo kenntlich, daß fie nicht leicht bey der 
geringſten Nachfuchung uͤberſehen werden koͤnnen. Man durchſuche alſo 
nur am Ende des Julius und Anfang des Auguſts, die Obdaͤcher, die 
Bäume, Wände und Geländer; fo wird man dieſer Puppen genug ans 
treffen. Man zerdruͤcke ſolche, wie die Eyer und Raupen, mit einem 
Spatel, ſo hat man mit einer jeden ſolcher Puppe zugleich einen ganzen 
Haufen kuͤnftiger Raupen vertilget. 


Endlich iſt auch ein leichtes Mittel dieſe Raupen zu verringern, 
wenn man in der Mitte des Auguſts die an Bäumen, Geſtraͤuchen, Waͤn⸗ 
den, und dergleichen, bey Tage ganz ſtill figende Eule, fie ſey männlichen 
oder weiblichen Geſchlechtes, aufſuchet und toͤdtet. Es gehet dieſes bey 
den Weibgen um ſo leichter an, weil man ſie wegen ihrer weißen Farbe, 
auch ziemlichen Groͤße, von weitem ſchon ſehen kann. Und wo es viele giebt, 
da ſind die Baͤume und Aeſte ganz weiß davon uͤberzogen. Wie viel wird 
alſo ein einzeler Menſch nicht, ohne viele Mühe, in einer Stunde ausrot⸗ 
zen koͤnnen! Und wer ein einziges ſolches Weibgen umbringet, der brin— 
get jedesmal gegen 3 und 400 Raupen zugleich um. Toͤdtet er ein Maͤnn⸗ 
gen, ſo iſt es eben ſo vortheilhaft, indem er ne die Eyer der Weib⸗ 
gen unfruchtbar machet. 


Die⸗ 
(Fig. II. * 


e 34 t 

Dieſes iſt die vierfache Weiſe der Ausrottung dieſer Raupen. Wer 
erkennet aber nicht hieraus, daß ein jeder Haus vater nach dieſem Vorſchlage 
feinen Garten gar leicht von diefem ſchaͤdlichen Geſchmeiſe reinigen und dar 
vor aufs kuͤnftige verwahren könntet: ae 


Jedoch wo dieſes Raupengeſchmeiſe, wie obgedachtermaßen in Sach⸗ 
ſen, ſich ſchon uͤberal und faſt algemein ausgebreitet, ſonderlich aber in 
Waͤldern, warum man ſich eben ſo gar nicht ſorget, angeſetzet hat; da 
will aller Fleiß einzelner Perſonen nicht zureichen, dem Uebel zu ſteu— 
ren. Man reinige bey ſo bewandten Umſtaͤnden noch ſo ſehr feinen. ci 
genen Garten; man wird doch nicht fertig werden,, weil ſich die Raupen 
aus der Nachbarſchaft wieder herzumachen, und die daraus entſtehende 
Eulen immer neue Brut anſchmeiſſen werden. Hier muͤſſen alſg im 
Großen oͤffentliche und algemeine Gegenanſtalten vorgekehret werden. 
Und mich duͤnket, daß alsdenn alle drey Stände gemeinfchaftlich das 
Ihrige beyzutragen haben. 


Prediger haben hiebey, wie ſonſt im taͤglichen Umgange, ſo in Predig⸗ 
ten, ihrer Gemeine die ſtrafende Hand Gottes, welche auch durch ſolche klei⸗ 
ne Thiere die Menſchen zuͤchtigen kann, foͤrderſamſt wohl zu Semůͤthe zu fͤͤh⸗ 
ren. Sie koͤnnen hier manche Stelle der heiligen Schrift aus der Erfahrung 
erläutern; und ſonderlich die göttlichen Drohungen, daß er allgemeine Land 
ſuͤnden auch mit allgemeinen Landraupen heimſuchen wolle, wohl einſchaͤr— 
fen. Sie koͤnnen aus dieſen Raupen erweiſen, daß der unſichtbare gute, 
aber auch gerechte, GOtt ſich noch immer in der Welt, auch in ſolchen 
geringen Geſchoͤpfen, ſichtbar erzeige. Sie haben hier die ſchoͤnſte Ge 
legenheit / die, über ſolches ſchaͤdliche Ungeziefer klagende, Sünder zur 
Buße, Veränderung des Sinnes, und Beſſerung des Lebens anzumah— 
nen, damit, nach goͤttlichen Vorherverkuͤndigungen, ihnen nicht noch 
etwas Haͤrteres wiederfahre. Doch werden ſich vernuͤnftige Prediger hi 
ten, daß fie dieſes Raupenuͤbel weder vor ganz uͤbernatürlich, noch auch 
vor blos naturlich erklaͤren. Dieſes wuͤrde ihre Zuhörer nur zur ‚vers 
dammlichen Sicherheit und ſtrafbaren Nachlaͤßigkeit verleiten. Jenes 
wuͤrde den in unſern Tagen fo haͤufigen Religionsſpoͤttern Anlaß geben, 

Un 3 an 


342 n >; 


an der Zuverlaͤßigkeit aller übrigen Warheiten, die vorgetragen werden, 
eben fo zu zweifeln, als beſſer fie, hier die Natur kennen. Prediger 
thun alſo wohl, wenn ſie hier in der Mittelſtraße bleiben; der Natur 
und dem ordentlichen Laufe derſelben dat ihre zugeſtehen; und daneben 
gleichwohl auch GOtt geben, was dabey ſeine iſt, und von ihm wirk— 
lich geſchiehet. Gott hat ja freylich in unſern Tagen nicht nöthig, 
daß, wenn er die Sünden der Menſchen mit Raupen ſtrafen will, lauter 
neue Raupen unmittelbar zu ſchaffen, und ſie vom Himmel regnen, oder 
durch den Wind ß erwehen zu faffen. Er darf; ja nur eine den gegenwaͤrcigen 
Raupen unſchaͤdliche Witterung einfallen; ; er darf nur der Raupenfeinde, 
der Schlupfweſpen, Raupenfaͤnger und Vögel, einige Jahre weniger 
ſeyn, oder ihnen ein Futter, dem ſie lieber nachgehen, reichlicher wach⸗ 
ſen laſſen; er darf nur die Menſchen ſelbſt mit Unwiſſenheit ſchlagen, 
oder ihnen ein leichtſinniges und traͤges Herz geben, vermoͤge deſſen fie die 
Austilgung der Raupen einige Jahre verabfäumen; fo find das Urfachen 
genug, daß die Raupen natürlich, und doch aus einem göttlichen Ders 
haͤngniſſe, uͤberhand nehmen. Und wie viel tauſend Wege hat GOtt 
nicht außer dem, die wir gar nicht wiſſen, wo er ſelbſt durch und mit dem 
ordentlichen Laufe der Natur Menſchen ſtrafen kann. Nebſt dem Ge⸗ 
brauche dieſer geiſtlichen Gegenmittel waͤre alsdenn wohl nicht uneben, 
wenn ein Prediger feiner Gemeinde auch leibliche und natuͤrliche Mir⸗ 
tel bekannt machte; und wenn er ſie aufmunterte, da es GOtt nicht zu; 
wider, ſye, nebſt Gebet und Lebensbeſſerung ; auch Hand anzulegen 
dieſes Ungeziefers los zu werden, hierinnen an Fleiß und Bemuͤhnngen 
nichts ermangeln zu laſſen. Landprediger koͤnnten wohl gelegentlich eini⸗ 
gen ihren Bauern die Raupe, ihre Eyeranlage, ihre Puppe, und ihre 
Eule, anzeigen. Sie koͤnnten den Schulmeiſter dazu anhalten, daß er 
einigemal mit der Jugend ſelbſt ausgehen und dieſelbe zu Tilgung dieſes 
Ungeziefers anleiten muͤßte. Und uͤberhaupt waͤre zu wuͤnſchen, daß man 
auch in hoͤhern Schulen die Jugend auf die Inſectenkenntniß mit anfuͤh⸗ 
ren, und in muͤßigen Stunden zu Sammlung derſelben anreitzen, moͤgte. 
Dieß wuͤrde ſie nicht nur vor manchem ſuͤndlichen Zeitverderben bewahren, 
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ſondern der Nutze davon wurde ſich bey vielen, ſonderlich in Fällen wie 
der gegenwaͤrtige iſt, in ihrem kuͤnftigen Amte und Fee: mehr, 
aͤußern, als man vorher mös get geglaubt haben. * 


Obrigkeitliche perſonen haben in ſolchen Ae es bey 
allgemeinen Landgeſetzen, darinnen ohnedem ein jeder Burger und Un— 
terthan zum fleißigen Raupen angewieſen iſt, nicht bewenden zu laſſen;! 
ſondern fie find gehalten, nach Erforderniß der Umſtaͤnde, ernenerte und 
geſchaͤrftere Befehle, auch öffensliche Nachrichten austheilen zu laſſen, 
wenn und wie jeder dieſem Uebel ſteuren koͤnne und ſolle? Inſonderheit 
ſollten ſie, wo ganze Waͤlder su lauter Rahbenneſfert geworden, auf die 
oben angezeigte Art und zu den benannten Jahreszeiten eine gemeſſene 
Anzal von Unterthanen, Froͤhnern und Tagloͤhnern an ſolche Orte ab— 
ordnen, um Eyer, Raupen, Puppen und Eulen aufzuſuchen und um⸗ 
zubringen. Hat man auf dieſe Weiſe vor einigen Jahren an ſo vielen 
Orten den Heuſchrecken Abbruch gethan, warum ſollte es hier bey den 
Raupen weniger angehen und nicht gleichen Nutzen ſchaffen. N 


Ein jeder Haus vater, Burger, und Unterthan hat alſo in feis 
nem Theile, ſo oft der Fall vorkommt, um ſo noͤthiger, ſowohl vor ſich 
ſelbſt den Raupen allen möglichen Einhalt zu thun, als auch ſich willig 
finden zu laſſen, obrigkeitlichen Verordnungen, wenn er mit andern ge— 
meinſchaftlich zu ſteuren und zu wehren aufgefordert wird, allen Gehor⸗ 

ſam und Folge zu leiſten. Denn es heißet auch hier; Gehet es 
meinem Nachbar wohl, ſo gehet es mir auch 
wohl. 


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Erklärung der Kupfertafel. 
Fig. I. Eine noch junge ſchaͤdliche Bautrguft 5 N 
Fig. II. Eben dieſelbe ausgewachſen. 
Fig. III. Die Puppe diefer Baumraupe in ihrem Befpinnfte N nebf ihrem 
abgeſtreiften und e Raupenbalge. 
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a. die Puppe ſelbſt. 
b. der Raupenbalg. 100 
Fig. IV. Die weibliche Eule, wie ſie flieger. 
a. a. die langen, ſchmalen und jartfederigen gütlhörner 
b. b. die Oberſſägel. 
c. c. die Unterfluͤgel. 
d. der dicke 110 rundliche Leib. 
Fig. V. Die weibliche Eule, mit zuſammengelegten Fluͤgeln, wie fie in 
der Ruhe ſitzet, und ihre Eyer anleget. 
a. a. die Oberfluͤgel, welche die Unterfluͤgel bedecken und unſicht⸗ 
bar machen. 
b. das Eyerneſt, wie es mit Haaren üͤͤberzogen iſt. 
c. c. die Fuͤhlhoͤrner. f 
d. d. die ſchwarzen Dippel, mit welchen der Rand der Oberfiägel 
eingefaſſet iſt. 
Fig. VI. Die männliche Eule, wie fie in der Ruhe ſi itzet. 
a. a. die Fuͤhlhoͤrner. 
b. b. die über die Unterfluͤgel zuſammengelegten Oberfluͤgel. 
Fig. VII. Die maͤnnliche Eule, wie fie flieget. 
a. a. die Fuͤhlhoͤrner. 
b. b. die Oberfluͤgel. 
c. c. die Unterfluͤgel. 
d. der dünne und zugeſpitzte Leib. 
Fig. VIII. Ein Syerneſt, von welchem die Haare abgeſchabet ſind, und die 
gelblich glaͤnzenden Eyer blos daliegen. 
Fig. IX. Der ſeltene Eulenzwitter. 
2. b. e. g. die Haͤlfte des Weibgen. 
c. d. f. h. die Haͤlfte des Maͤnngen. 
der weibliche Oberfluͤgel. 
f . Unterfluͤgel. 
der männliche Unterfluͤgel. 
. Oberfluͤgel. 
das weibliche Fuͤhlhorn. 
das maͤnnliche Fuͤhlhorn. 
g. der weibliche Leib. 
h. der maͤnnliche Leib. 


Ende des zweyten Bandes. 
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D. Jacob Chriſtian Schaͤffers 


Abhandlungen 


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Dritter und lezter Band. 


D. Jacob Chriſtian Schäffers 


Abbandlungen 
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Dritter und Haan Band, 
Nebſt XIV. Kupfertafeln mit ausgemahlten Abbildungen. 
Regensburg, in der Montagiſchen Buchhandlung. 1779. 


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N der Ausgabe dieſes dritten und lezten Bandes der 


Abhandlungen von Inſecten. Und ich bin mehrmalen in der Ver⸗ 
ſuchung geweſen dieſelbe gar zu unterlaſſen. Die Urſache iſt dieſe. 


Als ich vor mehr als zehen Jahren die Veranſtaltung zu die⸗ 
ſem dritten Bande gemacht, die Mahlereyen aufnehmen und in 
a Kupfer 


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: Voxrede. 
Kupfer ſtechen laſſen, auch meine Beobachtungen und Beſchreibun⸗ 
gen zu Papiere gebracht hatte, kam durch einen Unfall der groͤßte 
Theil ſolcher meiner Beſchreibungen mir von der Hand, und ich 
habe derſelben bis heute, aller mir gegebenen Mühe und Nachſuchun⸗ 
gen ohngeachtet, nicht mehr habhaft werden koͤnnen. 


gun ſchmeichelte ich mir zwar, daß ich dieſen Schaden und 
Verluſt leicht werde erſetzen koͤnnen „ wenn ich diejenigen In⸗ 
fecten neuerdings zu unterſuchen mir würde Mühe geben, der 
ren Beſchreibungen mir abgiengen. Allein, zu meinem Ver— 
druſſe, iſt mir ſolche Gelegenheit dieſe vielen Jahre hindurch 
nicht geworden. Eben dieſe Inſecten, um welche mir es borjügs 
lich und eigentlich zu thun war, find mir nie mehr zu Geſichte ges 
kommen, ſo ſorgfaͤltig ich ſolche auch von Jahr zu Jahr ſelbſt aufs 
geſuchet, und auch durch Andere aufſuchen laſſen. Und ſo iſt auch 
der lezte Sommer vorbey gegangen, ohne meine bisherigen Wuͤnſche 
und Hoffnungen erfuͤllet zu ſehen. 


Ich habe alſo entweder die Ausgabe dieſes lezten Bandes noch 
langer auf Hoffnung verſchieben, oder das Verlangen meiner 
guten 


Vorrede. 
guten Freunde und Goͤnner, das Werk geſchloſſen zu ſehen,, be— 
friedigen muͤſſen. 


Verſchiedene Urſachen haben mir das Leztere angerathen. 


Ich muß alfo meine Freunde und Gönner bitten, dieſe Aus 
gabe mit Nachſicht zu beurtheilen, und wenn ſie die Ausarbeitung hie 
und da ſo umſtaͤndlich und vollkommen nicht finden, als ich es 
ſelbſt hätte wuͤnſchen mögen, ſolches jenem Unfalle, und der Unmoͤg⸗ 
lichkeit auf meiner Seite die Lücken vollkommen auszufüllen , zus 
zuſchreiben. 


Allem Anſehen nach iſt dieſes auch die lezte meiner phyſika⸗ 
liſchen Nebenarbeiten, und moͤgte ſchwerlich etwas von der Art mehr 
von mir ausgegeben werden. Regensburg den 2 Jenner. 
37 2. 


Junhalt 


nn Re: 
und Ordnung der Kupfertafeln. 


I. Fliegendes Uferaas. I. 
II. Steinmoosraupe. 2. 
III. Fluͤgelloſer Blattkaͤfer. I. 
IV. Blaſenblattkaͤfer. I. 
V. Ellernraupe. I. 
VI. Gruͤngelbe Geniſterraupe. I. 
VII. Geiferkaͤfer. 1. 
VIII. Tannenſaͤgfliege. I. 
IX. Kropfkrautsruͤſſelkaͤfer. I. 
X. Springfederbiene. 1. 
JI. Afterweſpe. I. 
XII. Federfalter. I. 
XIII. Blattlausfreſſerfliege. T. 


1. Das 


Das ficgnde Wferons 
der 9 2 


2 
M VOR. 

Es kommt aus dem Waſſer. Es zerplatzet. Es legt feine Haut ab. Es flieget 
davon. Es haͤutet ſich abermals. Es flieget auf und nieder. Es ſuchet 
feinen Gatten. Es paaret ih. Es legt Eper. Es ſtirbt. Und dieß alles 
in einer Zeit von zwo oder drey Stunden. Swamm. 


a Ich war bor acht Tagen von einer, wegen eines an mich 
5 ergangenen Rufes, und dieſerhalb mir aufgetragen ge— 
3 Din weſenen, Reiſe nicht fo bald zurück gekommen, als mir 
folgender Vorfall, der ſich in meiner Abweſenheit allhier zugetragen 
hatte, als einer der wunderbarſten und ſeltſamſten, erzaͤhlet wurde: 


„Es habe nämlich am riten des Auguſtmonates, Abends gegen neun Uhr, da 
„es ſehr ſchwuͤlich geweſen, und ein ſtarkes Donnerwetter am Himmel geſtan⸗ 
den, auch fehon wirklich geblitzet habe, eine ungeheuere Menge fremder und 
unbekannter Sliegen, oder, wie es einige nannten, Voͤgel geregnet. Die 

„ ſelben wären, wie an verſchiedenen Orten des Donauſtromes, fo ſonderlich auf 

„ biefiger ſteinernen Bruͤcke, in folcher Hoͤhe niedergefallen , daß fie am letztern 

„ Orte nicht nur alle Steine gänzlich bedecket hätten, ſondern auch hin und wie⸗ 
der 2 und 3 Zolle hoch uͤbereinander gelegen wären. Wer zu derſelben Zeit auf 

„ der Bruͤcken gegangen oder geſtanden ſeye, wäre von denſelben ganz weiß, wie 

„ üͤberſchneyet, geworden. Und da eben in derſelben Stunde einige hieſige 

„ bohe Geſandtſchaften uͤber die Bruͤcke, mit brennenden Fackeln, nach Haufe 
„gefahren wären; ſo haͤtten dieſe Fliegen burch ihr beſtaͤndiges Herumſchwͤͤr⸗ 

„ men nicht nur die Fackeln und die Luft ganz verdunkelt; ſondern es haͤtten auch 

„ die Pferde, wegen der gar zu großen Menge dieſer Thiergen, die ihnen immer 
, in die Augen und Ohren, in das Maul und Naſenloͤcher geflogen wären, auch 
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„ durch ihr beſtaͤndiges Auffallen auf den Ruͤcken eine unangenehme und unge⸗ 
„ wohnte Empfindung verurſachet hätten, nicht mehr fortgehen wollen. In der 
„nen, der Donau nahe gelegenen, Haͤuſern wären dieſe Thiergen, durch die 
„offen geweſenen Fenſter, mit einer ſolchen Gewalt und Anzahl eingedrungen, 
„ daß man ſich kaum zu retten gewußt habe. Einige Herrfchaften hätten ſich 
„ Diele Thiergen in Menge bringen laſſen, da Sie denn mit Verwunderung bes 
„ merket haͤtten, wie aus einem Jeden ein anderes Zweytes heraus gewachſen 
„ wäre. Das Eine, fo unten gefeffen, ſey am Rücken aufgeſprungen, und aus 
„ demfelben ein Neues hervorgekommen, und davon geflogen. Bey andern hät 
„ten zwey dieſer Thiergen auf einander geſeſſen. ꝛc. ꝛc. , 


Ich will die mancherleyen Urtheile, die über dieſe Thiergen, ih— 
ren Urſprung, ihr dießmaliges Erſcheinen, und ihre ahndungsvolle Be— 
deutung, von Verſchiedenen gefället worden find, hiebey nicht anfuͤh— 
ren. Man kann leicht denken, daß fie groͤßtentheils laͤcherlich, ſeltſam 
und ungereimt genug / faſt insgeſamt aber nichts, als Früchte der Un- 
wiſſenheit, der Vorurtheile, verjaͤhrter Hiſtoͤrgen, und einer unzeitigen 
Aengſtlichkeit, wo nicht gar des Aberglaubens, geweſen ſeyn. Iſt nicht 
nur der gemeine Mann, ſondern ſind auch andere Perſonen, welche die 
Natur nicht genau kennen, und dabey etwas ſorglichen Gemuͤthes ſind, 
mehr, als zu ſehr, geneigt, eine jede ſeltene, und ihnen vorher unbe— 
kannt geweſene, Naturerſcheinung ſogleich vor etwas wunder- und be— 
deutungsvolles anzuſehen; ſo wird es leicht zu begreifen ſeyn, wenn es 
auch dieſen, dermalen in fo großer und ungewoͤhnlicher Menge gleich- 
ſam vom Himmel herabgeſchnienen, Thiergen nicht beſſer ergangen iſt. 
Und dieſes um ſo mehr, da dieſe Art von Inſekten in unſern Gegenden 
nicht alle Jahre in ſo großer Menge erſcheinet, oder auch nicht ſo, 
wie dießmalen, beobachtet worden iſt; und wir darneben in einer Zeit 
leben, wo, wegen des allgemeinen Kriegesfeuers, ohnedem Jedermann 
in Furcht, Schrecken, Angſt und Beſorgniß iſt. Was Wunder, 
wenn daher verſchiedene Perſonen dieſe Thiergen, als neue betrübte. 
Vorbothen, und ſtumme Propheten, eines noch größern bevorſtehen— 
den Jammers und Elendes mitleidig angeſehen haben; ja, wenn es 


die 


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die Neubegierde gar ſo weit getrieben hat, daß man dieſe Fliegen nach 
einigen Tagen ordentlich verkauft, und ums Geld ſehen laſſen. Die— 
ſes alles hat um fo weniger Anftand finden koͤnnen, da es eine gemei— 
ne und alte Sage iſt, daß fremde Vögel, wohin der gemeine Mann 
auch alle Arten geflügelter Inſekten rechnet, fo wie ungewoͤhnliche Zuͤ— 
ge von Maͤuſen, Seuſchrecken, und dergleichen, und überhaupt alle 
plötzliche Erſcheinungen vieler und fremder Thiere, fremde Kriegs⸗ 
voͤlker bedeuten ſollen. Und da man itzo das Korn vom Himmel 
regnen laͤſſet (*); die Alten auch von Froͤſch- und Kroͤtenregen, fo, 
wie beſonders in Norden von Maͤuſeregen, ſo viel wunderbares ge⸗ 
ſchrieben, und ſich eingebildet haben; warum ſollte es, nach dieſen Bey— 
ſpielen, nicht auch in der Natur einen beſondern auſſerordentlichen 
Fliegenregen geben? 


Mir war genug, daß obige Erzählungen zureichend waren, nach 
demjenigen, was mir aus den Schriften verſchiedener Naturlehrer, 
und meinen eigenen Erfahrungen und angeftellten Verſuchen, bekannt 
war, muthmaſſen zu koͤnnen, was es mit dieſer ſonderbaren Erſchei— 
nung vor einen Grund und Beſchaffenheit gehabt habe, was es für 
eine Art der Thiergen wuͤrde geweſen ſeyn, und woher dießmalen die 
ungeheuere Menge derſelben ihren Urſprung müfe genommen haben. 
Ich urtheilte, daß es eine Art gefluͤgelter Waſſerinſekten geweſen 
ſeye „ und zwar von demjenigen Geſchlechte, welches unter dem Na— 
men der Hafte, oder der gefluͤgelten Uferaaſe, bekannt iſt. 

A 3 Ich 


1095 Nuͤrnbergiſcber Friedens- und Kriegs- Courier. No 199. 
unter Leipzig, den 11. Aug. Ich werde vieleicht Gelegenheit haben, 
mich uͤber dieſen Kornregen in derjenigen Abhandlung naͤher zu erklaͤren, die 
ich naͤchſtens abdrucken laffen , und darinnen ich von einem, ohnweit hiefiger 
Stadt, ſchon vorjährig gefundenen Selfen = oder Steinmehle, Nach⸗ 
richt geben werde. Ich werde ſolches um ſo zureichender zu thun im Stande 
ſeyn, da mir Hoffnung gemacht worden it , einige Körner von jenem Korare 
gen zu erhalten. 


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Ich fand auch gleich des andern Tages, daß ich nicht uͤbel, ſon⸗ 
dern ganz recht gemuthmaßet hatte. Eine vornehme Standesperſon 
zeigte mir damals über der Tafel einige dieſer Thiergen, welche Sie 
mir in einer Schachtel hatte aufbehalten laſſen. Hier ſahe ich wirk⸗ 
lich das fliegende Uferaas; obgleich die meiſten Stuͤcke übel behan⸗ 
delt, und zum Theile verſtuͤmmelt, waren. 


Nun iſt zwar wahr, daß dieſe Thiergen jährlich bey uns erſchei⸗ 
nen; auch unſern Fiſchern, und denen, fo auf den Waſſern viel zu 
thun haben, unter dem Namen der Laurenziusfliegen ganz bekannt, 
und mithin ganz und gar keine beſondern, ſeltenen oder fremden In— 
ſekten ſind. Es iſt auch wahr, daß Swammerdam in Holland (). 
und Beaumur in Frankreich (**), von dieſen Thiergen ſchon fü 
weitlaͤuftig, genau und umſtaͤndlich gehandelt, und Abbildungen das 
von geliefert haben, daß ich zweifele, ob ſich von ihnen etwas erheblis 
ches mehr moͤgte angeben laſſen. Da aber eines Theils jene Schrif⸗ 
ten nicht in Jedermanns Haͤnden ſeyn; andern Theils dieſe Thiergen 
gleichwol, vor vielen andern Inſekten, manches Beſonderes und Eige— 
nes an ſich haben; und endlich auch nicht uneben ſeyn moͤgte, dem ges 
meinen Manne und aͤngſtlichen Gemuͤthern dasjenige zu benehmen, was 
in gegenwärtigen, ohnedem an ſich ſchon furchtſamen, Zeitfäuften oh— 
ne Noth und zur Unzeit, noch mehr Furcht machen koͤnnte; ſo habe ich 
mich entſchloſſen, in dieſen Blättern eine Ueberſetzung und Auszug von 
jenen Abhandlungen zu liefern, und dieſe Thiergen in fo weit zu bez 

ſchrei⸗ 


(Y Bibel oͤer Natur. Ci. II. Cap. I— X. Seit. 100 — 114. Tab. XIII. 
Wohin auch gehoͤret, was Koͤßel zu Nürnberg in feiner Inſekten⸗ 
beluſtigung Theil II. Ci. U. Seit. s4 — 60. von dieſen Inſekten ange⸗ 
führet, und was er Tab. XII. vor Abbildungen geliefert hat. 


(**) Memoir. pour fervir à “ hiſtoire des Inſectes. Tom. VI. Part. II. Mem. 
XII. p. 250 — 339. Pl. XLII - XL VI. 


u 7 
ſchreiben, als zu ihrer Erkenntniß, und richtigen Beurtheilung ihrer 
letztern haͤufigen Erſcheinung, noͤthig und zureichend ſeyn wird. 5 


Wenn man glauben wollte, daß dieſe Thiergen urſpruͤnglich diez 
jenige geflügelte Geſtalt hätten, in welcher fie ſich zuletzt zeigen, und 
alſo auch jüngſthin gezeiget haben: fo würde man ſich ſehr irren. Nein, 
es brauchen dieſe Thiergen bey nahe zwey ganze Jahre, und muͤſſen in 
dieſer Zeit verſchiedene Veraͤnderungen erleiden, ehe fie geflügelte Crea— 
turen werden. Anfangs erſcheinen fie in der Wurmgeſtalt (Y, die fie 
aus dem Eye mitbringen. Sie legen dieſelbe nach einiger Zeit ab, und 
erhalten eine Puppen- oder Nymphengeſtalt. Und, nachdem fie 
auch dieſe verlaſſen, erſcheinen fie allererſt in der Fliegengeſtalt (9. 
So lange fie die Wurm⸗ und Puppengeſtalt haben, heiſſen fie 
ſchlechtweg Uferaaſe; fo bald fie aber Fliegen werden, aͤndern fie 
auch ihren Namen, und heiſſen Safte, oder, mit dem Beynamen, 
das fliegende oder fluͤchtige Uferaas, oder auch Uferaasfliege. 

Es giebt dieſer Uferaaſe, und der daraus entſtehenden Hafte, vers 
ſchiedene Gattungen; die ſich auch, ſo wohl in der Wurm und Pup⸗ 
pens, als §liegengeſtalt, durch gewiſſe beſondere Merkmaale, von eins 
ander unterſcheiden. Herr v. Reaumur gedenket örcyerley Arten 
Uferaaſe, deren Unterſcheidungsſtücke vornämlich von der Lage der 
fiſchohrigen Ruder oder Floßfedern hergenommen find, Einige 
tragen dieſelben ſenkrecht in die Höhe; bey andern ſtehen fie wagrecht 
oder waſſerflach; und der dritten Gattung liegen fie auf dem Rücken, 
und zwar ſchief nach hinten zu und bey einander. Und was die aus 
dieſen verſchiedenen Gattungen entſtehenden Hafte anlanget, fo haben 
einige, auſſer den verſchiedenen Farben, da manche mehr und weni— 
ger gelblich, weiß, und braun ſind, einige 3 gleich lange, andere 
2 lange und eine mittlere ſehr kleine, und noch andere nur 2 lange 
Schwanz ſpitzen. 


() Kuypfert. Fig. II. III. (“) Fig. V. VI. IX. X. 


D ĩe⸗ 


8 5 4 

Dieſe verſchiedene Gattungen Hafte kommen übrigens in gewiſ⸗ 
fen Stücken ſaͤmmtlich miteinander überein. Sie ſind alle anfaͤnglich 
Wuͤrmer; werden hierauf alle laufende und ſich naͤhrende Puppen; 
und verwandeln ſich endlich alle in eine Art beſonderer Fliegen. Sie 
wohnen alle, als Würmer und Puppen, unter dem Waſſer, und nähe 
ren ſich daſelbſt vom Schlamme, oder den darinn enthaltenen kleine— 
neſten Inſekten; jedoch fo, daß einige beſtaͤndig in eigenen Löchern woh⸗ 
nen; andere aber irrend im Waſſer herumſchwimmen, und ſich nach 
Willkühr hie und da auflegen. Sie haͤuten ſich als Würmer insge⸗ 
ſammt verſchiedenemal, ehe ſie ihre letzte Wurmgroͤße erhalten; und 
ihre Puppengeſtalt verrathen fie ohne Ausnahme dadurch, daß auf ihr 
rem Ruͤckenſchilde die Fluͤgelſcheiden ſichtbar werden. Endlich, legen 
alle auch die Puppengeſtalt ab, und man ſiehet aus ihrer Huͤlſe, oder 
ihrem Balge, eine Fliege mit 4 Fluͤgeln herauskommen, welche von 
da an das Element des Waſſers, mit dem Elemente der Luft, verwech⸗ 
ſelt. Wohin man auch noch dieſe gemeinſchaftliche Eigenſchaft rechnen 
koͤnnte, daß alle, nur wenige Stunden in der letzten Verwandlung 
und Geſtalt, zu leben haben. 


Dieſe Unterſcheidungs- und Uebereinſtimmungsſtücke vorausge⸗ 
ſetzet, werde ich mich dermalen, nach der im Vorberichte angezeigten 
Veranlaſſung, nur mit einer einzigen Art dieſer Thiergen, nämlich nur 
allein mit derjenigen Gattung der Uferaaſe, und der daraus entſtehen— 
den Safte, beſchaͤftigen, die, wie in Frankreich an der Seine und 
Marne, ſo auch bey uns an der Donau, und, wenn man recht acht 
geben ſollte, vieleicht an den meiſten Fluͤſſen ſehr häufig geſehen wird, 
und wie an beyden Orten jaͤhrlich, ſo ſonderlich bey uns, in der Mitte 
des Auguſtmonates Jedermanns Aufmerkſamkeit erwecket, und ein 
wunderbares Schauſpiel verurſachet hat. 


Es kommt dieſe Gattung Safte, von der obgemeldten dritten Art 
der Wuͤrmer, oder Uferaaſe, naͤmlich von derjenigen her, EN der 
Wurm⸗ 


> * & 9 


Wurmgeſtalt, und als Puppen, ihre Kiefen, oder fiſchohrigen Floß⸗ 
und Ruderfedern, in der Ruhe, auf dem Rücken, ſchraͤg und nach hins 
ten gerichtet liegen hat (*). 


Pflegen, erſtgedachtermaſſen, andere Arten der Haftwuͤrmer im 
Waſſer willkuͤhrlich herumzuſchwimmen, und ſich bald da, bald dort— 
hin zu begeben; fo hat hingegen dieſe Gattung die gegenſeitige Lebens 
art. Sie wohnet unausgeſetzt in eigenen und beſondern Löchern, Nähe 
ren oder Haͤusgen, und deren beſonderer Bau ſo gleich das Erſte iſt, 
welches verdienet angemerket zu werden (. 


Es werden dieſe Loͤcher, oder Roͤhren (*, von einem jeden 
einzelnen Haftwurme und Puppe ſelbſt verfertiget, ausgehoͤlet und 
zubereitet; wozu ihm die an dem Kopfe hervorragende, und den Kin— 
backen anſitzenden, zween krebsſcheerigen Zähne ſowohl, als die zween 
maulwurf- oder ſchrotwuͤrmigen, Vorderfuͤße die noͤthigen Dienſte 
leiſten. Dieſe Loͤcher oder Roͤhren gehen waſſerflach in das Ufer, ſind 
mehr und weniger eyrund, und ſtellen eine ordentliche hohle Roͤhre vor. 
Unterſuchet man dieſelben genau, fo findet man, daß von auſſen 2 Lö 
cher, und von innen 2 Roͤhren, die in der Mitten, der Länge nach, 
durch eine kleine erdige Zwiſchenwand geſchieden find (T), die Woh— 
nung eines einſchichtigen Haftwurmes ausmachen. Man wird gewahr, 
daß, gleichwie von auffen jedesmal 2 eyrunde Löcher, ohngefaͤhr 2 oder 
3 Linien im Durchſchnitte, nahe beyeinander ſtehen, alſo die daher 
entſtehenden und fortlaufenden 2 Roͤhren ſich hinten im Ausgange, nach 
einer kleinen Krümmung, miteinander vereinigen, beyde einen einzigen 
Gang ausmachen, und, nach der Reaumuriſchen Vergleichung den— 
jenigen gebogenen Glaßroͤhren vollkommen beykommen, deren man ſich 
zu den Wetterglaͤſern zu bedienen pfleget. b 


B Die⸗ 
(5) Fig. II. () Fig. I. a. b. e. () Fig. I. b. b. b. b. (F) Fig. I. e. o, 


10 I ES 

Dieſer Bau der Löcher und Roͤhren giebt dieſen Thiergen einen 
doppelten Vortheil. Einmal, haben fie in dieſen 2 Roͤhren Raum 
genug, fi, ohne, wie die Krebſe, ruck warts zu gehen, hin und her zu 
begeben, und, vermoͤge der einen Roͤhre und des einen Loches, einen 
eigenen Ausgang, und vermoͤge der andern Roͤhre und des andern Lo⸗ 
ches, einen beſondern Eingang. Sodann, ſind ſie in dieſen doppelten 
Roͤhren vor der Nachſtellung und dem Fraße anderer Inſekten, ſonder⸗ 
lich der Fiſche, ſattſam geſichert. Dieſes Letztere mag auch wohl die 
Urſache ſeyn, warum dieſe Art je und allezeit in ihren Loͤchern verborgen 
bleibet, und ſich nicht eher aus denſelben begiebet, bis fie die Noth herz 
aus treibet. Wiewohl auch noch andere Urſachen daran Schuld ſeyn 
mögen, weil Swammerdam angemerket haben will, daß fir, wenn 
man fie mit Gewalt aus den Löchern herausziehe, auf den Rücken fal⸗ 
len und gar bald umkommen. Es kann aber der erſtgebachte Noth— 
zwang, der dieſe Wuͤrmer von ſelbſt aus den Löchern jaget, von verz 
ſchiedenen Vorfaͤllen und Urſachen herkommen, wovon die gewoͤhnlich— 
ſten und gemeinſten wohl dieſe ſeyn mögen. Einmal verurſachet ſolche 
Wanderung, ihre Anwachſung und vermehrte Größe, vermoͤge welcher 
ihnen diejenigen Löcher und Roͤhren zu klein werden, die fie anfänglich 
bewohnet, und die ihnen zwar bis dahin raͤumlich genug waren, nun⸗ 
mehro aber zu eng, und folglich unbrauchbar ſeyn. Der andere Noth— 
zwang wird in der Veraͤnderung des Fluſſes, und der veraͤnderlichen 
Hoͤhe oder Tiefe desjenigen Waſſers zu ſuchen ſeyn, unter deren Ober- 
fläche fie ihre Wohnungen noͤthig haben. Sie muͤſſen nämlich ihre 
obern Wohnungen verlaſſen, und ſich tiefer unten dergleichen verferti— 
gen, oder die daſelbſt ſchon vorhandenen beziehen, wenn ſich das Wa 
fer ſenkt und faͤllet; und fo auch die untern wieder verlaſſen, und die 
obern beziehen, oder andere machen, wenn das Waſſer gar zu hoch 
anſteiget und erhoͤhet wird. Und dieſe abwechſelnde Beziehung und 
Bauung der Loͤcher und Roͤhren iſt auch die Urſache, warum man, 
wenn man dieſen Thiergen nachſuchet, an den Ufern eines Fluſſes, über 

0 der 


S P II 


der Oberfläche des Waſſers, zwar die Menge Löcher, aber leer antriſt, 
weil fie in dieſem trockenen Zuſtande nichts, als verlaſſene Wohnun⸗ 
gen ſind. f i 


Betrachtet man das Innere dieſer Roͤhren etwas genauer, fo fin— 
det man dieſelben allezeit mit einer zarten Erde und Schlamme uͤberzo⸗ 
gen und gleichſam austapezieret. Ob aber dieſe zarte Tuͤnche blos von 
dem Schlamme des Waſſers herkommt, oder nicht vielmehr, wie es 
wahrſcheinlich iſt, von den Thiergen ſelbſt eben ſo verfertiget wird, wie 
andere Inſekten ſich, oder ihren Jungen, die Wohnungen bald mit eis 
ner Art Glaſſur, bald mit Blumenblaͤttern, und dergleichen, auszu— 
gleichen und zu überlegen pflegen; laſſe ich unbeſtimt. 


In dieſen itzt beſchriebenen Loͤchern und Wohnungen leben nun 
dieſe Wuͤrmer/ wo nicht nach Swammerdams Angeben, 3 ganze Jahre, 
doch gewis, nach Herrn von Reaumurs Beobachtung, nie weniger, 
als 2 Jahre, unter dem Waſſer; und es koͤnnen nur die letzten 2 oder 3 
Monate des 2ten Jahres diejenigen ſeyn, da fie aus dem Wurmſtande 
in den Puppenſtand uͤbergehen, und hierauf gefiügelt werden. Die 
Gründe des Herrn von Reaumur von dieſer Zeitrechnung find uͤberzeu— 
gender, als daß ſich etwas dagegen einwenden laͤſſet. Sie beſtehen darin⸗ 
nen. Es werden die Fluͤgelſcheiden an dieſen Wuͤrmern nicht eher, als im 
Junius, ſichtbar; und zu eben der Zeit findet man alle andere Wuͤrmer, 
die noch keine Fluͤgelſcheiden haben, nur erſt halb ausgewachſen, und die 
alſo unmoͤglich eher, als das folgende Jahr, dieſelben erhalten, mithin 
Puppen und Hafte werden koͤnnen. Iſt dem aber alſo, ſo beweiſet 
dieſer Umſtand hinlaͤnglich, daß die halbausgewachſenen Wuͤrmer aus 
einem Eye des vorigen Jahres; die ausgewachſenen aber, und die mit den 
Fluͤgelſcheiden, aus einem Eye des vorvorigen Jahres muͤſſen entſtanden; 
und folglich den einen, wie den andern, vom Eye an bis zur Puppe und 
Hafte, eine Zeit von 2 Jahren beſtimmet ſeyn. 


B 2 f Die 


12 | = 


Die Nahrung und der Fraß dieſer Haftwürmer möchte an ſich 
ſchwer zu erfahren und zu beſtimmen ſeyn; weil dieſelben nicht nur unter 
dem Waſſer leben, ſondern daneben auch noch in tiefen, dunkeln und 
undurchſichtigen Loͤchern und Roͤhren wohnen. Jedoch, was hier das 
Auge nicht entdecken kann, das veroffenbaret bey der Zergliederung 
dasjenige, was man in dem Magen und Gedärmen dieſer Thiergen 
findet. Dieſes ſiehet je und allezeit dem Thone und der Erde gleich. 
Und es hat daher Swammerdam und Herr von Reaumur auch wirk⸗ 
lich dieſen Thiergen nichts als Thon, oder Erde, zur Speiſe und Nah— 
rung beſtimmet. Allein, da man einige Jahre her gefunden hat, daß, 
wie über, fo noch mehr im Schlamme, Thon und Erde, ſolche Thier— 
gen gibt, die nur unter den beſten Vergroͤſſerungsglaͤſern ſichtbar werz 
den; fo halte ich dafür, daß nicht fo wohl und eigentlich der Schlamm, 
Thon und Erde, als vielmehr die d Na bſt, den bloſſen Augen unſicht— 
baren, kleineſten Waſſerwuͤrmer, die eigentliche Nahrung ausmachen. 
Welche kleineſte Thiergen mit dem Schlamme um ſo leichter zugefuͤh⸗ 
ret werden, weil dieſe Haftwuͤrmer allezeit unter dem Waſſer in Hoͤh⸗ 
len wohnen. Vielleicht traͤget die doppelte Roͤhre, und deren doppelte 
Oefnung, auch das Ihrige bey, daß ſich das Waſſer ein und aus Der 
wegen, und damit die ſubtile Thonerde, nebſt den kleineſten Inſekten, 
zur Nahrung um ſo leichter zugefuͤhret werden kann. 


Was endlich die eigentliche Geſtalt dieſer Haftwuͤrmer anlanget, 
ſo iſt ihre ganze Groͤße, wenn ſie ausgewachſen ſind, vom Kopfe bis 
an das Ende der Schwanzſpitzen, meiſt über 2 Zoll. Und man beobach- 
tet an ihnen, wie an andern dergleichen Inſekten, ſonderlich 3 Haupt⸗ 
theile, den Kopf, die Bruſt oder den Buͤckenſchild, und den eigent- 
lichen Leib (Y. 


Der Bopf iſt faſt dreyeckig, und etwas platt gedruckt. Es befin⸗ 
den ſich an demſelben die 2 ſchwarzbraunen Augen, welche bey den 
Maͤnn⸗ 
() Fig. II. 


Sur 13 


Maͤnngen faſt zweymal ſo groß, als an den Weibgen ſind; die 2 Fuͤhl— 
börner, ſo ſpitzig zulaufen, und ihre beſondere Glieder haben; die 2 
obgedachten hornbeinigen und ſchwarzbraunen Zähne zum Graben und 
Bohren; und unten noch 4 andere zaͤhnenartige Werkzeuge, die zwei— 
felsohne zum Freſſen beſtimmet ſeyn, und die Unterlippe ausmachen 
moͤgen. 


Die Bruſt und der Ruͤckenſchild ift dreyfach abgetheilet; und 
find ihnen die 3 Paar hornbeinigen, und mit Haaren beſetzten, Fuͤſſe 
unterwaͤrts angegliedert. An der erſten Abtheilung befinden ſich die 2 
Vorderfuͤſſe, deren jeder 4 Glieder hat, die vorn mit einem braunen 
Näagelgen verſehen find, vorwärts und dabey etwas auswaͤrts gerich— 
tet ſtehen, und vollkommen denenjenigen Fuͤſſen beykommen, die fülchen 
Thieren eigen find, welche, wie die Maulwuͤrfe, in die Erde wuͤhlen, 
und durch Hülfe derſelben die Erde untergraben, und von ſich werfen; 
und daher es wahrſcheinlich, daß auch dieſe mit ſolchen Fuͤſſen, wenn 
fie die Löcher machen, die Erde wegſchaffen. An der zweyten und drit— 
ten Abtheilung des Ruͤckenſchildes findet man das zweyte und dritte 
Paar Fuͤſſe, welche sfach gegliedert, und ebenfalls mit einem Nagel 
und mit Härgen verſehen, jedoch mehr hinterwaͤrts, als vorwärts, ge⸗ 
richtet ſind. 


Der eigentliche Leib iſt aus 1o Ringen oder Einſchnitten zuſam⸗ 
mengeſetzet, wovon ſich der letzte oben in drey gleichlange borſtenharige 
Schwanzſpitzen endiget; unten aber bey den Weibgen 2, und bey den 
Männgen 4, beſondere Anhänge oder Fortſaͤtze hat. Das Merkwuͤr— 
digſte und Sonderbareſte an dieſem Leibe find diejenigen Seitenkörz 
pergen (), oder Fortfäße, die ſich an dem zweyten, und den folgen- 
den, bis zum ſiebenden Ringe, einſchlieſſungsweiſe, befinden. Sie 
kommen den bloſſen Augen wie zarte durchſichtige Faͤdgen oder Staͤn⸗ 
gelgen vor, und man kann ſie, ſonderlich, wenn ſie ſich bewegen, mit 

B 3 nichts 

Fig III, 2. 


14 / un =; 


nichts beſſerm und nathrlicherm vergleichen, als mit den Ruderſtangen 
der Galeeren. Wie denn eben daher Maraldi dieſe Thiergen wirk⸗ 
lich die kleinen Galeeren genannt hat. Es liegen dieſe Ruderſtangen, 
obgedachtermaſſen, bey dieſer Gattung der Haftwürmer, wenn fie in 
der Ruhe find, an dem Ruͤcken ſchief auf (5). Die meiſte Zeit aber 
find fie in einer beſtaͤndig wippernden, wimmelnden und zitternden Be—⸗ 
wegung (**), und geben alsdenn durch ſolche ihre ſo gar erſtaunlich ge⸗ 
ſchwinde, obgleich regelmaͤßige, Bewegung nicht nur dem Auge das 
angenehmſte Schauſpiel; ſondern machen auch, daß der Verſtand 
ſelbſt, wie ſich Swammerd am ſehr wohl ausdruͤcket, in Verwunde⸗ 
rung, ja gar auſſer ſich geſetzet wird, und gleichſam ſtill ſtehen muß, 
wenn er dergleichen unbegreifliche Bewegung bemerken will. Viele 
Naturkuͤndiger haben dieſe ruderähnlichen Fortſaͤtze vor eine Art Floß⸗ 
federn gehalten, und ſie vor die Werkzeuge des Schwimmens angege— 
ben. Allein Swammerdam, und Herr von Reaumur, haben deut⸗ 
lich genug dargethan, daß ſolches ein Irthum ſeye, und dagegen erwies 
ſen, wie dieſelben die wahren und einigen Werkzeuge des Luftſchoͤpfens, 
nämlich die fo genannten Fiſchohren und Riefen dieſer Waſſerwur⸗ 
mer ſind. Und wer ſich erinnert, was ich in den Abhandlungen der 
fiſch⸗ und krebsartigen Riefenfüffe, ingleichen der zackigen Waſſer⸗ 
flöͤhe, von dieſer Art der Fiſchohren oder Kiefen angeführet habe; der 
wird ſich von dem Baue und dem Gebrauche der Kiefen dieſer Haft 
wuͤrmer leicht einen Begrif machen koͤnnen. 


Von der Farbe diefer Haftwuͤrmer iſt nur noch fo viel zu gedenken, 
daß dieſelbe an den kleinen Wuͤrmgen blaßblau iſt, und etwas ins grüne 
fällt. Bey Erwachſenen iſt fie mehr weißroͤthlich, blaßfleiſchfarbig, oder 
auch blaßgelblich. Der Nuͤcken aber iſt mit allerhand blaßbraunen File 
cken überſprenget, die nach und nach immer ſchwaͤrzlicher werden. 


Auf 
(0) Fig. II. (5) Fig. III. 


* 15 


Auf dieſen itzt beſchriebenen Wurmſtand des Uferaaſes folget nun 
der zweyte, naͤmlich der Puppenſtand. Es nimt derſelbe gegen den 
21 und a2ſten Monat des Alters den Anfang, je nachdem naͤmlich die 
Witterung, oder andere zufällige, und unbekannte, Dinge, ſolches 
manchmal verlaͤngern, oder abkuͤrzen. Jedoch iſt die Veränderung, fo 
alsdenn vorgehet, ſehr gering. Es beſtehet dieſelbe in weiter nichts, als 
daß auf der zweyten und dritten Abtheilung des Rückenſchildes, die 
Koͤcher, oder Fliegelſcheiden, ſichtbar werden; als an deren Stelle in der 
Wurmgeſtalt nur bloße Erhöhungen, oder Hügelgen, zu erkennen waren. 
An der zweyten Abtheilung find die Köcher, oder Scheiden, des erſten 
Paares; und an der dritten Abtheilung die Koͤcher, oder Scheiden, des 
zweyten Paars der Fluͤgel. Sie haben eine dunkelbraune Farbe, und 
man kann in der Folge die darunter zart gefaltenen Flügel, ſonderlich je 
naͤher ſie der Zeit der Entwickelung kommen, gar ſchoͤn erkennen. Das 
Vornehmſte, fo von dieſen Haftpuppen zu merken fern moͤgte, iſt 
dieſes, daß ſie als Puppen, lebendige, freſſende, und wandernde Thier— 
gen bleiben; da hingegen andere Inſekten, als Raupen und Fliegen, in 
dem Puppenſtande mehr todt, als lebendig find, und dieſe, weder ganz 
todte, noch ganz lebendige, Zwiſchenzeit nicht nur ohne alle Nahrung 
zubringen, ſondern ſich auch nur alsdenn etwas bewegen, und ein dun— 
keles Merkmaal des Lebens von ſich geben, wenn fie ſich von ſelbſt um- 
wenden, oder von etwas anderm, auſſer ihnen, berühret werden. 


Aus dieſen Puppen wird endlich eine Fliege (*), fo alsdenn das 
fliegende, oder fluͤchtige Uferaas, oder das Haft, genennet wird, 
und womit dieſe Thiergen zugleich ihre dritte und letzte Hauptveraͤnde— 
rung erleiden, und zugleich ihrem Stande der Vollkommenheit ſich 
naͤhern. 


Dieſer Uebergang aus dem Puppenſtande in den Fliegenſtand er— 
folget, mehrgedachtermaſſen, am Ende des 2ten Jahres ihres Lebens⸗ 
i alters, 

() Fig. V. VI. IX. X. 


16 S u; 


alters. Und es gehet, wie Herr von Reaumur und Swammerd am 
angemerket haben, damit ohngefaͤhr alſo zu. 


Das, ſeiner letzten Veraͤnderung nahe gekommene, Uferaas oder 
die Haftpuppe, verlaͤſſet die bisherigen Roͤhren, Loͤcher und Wohnung, 
begiebt ſich ins Waſſer, und ſuchet durch Schwimmen auf das eiffers 
tigſte die Oberfläche deſſelben zu erreichen. Iſt die Puppe glücklich Dar 
ſelbſt angelanget; ſo ſpringet ihre Puppenhaut oben am Kopfe und Ruͤ⸗ 
cken alſobald auf und von einander (5), und man ſiehet, in weniger, 
als einem Augenblicke, den Wurmbalg abgeſtreift liegen, das Thier— 
gen aber aus demſelben mit vollkommenen Flügeln davon fliegen (). 
Wiewohl dieſer erſte Ausflug iſt von gar kurzer Dauer. Kaum, daß 
dieſes Thiergen durch die erſte Haͤutung und Ablegung des vorigen 
Puppenbalgs dem Waſſer entgangen iſt, ſo ſucht es ſo gleich wieder 
einen Ruheort; und nachdem es ſolchen gefunden, ſetzet es ſich an dem⸗ 
ſelben veſt, und haͤutet ſich als eine Fliege noch einmal. 


Es iſt wahr, daß dieſe gefluͤgelte runs an dieſen Thiergen et⸗ 
was ganz befonderes und ungewöhnliches iſt. Man hat dergleichen Ei— 
genſchaft noch an keinem andern Inſekte wahrgenommen, naͤmlich, daß 
in dem Fliegenſtande noch eine Haͤutung vorgehe. Und eben daher iſt 
dieſe geflügelte Haͤutung, wie mehr andern, ſo auch Herrn Boͤſel, 
gar nicht glaublich vorgekommen. Allein, die Sache hat gleichwol ih⸗ 
re nur gar zu groſſe Richtigkeit. Ich habe dieſe geflügelte Haͤutung 
nicht nur ſelbſt unzaͤhligemal mit eigenen Augen geſehen und beobachtet; 
ſondern ich behalte auch in meiner Samlung verſchiedene dieſer Thier— 
gen, welche unter dem Geſchaͤfte dieſer Haͤutung getoͤdtet worden, und 
deren einigen der Balg noch Über die Hälfte, andern aber nur noch ein 
klein wenig anhaͤnget, darum ſorgfaͤltig auf, damit ich Jedermann, der 
daran noch zweifeln ſollte, durch den Augenſchein von der dießfalſigen 
Warheit überzeugen koͤnne. Man mache mir nicht den e 

dieſe 

() Fig. IX. a. b. (“*) Fig. X. a. b. 


u Zu 7 17 


dieſe Haͤutung der Uebergang aus dem Puppen- in den Fliegenſtand ſey. 
Denn die voͤlligen Fliegel lehren das Gegentheil, die ſo wohl an dem 
Thiere, als an der Haut, zu ſehen ſind; da an der erſten Haut nur 
die Fluͤgeldecken, fo ohnehin in Anſehung der Fluͤgel ſehr klein find, 
zurückgelaſſen werden und unſichtbar ſind. 


Da die erſtere Haͤutung des Haftes gleich auf der Oberfläche des 
Waſſers vor ſich gehet, ſo koͤnnte man ſie zum Unterſcheide, die naſſe 
Saͤutung; und die zweyte, weil ſie an trockenen Orten geſchiehet, die 
trockene Haͤutung nennen. Sie find auch beyde in einigen Stuͤcken 
von einander verſchieden. 


In der naſſen Saͤutung entwickelt ſich alles auſſerordentlich und 
unbegreiflich geſchwind und hurtig. Es gehen bey und mit derſelben 
gewiſſe Theile verlohren, namlich diejenigen, die dem Uferaaſe, zwar 
als Wurme und Puppe, eigen und zum Theile weſentlich waren; ihm 
aber nunmehro im geflügelten Zuſtande, unnütze und laͤſtig ſeyn wuͤr— 
den. Dahin gehoͤren die 6 Paar Kiefen, die federbartigen Schwanz⸗ 
ſpitzen, die krebsſcheerigen Zähne, die maulwürfigen Füſſe, die Fluͤgel⸗ 
ſcheiden, die Unterlippen und dergleichen. Nebſt dieſen werden auch 
andere Theile in dieſer erſten Haͤutung veraͤndert. Faſt alle werden 
itzo laͤnger, als ſie vorher waren, welches an den 6 Paar Fuͤſſen, ſon⸗ 
derlich an dem erſten Paare, am merklichſten iſt, als welches letztere 
mehr als Zmal länger wird. Jedoch find die Fühlhoͤrner von dieſer 
Verlaͤngerung ausgenommen, als welche allein kuͤrzer und zarter wer⸗ 
den. Inſonderheit gehet mit den Augen eine groſſe Veraͤnderung vor. 
Denn da dieſelben vorher bey dem Wurme und Puppe nur einfach, 
glatt und hornhaͤutig waren; fo wird jedes nunmehro in ein zuſamm⸗ 
geſetztes netzfoͤrmiges Auge verwandelt, das iſt, aus jedem Auge, wie 
es Swammerdam angiebt, werden mehr als 6 bis 7000 Augen, die 
alle in einer halben Kugel, und auf einem einzigen trichteraͤhnlichen 

C Sehe⸗ 


18 = u :; 


Sehenerven, beyſammen ſtehen, und, wo er mich nicht irre, wie die 
Krebsaugen, beweglich ſind. 


Die trockene, als die ate Haͤutung, folget unmittelbar auf die er⸗ 
ſte. Sie beſtehet darinn, daß dieſes geflügelte Thiergen ſich überall, 
wo es nur ſitzen kann, ohne hierinnen eine beſondere Wahl zu halten, 
mit feinen Fuͤſſen, und deren ſtarken Nägeln aufſetzet. Der erſte Flie⸗ 
genbalg ſpringet hierauf auf dem Ruͤckenſchilde voneinander; das Thier— 
gen zieht zuerſt feinen Kopf, ſodann feine erſten Paar Fuͤſſe, und hier⸗ 
auf auch die uͤbrlgen Fuͤſſe, ſammt dem ganzen Leibe und Schwanze, 
auch ſogar die Flügel, aus der Hülſe heraus. Man ſiehet alsdenn die 
Sue und Schwänze noch um ein Drittheil ſich verlaͤngern, als es ſchon 
in der erſter Haͤutung geſchehen iſt; die Huͤlſe bleibt an dem Orte, wo 
die Haͤutung vor ſich gegangen, ſitzen, und ſiehet anfanglich dem gan⸗ 
zen Thiergen vollkommen ahnlich. Man findet dergleichen abgeftreifte 
Baͤlge zu gewiſſen Zeiten haͤufig an den Fenſterſcheiben, ſonderlich, wo 
die Fenſter auf derjenigen Seite find, wo ohnweit davon ein Fluß, oder 
anderes Waſſer, vorbeylaͤuft. Und dieſes iſt auch die beſte Art, und 
die beſte Gelegenheit, wo man dieſe zwote Haͤutung beobachten kann; 
wie denn auch ich auf die Weiſe von der Warheit dieſer zwoten Haͤu⸗ 
tung uͤberzeuget worden bin. Einige meiner Fenſter gehen hinten ger 
gen die Donau zu; an welchen ich dieſe Thiergen gar oft fliegend an⸗ 
kommen, ſich auf eine der Fenſterſcheiben anſetzen, und hierauf den 
Balg ablegen geſehen habe. 


So bald dieſe Thiergen ihre Flügel, und den Gebrauch däſttbeh 
erhalten haben, werden ſie, wie oben erinnert iſt, mit dem Namen der 
Hafte, oder des fliegenden Uferaaſes, beleget; als von welcher Be⸗ 
nennung ich unten die Urſache angeben werde. Die Geſtalt dererje⸗ 
nigen Hafte, welche aus dem vorhin beſchriebenen Uferaaſe entſtehet, 
unterſche det ſich nur darinn von andern ihrer Art, daß fie an der Farbe 
ganz weiß ſind, jedoch dabey etwas gelblich, da andere Arten braun, 

oder 


S * 8% 19 


oder grau gebildet, meiſt etwas gröffer find; und daß das Weibgen 
drey gleich lange (*), das Maͤnngen aber nur zwo (**) gleich 
lange, Schwanzſpitzen, und, ſtaͤtt der dritten langen, in der Mitten 

eine ſehr kleine hat. Das übrige haben dieſe Hafte mit allen andern 
Gattungen gemein, und welches ich itzo in der Ordnung anfuͤhren will. 


Die ganze Lange unſerer Hafte, die Schwanz pitzen mit gerech— 
net, iſt gegen 2 Zoll; das Thiergen aber allein, die Schwanzſpitzen 
davon abgezogen, nur 7 bis 8 Linien. Der Kopf iſt dreyeckig CH). 
An ſolchem find vorn die zwey kurz gegliederten Fuͤhlhoͤrner (); an 
den Seiten die zwey braͤunlichen netzfoͤrmigen groͤßern oder zufams 
mengeſetzten Augen (); und, in dem Zwiſchenraume der Fuͤhlhoͤr⸗ 
ner und der geber Augen, ſiehet man die oͤrey kleinen einfachen 
Augen (t). Saͤhne und Saugriſſel, oder einen Mund, findet 
man hier nicht; ſondern man ſiehet nur, an der ſonſtigen Gegend, eis 
nige kleine Baͤrtgen, und zwiſchen denſelben eine Art Oeffnung, aus 
welcher beym Drucken eine Blaſe heraus tritt. Dieſer Mangel des 
Mundes kann Niemanden befremdlich ſeyn, der ſich erinnert, daß er 
mehrern Inſekten eigen iſt; und der auch, wie andern, fo unſern Haf— 
ten unnuͤtz ſeyn wuͤrde, da fie, wie wir bald hören werden, eine fü 
gar kurze Zeit leben. 


Der Ruͤckenſchild iſt doppelt. Der Vordertheil iſt weißlich, 
und unten ſind ihm die zween erſtern Fuͤße angegliedert. Solche ſind 
ganz außerordentlich lang, braun, und liegen, wenn der Haft ruhet, 
ganz platt auf, und gerad vor ihm ausgeſtrecket. Sie ſehen alsdann 
nicht nur wie Fuͤhlhoͤrner aus, ſondern find auch von einigen wirklich 
davor angeſehen und ausgegeben worden. Der hintere Theil des Ruͤ⸗ 
ckenſchildes iſt groͤßer und laͤnger, auch roͤthlicher. Unten befinden ſich 

C 2 an 


(0 big. VI. (“) Fig. V. () Fig. IV. (4) e. e. (41) 4. 4. 
(Tr) b. 


20 S r 

an demſelben die übrigen zween Paar Füße, die weißlich und ungleich 
kleiner find, als das erſte Paar. Oben ſitzen die vier Fluͤgel an; das 
von die Dberfiügel, im Vergleiche der Untern, um ein gar merkliches 
größer find. Sie find alle viere pergamenthaͤutig, durchſichtig, und 
geaͤdert, mithin ohne allen Federſtaub. Der Leib beficher aus 10 Rin⸗ 
gen, deren Oberes weißgelb, das Untere aber weißlich iſt. An dem 
letzten Ringe ſitzen, nach Unterſchiede des Geſchlechtes, die drey gleich, 
oder ungleich, langen Schwanzſpitzen. Und endlich hat das Maͤnn⸗ 
gen unten noch vier beſondere Anhaͤnge, davon das Weibgen nur 
zween hat, und uͤberhaupt am letzten nicht ſehr merklich find. Der ber 
rühmte Ritter Linnaͤus giebt uns von dieſen Haften folgende Bes 
ſchreibung: Sie haben auf dem Ropf zwey augenäbnliche Suͤgel⸗ 
gen, einen borſtengleichen Schwanz, und kurze Suͤhlhoͤrner (*). 


Nach dieſer Beſchreibung der Hafte kommen wir nun auf das, 
was an ihnen das Wunderbareſte und Seltſamſte iſt. Es beſtehet in 
der Zeit und in den Umſtaͤnden, wenn und wie fie als Hafte erſchei⸗ 
nen; in der Art ihrer Fortpflanzung; und endlich in ihrer kurzen Le⸗ 
bens dauer, und ihrem fo gar fruͤhzeitigen Tode. Swammerdam hat 
dieſe ſonderbare Lebensgeſchichte in dem, was ich auf der hintern Sei⸗ 
te des Titelblattes abdrucken laſſen, ſehr ſchoͤn ausgedrucket, zu wel— 
cher, um ſie vollſtaͤndig zu machen, ich einige Umſtaͤnde noch hinzuge⸗ 
füget habe. | abet 


Bewundern wir es mit Recht, daß ein Storch unter dem Sim⸗ 
mel ſeine Zeit weis, und eine Turteltaube, Kranich und Schwal⸗ 
be, ihre Zeit merken, wenn fie wieder kommen ſollen (**); fo hat 
man, in dieſem Betrachte, unſere Hafte gewiß doppelt zu bewundern 
Urſache. Denn dieſe wiſſen und beobachten eben ſo, und noch puͤnkt— 
licher und allgemeiner, ihre Zeit, wenn fie kommen, und ſich aus dem 
Waſſer 
(0 Syſt. natur. p. 62. No. 183. 
(0 Jer. VIII, 7. 


S + 21 
Waſſer in die Luft begeben ſollen. Es find nicht nur gewiſſe, ſondern 
ſo gar nur 2 und 3 Tage im ganzen Jahre, wenn ſie, im Großen ge⸗ 
nommen, in Menge erſcheinen, und vieleicht alsdann nur den Endzweck 
der Natur erfüllen. Ja, es kommt bey ihrer Erſcheinung ſogar auf 
einige und nur wenige Stunden jeden Tages an, da ſie hervor kommen 
muͤſſen, und in welcher Zeit von ihnen geſchehen muß, was ihrer 
Beſtimmung nach, geſchehen ſoll. 


Es iſt an einigen Orten, wie in Holland das Ende des Junius 
und der Anfang des Julius; an andern Orten aber, wie in Frank 
reich, und bey uns allhier an der Donau, insgemein die Mitte des 
Auguſtes, wenn dieſe Hafte in Menge erſcheinen und fliegen. Und dies 
fes iſt an jedem Okte, nach Verſchtedenheit der Lage, der Witterung 
und anderer Umſtaͤnde, jedesmal regelmaͤßig. Es waͤhret dieſer Flug 
jährlich 3 oder 4 Tage, ſo, daß vielmals, wenn derſelbe vorüber, man 
vor und nach gar keine mehr, oder doch nur gar wenige und einzelne, 
gewahr wird. Und was die Stunden an jedem dieſer Tage betrift, 
fo iſt die gewoͤhnlichſte Zeit, gleich vom Untergange der Sonne bis ges 
gen Mitternacht hin, oder von s und 7 Uhr des Abends bis gegen ır 
Uhr in der Nacht, wiewohl aus uns unbekannten Urſachen hier und da 
manchmal auch eine kleine Abaͤnderung erfolget. 


In dieſen beſtimmten Tagen und Stunden pflegen dieſe Hafte al 
ler Orten Schaar- und Wolkenweiſe über dem Waſſer auf und nie⸗ 
der zu fliegen; und, wie ſtarke Schneeflocken, auf alles dasjenige zu 
fallen, was ihnen im fliegen entgegen ſtehet, oder ſie aufhalten will. 
Daher es kommt, daß, wer zu der Zeit, wie die Fiſcher, auf dem 
Waſſer faͤhret, und ſich ſonſt nahe bey dem Waſſer befindet, von der 
Menge dieſer Thiergen ganz überſchnien wird. Sie ſetzen ſich auf, haͤu⸗ 
ten ſich, begatten ſich, und laſſen ſogar daſelbſt, wenn es Weibgen 


ſind, aus Irrthum, ihre Eyer hinfallen. Sie ſind in dieſem ae 
Wh ER en 


22 or © 


len und Aufſetzen fo wenig bedenklich, daß alle, die davon Erfahrung 
haben, geſtehen, es ſey dieſe Art der Vertraulichkeit ganz unfeidlich, 
indem das Fliegen und Aufſitzen nicht nur der bloßen Haut des Gefich- 
tes und der Haͤnde eine unangenehme Empfindung macht, ſondern, weil 
auch dieſe Thiergen unverſchaͤmt genug ſind, in alles, was fie offen 
finden, als in den Mund, Naſe und Ohren, hinein zu fliegen. Iſt zu 
der Zeit, wenn ſie fliegen, Mondſchein, oder ſonſt ein heller Abend, 
oder man nimmt eine brennende Laterne zu Hülfe; ſo muß man über 
den Schwarm dieſer Hafte ganz erſtaunen. Man ſiehet, wie die Luft 
von denſelben gleichſam ganz voll gepfropfet, und ordentlich verdunkelt ft, 
ſo, daß man keine Spanne weit vor ſich herſehen, oder etwas erkennen 
kann. Je ſpaͤter es nun wird, und die Zeit von 4 und 5 Stunden ab⸗ 
gelaufen iſt, je geringer wird hinwieder ihre Anzahl; die Luft wird im⸗ 
mer durchſichtiger; und endlich ganz und gar wieder klar und helle. 


Ich habe geſagt, daß dieſer Zug und Flug der Hafte nie länger, 
als 3 oder 4 Tage, und an jedem Tage nie eher als gegen und nach 
Untergange der Sonne anfange, und bis gegen Mitternacht daure. 
Dieſes iſt mit Verſtande und mit Einſchraͤnkung anzunehmen. Man 
muß es nicht ſo verſtehen, als daß jeder Haft 3 Tage fliege; denn da⸗ 
von werde ich bald das Gegentheil erweiſen. Sondern die Meynung 
iſt dieſe, daß an jedem dieſer 3 Tage eine neue Bruth zum Vorſcheine 
komme, da die des vorigen Tages indeſſen geſtorben, oder ſonſt umz 
gekommen iſt. Ferner, wird dieſer Zug nur von der ungeheuren Men⸗ 
ge derſelben angegeben. Denn einzeln, und in ſehr kleiner Anzahl, 
pflegen auch außer jenen beſtimmten Tagen, einige zu erſcheinen, wel⸗ 
ches aus dem verſchiedenen Anwachſen einſchichtiger Wuͤrmer und Pup⸗ 
pen leicht zu erklären iſt. Und endlich, koͤnnen auch die Tage an einer⸗ 
fen Orten ſelbſt bald eher, bald ſpaͤter, eintreffen, je nachdem die Wit⸗ 
terung, und hundert andere Dinge, ſolches befoͤrdern, oder aufhalten. 
Dieſes iſt gewiß, daß, wenn ſie einen Tag zu fliegen anfangen, 1 5 

ie 


* S 23 


fie die folgenden 2 und 3 Tage ebenfalls wird fliegen ſehen. Was aber 
die Stunden anlanget, fo beobachtet Herr von Reaumur, daß er die⸗ 
ſelben je und allezeit, einerley und eben dieſelben, befunden habe. Es 
ſey zwar an einigen dieſer Tage in dem Grade der Waͤrme und Kaͤlte 
eine große Veraͤnderung vorgefallen; aber dem ohngeachtet hätten die— 
ſe Hafte einen Tag, wie den andern, zur beſtimmten Stunde, zu flie— 
gen angefangen, und auch zur beftimmten Stunde wieder aufgehoͤret. 
Was moͤgen dieſe Thiergen vor eine Art des Verſtandes haben, ver— 
möge deſſen fie Tage und Stunden ſo genau zu uͤberrechnen, und zu 
beobachten wiſſen? Dieſe Frage iſt um ſo wichtiger, da dieſe Tage 
und Stunden unſern Thiergen nichts Ohngefaͤhres, ſondern Etwas 
ſind, ſo ſeinen nothwendigen und zureichenden Grund hat. Ihre Fort— 
pflanzung, und die Art, wie ſolche geſchiehet, wird dieſes klar 
machen. 


Von unſern Saften kann man mit Warheit fügen, daß fie, als 
Hafte, zu nichts anderm beſtimmet ſind, und zu thun haben, als ihr 
Geſchlechte fortzupflanzen. Und damit fie alle Zeit, fo fie als Hafte 
zu leben haben, allein zu dieſem Zwecke anwenden mögen; fo hat ih⸗ 
nen die Natur dasjenige entzogen, worauf ſie ſonſt einen Theil ihrer 
Zeit verwenden, und die Hauptabſicht ihrer Beſtimmung verſaͤumen 
koͤnnten. Wie viele, wo nicht die meiſte, Zeit verwenden andere Thie— 
re zu ihrer eigenen Nahrung, und auch wohl, wie die Bienen, zur 
Ernährung der Jungen. Zu beyden find die Hafte untüuͤchtig, da fie, 
wie oben gedacht iſt, derjenigen Werkzeuge gänzlich beraubet find, wo—⸗ 
durch andere ihre, und der ihrigen, Nahrung beſorgen. Unſere Haf— 
te find ohne Zähne, Saugriſſel, mit einem Worte, ohne Mund, und 
bringen alſo ihr ganzes Leben, ohne die allergeringſte Speiſe und Nah⸗ 
rung, zu. Sie kommen darinnen mit gewiſſen Arten von weiblichen 
Nachtfaltern überein, die ebenfalls ohne Mund find, und ohne alle 
Nahrung leben, auch, ohne je gefreſſen zu haben, ihr Leben endigen. 


Ich 


24 3 © 

Ich habe ſchon oben gemeldet, daß es von jeder Art Hafte Maͤnn⸗ 
gen und Weibgen gebe. Da nun, wo ein doppelt Geſchlechte iſt, die 
Vereinigung der natürliche Zweck iſt; fo werden wir von unſern Haf⸗ 
ten ein gleiches vermuthen duͤrfen. Zwar meynt Swammerdam, 
daß bey den Haften keine Paarung ſtatt habe; ſondern daß das Weib— 
gen ihre Eyer unbeſaamt und unbefruchtet fallen laſſe; das Maͤnngen 
aber dieſelben erſt auf dem Waſſer, und ſo befruchte, wie man es 
ehedem von den Fiſchen geſaget hat. Allein, Herr von Reaumur hat 
nicht nur gegen dieſe Meynung erhebliche Zweifel angefuͤhret; ſondern 
er hat auch die Sache dadurch voͤllig widerleget, da er verſichert, vers 
ſchiedenemal die Paarung mit Augen geſehen zu haben. Freylich, muß 
es ſehr geſchwind damit hergehen; und da dieſelbe noch uͤberdieß bey 
Nacht erfolget, ſo iſt es kein Wunder, daß fie Swammerd am übers 
ſehen hat, und daher auf jene Gedanken gerathen iſt. Indeſſen läßt 
ſich aus dieſer nothwendigen Paarung die Urſache angeben, warum 
dieſe Thiergen, jährlich nur einige Tage Schwarmweiſe, und gleiche 
ſam auf einmal mit einander ſichtbar werden, und die Luft erfuͤl⸗ 
len. Es geſchiehet darum, damit beyde Geſchlechter zugleich da ſeyn 
moͤgen, und damit, weil jedes Geſchlecht nur wenige Stunden lebt, 
es weder dem einen, noch dem andern, an einem Gatten zur Paarung 
fehlen möge, So genau hat die Natur dafuͤr geſorget, daß jedes 
Thiergen ſein Geſchlecht fortzupflanzen im Stande ſeyn moͤge! Hier, 
bey dem kurzen Lebenslaufe dieſer Thiere vervielfältiget fie die Gele⸗ 
genheit auf einmal, die ſie andern Thieren, bey ihrem laͤngern Leben, 
nur einzeln darbjethet. Wenn aber, wie wir unten hoͤren werden, 
außer dieſem Zwecke der Paarung, ploͤtzliche Hervorbrechungen unzaͤh⸗ 
liger Thiere in der Natur gefehehen ; fo ſteckt wohl eine andere Urfas 
che, namlich. nichts als der Mangel der Nahrung, darunter, der Diez 
ſe Thiere zwinget, auf einmal und in großen Heeren Ausbrüche und 
Fortwanderungen in andere Lande und Gegenden zu thun. 


/ Was 


. 25 


Was das Weibgen der Hafte anlanget, ſo ſcheinet daſſelbe blos 

zum Eyerlegen gemacht zu ſeyn. Es ſind dieſelben anfaͤnglich in dem 

Leibe verborgen. Giebt es dieſelben von ſich, ſo bemerket man unten 

am ſechſten Ringe zwo Oeffnungen, aus welchen ein Paar laͤnglich— 

runde gelbliche Koͤrper zum Vorſcheine kommen, die immer weiter 

und weiter herausdringen, und endlich abfallen (5). Es beſtehen dies 

fe Körper, wie Trauben, aus lauter runden Kügelgen , oder Koͤrner-⸗ 
gen, deren an jedem gegen 400 gezaͤhlet werden. Das Weibgen laͤſ⸗ 

ſet ſie ordentlicher Weiſe ins Waſſer fallen, und fo feſt die Koͤrner⸗ 

gen und Eyer außer dem Waſſer in jeder Traube zuſammenhalten; ſo 

geſchwind loͤſet das Waſſer die Trauben von einander, und die Koͤr— 
nergen ſondern ſich ab. Jedoch, es ſcheinen die Weibgen ſo gar klug 
und vorſichtig nicht, ſondern etwas dumm, zu ſeyn. Denn, da ſie, dem 
Zwecke gemäß, ihre Eyer nirgends als ins Waſſer ſollen fallen laſſen, 

ſo ſind ſie hingegen darinnen ſehr unbehutſam und unvorſichtig. Sie 
laſſen ſolche aller Orten hinfallen, wo fie eben zu der Zeit, da fie ſol— 
che von ſich zu geben gedrungen ſeyn, ſich befinden. Jedoch, da die 
Anzahl der Hafte jedesmal und jaͤhrlich ſo ausnehmend groß iſt, und 
jedes Weibgen gegen goo Eyer auf einmal leget; fo hat die Natur 
auf dieſe doppelte Weiſe dieſer Unvorſichtigkeit abgeholfen. Zu ge 
ſchweigen, daß, da dieſe Thiere ſich von den Waſſern nicht weit ent— 

fernen, die auf das Ufer fallende Eyer, auch gar leicht durch Regen, 

Wind, und andere Umſtaͤnde, in das Waſſer gebracht werden koͤn— 
nen, und alſo dieſe Eyer gleichwol nicht verlohren gehen. Ja, es 

laͤßt ſich eben aus dieſer ſo großen Menge Eyer, die jedes Weibgen 

auf einmal legt, begreifen, warum jährlich , ſonderlich in dem Jahre, 
wo alles, bis zur letzten Verwandelung, glücklich hergehet, die Hafte 
in ſo gar erſtaunlicher Menge zum Vorſcheine kommen. Und da die 
Eyer alle auf einmal geleget werden, ſo iſt auch nicht ſo gar wunder⸗ 

bar, daß dieſe Thiere, wenn ſie 1 gute Nahrung haben , auch 

8 8 D alle 

(0 Fig. VI. a. VII. was 1 


26 c 8 
alle Verwandlungen, wie ihr Anwachs zu einer Zeit erfolget, zuletzt 


auf einmal davon fliegen, und das alte Spiel der Natur durch eine 
neue Fortpflanzung erneuern. 


Nun iſt noch von der Lebensdauet der Hafte das Noͤthige beh⸗ 
zubringen. Es iſt dieſelbe, wie ſchon einigemal gedacht it, kürzer, als 
man vermuthen ſollte, und als dermalen noch, ſo viel ich mich erin⸗ 
nere, von irgend einem andern Inſecte bekannt iſt. Sie macht gar 
wenige Stunden aus. Swammerd am ſetzt dieſelbe auf 5 Stunden 
an; Herr von Reaumur aber kürzet fie noch mehr ab, und ſchrenket 
fie fo gar nur auf 2 Stunden ein. Man nehme aber an, welches man 
will; fo iſt gewiß dieſe Zeit vor ein Thiergen, daß, um in den Stand 
der Vollkommenheit zu kommen, 2 ganze Jahre zuvor unter dem 
Waſſer lebet, und ſich daſelbſt zu einem fliegenden Thiere anſchicken 
muß, kurz genug. Und noch unbegreiflicher ſcheinet es zu ſeyn, daß 
einem Thiergen, welches, nach obiger Anzeige, als Haft, ſo viel zu 
verrichten hat, eine ſo gar kurze Zeit geſetzet iſt. Wie viel findet ein 
Menſch, der feinen Verſtand üben und ſchaͤrfen will, hiebey zu über⸗ 
denken und zu betrachten vor ſich! 


Daß aber dieſe Hafte wirklich nur wenige Stunden leben, ud 
noch eher ſterben, als die Sonne aufgehet ; davon kann fich ein Jeder 
auf verſchiedene Weiſe überzeugen. Man ſammle, wenn ſie fliegen, 
eine Menge derſelben in ein Glas; ſo wird man des Morgens faſt alle 
todt finden. Haben fie bey Untergang der Sonne zu fliegen angefan- 
gen, ſo begebe man ſich nach Mitternacht auf das Waſſer; man wird 
daſſelbe von dieſen todten Thiergen, wie mit Schnee, überdeckt an⸗ 
treffen. Man ſuche endlich zu eben der Zeit die Gegenden an dem Waſ⸗ 
ſer durch; ſo werden ſie auch hier in Menge todt über einander liegen. 


Sterben aber alle dieſe Thiergen zugleich in einer Nacht; wo, 
moͤgte man fragen / kommen ſie denn hin, indem man des Morgens 
darauf 


sr ®© 227 
darauf wenige mehr von ihnen gewahr wird? Die Frage iſt leicht zu 
beantworten. Sie werden, ſo viel ihrer ins Waſſer fallen, ſogleich 
von den Fiſchen verzehret. Dieſen ſind ſie eine ſo angenehme Speiſe, 
daß fie die Fiſcher in Frankreich das Manna der Fiſche nennen, weil 
dieſe Hafte den Fiſchen, wie das Manna den Kindern Iſrael, gleich⸗ 
ſam vom Himmel regnen, und eine gute Nahrung ſind. Diejenigen 
Hafte aber, fo auſſerhalb dem Waſſer auf den Boden, oder ſonſt wo⸗ 
hin, fallen, werden, theils vom Winde, weil ſie ſehr leicht und zer— 
brechlich ſind, verſtiebet; theils von Thieren, ſonderlich von Voͤgeln, 
verzehret und aufgefreſſen, 


Dieſes ſey genug von der Geſchichte dieſer Thiergen, die, ſo lang 
fie im Waſſer leben, darum Uferaaſe heiſſen, weil fie am Ufer, in 
Loͤchern, wohnen, und den Fiſchen, erſtgedachtermaßen, ein gutes 
Aas, oder Fraß, ſind, auch von Fiſchern zum Fiſchfangen, als ein 
Aas, an die Angeln geſtecket werden; die aber, ſo bald ſie ſich fliegend 
aus dem Waſſer in die Luft begeben, deswegen Hafte genennet wer⸗ 
den, weil jie, nach Hollaͤndiſchen Beobachtungen, an den getheerten 
Schiffen ſehr haͤufig hangen, oder haften, bleiben ſollen. Im Latei⸗ 
niſchen heiſſen fie, Diaria, Ephemera, weil fie nur einen Tag, oder beſ⸗ 
fer, nicht einmal einen Tag, leben. Verſchiedene haben fie auch, je= 
doch uneigentlich, Hemerodius , benennet, Nach der Reaumuriſchen 
Abtheilung gehören fie unter die Fliegen mit 4. Fluͤgeln und einem 
langen Leibe. Und in der Linnaͤiſchen Eintheilung ſtehen ſie in 
der dritten Ordnung, naͤmlich unter denjenigen, die 4 geaͤderte Fluͤgel 
haben. Von dem innern Baue dieſer Thiergen kann ich nichts ſagen, 
weil ich fie dermalen nicht mehr in ſolcher Menge habe erhalten Füns 
nen, als zu dergleichen Zergliederung noͤthig iſt; dasjenige aber, ſo 
Swammerdam davon angemerket hat, ohne die Kupfer dabey zu ha—⸗ 
ben, wenig oder gar nicht verſtaͤndlich ſeyn wuͤrde. 


D 2 Was 


3 = ir =; | 
Was wird ſich nun aber von dem bisher geſagten auf dasjenige 
zueignen laſſen, was, wie im Eingange gemeldet worden iſt, ſich am 
Iten Auguſt zur Verwunderung vieler unſerer Innwohner begeben 
hat? Es wird zweifelsohne ein Jeder nunmehro ohne mich, und ſelbſt, 
von dieſer fo auſſerordentlich, fo ſeltſam und ahndungsvoll geſchienenen 
Begebenheit urtheilen koͤnnen. Wird er nicht überzeuget ſeyn, daß 
dieſelbe in Warheit nichts, als der gemeldte ordentliche, jährliche und 
gewoͤhnliche Flug der ebenbeſchriebenen fliegenden Uferaaſe, oder Haf⸗ 
te, und mithin alle davon hergenommene fuͤrchterliche Gedanken, und 
daraus gefolgerte betrübte Vorbedeutungen, nichts, als ein bloſſer Irr⸗ 
thum, blindes Vorurtheil, und eine leere Einbidung geweſen find. 
Selbſt unſere Fiſcher werden einen Jeden, der ſie fragen wird, deſſen 
belehren, als welche dieſes Schauſpiel jahrlich gegen Laurentius 
zu ſehen das Vergnügen haben; welche daher auch, wie oben geſagt 
iſt, dieſe Fliegen, wegen der Zeit ihrer Erſcheinung, Laurentiusflie⸗ 
gen heiſſen. Warum aber dieſe Hafte eben dießmalen ein ſo groſſes 
Aufſehen und Verwunderung verurſachet haben, daran iſt zweifelsohne 
zweyerley Schuld geweſen. Einmal, die furchtſamen Gedanken und 
Vorſtellungen, womit, in gegenwärtigen Zeitlaͤuften, faſt aller Gemüͤ⸗ 
ther eingenommen find, Da man auf alles, was man ſonſt gleichguͤl⸗ 
tig an⸗ und uͤberſehen hat, mehr aufmerket, und es genauer erwaͤget, 
ja auch manches wirklich mit ganz andern Augen anſiehet, und beur— 
theilet, als es ſonſt geſchehen iſt, da keine aͤuſſerliche Furcht und Be— 
ſorgniß vor Handen war. Ich koͤnnte dieſes mit unzähligen und be⸗ 
traͤchtlichen Exempeln erweiſen, und erlaͤutern, wenn hier der Ort dazu 
waͤre. So dann, kann auch damalen das am Himmel geftandene 
Donnerwetter, das ſtarke Blitzen, und der darauf erfolgte Sturm und 
Regen, vieles beygetragen haben, daß dieſe Zafte nicht nur ungewoͤhn⸗ 
licher Weiſe zuſammen gewehet worden ſind; ſondern, daß ſie auch auf 
der Bruͤcke, und in den Wohnungen der benachbarten Haͤuſer vor 
Wetter, Sturm und Regen eine Zuflucht geſucht haben, und eben hie— 
mit 


or © 29 


mit in ihrer fo groſſer Menge um fo fichtbarer worden find. Und weil 
vieleicht vorher niemals fo viele Leute, als itzo, dieſe Thiergen aufges 
fangen haben, fo ift ihnen auch dieſes obgemeldte Seltſame nie zu Ge 
ſichte kommen, da es bey der zwoten Haͤutung derſelben nicht anders 
ausſiehet, als ob ein Thier aus dem andern herauswuͤchſe, oder zwey 
auf einander ſäſſen; indem das untere Thiergen der Balg, oder abge⸗ 
ſteeifte Haut, das obere aber die ſich gehaͤutete eigentliche Fliege ift. 
So viel if gewiß, daß die am ııten des Auguſtmonathes fo häufig beob⸗ 


achteten Hafte nicht eher etwas Boͤſes werden zu bedeuten haben, bis 


zuvor erwieſen ſeyn wird, daß fie es jährlich bedeuten, weil fie jahrlich 
in groſſen Schwaͤrmen ihren Zug und Flug haben. 


Jedoch bey alle dem muß man dem gemeinen Manne auch Gerech⸗ | 


tigkeit wiederfahren laſſen, wenn er ſich, nach den gegenwärtigen Zeitz 
umſtaͤnden, von dieſen zum erſtenmale, und zwar in ſo gehaͤufter Anz 
zahl, erblickten Thiergen eine traurige und uͤbelbedeutende Vorſtellung 
gemacht hat. Vieleicht iſt ihm hiebey eingefallen, was ihm theils aus 
eigener Erfahrung, theils aus andern Erzählungen, von dem ſchaͤdli⸗ 
chen Zuͤgen, Fluͤgen, und uberhaupt ſchnellen und gehaͤuften Erſchei⸗ 
nungen gewiſſer Thiere, bewußt geweſen iſt. Vieleicht hat er von 
dieſen auf jene geſchloſſen; und wer kann ihm, ſo lang er nicht eines 
Beſſern belehret iſt, dieſerhalb etwas zur Laſt legen. Denn ſo gewiß 
die Hafte, nach der gegebenen Auskunft, in der Kürze ihres Lebens 
und der eiligſten Erfüllung ihrer Beſtimmung durch Begatten und 


Eyerlegen, und mithin, wegen ihrer in wenig Stunden bewirkten 


gaͤnzlichen Vollendung ihres Daſeyns, und Entzweckes, vor andern 
Thiergen etwas Beſonderes zum voraus haben; ſo haben gleichwol in 
dem Naturreiche ſehr viel andere Thiere dieſes mit ihnen gemein, daß 
ſie zu gewiſſen, oft ganz genau beſtimmten, Zeiten in groſſer Menge, 
ploͤtzlich und auf einmal hervorbrechen, und ſichtbar werden; Und es 
iſt faſt Feine Claſſe und Ordnung im Thierreiche, davon man nicht 
Exempel und Beyſpiele findet. 110 ſo gewiß es iſt, daß die haͤufige 

N 3 Er⸗ 


30 5 =; 


Erſcheinung der Hafte je und allezeit unſchuldig und unſchaͤdlich iſt; fo 
gewiß iſt es hingegen auch, daß ſich dieſes nicht von allen dergleichen 
haͤufigen und ploͤtzlichen Erſcheinungen anderer Thiere ſagen laͤßt. Wir 
muͤſſen es vielmehr umkehren, und geſtehen, daß allerdings die meiſten 
dem Menſchen ſchaͤdlich und fürchterlich, und nur ſehr wenige ihm voll— 
kommen nützlich find. Ich will zum Beſchluſſe dieſer meiner Abhand⸗ 
lung, und zu Benehmung der eingebildeten gar zu groſſen und uner⸗ 
hörten Seltenheit des bemerkten Vorfalles, die merkwuͤrdigſten dieſer 
Erſcheinungen und deren Beſchreibungen noch kurzlich anführen. 


Wer weis nicht, mit was vor eines Heeres Macht, und auf ein⸗ 
mal in ganz unzähligen Schaaren die Fugheuſchrecken aus Aegyp⸗ 
ten, aus der kleinen Tartarey, durch Pohlen und Ungarn hervor⸗ 
brechen, fo, daß fie den ganzen Himmel, wie eine ſchwarze Wolke ver— 
finſtern, und das ganze Land, wo ſie hinfallen, auch wohl Schuhe hoch, 
bedecken? Haben wir nicht ſelbſt in Deutſchland nur erſt im Jahre 
1749. die Vortrouppen dieſer Züge einrücken ſehen? Und wer kennet 
den unerſetzlichen Schaden nicht, den dieſe plögliche Hervorbrechungen 
einer ſo ungeheuren Menge Heuſchrecken auf einmal verurſachen? Sie 
verzehren und verderben nicht nur alles Getraide, alle Land⸗ und Gar⸗ 
tenfrüchte, alle Blätter, und dergleichen, in gar kurzer Zeit, und ma⸗ 
chen alles Land, wo ſie hinkommen, wuͤſt und oͤde; ſondern fie laſſen 
auch ſchaͤdliche Bruth nach ſich, und wenn ſie nichts mehr zu freſſen 
finden, fo füllen fie durch ihren Tod, und ſonſtigem Unrathe, die Luft 
mit faulen, ſtinkenden und ſchaͤdlichen Theilen an, und geben dadurch 
nicht ſelten wohl gar zu anſteckenden Seuchen den erſten Stoff und 
Anlaß. Laͤſſet ſich dieſer Schade wohl mit demjenigen Nutzen verglei⸗ 
chen, den man bis itzo dadurch von dieſen Heuſchrecken entdecket ha⸗ 
ben will, daß man einige Heerden Schweine damit gefüttert, und 
fett gemacht habe? 


Mit 


r 31 

Mit welch einer erſtaunlichen Geſchwindigkeit, und in weich ei⸗ 
ner unbeſchreiblichen Menge, um noch ein Exempel aus der Inſecten⸗ 
claſſe anzuführen, brechen nicht in Africa, ſonderlich in Congo, Ma⸗ 
tamba, Anagolla, und den benachbarten Koͤnigreichen und Inſuln, 
die Ameiſen hervor, fo, daß Menſchen, Vieh, und die wilden Thies 
re, vor ihnen ſich kaum zu retten wiſſen? Die Reiſebeſchreiber dieſer 
Länder (*) verſichern uns, daß es zweyerley Arten dieſer Zugameiſen 
gebe. Die eine Art ift groͤſſer, als die unſerige, welche, wenn fie aus⸗ 
ziehen, die Wege und Straſſen, wie eine unzaͤhlbare Armee, bedecken. 
Die andere Art iſt zwar nicht groͤſſer, als die unſerige, aber runder, 
und zugleich die gefaͤhrlichſte. Dieſe kleinen Ameſſen machen unter der 
Erde ordentliche bedeckte Gaͤnge, und dieſe in ſolcher Laͤnge und mit 
ſolcher Geſchwindigkeit, daß es unglaublich zu ſeyn ſcheinet. Oeffnen 
ſie nun einen ſolchen verdeckten Gang auf der Oberflaͤche der Erde ganz 
unvermuthet, ſo brechen ſie aus demſelben in wenigen Augenblicken, ſo 
erſtaunlich haufig und millionenweiſe hervor, daß fie die Haͤuſer und 
Gegenden über ein Zoll hoch, ja gar in den Zimmern der Haͤuſer einen 
halben Schuh hoch, zu liegen kommen. Den Schaden, fo dieſe Amei⸗ 
ſen verurſachen, iſt daraus abzunehmen, daß ſie alles, was ſie finden, 
nur Erz und Steine ausgenommen, in wenigen Stunden verzehren. 
Kleider, Hausrath, Holz, und alles, wie es ſonſt Nahmen haben 
mag, iſt vor ihnen nicht ſicher; ja ſelbſt Menſchen und Vieh fallen fie 
mit ſolcher Heftigkeit an, und freſſen ſie auf, daß fie kaum entfliehen 
können. Was noch mehr? Man hat groben Verbrechern gar eine 
Todesſtrafe daraus gemacht, dieſelben dieſen Ameiſen eben fo, wie 
die erften Chriſten den wilden Thieren, zum Freſſen vorzuwerfen; wel⸗ 


ches 


(0) P. Cavazzi deſeription des Royaumes de Congo, Anagolle & Metam- 
pa par Labat. Tom. I. p. 179. &c. Relation curieufe d'un Voyage de 
Congo du P. Michel- Ange & du P. Denys de Carlis par Labat. Tom. V. 


p. 189. Journal d' un Voyage de Lisbonne à P' isle de St. Thome, par La- 
bat. Tom. V. p. 394. ; : a 


„ % KR 


ches auch von ihnen faſt geſchwinder, als von dieſen, vollendet wird. 
Dieſe Zugameiſen kehren nie zuruck, ohne einen Greuel einer gaͤmzli⸗ 
chen Verwuͤſtung hinter ſich zu laſſen. Es haben auch die Einwohner 
dieſer Lande faſt kein anderes Mittel, ſich dieſer ungebethenen Gaͤſte 
zu entledigen, als alles liegen und ſtehen zu laſſen, und davon zu lau⸗ 
fen, ſo bald fie den Ausbruch eines ſolchen Ganges erblicken. Um 
ihre Haͤuſer machen fie rings umher Feuer oder einen Wall von heiß 
ſer Aſche, um die von auſſen hervoͤrbrechenden Thiere davon abzuhal⸗ 
ten. Eroͤffnen ſie aber unmittelbar in einem Hauſe ihren bedeckten 
Gang; ſo hilft nichts, als angezuͤndetes Reiſig, oder Stroh, ins 
Haus zu werfen, es anzubrennen, und davon zu laufen. Sie unter⸗ 
graben ganze Gebaͤnde, und dieſes fo unmerklich, und dabey ſo ploͤtz⸗ 
lich, daß man es kaum gewahr wird, wie ſolches die Herren Mißio⸗ 
narien an ihren Kirchen ſchon gar oft erfahren haben. Sie verzehren 
Holz und Be „ und das einzige Mittel, ſolchen Einhalt zu thun, 
iſt dieſes, das Holzwerk mit Salz z überſtreuen. 


In Japan () und in America (**) regieren die weiſſen Amei⸗ 
ſen fast auf eben die Art. Sie beſuchen manchmal alle Jahre, manch⸗ 
mal auch in längerer Zeit, die Häufer in unbeſchreiblicher 1 und 
freſſen alles, was ſie finden, zuſammen. d 


Ich komme von den Inſecten zu den bierfüßigen Thieren. Wer 
die Nordiſchen Geſchichtſchreiber (**%) gelefen, der wird wiſſen, in 


was 
(5) Kaͤmpfers Reiſe nach Japan. p. 139. a 
(**) Merian Diſſ. für les Inſectes de Surinam. p. 18. T. 18. Labat nou- 
ü veaux voyages aux isles de ! Amerique. T. I. Part. II. p. 103. Dampiers 
Reiſe, P. II. p. 479. Piſo hiftor, natur. utriusque Indie. p. 9. Hiſtoire 
de ' Academie des Sciences l' an 1701. p. 20. 
( Wormii Muſæum p. 321. Ej. hiſtoria animalis, quod in Norvvegia 
a nubibus decidit & fata ac gramina magno incolarum detrimento celerri- 
me depafeit. Olaus Magnus hift. Sept. Lib. XVIII. circa finem, Liane us 
Tom. II. der Koͤnigl. Schwediſchen Abhandlung. p. 27. 


u ES 25 
was bor entſetzlicher Menge, und auf einmal fo, als wenn fie von 
den Wolken herunter geregnet wuͤrden, die Nordiſchen Zugmäu- 
fe (Lömming) aus den Norwegiſchen und Lapplaͤndiſchen Gebürs 
gen, alle o und mehrere Jahre hervorbrechen; wie fie ſich in ges 
raden, etliche Ellen von einander entfernten, Linien, gegen den Boths 
niſchen Meerbuſen zu & oder 3 Ellen breite, und ein paar Finger 
tiefe, Pfade oder Bahnen machen; ihre Jungen in dem Maule mit 
ſich tragen, und alles Gras, Saat, Wurzeln, Heu, und was ſie 
antreffen, verzehren. Das Sonderbarſte iſt dabey noch dieſes, daß 
ſie in ihrem Zuge die einmal genommene gerade Linie auf keine Wei⸗ 
fe verlaſſen. Trift die Linie auf Dinge, die fie durchbohren koͤnnen, 
wie zum Exempel einen Heuſchober, ſo brechen fie eher durch dens 
ſelben, als daß ſie von der Linie abweichen ſollten. Trift die Linie 
auf harte Koͤrper, fo gehen fie entweder nach der geraden Linie Dies 
ſelben hinauf und hinuͤber; oder, wo fie ja um dieſelbe herumgehen, 
thun ſie es ſo, daß ſie vorn gerad wieder da die Linie anfangen, wo 
fie dieſelbe hinten bey dem Umwege verlaſſen haben. Stoͤßt die Li⸗ 
nie auf Menſchen, oder Vieh, ſo gehen fie nach derſelben ihnen ent— 
weder zwiſchen den Füßen durch, oder fie gehen gar Über fie weg. 
Und ſo beobachten ſie auch dieſe Linie ſelbſt über die breiteſten Seen 
hinuͤber. Wenn ſie aber endlich ſterben, und in den gemachten 
Pfaden odsr Bahnen in unzaͤhliger Menge liegen bleiben; ſo ſtecken 
ſie durch den verurſachenden faulen Geſtank die Luft alſo an, daß 
man in vorigen Zeiten allerhand aberglaͤubtſche Verſchwoͤrungen, und 
oͤffentliche Kirchengebethe, wider ſie lm Lande zu verordnen vor gut 
gefunden hat. Sollte aber vieleicht dieſer von dieſen Zugmaͤuſen 
perurſachete Schade den Landeseinwohnern dadurch gut gemacht 

E werden, 


26 Ze = 

werden, weil fie bey dergleichen Zügen eine gute Jagd zu hoffen 
haben, indem Baͤre, Fuͤchſe, Marder, Vielfraße und Hermes 
line, dieſen Maͤuſen in großer Menge nachfolgen, folglich auch haͤu⸗ 
figer, als ſonſt erleget werden koͤnnen? Uebrigens koͤnnen wir Deutz 
ſchen uns ſchon bey unſern Zugmaͤuſen, die meiſten angeführten Dins 
ge von den nordiſchen Zugmaͤuſen, im Kleinen vorſtellen. Kommen 
nicht auch dieſelben meiſt in 6, 8 und 10 Jahren zum Vorſcheine; 
ziehen ſie nicht ebenfalls von einem Lande zum andern; zehnten unſere 
unſere Erndte und Früchte ; ſetzen über Fluͤſſe, und verliehren ſich 
endlich? Jedoch habe ich wahrgenommen, daß ſich zwiſchen beyden 
Arten, ſonderlich dieſer Hauptunterſchied befindet, daß jene große 
Zugs und Bergmaus von Norden gegen Suden, dieſe aber von 
Mittag nach Mitternacht ihren Zug zu nehmen pfleget. 


Ich wende mich zu der Claſſe der Voͤgel. Ihre Züge und ploͤtz— 
lichen Erſcheinungen ſind ſo bekannt, daß Niemand daran zweifeln 
wird. Und ob ich gleich nicht der Meynung bin, daß fie fo weit ziee 
hen, als einige Schriftſteller ihnen auferleget haben; ſo ziehen ſie 
doch in ſehr großen Heeren durch die Luft, ſtreifen von einem be— 
nachbarten Lande zum andern, und find ſowohl nuͤtzlich, als auch oft 
ſehr ſchaͤdlich. Ich will von einem jeden dieſer zween Fälle nur ein 
einziges Beyſpiel anführen. Es iſt wahr, die, aus Aegypten uber 
den untern Theil Italiens jährlich zuruck ziehenden Wachteln brin⸗ 
gen dieſem Lande den Vortheil, daß deſſen Einwohner, dieſelben zu 
taufenden mit den Händen fangen koͤnnen, weil fie wegen des lan⸗ 
gen Fluges uber die mittelländifche See fo ermüdet ſind, daß ſie⸗ 

ſobald fie das Land erreichen, ganz kraftios auf die er ir 
en C). 


r 27 
len (5). Allein, ſchaden nicht hingegen die Züge der Xeisvoͤgel 
in Cuba und Carolina deſto mehr? Dieſe Voͤgel kommen zu An⸗ 
fang des Septembers gemeiniglich, und zwar nur die Sien, oder 
Weibgen, in ſo unzaͤhliger Menge und Schwarmweiſe an, daß ſie 
die noch zarten und milchigen Reiskoͤrner, zum groͤßten Schaden der 
Einwohner, und oͤfters die ganze Erndte auffreſſen. Sind ſie an 
einem Orte fertig, ſo gehen ſie weiter, und richten von Ort zu Ort 
den naͤmlichen Schaden an. Und damit fie ja recht viel freſſen koͤn⸗ 
nen, ſo haben ſie an dem hintern Theile des Halſes einen Kropf, 
oder eine Art von Magen, der ſonſt bey keinem andern Thiere in der 
Welt an dieſer Stelle angetroffen wird. Sollten wohl die weni— 
gen, die von dieſen Voͤgeln gefangen werden, und weil fie erſtaun— 
lich fett ſind, den Schaden erſetzen, den ſie der Reiserndte, jaͤhrlich 
und meiſtens von Lande zu Lande, im Creiſe herum, zufügen? (**) 


Bisher haben wir lauter, mehr ſchaͤdliche, als nuͤtzliche, Her— 
vorbrechungen und Erſcheinungen einer ungeheuren Menge Thiere 
geſehen. Ich will nun auch der blos nutzbaren gedenken. Wir 
treffen fie ſonderlich unter den Fiſchen an. Ich will nicht der Zu 
ge der Lachſe, und anderer Fiſche gedenken, die zu ıgemiffen Zei⸗ 

E 2 ten 


(*) Ray Vexiftence & la ſageſſe de Dieu. p. 148. Bellonius hift. 
des Oiſeaux. V. p. 165. Klein de auibus erraticis p. 180. in 
not. Zorn Petinologie, T. I. p. 428. Willugbbeii Ornicholo- 
gia. p. 122. 

() Catesby nat. hift, of Carolina, pag. 14. Seligmann Samm⸗ 
lung der Voͤgel. Tab. 28, Kleinius de auibus erratieis, p. 103. 
Willugbbeii Ornithologia in Append. p. 197. 


23 © 4 

ten aus dem Meere in die Flüffe , und von da wieder zurück gehen; 
ich will nur meine Leſer an den Heering erinnern. Wem iſt nicht 
bekannt, daß derſelbe zu gewiſſen Zeiten in unzaͤhligen Heeren aus— 
bricht, daher er auch ſeinen Namen erhalten hat; wie er um alle 
Ufer herum von Norden gegen Süden lange Züge macht, und das 
ſelbſt in unglaublicher Menge gefangen wird. Man leſe nur was 
Anderſohn (*), Jorgoͤrager (**), und Andere, davon geſchrie— 
ben haben; ſo wird man ſich richtige Begriffe machen koͤnnen, in 
was vor großen Vervielfaͤltigungen dieſe Fiſche auf einmal zum 
Vorſcheine kommen; als auf welche Schriftſteller ich mich, Kuͤrze 
halber, bezogen haben will. Nur dieſes muß ich hinzu thun, daß 
dieſe Erſcheinungen der Heeringe mit gar keinem Schaden für den 
Menſchen verknüpft, fondern für ihn die vortheilhafteſten find, 
Wiewohl er darf dieſe hereinbrechenden Heere auch nicht fo, wie die 
andern, ernaͤhren, welches bey allen vorigen die einzige Urſache ih⸗ 
res Schadens war; ſondern ſie ernaͤhren ſich felbft, 


Und hieben laſſe ich es bewenden, und gedenke nur noch fo viel, 
daß alle bisher angeführte Hervorbrechungen in der Natur, angezeigter— 
maßen, einen ganz andern Endzweck, als die bey den Haften, haben. 
Dieſe verewigen dadurch ihr Geſchlecht. Bey jenen aber werden 
die gar zu große und ſchon vorhandenen Vermehrungen durch neue . 
gusziehende, oder gleichſam wandernde, Voͤlkerſchaften verringert; 

der 


(7) Nachrichten von Ißland, Groͤnland und der Straſſe Davids, 
Seit. 70. ſeg. 


(**) Gröͤnlaͤndiſcher Wallfiſchfang und Fiſcherey. 


S % 29 
der Mangel der Nahrung treiber vermuthlich dergleichen Thiere an, 
neue Gegenden zu ſuchen, in welche ſie ſich denn in ſo ungeheuren 
Schaaren ausgieſſen; und dieß ſo lang, bis ſie an den Graͤnzen ihrer 
Auszüge mehr und mehr verringert werden, und endlich gänzlich 
umkommen, oder durch einen andern Weg zuruͤck kehren. Jedoch 
herrſchet zweifelsohne auch hierunter eine weiſe und guͤtige Vorſe— 
hung Gottes, die durch dergleichen nuͤtzlich wandernde Heere meh— 
rere und entfernte Voͤlker, in deren Lande und Graͤnzen fie auſſer 
ſolchen Zügen gewiß nicht kommen würden ernaͤhret; fie einem 
Volke nach dem andern zuſendet; und dadurch Gelegenheit giebt, 

daß ihrer deſto mehrere gefangen, genutzet, und damit der gar 
zu große Vorrath in der Natur vermindert werde, 


E 3 Erklaͤ⸗ 


. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Erklaͤrung der Kupfertafel. 


J. Vorſtellung der Röͤhrgen im Tbone oder in der Erde des Ufers, 
in welcher der Haftwurm lebet, und ſeine Nahrung findet. 
a. a. der Thon oder die Erde des Ufers. 
b. b. die Roͤhrgen gegen das Waſſer zu. 
c. c. die Roͤhrgen hinten in dem Thone oder der Erde. 
II. Ein Haftwurm in der Ruhe, und wie feine Kiefen dem Lei— 
be aufliegen. 
III. Ein Haftwurm mit ſeinen Kiefen, und wie ſolche in voller 
und beftändiger Bewegung. 
IV. Der Kopf des Haftwurms nach der Vergroͤßer ung. 
a. a. die großen netzfoͤrmigen Augen. 
b. b. die drey kleinern einfachen Augen. 
c. c. die Fuͤhlhoͤrner. 
V. Das Haftmanngen, 
VI. Das Haftweibgen, mit ſeinem doppelten Eyerſtocke. 
VII. Der Eyerſtock nach der Vergroͤßerung. 
VIII. Der Schwanz eines Haftmaͤnngens, nach der Vergroͤßerung. 


IX. X. Ein Haft, wie er ſich zum zweytenmale baͤutet. 
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VEREINE SCENE Je 408. Cd: 685 26885 8685 
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DROHEN SDR SDR SIEBEN) 


Steinmoosraupe. 


I derjenigen Raupe, welche ich iezt vor mir habe, ſo viel ich 
weis, von keinem Schriftſteller annoch gedacht worden iſt; 
fo hoffe ich den Inſectenfreunden, mit der Bekanntmachung 
ihrer Geſchichte, keinen unangenehmen Dienſt zu erweiſen. 


Ich nenne dieſe Raupen, nach dem Grte ihres Aufenthaltes, 
und nach der Pflanzenart, wovon fie lebet, Steinmoosraupe. 


Sie gehoͤret nach ihrer Groͤße, zu den kleinen; nach der Men⸗ 
ge und Länge ihrer Haare, zu den haarigen oder rauchen; und 
nach der Art, wie ſie, wenigstens bis zu ihrer Verwandelung, fels 
ten allein, ſondern allezeit mit mehrern zugleich, angetroffen wird, 
zu den geſelligen Raupenarten. 


Ich fand dieſer Raupen das erſtemal funfzehn beyeinander, und 
zwar oben auf dem Steine einer Feldmauer, ganz im Freyen, und 
wo ſie ſtark von der Sonne beſchienen wurden; und ich konnte nicht 
anders denken, als daß auch eine dererjenigen Pflanzen ihr Futter und 
ihre Nahrung ſeyn werde, die ich auf dieſer Mauer, und um dieſen 
Stein herum, antraf. Ich nahm alſo alle dieſe Raupen, nebſt 
den verſchiedenen dabey ſtehenden Pflanzen, mit mir nach Hauſe. 
Alleine meine Raupen vührten keine der vorgelegten Pflanzen an; 
ſondern kamen nach und nach durch Hunger ſaͤmtlich um. Und erſt 

5 im 


42 * = 


im folgenden Jahre lernte ich meinen Irrthum, in Anſehung des 
Aufenthaltes und Fraßes dieſer Raupen, kennen. 


Jetzo traf ich dieſelben in großer Menge an dem Fuße einer Gar⸗ 
tenmauer an, wo es etwas feuchte, und alles mit Graße fü ſtark ber 
wachſen und bedecket war, daß wenig und gar keine Sonne hin» 
durch dringen konnte. Nebſt dem ſaſſen dieſe Raupen ſaͤmtlich auf 
einem Steine, der mit derjenigen kleinen Moosart uüberwachſen war, 
die ſich, wie Sammet, über die Steine, ſonderlich an feuchten 
Orten, ausbreitet (*) Und als ich ein Vergroͤßerungsglas zu 
Hüuͤlfe nahm, ſahe ich dieſe Raupen wirklich von ſolchem Steinmoo⸗ 
ſe freſſen und ſich naͤhren. Ich nahm alſo dieſen Stein, mit dem 
darauf ſich befindenden Mooſe und Raupen, mit mir, und beſpreng⸗ 
te den Stein, um ihn feuchte und das Moss friſch zu erhalten, von 
Zeit zu Zeit mit Waſſer. Und auf dieſe Weiſe glückte mir es denn, 
dieſe Raupen bis zu ihrem Auswuchſe und ihrer Verwandelung beym 
Leben zu erhalten. 


Aus dieſer meiner Erfahrung und Behandelungsart erhellet von 
ſelbſt ſo viel, daß wer dieſe Steinmoosraupen ſicher finden, aufzie, 
hen und zur Verwandelung bringen will, fie nicht im Freyen, an 
trockenen Orten und wohin die Sonne kommen kann, ſondern an 
bedeckten, feuchten und ſchattigen Orten ſuchen, mit Steinmoos 
füttern , und Lezteres oft befeuchten muͤſſe. 


Ich komme zu der Geſchichte dieſer Raupe. Ich werde erſt 
von ihrem Raupenſtande, ſodann von ihrer Verwandelung, und 
endlich von dem aus ihr ſich entwickelnden Nachtfalter, dasjenige kuͤrz⸗ 
lich und nothdürftig beybringen, was ich diesfalls, beobachtet habe. 

Die 
(*) Fig. J. 


3 43 

Die Größe dieſer Steinmoosraupe befräget , wenn fie ausge⸗ 

wachſen, und ihrem Uebergange in den Puppenſtand, nahe ift, nicht 

mehr, als 34 Linie in der Länge, und hoͤchſtens 1 Linie in der Dicke, 

Pariſer Maaſes. Und dieſe unbetraͤchtliche Groͤße laͤſſet an dieſer 

Raupe, wenn man fie überhaupt und mit bloßen Augen anſiehet, 
nichts mehr, als nur folgendes Wenige, bemerken (D. 


Ihre Hauptfarbe iſt ſchmutzig weis, doch fo, daß dieſes Weiße 
bald mehr, bald weniger, ins Gruͤnliche ſpielet. Auf dem Ruͤcken 
luͤufet auf beyden Seiten ein ſcheinbarer geblicher Strich hinunter, 
und dergleichen, doch unmerklicher, gelblicher Strich erſcheinet auch 
auf den Seiten. Vornämlich aber iſt es ein ſchwarzbrauner faſt 
viereckiger Fleck auf dem Rücken und in der Mitten, der dieſe Rau, 
pen unterſcheidend machet. 


Will man aber die Geſtalt, Farbe und Unterfcheidungsftücke 
der Raupe näher , ganz genau und umſtaͤndlich, kennen lernen; fo 
muß man den Augen mit einem guten Vergroͤßerungsglaſe zu Hülfe 
kommen. Alsdenn erſt beobachtet man das Sonderbare und Eis 
gene, wodurch ſich dieſe Raupe von andern unterſcheidet. (*) 


Der Kopf dieſer Raupe iſt herzfoͤrmig, von gruͤnlichweiſſer 
Farbe, doch fo, daß ſowohl an bepden Seiten ein Paar runde hell- 
braune Flecken, in welchen ſich die Augen befinden, ſichtbar, als 
auch die meiſten Werkzeuge des Gebiſſes hellbrauner Farbe find, 


Der Leib, und deſſen zwoͤlf Ringe, ſind zwar, wie der Kopf, 
der Hauptfarbe nach gruͤnlichweiß: allein außerdem zeigen ſich 
mehrere bemerkungswuͤrdige Zeichnungen, Bildungen und Eigens 

aften an ihm. 
ſchaf h 8 2 ER 


() Pig. L 2. ( fig. II. 


44 N S Zu > 


Jeder Ring, den erſten ausgenommen, iſt, überhaupt bes 
trachtet, in der Mitten mit einem oder zween abgeſetzten und hinter⸗ 
einanderſtehenden ſchwarzbraunen Flecken gezeichnet, welche theils 
eine dreyeckige, theils rundliche, Geſtalt haben, auf beyden leztern Rin⸗ 
gen aber nur einen einfachen Strich ausmachen. Dieſe erſtgedach⸗ 
ten zween Flecken ſind auf dem ſiebenden Ringe groͤßer, als auf allen 
andern; ſie nehmen einen betraͤchtlichen Theil des ganzen Ringes 
ein, und ſehen wie ein paar ungleichſeitige Dreyecke aus, deren größer 
ſte Seite nach dem Kopfe und der Schwanzklappe gerichtet iſt, mit 
der obern Spitze aber ſich einander berühren und wie in einem Fle⸗ 
cken zuſammenlaufen. Und dieſer groͤßere Flecken auf dem ſieben⸗ 
den Ringe iſt der, deſſen ich ſchon als ein eigenes e 
ſtuck bey dieſen Raupen gedacht habe. . 


Vor und neben dieſen groͤßern Praun Stecken, in der Mitten, 
hat der Ruͤcken eine hellgelbliche Farbe, die dem bloßen Auge, wie 
ich oben gemeldet habe, als ein gelblicher a auf beyden Sei⸗ 
ten hinablaͤuft. 


Vornaͤmlich aber 1 bey dieſen Ranpen die Warzen oder 
knopfaͤhnlichen Erhoͤhungen und Suͤgelgen in Betrachtung, die 
auf jedem Ringe des Leibes ſichtbar ſind. 


Dieſer Warzen oder Knoͤpfe find auf jedem Ringe, den Ae 
ausgenommen, wo fie fo merklich nicht find , in allem ſechſe; naͤm⸗ 
lich drey auf jeder Seite neben den braunen Flecken in der Mitten. 
Und zwar ſtehet das eine Paar noch oben auf dem Ruͤcken, die ans 
dern zwey Paare aber auf den Seiten jedes Ringes. 


Jede Warze oder Knopf iſt mit mehr und wenigern, theils 
kleinern, theils groͤßern, erhabenen ſchwarzen Punkten überſäet, ſo 
daß 


8 45 


daß ich deren hin und wieder 6 und s gezaͤhlet habe; und find dieſe 
Punkte da am beſten zu ſehen und abzuzaͤhlen, wenn die Raupe bey 
ihrer Einſpinnung, wie ich ſeiner Zeit melden werde, ihre Haare 
verloren hat. 


Denn auf jedem dieſer ſchwarzen Punkte ſtehet ein bey nahe ſo 
langes Haar, als die Raupe ſelbſt lang iſt. Jedes Haar iſt ein— 
fach, und laͤuft von unten nach oben ſpitzig aus. Die Richtung 
dieſer Haare iſt zwar bey jedem theils gerade, theils umgebsgen; 
jedoch ſo, daß die auf dem Ruͤcken in der Mitten ſenkrecht, nach dem 
Kopfe und der Schwanzklappe zu, vor und hinterwaͤrts ſchraͤg, und am 
Kopfe und der Schwanzklappe wagrecht oder gerade vor ſich ſtehen; 
die aber, fo ſich an den Seiten befinden, find wagrecht, doch fo, daß 
die mittlern eine gerade, die übrigen aber nach dem Kopfe und der 
Schwanzklappe zu eine ſchraͤge Stellung haben. Da, wie ich eben 
angeführet habe, jede Warze oder Knopf 6 bis 8 ſolcher Haare 
hat, und dieſe Warzen auf allen zwölf Ringen zuſammengenom⸗ 
men gegen 72 oder 96 ausmachen, ſo laͤſſet ſich daraus die große 
Menge der Haare leicht abnehmen. Und eben dieſe Menge und 
Länge der Haare verurfachet es, daß dieſe Raupen ſehr ſchwer mit 
der Hand zu faſſen ſind. Sie machen die Raupe bey der gering— 
ſten Berührung ſchon von weitem empfindſam; da fie denn ſich, wie 
ein Igel, zuſammenrollen und herabfallen. 


Was die Fuͤße dieſer Raupen anbelanget, ſo ſind ſowohl die drey 
Paar ſpitzigen Vorderfüße, als die 4 Paar ſtumpfen Mittelfuͤße, wie 
die ganze Raupe, gruͤnlichweis. Jene befinden ſich, gewoͤhnlichermaſ— 
fen an den 3 erften Ringen, dieſe aber an dem öten, 7ten, gten, oten 
und leztem Ringe. Und wie jene in einen fcharfen hellbraunen 
Nagel auslaufen, ſo ſind dieſe mit einer Menge kleiner ebenfalls 


hellbraunen Haͤrgen beſetzet. f 
F 3 Dieſes 


46 r 
Dieſes waͤre denn die Farbe, Geſtalt und der Bau dieſer Rau⸗ 
pe, ohne und nach der Vergroͤßerung, in ihrem Kaupenſtande. 


Hat nun dieſe Raupe, nach bekannter mehrmaligen Haͤutung, 
ihre beſtimmte Groͤße erlanget und iſt voͤllig ausgewachſen; ſo ſchickt 
fie ſich zu ihrer Verwandelung, und zu ihrem Uebergange in den Pup⸗ 
penſtand, an. 


Sie waͤhlet, zu dieſer ihrer bevorſtehenden Veraͤnderung, jeden 
Ort und Stelle, wo ſie zulezt ſich befunden hat. Hier verfertiget 
ſie ein etwas zartes, durchſichtiges, ja kaum ſichtbares, eyrundes, 
unten flaches, oben und an den Seiten gewoͤlbtes, inwendig aber 
hohles, Geſpinnſte um ſich herum (*). Und hier iſt fie fo Fünftlich, 
um ihre Feinde, die Schlupfweſpen u. d., von ſich abzuhalten, daß 
ſie ihre Haare in dieſes Geſpinnſte dergeſtalt einzuweben weis, daß 
die Spitzen derſelben alle auswaͤrts, nach verfchiedenen Richtun⸗ 
gen, zu ſtehen kommen, und dieſem Geſpinnſte abermals die Ser 
ſtalt eines Igels geben. 


In dieſem Geſpinnſte bleibet fie einige Tage unveraͤndert lies 
gen, wird hierauf kurzer und dicker, und zulezt eyrund. Endlich 
ſpringt der Raupenbalg auf, wird unter mancherley Bewegungen 
abgeſtreifet, und die Puppe kommt zum Vorſcheine (**). 


Dieſe Puppe hat in der erſten Zeit einen ungemein ſchoͤnen 
Glanz. Die Farbe iſt gruͤnlichweis, und am obern Theile, wo der 
Kopf, die Fuͤhlhoͤrner und die Fluͤgel verborgen liegen, ſattgruͤn. 
Sie hat eine kegelartige Geſtalt, iſt ungemein zart, und bey nahe 
halbdurchſichtig. Dahero auch, ſonderlich in der leztern Zeit, wenn 
der Nachfalter ſeine Vollkommenheit in derſelben erreichet 1 95 

121) 7 


(0) Fig. I. b. CH) Fig. I. e. 


BES 47 


Kopf, die Augen, die Fuhlhoͤrner, die Flügel und die Füße ſehr 
deutlich durch die Puppe ſichtbar ſeyn. 


Es gehen ohngefaͤhr 14 Tage, oder auch wohl 3 Wochen, vor 
bey, ehe man an dieſer Puppe die geringſte Veraͤnderung gewahr 
wird. Alsdenn aber faͤnget das fattgrüne des Obertheils an zu ver— 
ſchießen, und wird endlich ganz braun. Und itzo iſt eben der Zeit— 
punet, wo in wenig Stunden die Puppe, da, wo der Kopf, die 
Fuͤhlhoͤrner und die Füße liegen, zerſpringt, und der Nachtfalter ſich 
aus derſelben entwickelt und zum Vorſcheine kommt. | 


So bald dieſer Nachtfalter feine Puppenhuͤlſe abgeleget hat; fo 
eilet er eine ſenkrechte Stellung zu nehmen; die Fluͤgel wachſen in 
die Laͤnge und Breite; halten ſich eine Zeitlang aufrecht aneinanderge— 
ſchloſſen; fallen aber endlich vollkommen ausgewachſen wieder aus⸗ 
einander, und nehmen ihre ordentliche Lage (*). 


Die Richtung diefer Flügel iſt, im Sitzen des Nachtfalters, 
mehr flach, als abhaͤngend, ſo, daß ſie das Mittel zwiſchen beyden 
vorſtellet. Nebſt dem bedecken die Oberflügel die Unterflügel ders 
geſtalt gaͤnzlich und vollkommen, daß von Leztern nicht das Mindeſte 
geſehen wird. Hingegen ſind in ſolchem ſitzenden und ruhenden Zu— 
ftande die zwey Paar erften Füge und die Fuͤhlhoͤrner ſichtbar, wel— 
che leztere jedoch den Flügeln anſchließen. 


Dieſer Nachtfalter, uͤberhaupt betrachtet, iſt ungemein zart, 
mattweißer Farbe, und hat einige blasſchwarze Zeichnungen und 
Punkte auf den Oberfluͤgeln. Vor dem Kopfe ſtehet ein Puͤſchel 
weißer Haare, neben demſelben die ebenfalls weiſſen, doch etwas 
ins Braune fallende borſtenaͤhnlichen Fuͤhlhoͤrner, und hinter den— 


8 ſelben 
(0 Fig. IL 


43 DES 
ſelben an den Seiten die ſchwarzbraunen Augen. Der Bruſt— 
ſchild ſowohl, als der Leib, iſt ebenfalls weiß, faͤllt jedoch etwas ins 
grüngelbe. 


Was nun aber die eigentliche Beſchaffenheit und Zeichnung der 
Flügel betrift, ſo bemerket man an ihnen Folgendes. | 


Die Dberflügel , im ſitzenden und ruhenden Zuſtande (*), 
ſchließen an der innern Seite genau zuſammen, haben geſchloſſen 
eine herzfoͤrmige Geſtalt, davon die Spitze dem Kopfe angegliedert 
iſt. Auf der mattweißen Oberflaͤche laufen in die Queere zween 
ſchlangenfoͤrmige zarte und blasſchwarze Striche, die an ihrem in⸗ 
nern und aͤußern Ende am breiteſten find; und außer welchen, ſo— 
wohl oben als unten, noch ein kleiner dritter und vierter ſchlangen— 
foͤrmiger blasſchwarzer Strich oder Flecken ſich zeiget. Zwiſchen 
jenen erſtgedachten zween Queerſtrichen, mehr dem aͤußern Fluͤgel— 
rande zu, als genau in der Mitten, ſtehet endlich auf jedem Fluͤgel 
noch ein ſchwarzer Punkt. 


Betrachtet man dieſen Nachtfalter im fliegenden Zuſtande und 
mit ausgebreiteten Fluͤgeln (**), ſo zeiget ſich zuerſt an den Ober— 
fluͤgeln, außer der erſtgedachten ſchwarz und braunen Zeichnung, 
noch Folgendes. Der aͤußere Winkel derſelben iſt ſtark gerundet, 
und die untere und innere Seite, fo wie ein Theil der äußern‘ Sei⸗ 
te, mit franzaͤhnlichen Haaren oder Federſaͤumen gezieret. Die 
Unterfluͤgel find ohne alle Zeichnung ſchmuzigweiß, etwas geaͤdert, 

und 


(7) Fig. III. (**) Fig IV 


S 49 
und am Rande, wie die Oberfluͤgel, mit Federn gefraͤnzet und ges 
ſaͤumet. Beyde Flügel aber find, wenn man fie ans Licht kehret, 
halbdurchſichtig. 


Maͤnngen und Weibgen dieſer Nachtfalter ſind durch nichts von 
einander verſchieden, als daß, wie insgemein, das Weibgen (*) 
einen ungleich dickern Leib hat, als das Maͤnngen (*). 


Die Eyer, welche das Weibgen, begattet und unbegattet, im 
freyen ſowohl, als angeftesft, leget, find weißlich und dem bloßen 
Auge kugelrund (**), 


Da man, wie obgedacht worden iſt, ſchon in den erſten war⸗ 
men Tagen des Aprils, ja oft ſchon im März, dieſe Raupen von vers 
ſchiedener Größe antriſt, und der Nachtfalter ſchon im May und 
Junius zum Vorſcheine kommt, ſich paaret, und das Weibgen ſeine 
Eyer leget, folglich noch früh im Jahre die zweyte Brut erſcheinet; 
ſo folget hieraus, daß auch der Nachtfalter zweymal des Jahres, 
einmal im Frühling und das anderemal im Herbſt, gefunden wird: 
und iſt ſehr wahrſcheinlich, daß ſowohl einige Nachtfalter, als einige 
Raupen und Puppen, den Winter über ſich zu verbergen und beym 
Leben zu erhalten wiſſen muͤſſen. Wie ſollten ſonſt Nachtfalter und 
Raupen gleich in den erſten warmen Tagen, und zwar leztere in 
verſchiedener Groͤße, zum Vorſcheine kommen? 


©) | Erklaͤ⸗ 


(5 Fig. III. () Fig. V. () Fig. III. a 


so f 
KESSEL ENTER 


Erklaͤrung der Kupfertafel. 


Fig. I. Die Steinmoosraupe in ihrem Raupenſtande, Verwande— 
lung zur puppe, auf einem mit Mooſe überwachſenen Steine, 


a. Die Raupe in ihrer natürlichen und aus gewachſenen Größe, 
b. Die Puppe in ihrem Geſpinnſte und ganz nahen Verwan— 
delung. 
c. Die Puppe, auſſer ihrem Geſpinnſte, nebſt dem abgeſtreif⸗ 
ten Naupenbalge. 
Fig. II. Die Steinmoosraupe, etwas vergrößert. 


Fig. III. Das Weibgen des Nachtfalters, in ſitzendem Zuſtande, mit 
f geſchloſſenen Fluͤgeln, und wie es feine Eyer leget. a. 


Fig. IV. Das Maͤnngen des Nachtfalters, im fliegenden Zuſtande 
mit vollig ausgebreiteten Flügeln, 


III. 


III. 
Der 
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Blatklkłafet. 


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Fluͤgelloſe Blattkaͤfer. 


ie Geſchichte desjenigen Blattkaͤfers, zu deſſen Bekanntma⸗ 

chung ich mich gegenwärtig anſchicke, iſt, außer dem We⸗ 

nigen, welches man davon beym Fabricius (*) und 
Geoffroi () lieſet, fo viel ich weis, noch voͤllig unbekannt; und 
nur beym Liſter (***) findet man eine Abbildung des Kaͤfers, ohne 
alle Beſchreibung. 


Ich nenne dieſen Kaͤfer den fluͤgelloſen Blattkaͤfer, weil er 
eines Theils der ordentlichen Flügel gänzlich beraubet iſt, und man 
unter deſſen Fluͤgelſcheiden auch nicht die geringſte Spuhr davon 
bemerket; und weil er andern Theils dem Baue, Geſtalt und Ei— 
genſchaften nach den Blattkaͤfern (Chryſomela) vollkommen gleich 
und aͤhnlich iſt. 


Gleich in den erſten und ſchoͤnen Tagen des Aprils, oft auch 
ſchon gegen Ende des Maͤrzens, findet man den Wurm, oder die Lars 
ve, dieſes Kaͤfers lauf dem weißen Megerkraut (), von welchem 
beyde ſich naͤhren und leben. 


8 
6 
> 


Dieſer 


(*) Syſt. Entomol. p. 94. 1. (1) Hiſtoire des Inſeftes. T. I. 
p. 265; 19. 1259 Lifter. mut. (T) Tab. I. Fig. II. 
Gallium album. Weiß Megerkraut. Weinmann T. 530. Unſer 
Frauen Bettſtroh, Wellſtroh Vutterſtiel. Le Caillelait blanc, 
Erhardt pflanzengeſch. a V. Seit, 22, Gallium Molago; 

3 


foliis 


34 S N 


Dieſer Wurm entſtehet aus einem walzenaͤhnlichen, 2 Linien 
langen und 3 breiten, oben und unten gerundeten, , gelblichrothen. 
Eye (*). Ich bin nie ſo ‚glücklich geweſen, eines dieſer Eyer auf 
dem vorgedachten Megerkraute zu finden, ob es gleich alle Wahr⸗ 
ſcheinlichkeit hat, daß das Weibgen felbige dahin legen muͤſſe. Und 
ob ich gleich eine Anzal Maͤnngen und Weibgen, zween und drey 
Monate lang, in einer Schachtel verſchloſſen und gefüttert habe; fo 
habe ich doch nie ein Ey weder auf dem Futter, noch in der Schach- 
tel, gefunden, ohnerachtet Maͤnngen und Weibgen faſt unausgeſetzt 
gepaaret fortgelebet haben. Ich habe alſo keinen andern Weg vor 
mir geſehen, als daß ich den Leib der Weibgen aufſchneiden muͤſſen. 
Und hier habe ich, nie mehr, noch weniger, als zwoͤlf Eyer ans 
getroffen. 


Der Wurm (), fo aus dieſem Eye feiner Zeit zum Vor⸗ 
ſcheine kommt, iſt überhaupt betrachtet, ſchoͤn glaͤnzender ſtahlgrü— 
ner Farbe, der Unterleib und Nachſchieber aber fleiſchfarbig. Er 
hat eine ſpindelfoͤrmige Geſtalt, einen Vergleichungsweiſe kleinen 
Kopf, und noch kleinere Fuͤhlhoͤrner, aber einen deſto laͤngern Nach— 
ſchieber. Und was den Leib betrift, ſo iſt derſelbige queer uͤber den 
Leib hin voller Falten und Einſchnitte; oben ſtark gewoͤlbet, unten 
aber etwas flacher. Den erſten drey Ringen ſind die drey Paar 
Füße angegliedert; die drey und vier leztern Ringe aber machen den 
Nachſchieber aus, welcher eine kegelfoͤrmige Geſtalt hat, und in 
Vergleichung mit dem Leibe, ſehr ſchmal iſt. Wenn man den 
Wurm auf eine Seite leget, ſo hat er oben die Geſtalt eines flat» 

0 ken 


foliis o&tonis, ouato linearibus , ſubſerratis, patbttöltende muero- 
natis; caule flaccido , ramis patentibus. Linn. Syſt. Nat. T. II. 
P. 118. n. 14. 


(*) Tab. II. Fig. VI. () Tab. I. Fig. I. II. 


„ u 55 


ken Cirkelſchnittes, und unten ſiehet man auf den gewoͤhnlichen Rin— 
gen die Luftloͤcher. 


Inm Kriechen iſt der Wurm ſehr ſchwer, unbehuͤlflich und lang— 
ſam; doch weis er ſich mit feinen 6 Füßen und dem Nachſchieber, 
welchen er alsdenn hinter ſich weit ausſtrecket, ſehr feſt zu halten 
und fortzuhelfen. 


Betrachtet man den Wurm nach ſeinen einzeln Theilen, und 
nimmt hin und wieder ein Vergroͤßerungsglas zu Hülfe, ſo wird an 
ihm Folgendes ſichtbar und bemerklich. 


Der Kopf iſt oben und an den Seiten gerundet, lederartig, zart, 
gedippelt, und in der Mitten ſiehet man einen laͤngs herabgehenden 
etwas vertieften Strich, der dieſen Kopf gleichſam in zween Theile 
abtheilet, und welchem Striche, von der Mitten nach vorn zu, noch 
ein paar ſchraͤge Striche angeſetzet ſind, die ein gleichſeitiges Drey— 
eck, deſſen Spitze nach hinten zu gekehret iſt, vorſtellen. 


An jeder Seiten dieſes Kopfes, faſt in der Mitten, erblicket 
man, unter einer ſtarken Vergroͤßerung, vier gewoͤlbte hellglaͤnzende 
ſchwarze Hügelgen, oder Punkte, welche in einem Vierecke von ein— 
ander abſtehen, und ohnlaͤugbar einfache Augen ſind. Ja mir iſt 
vorgekommen, als wenn auf jeder Seite noch 2 andere dergleichen 
Punkte oder Augen ſich befaͤnden. 


Unter dieſen Augen ſtehen die Fuͤhlhoͤrner (*). Sie find klein, 
borſtenaͤhnlich und ſchraͤger Richtung. Sie haben vier Gelenke, 
die von unten nach oben immer ſchmaͤler werden, und das lezte 


in eine ſtumpfe Spitze auslaͤuft. 
5 Unter 


C*) Tab. I. Fig: III. () Tab. I. Fig, III. b. b. 


56 Su 2; 


unter der Mundklappe befinden ſich die zween Zähne, welche 
eine keilfoͤrmige Geſtalt haben, vorn vierfach eingeſchnitten find (D, 
und ſich mit dieſen Einſchnitten veſt aneinander ſchließen. 


Endlich befinden ſich an dieſem Kopfe noch die vier, ebenfalls 
Afach gegliederten, Freßſpitzen, von welchen die größern an den Sei⸗ 
ten, die kleinern aber unten, ſtehen (*). 


Nach dem Kopfe folget der Leib, welcher durch einen haͤutigen 
fleiſchfarbigen Hals mit demſelben verbunden iſt. 


Der Leib ſelbſt beſtehet aus zwoͤlf Ringen, die vorn und hinten 
am ſchmaͤleſten, in der Mitten aber am breiteſten ſind, ſo, daß, wenn 
bey den Weibgen von der groͤßern Art, der erſte Ring drey Linien, 
und der lezte nicht gar eine Linie betraͤget, der mittelfte über 4 und 
5 Linien ausmachet. g 


Der erſte Ring hat keinen Queereinſchnitt oder Falte, und ſtel⸗ 
let eine Art Bruſtſchildes vor, welcher vorn, hinten und an den 
Seiten einen Saum hat. Und gleichwie ihm die erſten Paar Füße 
unten angegliedert ſind, alſo befindet ſich hinter denſelben auch das 
erſte Luſtloch. Alle übrigen Ringe des Leibes, die drey leztern aus⸗ 
genommen, haben in der Mitten einen vertieften Queerſchnitt oder 
Falte, dergleichen kleine und eingedrückte Falten man auch an den 
Seiten dieſer Ringe gewahr wird, und welche zuſammen eben die 
Urſache ſind, daß der Wurm ganz gefalten und runzlicht ausſiehet, 
auch ſich, wenn man ihn anruͤhret, ganz krumm und buckelicht zus 
ſammenziehen kann. 


An 
(*) Tab. I. Fig. III. a. 2. Fig. IV. (*) Fig. III. c. 


#8 57 

An dem zweyten und dritten Ringe befinden ſich die Mittel- und 

Hinterfuͤße; hingegen mangelt beyden das Luftloch, welches an dem 

vierten bis zehenden Ring auf beyden Seiten befindlich iſt, eine 

eyrunde Geſtalt hat, und welches der Wurm, wenn er ſich zur 

ſammenziehet, unter den Falten verbergen und mit denſelben gänze 
lich bedecken kann. 


Der lezte Ring läuft in ein paar fleiſchige ſußaͤhnliche Warzen 
aus, dergleichen man bey ſtarkem Drucken des Wurmes auch un— 
ten an den übrigen Ringen gewahr wird, und die dem Wurme 
beym Kriechen, ftatt der Füße, dienen und behülflich find, 


Leget man den Wurm auf den Nuͤcken, ſo iſt der ganze Uns 
terleib fleiſchfarben, voller Falten, Erhöhungen und Vertiefungen. 


Was aber endlich die eigentlichen Fuße (*) ſelbſt betrift, ſo 
beſtehet jeder aus 3 Gelenken. Das erſte Gelenke (**) iſt kegel⸗ 
ahnlich, haͤutig und fleiſchfarben; das zweyte (***) ift beynahe 
walzenfoͤrmig, oben ſtahlgruͤn, und unten fleiſchfarbig; das drit— 
te (T) umgekehrt kegelaͤhnlich, oben ebenfalls ſtahlgruͤn, unten 
aber fleiſchfarbig, welches zulezt in einen krummen ſchwarzgruͤnen 
Nagel (I.) auslaͤuft— 


Wenn die itzt beſchriebenen Wuͤrmer voͤllig ausgewachſen ſind, 
ſo kann man es an ihrer verſchiedenen Groͤße ſchon vorherſagen, aus 
welchen ein Maͤnngen, und aus welchen ein Weibgen, hervorkom— 
men wird, denn jene ſind allezeit ungleich kleiner, als dieſe. 


Ich komme zur Verwandelung dieſer Würmer in Käfer. Und 
hiezu bereitet ſich der voͤllig ausgewachſene Wurm auf folgende 
Weiſe. 

Er 


(*) Tab. I. Fig. IV. (4) a ( b. (T) c. (T1) d. 


58 * 8 
Er kriechet unter die Erde, machet ſich in derſelben eine runde 
Hoͤhlung, und überziehet fie innwendig mit einem garnaͤhnlichen 
weiten Geſpinnſte, in welchem er einige Tage gekrümmet und zus 
ſammengezogen liegen bleibet (“). Alsdenn leget er ſeine Wurmhaut 
ab, und wird zur Puppe (**). 


Dieſe Puppe iſt ganz und gar fleiſchfarbig. Leget man ſie auf 
den Rücken (***), fo iſt der Kopf des kuͤnftigen Kaͤfers ſtark unter 
den Bruſtſchild gebogen; die Füße find zuſammengelegt; über und nee 
ben dem zwey erſten Paare die Fuͤhlhoͤrner; und über dem lezten Paa⸗ 
re die Flügeldecken, ſehr deutlich zu ſehen. Leget man aber dieſe 
Puppe auf den Bauch (1), fo erſcheinet oben der gerundete und 
geſaͤumte Bruſtſchild; neben welchem die Fuͤhlhoͤrner uber dem 
darunter ſich befindenden zwey erſten Paare Fuͤßen, herabliegen; 
binter ihnen find die Fluͤgeldecken ſichtbar, und nach dieſen der ges 
ringelte und gefaltete Leib, mit dem lezten Paar Füßen. Auch ſie⸗ 
het man an den Seiten die kuͤnftigen Luftloͤcher. 


Wie lange dieſe Puppe dauert, ehe ſie zerplatzet und der Kaͤ— 
fer hervorkommt, kann ich nicht beſtimmen; indem es mir nie ge⸗ 
lingen wollen, diesfalls die noͤthigen Beobachtungen machen zu 
koͤnnen. 

Ich wende mich alſo zu dem Kaͤfer ſelbſt, und werden meine 
Bemerkungen nicht nur ihn (FT), fondern auch ein Paar andere 
Inſecten betreffen; davon ich das eine, ſtatt dem Kaͤfer, in der 
Puppe gefunden habe (Tf), das andere aber eine dieſem Käfer ei— 
gene Milbe (J) zu ſeyn ſcheinet. 

Es kommt dieſer Käfer bey den Schriftſtellern unter mancher» 
ley Benennungen vor; von welchen ich nur folgender gedenken will. 

Chryfo- 
(* Tab. I. Fig. VI. (“) Fig. VII VII. (***) Tab. I. Fig. 


VU. (I) Fig. VIII. (T) Tab. U. Fig- I. II. III. (TTT) Fig. 
VII. VIII IX. (J) Fig. X. 


S Zu; 59 


Chryfomela tenebricoſa. C. ouata, aptera, atra, antennis pedi- 
busque violaceis. Fabric. Syſt. Entom. p. 94. n. I. 
Chryfomela atro - purpurea, elytris coadunatis, alis nullis. 
Geoffroi Hiſtoire des Inſectes. Tom. I. p. 265. n. I. 
Tenebrio laeuigatus. T. apterus, niger, laeuis, elytris laeuibus, 
thorace lunato, fubtus caeruleus. Linn. Sylt. Nat. Tom. I. 
p. 678. n. 29. - 
Chryfomela tricefima prima. Schaeff. Icon. Infed. Tab. CXXXVL. 
Fig. I. Element. entomol, Tab. I. Fig. VI. 
Curyſomela groſſa, ouata, atra, ſubtus violacea ; tarfis fpongiofis, 
ſubtus fufeis, Müller. Prodrom. Zool. Dan. p. gf. ſp. 875. 


Dieſer Käfer iſt unter den Blattkaͤfern in Europa der groͤßeſte: 
indem die Weibgen vom Kopfe bis ans Ende der Fluͤgeldecken 
nicht ſelten 9 Linien und noch darüber lang find die ſtaͤrkeſte Brei— 
te aber des Hinterleibes und der Flügeldecken 6 Linien ausmachet. 
Jedoch find die Maͤnngen (*) nicht nur allezeit um die Hälfte und 
drunter kleiner, als die Weibgen (**); ſondern man trift auch unter 
Maͤnngen und Weibgen oft einige ſo ſtark abweichend klein an, daß 
man ſie vor eine eigene Gattung zu halten oft verleitet werden moͤgte. 


Es lebet dieſer Käfer ſo, wie deſſen Wurm, von dem weißen 
Megerkraute. Er iſt im Kriechen ſehr träge, langſam und unbe⸗ 
hülflich; ſtreckt alsdenn feine Fühlhoͤrner gerade, doch alſo ſchraͤg von 
ſich, daß fie einem unten abgeſtutzten V nicht unaͤhnlich find (** Y. 
Wenn man ihn anrühret; fo laͤſſet er aus dem Maule einen bluts 
rothen Saft von ſich: um, nach Art anderer Inſecten, feinen Feine 
den dadurch Furcht einzujagen und ſie von ſich abzuhalten. 


Siehet man den Kaͤfer uͤberhaupt an, ſo iſt ſeine Farbe ein⸗ 
fach; nämlich ſchwarz, doch mit dem Unterſcheide, daß die Füge, 
H 2 Fuͤhl⸗ 

(*) Tab. Il. Fig. I. (*) fig. II. III. (e) b. b. 


Fuͤhlhoͤrner und Unterleib mehr und weniger ins violete oder ſtahl⸗ 
grüne ſpielen, welches in der Sonne am ſichtbarſten iſt. Der 
Kopf (*), Bruſtſchild und die Fluͤgeldecken (**), ſcheinen ih⸗ 
rem Glanze nach glatt und wie polirt zu ſeyn; unter der Ver— 
groͤßerung aber ſind ſie zart gedippelt und die beyden leztern mit ei⸗ 
nem ſehr ſchmalen Saume verſehen. Unten befinden ſich an dem 
Bruſtſchilde die zween Paar Vorderfüße (“*), und an den beyden 
erſten Ringen des Unterleibes die Mittel- und Hinterfüße (5). 

Ich will nun jede einzelne Theile dieſes Kaͤfers näher anzeigen. 

Der Ropf HT) iſt, im Vergleiche des ganzen Käfers, klein, 
oben gewoͤlbet, vorn abgeſchnikten, und ſteckt hinten ſehr ſtark in 
dem Bruſtſchilde. An den Seiten, hinter den Fuͤhlhoͤrnern, ſtehen 
die netzfoͤrmigen, oder zuſammengeſetzten, Augen, welche earöpmig 
und braͤunlicht ſind. 


Die Suͤhlhoͤrner (1) ſtehen vor den eben gedachten Augen, 
Sie ſind, im Ganzen genommen, fadenaͤhnlich, das iſt, dem bloßen 
Auge vom Grunde bis zur Spitze gleich dick. Wenn man ſie aber 
genau, und ſonderlich unter der Vergroͤßerung anſiehet, fo find 
fie käulfoͤrmig, das iſt, am Grunde am dünneften und an der 
Spitze am dickeſten. Sie beſtehen aus 12 Gliedern oder Ge⸗ 
lenken. Das erſte Glied iſt das kleineſte, rundlich und wenig 
ſichtbar. Das folgende Glied iſt das groͤßeſte oder dickeſte unter 
allen, und hat eine eyfoͤrmige Geſtalt. Darauf folgen 10 andere 
Glieder, die von unten nach oben im Durchſchnitte zunehmen. Je— 
des ſtellet einen umgekehrten Kegel vor, und an deſſen Seiten ſich 
links und rechts eine Dornenſpitze befindet. Das oberſte und lezte 
Glied iſt größer und länger, als die vorhergehenden nenne, pyrami⸗ 
denfoͤrmig, und ſtumpf sugefpiter, © 

er 


) Tab. HI. Fig. II. a ((If, (än se, (Didee 
(TT Fig. II. III. a. (TTT) Fig. II. III. b. b. 


S * 61 

Der Mund iſt mit einer obern und untern Klappe, wie mit 
Lippen verſehen, zwiſchen welchen die 2 krummgebogenen und vorn 
dreyfach eingeſchnittenen Zähne, und unter denſelben die dreyfach ge— 
gliederten Freßſpitzen ſich befinden. 

Der Bruſtſchilò iſt unten und oben ſtark gewoͤlbet, vorne hohl 
ausgeſchnitten, an den Seiten gerundet, hinten gerade abgeſchnit— 
ten, um und um aber zart geſaͤumet. 

Dieſer Bruſtſchild iſt mit dem Hinterlelbe durch eine fleiſchfar⸗ 
bene Haut, die ſich unten am ſichtbarſten zeiget, verbunden. Weil 
aber dieſer Hinterleib unter den Fluͤgeldecken dergeſtalt verborgen 
lieget, daß das Obere deſſelben nur alsdenn erſt geſehen wird, wenn 
dieſe abgebrochen ſind, ſo will ich auch von dieſen zuerſt reden. 

Dieſe Fluͤgeldecken (“) haben foͤrderſamſt mit einigen andern 
Kaͤferarten dieſes Beſondere, daß ſie zuſammengewachſen, und nur 
aus einem Stücke zu beſtehen ſcheinen, wenigſtens nicht anders als 
mit großer Gewalt koͤnnen von einander gebracht werden; alsdenn 
aber zeiget es ſich gleichwol, daß fie nicht ſowohl zuſammengewach— 
ſen ſind, als nur auf das feſteſte an einander ſchließen. Sie ſind, 
geſchloſſener, oben gewoͤlbet, vorne gerad abgeſchnitten, laufen 
Tegelartig nach hinten zu und endlich in eine ſtumpfe Spitze aus. 
Vor dieſen Flügeldecken, juft in der Mitten, befindet ſich das 
Schildlein, welches ein gleichſeitiges Dreyeck vorſtellet, deſſen Spitze 
nach hinten zu gekehret iſt. 

Sind die nur erſtgedachten Fluͤgeldecken abgebrochen, fo wird 
nun der Hinterleib, und zwar das Obere derſelben, erſt ſichtbar. 
Er iſt mit keinen eigentlichen Fluͤgeln überdecket, denn dieſe fehlen 
dieſen Kaͤfern ganzlich. Er zeiget ſich alſo ganz blos und gleichfam 
nacket. Er iſt aus 7 Ringen zuſammengeſetzt, die oben alle gelb⸗ 
lich, haͤutig, runzlicht, an den Seiten gefalten und mit Luftloͤchern 
verſehen ſind. 

Ganz anders zeiget ſich dieſer Hinkerleib von unten. Hier iſt 
er hornartig, hart und ſchwarzblau oder ſtahlblau Auch hier zaͤhlet 
man 7 Ringe, davon der erſte 5 0 doppelt ſo groß ſind, als 

5 f je 


(*) Tab. IL Fig. I. III. f. f. 


62: > 8 
die folgenden fuͤnfe, wie denn auch jenen die Mittel⸗(*) und diefen 
die Hinterfuͤße (**) angegliedert find. 

Jeder dieſer ſechs Fuͤße beſtehet aus drey Theilen. Der Schen⸗ 
kel iſt durch ein beſonders kugelaͤhnliches, und nach allen Seiten be» 
wegliches, Gelenke angegliedert, hat einen dünnen Anfang, wird hiere 
auf immer dicker, und wird zulezt walzenaͤhnlich und oben gerundet. 
Das Schienbein iſt ungleich ſchmaͤler, als der Schenkel, iſt um⸗ 
gekehrt kegelich, und laͤuft in ein Paar ſtumpfe Hinterſpitzen aus. 
Endlich hat der eigentliche Fuß drey herzfoͤrmige, breite und unten 
mit hellbraunen Haaren ungemein ſtark gefütterte Gelenke, auf tele 
che ein viertes kegelaͤhnliches Gelenke mit krummen Haaken folget. 

Wenn man dieſe Käfer, nachdem man die Fluͤgeldecken abge⸗ 
brochen hat, an dem Hinterleibe ſtark druͤcket, fo kommt nicht nur 
der Maſtdarm (***), ſondern auch an Maͤnngen und Weibgen 
diejenigen Werkzeuge zum Vorſcheine, die ihnen zur Fortpflanzung 
eigen um (T). Und dieſes mag denn von der Geſchichte dieſes Kaͤfers 
genug ſeyn. 5 PER TER 

Nur kann ich nicht umhin noch zweyer Inſeeten zu gedenken; des 
ren eines dieſen Kaͤfern zur Plage, und das andere deſſen Wuͤrmern 
ihr Verderben iſt. 215 

Jenes iſt eine Art Milben, die dem Hinterleibe dieſer Kaͤfer 
unter den Fluͤgeldecken, oder auch den Fluͤgeldecken ſelbſt, auffigen. 
Sie ſind dem bloßen Auge kaum ſichtbar, und ſehen, wenn ſie auf 
den ſchwarzen Fluͤgeldecken kriechen, wie zarte weiße Punkte aus (T1). 
Bringt man ſie aber unter die Vergroͤßerung, ſo haben ſie eine ungleich 
runde Geſtalt, find mattweißer Farbe, mit einem Ruͤſſel (T T /zwey 
Augen, 8 Füßen (J), und ſonderlich hinten mit 4 vorzüglich 
langen Haaren verſehen. Ich habe dieſer Milben bey manchen Kür 
fern 10 und mehrere gezaͤhlet. ; har 

Was aber die Feinde dieſes Käferwurms betrift, ſo iſt dieſes 
unter andern eine Art Fliegen, deren Dattel (JJ) und in derſelben 
die noch unvollkommene Fliege (11.1) ich bey mehrern dieſer Kaͤfer⸗ 
wuͤrmer gefunden habe. R 

Erklaͤ⸗ 


- (*) Tab. H. Fig. In. d. d. (% e. e. (5) Fig. V. b. (T) Fig. 
V. e. d, VI. c. c. (H 1) Fig. III. g. (T 1 ) Fig. X. a. CI) Fig. 
X. b. (JJ) Tab. II. Fig. VII. (I4 J) Tab. II. Fig. VIII. IX. 


Fig. 


iFg. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


S 7 82 63 
Erklärung der Kupfertafel. 
Erſte Tafel. 


1. Der Kaͤferwurm eines Weibgens, in natürlicher Groͤße nach 
der zweyten Haͤutung; oder eines Maͤnngen, ausgewachſen. 
II. Der Kaͤferwurm eines Weibgen vollkommen ausgewachſen. 
Dieſer und der vorige auf ſeinem bluhenden Nahrungskraute ſitzend 
und kriechend. a 
III. Der vergrößerte Kopf des Kaͤferwurms. 

a. a. Das Maul mit feinen Zähnen, 

b. b. Die Fuͤhlhoͤrner. 

c. Die Freßſpitzen. 
IV. Ein vergrößerter Zahn des Kaͤferwurms. 


V. Ein vergrößerter Fuß des Kaͤferwurms. 
2. Das Dickbein oder Schenkel. 
b. Das Schienbein. 
c. Der eigentliche Fuß. 
d. Der krumme Haacken des eigentlichen Fußes. 


VI. Der in ſeinem Geſpinnſte liegende, gekruͤmmke und zur 
Verwandelung ſich anſchickende Kaͤferwurm. 


Fig. VII. VIII. Die Puppe oder die Dattel des Kaͤferwurms von der 


Fig. 
Fig. 


Bauch- und Ruͤckenſeite. 


Zweyte Tafel. 
J. Ein Maͤnngen des Blattkaͤfers. 


II, Ein Weibgen des Blattkaͤfers. 

2. Der Kopf. 

bb Die Fuͤhlboͤrner. 
c. c. Die Vorderfuͤße. 
d. d. Die Mittelfuͤße. 
c. e. Die Hinterfüße, 
f. f. Die Flügeldecke. 

Fig. III. 


64 
Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 


r 


III. 1 Das vorige Weibgen des Blattkäfers, auf dem Nuͤcken lie⸗ 
gend. 

a. Der Kopf. 

b. b. Die Füblhörner. 

c. c. Die Vorderfuͤße. 

d. d. Die Mittelfuͤße. 

e. e. Die Hinterfuͤße. 

Die Fluͤgeldecke. 

g. Weiße Milben auf der Fluͤgeldecke. 
IV. Der lezte Ning des Hinterleibes eines Weihgens, mit dem 
herausgedruͤckten Maſtdarme und Geburthstheilen. 

a. a. Der lezte Ring des Hinterleibes. 

b. Der Maſtdarm. 

c. d. Die Geburthstheile. 
V. Der lezte Ring des Hinterleibes eines Maͤnngens, mit dem 
berausgedruͤckten Maſtdarme und ee een 

a. a. Der lezte Ring des Hinterleibes. 

b. Der Maſtdarm. 

c. d. Die Zeugungsglieder. 
VI. Die Eyer, in natürlicher Groͤße. 
VII. Die Dattel eines Fliegeuwurms, ſo im Leibe des Kaͤfer⸗ 
wurms gefunden worden. 
VIII. IX. Die unvollkommene Fliege aus voriger Dattel. 
X. Eine vergrößerte Milde dergleichen unter der Fluͤgeldecke 
des Kaͤfers gefunden werden. 

a. Der Riffel. 

b. b. b. Die acht Füße. 


rn 188 ee 


IV. 


IV, 
Der 


Blaſehblattkaͤfet. 


FRARTEREREARIERERT 
anuppsnonmmmig 
VEEBEDTELELLEUNUEUN 


Der 


Blaſenblattkaͤfer. 


uch die Geſchichte dieſes Kaͤfers iſt, ſo viel ich mich erinnere, 
wie des vorigen, noch gaͤnzlich unbekannt, und darf da— 
hero hoffen, daß auch dieſe den Inſeetenkennern willkom⸗ 
men ſeyn werde. 


Ich nenne dieſen Käfer den Blaſenblattkaͤfer, weil der Wurm, 
oder die Larve, deſſelben die beſondere Eigenſchaft hat, daß in 
gewiſſen Umſtaͤnden, die ich hernach anzeigen werde, auf beyden 
Seiten feines Leibes eine Menge ſtarkriechender Blaſen zum Vor⸗ 
ſcheine kommen, dergleichen ich noch bey keinem Käfer und keiner ne 
ſectenart auf dieſe Weiſe bemerket habe. 


Da dieſer Kaͤfer, wie alle feines gleichen, aus einem Eye und 
Wurme, oder Larve, zum Vorſcheine kommt; fo will ich die 
Erzaͤhlung ſeiner Geſchichte auch mit beyden anfangen. 


OSleich in den erſten Tagen des Fruͤhlings, und fo das ganze 
Jahr bis in die rauhen Tage des Herbſtes hinein, findet man auf der 
itterpappel, und zwar auf den erſten zarten und meiſtens, ftatt gruͤ— 
nen, noch roͤthlichbraunen Blattern derſelben, vorzüglich aber auf 
den Blaͤttern derjenigen jungen Schoͤßlinge, die aus der Wurzel trei⸗ 

J 2 ben, 


638 T 


ben (), eine Menge ſchoͤn glänzend laͤnglichrunder Eyer (**). 
Sie ſtehen insgemein ſenkrecht in die Hoͤhe, und ſind, der Anzahl 
nach, bald wenigere, bald mehrere; je nachdem das Kaͤferweibgen 
ſich derſelben auf einem Blatte aller, oder nur einiger entſchuͤttet, die 
übrigen aber auf einem andern Zweige und Blatte abgeleget hat. 
Jedes Ey iſt vor ſich, und ſo auch ſie zuſammen, dergeſtalt am 
Blatte feſt aufgeleimet, daß ſie weder vom Regen, Wind und 
Wetter, noch mit der Hand, ohne die groͤßte Behutſamkeit, ab— 
gebracht werden koͤnnen. 


Wenn dieſe Eyer gegen vierzehen Tage, jedoch nach Verſchie⸗ 
denheit der Witterung bald früher, bald ſpaͤter, ihre ſchoͤne und 
glaͤnzendgelbliche Farbe behalten; fo verlieren fie alsdenn dieſelbige 
und werden immer dunkeler und zulezt ganz ſchwärzlich. Alsdenn 
iſt aber auch der Zeitpunkt, wo aus jedem der von der Sonnen und 
Luftwaͤrme ausgebruͤtete junge Kaͤfer zum Vorſcheine kommt (**). 


Er iſt in ſeiner erſten Erſcheinung freylich ſehr klein, hat, dem 
bloßen Auge nach, eine gaͤnzlich ſchwarze Farbe; faͤngt aber doch 
gleich nach feiner Geburth an, das obere Haͤutgen des Blattes, und. 
ſo nach und nach das ganze Blatt, zu benagen und durchzufreſſen, daß 
ſich ſolches gar bald völlig ſceletirt zeiget, und nur das bloße aͤderige 
Gewebe überbleibet (7). 


Je mehr nun dieſer Wurm anwächfet, und in der erſten CHF), 
zweyten (T7), und dritten (4) Haͤutung feinen Wurmbalg able— 
get; je mehr verlieret er ſein anfaͤngliches ſchwarzes Ausſehen, wird 
grau und ſchmutzig weiß. Iſt er aber endlich vollkommen ausgewach⸗ 
ſen, und hat in der lezten Haͤutung auch den lezten Wurmbalg ab— 

? geleget; 


(0 kig. . Ha () b. b. b. (Dede (T). e. 
(tt a. (40 e. nn 


ee m. 69 


geleget; fo fiehet man nunmehro an ihm überhaupt, und mit blo— 
ſen Augen betrachtet, einen Wurm von folgendem Baue, Farbe 
und Geſtaͤlt (*). 


Der Wurm im ganzen genommen hat eine mehr ſpindelfoͤrmige, 
als kegelartige Geftalt , indem der Durchmeſſer gegen dem Kopfe 
und Nachſchieber zu mehr und mehr abnimmt. Seine Hauptfarbe iſt 
ſchoͤn weiß, doch ſo, daß außer dem ganz ſchwarzen Kopfe und den 
drey Paar ebenfalls ſchwarzen Füßen, ſowohl der Bruſtſchild nur 
mit ein Paar ſchwarzen Flecken, als auch der ganze Leib, oben mit 
drey, an den Seiten mit zween, und unten auch mit zween, in gera⸗ 
der Linie und laͤngs hinunter laufenden ſchwarzen Zeichnungen von 
verſchiedener Geſtalt und Groͤße gezieret iſt. 


Unterwirft man aber dieſen Kaͤferwurm einer genauern Unter— 
ſuchung nach allen ſeinen einzeln Theilen, und bedienet ſich dabey 
auch hin und wieder eines Vergroͤßerungsglaſes; ſo laͤſſet ſich Fol⸗ 
gendes von ihm angeben und befiimmen, . 


Der Kopf (**) iſt nach allen feinen einzeln Theilen, Aus 
gen (*), Fuͤhlhoͤrnern CH), Zähnen und Freßſpitzen (FF) gläne 
zend ſchwarz, vorn abgeſchnitten, oben und an den Seiten aber 
gewoͤlbet. 


Der Bruſtſchild (1) iſt weiß; hat aber oben ein Paar 
ſchwarze Zeichnungen, die einem liegenden lateiniſchen Komma oder 
einer deutſchen liegenden 9, deren Kopf ſchwarz ausgefüllet iſt, 
und wo die Striche ſich bey nahe beruͤhren, ziemlich gleich kommen. 
Neben dieſen groͤßern Zeichnungen, und zwar deſſen runden Theile 
oder Kopfe, ſtehet auf jeder Seite ein anderweitiger kleiner ſchwar— 

J 3 zee, 


J 
(T e. 


79 er: 8 


zer etwas erhabener Punkt, in welchem bey genauer Beſichtigung 
das erſte Luftloch befindlich iſt. Ja bey manchen Kaͤfern, nicht aber 
bey allen, ſtehen vor der groͤßern Zeichnung noch ein Paar ſchmale 
ſchwarze Queerſtriche. 


Dier Leib beſtehet aus 10 Ringen, die hintere Schwanzklappe 
nicht mit gerechnet. Sie iſt der Hauptfarbe nach ebenfalls weiß, 
nur daß fie mit ſchwarzen Flecken, Punkten und Erhöhungen ders 


geſtalt gezieret iſt, daß fie dadurch ein ſonderbares buntſcheckiges 
Anſehen erhaͤlt. 


Dieſe ſchwarzen Zeichnungen ſind aber auf den Ringen weder 
nach der Geſtalt, noch Groͤße, noch Anzahl, einander gleich, ſondern 


von einander ſehr abweichend. Und deren Verſchiedenheit darinnen 
beſtehet. 


Die zween erſten Ringe haben oben gleiche Zeichnung. In der 
Mitten befinden ſich vier groͤßere Flecken im Vierecke, deren die 
vordern etwas groͤßer, als die hintern ſind, in der Mitten aber durch 
einen vertieften Strich von einander abgeſondert werden. Neben 
dieſen vier ſchwarzen Flecken ſtehet an jeder Seite ein ſchwarzer 
Punkt (*). Sodann folget, ganz genau an jeder Seite, eine ſchwar— 
ze abgeſtuztkegelaͤhnliche Erhöhung (*), und die eben das Merk- 
würdigfte, wie ich bald melden werde, an dieſem Käfer ausmachet. 
Und endlich ſiehet man vor dieſer kegelaͤhnlichen Erhoͤhung nach dem 
Kopfe zu, und neben derſelben an den Seiten nach dem Bauche zu, 
zween andere ſchwarze Flecken davon dem erſten das Luftloch eigen iſt. 


Auf den folgenden fuͤnf Ringen, vom dritten bis ſiebenden, ſind 
zwar auf den Seiten die ſchwarzen Zeichnungen die naͤmlichen, wie 
auf den vorigen zween erſten Ringen; nur ſind, ſtatt jenen vier Fle⸗ 

cken 
(* Fig. II. f. g. (&) m. n. o. p. 


S K => 71 


cken in der Mitten, deren hier nur zween, und auch dieſe verwan— 
deln ſich auf dem achten, neunten und zehenden Ringe, wie auch 
auf der Schwanzklappe oder Nachſchieber, blos in einen Flecken, 
oder breiten Queerſtrich. Wobey noch zu bemerken iſt, daß auf 
allen Ringen die Mittelflecken mit einzeln Haaren beſetzet ſind. 


Leget man den Wurm auf den Rücken, ſo findet man zwar 
den Bauch, wie den ganzen Wurm, von weißer Farbe, doch ſo, 
daß auch hier auf jedem Ringe ſich zween ſchwarze Flecken befinden, 
die in gerader Linie den ganzen Bauch hinunter laufen. 


Was die drey Paar Süße anbelanget, fo iſt das erſte Paar 
dem Bruſtſchilde (*), das zweyte dem erſten (**), und das drit— 
te dem zweyten (**) Ringe des Leibes angegliedert. Jeder Fuß 
iſt am Schenkel am dickeſten, und einem umgekehrten abgeſtutzten 
Kegel aͤhnlich; das Schienbein etwas länger, und auch gerade ke— 
gelaͤhnlich; der eigentliche Fuß aber iſt meſſeraͤhnlich und läuft in 
einen doppelten Nagel oder Haacken aus. Und gleichwie alle Fuͤße 
ſchwarz ſind, ſo befinden ſich auch an denſelben kleine dergleichen 
Haare, die am eigentlichen Fuße am haͤufigſten ſind. 


Dieſe Würmer ſind vor ihrer erſten Haͤutung allezeit auf ei— 
nem Blatte beyeinander; nach jeder Haͤutung aber entfernen fie jich- 
mehr und mehr von einander, und zulezt lebt jeder vor ſich ganz 
allein. Ein fonderbarer Anblick war es, als ich gleichwohlen eins— 
malen, bey ſtarkem Regenwetter, eine ganze Menge an dem Staͤn— 
gel eines angefreſſenen Blattes ſo bey einander antraf, daß ſie ſich 
in einen Klumpen, mit den Köpfen einwärts , und mit dem Hinter— 
leibe auswärts gekehret, zuſammen geſchloſſen hatten, um auf dieſe 
leztere Art ſich des Unraths zu entledigen (T). 


Doch 
(% pig. II. I. () k. ( i. (1) Fig. I. h. h. h. 


72 r 


Doch ehe ich dieſen Wurm verlaſſe, muß ich noch dererjenis 
gen ſchwarzen Erhöhungen auf den Seiten jeden Ringes umſtaͤndli⸗ 
cher gedenken, von welchen ich geſaget habe, daß ſie das Merk— 
wüͤrdigſte an dieſem Käfer ausmachen, und weswegen ich' auch dies 
fen Käfer den Blaſenblattkaͤfer zu nennen vor gut befunden habe, 


Dieſe Erhoͤhung iſt, wie ſchon gemeldet, ein ordentlicher ab⸗ 
geſtutzter Kegel (). Wenn der Wurm in Ruhe iſt, und von 
nichts Fremden beruͤhret wird, oder auch dergleichen bey der Bewe—⸗ 
gung der Blaͤtter und Zweiges nichts beſorget, ſo beobachtet man 
an dieſer Erhoͤhung ganz und gar nichts beſonders. So bald aber 
der Wurm berühret wird, oder Blatt und Zweig bewegen ſich uns 
gewoͤhnlich; ſo bald ſteiget oben aus dieſer Erhoͤhung eine weiſſe Blaſe 
auf c**), und der Wurm giebt zu der naͤmlichen Zeit einen außer, 
ordentlichen ſtarken Geruch von ſich, welcher manchen Perſonen ans 
genehm, manchen aber hoͤchſt unangenehm und wiedrig iſt. 


Da dieſe Blaſen auf allen Ringen jeder Seite, folglich dop⸗ 
pelt, zum Vorſcheine kommen, und der ganze Wurm damit 
gleichſam bebraͤmet iſt (*/); fo giebt ihm ſolches ein ſeltſames Anſehen. 
Sie verſchwinden auch ſogleich nicht, ſondern erhalten ſich mehr 
und weniger lange in unveraͤnderlicher Geſtalt. Jedoch nach einis 
ger Zeit fallen fie in die kegelaͤhnliche Erhöhung zurück. Zwey und 
dreymal kann man dieſes Schauſpiel hintereinander zu Wege brine 
gen, aber bey mehr wiederholten Berührungen, erſcheinen je laͤnger 
je wenigere Blaſen, und zulezt gar keine mehr. 


Dieſer erſtgedachte Geruch der Wuͤrmer iſt ſo ſtark, daß man 
ihn ſchon von weitem ſpuͤhret, und nicht ſelten zu einem Wegweiſer 
dienet, dergleichen Wuͤrmer ausfindig zu machen. 


Woher 
(*) Fig. II. n. o. () m. p. (74) Fig. L g. 


S + 73 

Woher dieſer Geruch ſeinen Urſprung hat, getraue ich mir 

ſo eigentlich nicht zu ſagen. Mich duͤnket aber, er komme von dem 

Fraße dieſer Wuͤrmer her. Denn da dieſelben von den zarten 

Blättern der Zitterpappel leben, fo iſt mir vorgekommen, als wenn 

dieſe zarte Blätter, bey ſtarkem Reiben, faſt den naͤmlichen, oder 
doch ſehr aͤhnlichen, Geruch von ſich gaͤben. 


Was aber die Abſicht der aus dieſen kegelaͤhnlichen Erhöhuns 
gen hervorkommenden Blaſen und des dabey zugleich entſtehenden 
Geruches anlanget; fo iſt wohl gewis, daß dieſelbe keine andere 
iſt, als dadurch, wie bey mehr andern Inſecten, ihre Feinde, 
Voͤgel, Schlupfweſpen u. ſ. w. von ſich abzuhalten und zu ver— 
treiben. 


Noch kann ich hiebey nicht unangezeiget laſſen, daß, wenn man 
einen oder mehrere dieſer Wuͤrmer in guten Brandwein wirft und 
darinnen abſterben laͤſſet, derſelbe den beſten Perſicogeſchmack und 
Geruch erhaͤlt. 


Ich komme nach dieſer weitlaͤuftigen Beſchreibung dieſes Kaͤfer⸗ 
wurmes auf die Verwandelung deſſelben zur Dattel. 


Nachdem naͤmlich der Wurm feinen Auschwuchs und die beſtimm⸗ 
te Groͤße (*) erlanget; fo enthält er ſich nicht nur einige Zeit aller weis 
tern Nahrung, ſondern er entledigt ſich auch alles Unraths, und ſu— 
chet ſich hierauf einen bequemen Ort, welches insgemein die untere 
Seite eines Blattes iſt, allwo er ſich der Verwandelung zu einer 
Dattel am ſicherſten uͤberlaſſen kann. 


Auf dieſes Blatt laͤſſet er aus feiner hintern Oeffnung (9) 
einen gelblichen Saft von ſich, in welchen, wenn er ſich nach 
K und 


*) Fig. I. f. g. (7) Eig. III. b. 


74 * Zu =; 

nach und nach verdicket hat, er feine Schwanzklappe oder Nach⸗ 
ſchieber fo einzudrücken, und ſich dadurch ſelbſt gleichſam fo anzu— 
leimen weis, daß er vor alles Abfallen ſattſam geſichert iſt. Hier— 
auf ziehet er Kopf und Fuße ſtark zuſammen, und wird immer di— 
cker und kugelaͤhnlicher. Endlich ſpringt der Wurmbalg entzwey 
und der Wurm wird zur Dattel (*). Wobey mir ſonderbar zu 
ſeyn geſchienen hat, daß der abgeſtreifte Wurmbalg feine ſchwar— 
zen Zeichnungen behaͤlt, und doch auch die Dattel die faſt naͤmli⸗ 
che und nur ſehr wenig geänderte Zeichnungen wieder an ſich hat. 


Die Dattel ſelbſt iſt, wie der Wurm, weiß und ſchwarz ge— 
flecket, und hat nebſt dem zween ſichtbare Haupttheile. Der vor— 
dere Theil iſt faͤſt kugelrund (**); der hintere aber kegelar— 
tig (***). An dem Obertheile befinden ſich der Kopf, der Bruſt— 
ſchild, kleinere Schild, und der Vorderleib. Der Fegelartige 
Theil aber macht den eigentlichen Hinterleib aus. 


Kopf und Bruſtſchilòd find ſtark an den Leib gebogen (1); 
und gleichwie jener zween, ſo hat dieſer acht, ſchwarze runde Fle— 
cken, davon viere in der Mitten im Vierecke, zween aber darneben 
auf beyden Seiten ſtehen— 


Auf den Bruſtſchild folget der Vorderleib (T). Er beſtehet 
aus acht Ringen. Die erſtern ſind groͤßer, als die darauf folgende 
ſechs, ſo kleiner ſind. 


Dem erſtern groͤßern Ringe find die obern hartſchaaligen Fluͤ— 
geldecken, dem zweyten aber die untern haͤutigen eigentlichen Fluͤgel, 
angegliedert; und welche Fluͤgeldecken und eigentlichen Fluͤgel ſich 

hier 
cr) Fig. IV. V. (*) pig. IV. a. b. d. Wa. b. e. G) Fig. IV. 
c. V. d. d. e. (1) Fig. IV. V. a. (if) Fig. IV. b. 


S P 75 


hier beyde abgeſondert zeigen. Was aber die ſchwarzen Zeich⸗ 
nungen betrift, ſo habe ich dieſelben auf folgende Art beobachtet. 


Auf dem erſtern Ringe befindet ſich in der Mitten ein ſchwar— 
zer veaͤhnlicher Flecken, welcher zweifelsohne das darunter liegen— 
de kleine Schildchen andeutet; neben dieſem aber noch auf jeder 
Seite ein anderer ſchwarzer runder Flecken. Und weil ganz außen 
die obern hartſchaaligen Flügeldecken angegliedert ſind, ſo ſtehen auf 
dem Anfange derſelben 199 drey andere ſchwarze runde Flecken im 
Dreyecke. 


Auf dem zweyten Ringe zeigen ſich 6 ſchwarze Flecken; vier in 
der Mitten, davon die zween vorderſten kleiner als die zween hin— 
terſten ſind, und an jeder Seite einer. Und weil dieſem Ringe 
auch die eigentlichen Fluͤgel angegliedert ſind, ſo ſiehet man an dem 
Anfange jeden Fluͤgels gleichfalls einen ſchwarzen runden Flecken. 


Auf dem dritten Ringe befinden ſich vier, vom vierten aber 
bis zum achten Ringe ſechs, ſchwarze Flecken; die auf jedem Ringe 
in der Breite nebeneinander, auf allen Ringen aber in faſt gera— 
der Linie hintereinander ſtehen. 


Der kegelaͤhnliche Hinterleib (*) hat auch acht Ringe. Auf 
dem erſten Ringe ſtehen vier, auf dem zweyten bis ſechſten zween, 
auf dem ſiebenden und achten aber in der Queere nur ein ſchwar— 
zer Flecken. Was aber hiebey noch das Sonderbarſte iſt, ſo ſiehet 
man an jedem Ringe dieſes Hinterleibes ganz an der Außerften 
Seite eine dornaͤhnliche ſchwarze Erhoͤhung oder Spitze, welche 
den ſchwarzen kegelichen Erhoͤhungen des Wurmes ziemlich gleich⸗ 
kommen. 

K 2 Endlich 


(*) Fig. IV. e. V. d. e. 


26 S * 3 


Endlich iſt auch die Schwanzklappe oder Nachſchieber ſchwarz 
eingeſaͤumet. 


Leget man dieſe Dattel auf den Rücken, oder betrachtet man 
fie hangend auf der untern Seite (“*), fo werden nebſt dem gebos 
genen Kopfe ſonderlich die darunter liegenden Füße (**), ſichtbar. 
Der Bauch ſelbſt aber iſt weiß und, fo viel ich beobachtet habe, oh— 
ne alle ſchwarze Flecken und Zeichnungen. 


Wenn man dieſe Datteln beruhret , ſo geben fie durch ihre 
Bewegung, Auf und Niederſchlagen, ihr Leben zu erkennen. 


Bey welcher Beſchreibung der Dattel ich nur noch dieſes be— 
rühren muß. Ob der eben gedachte kegelaͤhnliche Hinterleib, wirk— 
lich zum Hinterleibe gehoͤret, oder nicht vieleicht einen Theil des hans 
gengebliebenen Wurmbalges iſt? bin ich noch ungewiß, und iſt es 
mir wenigſtens einsmalen ſo vorgekommen. 


Wie lange dieſer Dattelzuſtand dauert, kann ich ſo genau 
nicht angeben. Je mehr indeſſen die Zeit herannahet, daß der Kaͤ— 
fer zum Vorſcheine kommen ſoll, deſto mehr verlieret die Dattel 
ihre weiße Farbe, und wird immer dunkler und zulezt ganz ſchwaͤrz⸗ 
lich, bis endlich auch der Dattelbalg zerplatzet und der Käfer ſicht— 
bar wird. 


Dieſer Kaͤfer iſt bey den Schriftfiellern nicht unbekannt, und 
wird auf verſchiedene Art genannt und beſchrieben. Wovon ich 
nur folgender gedenken will. 


Chryfomela populi, ouata, thoraee caerulefeente, elytris rubris api- 
ce nigris. Linn. Syſt. Nat. Tom. I. Parr. II. p. 590. No. 30. 

Faun. p. 163. No. 5 23. 
Chryfo- 

(7) Fig. V. ( b. b. cc 


* 77 
Chryfomela nigro caerulea, alytris rubris , apice nigris. La gran- 
de chryfomele rouge à corcelet bleu. Ger. Hiſt. des Inſect. 
Tom. I. p. 256. No. 1. 
Chryfomela populi ouata, caerulea, elytris rubris; ſummo apice 
nigris. Miiller. Zool. Dan. Prodrom. p. 83. No. 999. 
Chryfomela vicefima tertia. Schef, Icon. Infe&t. T. I. Tab. XLVII. 


Fig. 4. 5. 
Der Pappelnfreſſer. Muͤller Naturſyſt. Linn. Theil V. p. 173. 
No. 30. 


Es gehoͤret dieſer Käfer (0) zu den groͤßern unſerer Gegend; ins 
dem mir, außer dem vorher beſchriebenen fluͤgelloſen Blattkaͤfer, 
keiner ſeines gleichen, der Groͤße nach, zu Geſichte gekommen iſt. 
Jedoch iſt auch dieſes nur von den Weibgen zu verſtehen, indem die 
Maͤnngen, wie insgemein, ungleich kleiner ſind. 


Die Geſtalt des Kaͤfers ift eyrund und über doppelt fo lang, als 
breit. Im ruhigen und ſitzenden Zuftande ſchließen die Fluͤgeldecken 
über den Leib ſo vollkommen, daß vom leztern nichts zu ſehen iſt (**). 


Seine Farbe iſt am Kopfe, und allen deſſen Theilen, am Bruſt 
und kleinern Schilde, am Leibe, ſonderlich unten, und an den Fuͤßen, 
ſchoͤn und glänzend ſtahlblau; jedoch auch bey einigen mehr ſtahlgruͤn. 


Und da erſtgedachte Haupttheile des Kaͤfers vor andern Blatt— 
kaͤfern nichts Beſonders hat, ſondern darinnen ihnen gaͤnzlich gleich, 
kommt; fo wurde es eine unnöthige Weitlaͤuftigkeit ſeyn, wenn ich 
mich dabey aufhalten wollte. 


Nur vom Bruſtſchilde moͤgte zu gedenken ſeyn, daß derſelbe 
vorn ſtark ausgeſchnitten, und gleichwie in der Mitten gewoͤlbet und 
glatt hellglaͤnzend, ſo an den Seiten gedruckt und mattglaͤnzend iſt; 

K 3 welches 
(5) Fig. vl. vIiI. () Fig. VI 


78 ER 


welches leztere von denen hier ſtark vertieften Punkten herzukommen 
ſcheinet. 


Was aber die Slügeldecken und eigentlichen Fluͤgel (*) ans 
langet, fo finde ich Folgendes der nähern Anzeige würdig. 


Die Fluͤgeldecken (**) find roth, und nur am aͤußerſten 
Ende des Flügels iſt jede mit einem kleinen ſchwarzen Flecken ges 
zeichnet. Sie ſelbſt ſind geſchloßen gewoͤlbet; jede an dem innern 
und aͤußern Rande geſaͤumet, und laͤuft hinten da feharfipisia aus, 
wo der ſchwarze Flecken oder Punkt ſich befindet. Und da die Fluͤgel— 
decken am aͤußerſten Ende nicht feſt anſchließen, ſondern abſtehen; fo 
ſcheinen ſie in eine zweyfache dornaͤhnliche Spitze ſich zu endigen. 
Nebſt dem ſind dieſe Fluͤgeldecken ganz und gar mit zarten vertief— 
ten Punkten überſaͤet; welches jedoch nur unter der Vergrößerung 
ſichtbar wird. 


Die eigentlichen Fluͤgel, liegen im ruhigen und ſitzenden Zus 
ſtande des Kaͤfers gänzlich unter den Fluͤckeldecken verborgen. Im 
fliegenden Zuftande aber, und wenn ſie ausgebreitet find (***), zei⸗ 
gen fie ſich bey nahe um die Hälfte länger und breiter, als die Flür 
geldecken. Sie ſind halb durchſichtig, in der Mitten etwas hellgrau, 
an beyden Rändern aber, und ſonderlich an der aͤußerſter Spitze, dun— 
kel oder ſchwarzarau; und ſowohl der innere Rand, als die Adern 
haben eine roͤthliche Farbe, dergleichen rothfaͤrbiger Flecken auch in 
der Mitte jedes Flügels geſehen wird. 

Da ich oben gedacht habe, daß dieſe Kaͤfer und deren Eyer, 
auch junge Brut, gleich mit Anfange des Frühlings und ſo bis im 
ſpaͤten Herbſt gefunden werden; ſo ſcheinen auch einige dieſer Kaͤfer 
in dem Winter übrig zu bleiben; ſich auch vieleicht mehr, als einmal, 
im Jahre zu paaren. 

Erklaͤ⸗ 


(*) Fig. VI. vil. a. a. (Fig. VII. a. (***) Fig. VII. d. d. 


S * © 79 
Erklaͤrung der Kupfertafel. 


Fig, I. Ein junger Schoͤßling der Zitterpappel, mit Eyern und Wuͤr⸗ 
mern von verſchiedenem Wuchſe. 

Die Eyer. 

b. b. Die allererſt ausgekrochenen Wuͤrmer. 

d. e. Wuͤrmer nach verſchiedenen Haͤutungen und Alter. 

Ein völlig ausgewachſener Wurm im ruhigen Zuftande, 

Ein Wurm mit ſeinen Blaſen. 


„h. h. Einige ſich mit einwaͤrts gekehrten und verborgenen 
Köpfen zuſammenhaͤngenden Würmer, 


een 


Fig. I. Der Kopf, Sul und die erſten drey Ringe eines vers 
been Wurmes. 
a. Der Kopf. 
b. Die Augen. 
c. Das eine Fuͤhlhorn. 
d. Die Freßſpitzen. 
e. Der Bruſtſchild. 
f. Der erſte Ning. 
g. Der zweyte Ring. 
h. h. Der dritte Ring. 
i. Der Hinterfuß. 
k. Der Mittelfuß. 
J. Der Vorderfuß. 
m. p. Die abgeſtutztkegelaͤhnliche Erhöhung mit der Blaſe. 
n. o. Die abgeſtutztkegelaähnliche Erhöhung ohne Blaſe. 
Fig. III. 


* 


80 Ep 
Fig. III. Die Schwanzklappe oder Nachſchieber des Wurmes. 
a. Die Schwanzklappe oder Nachſchieber ſelbſt. 
b. Der Ort, mit welchem ſich der Wurm vor der Verwan⸗ 
delung anleimet. 
c. c. Zween lange Haare dieſer Schwanzklappe. 


Fig. IV. Die Dattel. 
a. Der Bruſtſchild. 


b. Der Vorderleib. 
c. d. d. Der Hinterleib. 


Fig. V. Die Dattel auf der untern Seite. 
a. a. Der Bruſtſchild. 
b. b. c. c. d. d. Die Fuͤße. 
e. Der Nachſchieber. 


Fig. VI. Der Käfer, ein Weibgen, im ſitzenden Juſtande. 


Fig. VII. Der Käfer im fliegenden Zuftande, 
a. a. Die Fluͤgeldecken. 
b. b. Die Fuͤhlhoͤrner. 
c. c. Der Bruſtſchild. 
d. d. Die eigentlichen Fluͤgel. 
c. Der Hinterleib. 


N RU 
N N 
A N 


9 


Die Men 
Ellernroupe 


68 808 56855 TC ATTTITENTTRD 


8 8 e ee ee ee 
LIE IR eee eee 
Die 


Ellernraupe. 


Sy: izt an, werden meine Beſchreibungen ziemlich mangelhaft 
und unvollkommen ausfallen. Und ich muß meine Leſer bits 
ten, das, was ich diesfalls in der Vorrede geſagt habe, 
mir zur Entſchuldigung angedeyhen zu laſſen. 


Ich habe von dieſer Ellernraupe in der ganzen langen Zeit, als 
ich mich mit Sammlung und Auffuͤtterung der Inſecten abgegeben 
habe, nicht mehrere, als drey, habhaft werden koͤnnen. 


Die eine Raupe war noch nicht halbgewachſen (*), und fie 
kam noch überdies am dritten Tage ſchon um. Die zweyte und drit⸗ 
te waren ſchon der lezten Haͤutung nahe (**); aber auch von dieſen 
beyden brachte ich nur die eine zur Verwandelung (** H, und erhiels 
te von ihr den Nachtfalter (2). Es ſcheinet alſo, daß dieſe Raupen» 
art unter die ſeltene unſerer Gegend, auch daß ſie, weil ich jede ein⸗ 
zeln gefunden habe, unter die einſamen gehoͤre. 


L 2% Dieſe 
(% Fig. I. C**) Fig. II. (X pig. IV. V. (K) Fig. vil. 


# 


84 Re 
Dieſe Raupen leben von den Blättern der gemeinen Eller (*), 
wenigſtens habe ich fie da angetroffen, auch damit gefüttert, 


Vermoͤge ihrer Füße gehoͤret dieſe Raupe zu der Claſſe der 
Spannenraupen; und in Abſicht der Ruͤckenerhoͤhungen, ſonder⸗ 
lich der groͤßern auf dem ſechſten Ringe, zu den Cameelraupen. 


So lang dieſe Raupen noch jung und unausgewachſen ſind, ſe— 
hen fie, überhaupt betrachtet, mehr einfaͤrbig, als vielfaͤrbig 
aus. Sie haben ein grünes Ausſehen, welches doch hie und da 
mit etwas gelblichem vermiſchet iſt. Und wenn ſie in ſolchem noch 
unausgewachſenen Zuſtande angerühret, oder ſonſt zum Abfallen 
genoͤthiget werden, fo wiſſen fie ſich fü geſchwind durch ein Geſpinnſt 
an das Blatt feſt zu heften, hierauf etwas in die Luft herabzulaſ⸗ 
ſen, und alsdenn ſo unbeweglich haͤngen zu bleiben, daß ſie mehr einem 
knotigen dürren Holze, als einem lebendigen Geſchoͤpfe, aͤhnlich ſe⸗ 
hen (“). 


Hat aber eine Raupe ihr volkommenes Alter erreichet und die 
erſte Haͤutung uüberlebet (***), ſo bemerket das bloße Auge an ihr 
Folgendes, 


Die 

(*) Betula peduneulis ramoſis. Linn. S. N. T. II. p. 621. No. 

1052, 5. Alnus rotundifolia, glutinoſa. Eller. Ellernbaum. 
Weinm. Tab. XL. b, (*) Fig. I. (%), Fig. II. 


2 * & 85 
Die Groͤße iſt mittelmaͤßig, und der Leib dicker, als er ſonſt 
bey Spannenraupen zu ſeyn pfleget, 


Die Grundfarbe hat das naͤmliche Grüne, welches den Ellern⸗ 
blättern eigen iſt; nur daß der Rücken, und ſonderlich die Erhoͤ— 
hungen deſſelben, braun eingefaſſet ſind, und daß auf beyden Seiten 
des Leibes, faſt in der Mitten, ein gelber Strich uͤber die Ringe in ges 
rader Richtung herablaͤufet. 


Der erſtgedachten Erhöhungen auf dem Ruͤcken find in allem 
ſieben, von verſchiedener Geſtalt und Groͤße, 


Die erſte Erhoͤhung befindet ſich gleich hinter dem Kopfe auf 
dem erſten Ringe. Sie iſt warzenaͤhnlich oder ſtellet einen kleinen 
abgſtutzt und oben gerundeten Kegel vor. Alsdenn folget die zweyte 
Erhöhung auf dem fünften Ringe, die unter allen die kleineſte iſt. 
Hingegen befindet ſich auf dem folgenden ſechſten Ringe die dritte, 
als die groͤßte, Erhoͤhung. Sie hat, dem bloßen Auge nach, eine 
zizenfoͤrmige Geſtalt; bringet man ſie aber unter die Vergroͤßerung, 
ſo iſt ſie oben nicht nur geſpaltet, und gleichſam doppelt, ſondern auch 
am Rande mit lauter dornaͤhnlichen Haͤckgen eingefaſſet (*). Die 
folgenden vier Erhoͤhungen, davon die vierte auf dem ſiebenden, 
die fuͤnfte auf dem achten, und die ſechſte auf dem neunten, und die 

L 3 ſieben⸗ 


oO 


( Fig III. 


86 * % 
fiebende auf dem lezten Ringe ſich befindet, nehmen nach und 


nach an der Groͤße mehr und mehr ab, und die lezte iſt am un⸗ 
bedeuteſten. 


Da von allen Spannraupen bekannt iſt, daß ſie ſich die ſelt⸗ 
ſamſten Stellungen und Richtungen geben koͤnnen, ſo gilt dieſes 
auch von dieſer Ellernraupe. Die gewoͤhnlichſte, wenn ſie beruͤh⸗ 
ret wird, oder ſonſt einen Feind argwohnet, iſt diejenige, welche 
die vierte Figur auf der Kupfertafel vorſtellet. Hier ſitzet ſie mit 
ihrem Paar dicken Hinterfüßen dem Blatte feſt auf, iſt fehräge 
und etwas gekruͤmmet in die Höhe gerichtet, und die drey Paar ſpi⸗ 
tzigen Fuͤße dem Kopfe und erſten Ringen ſo feſt angeſchloſſen, daß 
man nicht das Mindeſte von ihnen gewahr wird. Und ich wuͤßte 
diefe Stellung mit nichs Beſſerm zu vergleichen, als mit dem Auf 
warten eines kleinen Hundes. 


Außer dieſen angeführten Eigenſchaften iſt von dieſen Ellernrau— 
pen noch dieſes anzufüheen , daß fie nicht zu den glatten, fondern 
knotigen und knopperigen Raupenarten gehoͤret. Denn der ganze 
Leib dieſer Raupe ift mit fo häufigen und ſcharfen Knoten und Hlis 
gelgen uͤberſaͤet, daß, wenn man fie anrühret, es nicht anders iſt, 
als wenn man Chagrin in Haͤnden hätte: 


Kommt nun dieſe Ellernraupe ihrer Verwandelung nahe; ſo 
weis ſie ein Paar Blaͤtter durch ein weißes Geſpinnſte dergeſtalt 
kuͤnſt⸗ 


cu ce 87 
kuͤnſtlich zuſammenzuziehen, daß fie ein eyrundes Gewölbe vor— 
ſtellen, welches innwendig geraͤumig hohl und wie mit Firniß 
überzogen iſt („). Schließen die Blätter hie und da nicht feft zu⸗ 
ſammen, und laffen Oeffnungen; ſo uͤbergittert fie ſolche mit ei» 
nem garnaͤhnlichen weitmaſchigen und weißen Geſpinnſte, um ihren 
Feinden dadurch den Eingang zu verwehren. 


In dieſem, ihr ſelbſt zubereiteten, Verwandlungsorte leget ſie nun 
nach einigen Tagen gewoͤhnlichermaßen den Raupenbalg ab und 
wird zur Dattel. 


Dieſe Dattel (**) iſt laͤnglichrund, blasgelb, und nur da, wo 
die Fluͤgel verborgen ſind, ſchwaͤrzlich. Das aber, was dieſelbe 
vor andern unterſcheidet und merkwuͤrdig machet, find diejenigen 
langen und krummen Haͤckgen (**), in welche dieſelbe auslaͤufet, 
die zwar ſchon das bloße Auge bemerket, jedoch unter der Vergroͤſ— 
ſerung ſich erſt in ihrer eigentlichen Geſtalt und Beſchaffenheit ver, 
offenbaren. N 


Aus dieſer Dattel kommt nun endlich ein ſchoͤner gruͤner 
Nachtfalter. 7 zum Vorſcheine. 
Et 


(0 Pig. V. (*) Fig. V. (%%) Fig. VI. I Fig. VII. 


38 r 8 

Er traͤget, wie alle feines gleichen, ſo aus Spannenraupen 
entſtehen, feine Flügel ausgebreitet oder offen. Sowohl die Ober⸗ 
als Unterflügel haben einerley Farbe. Sie find grünlich und man 
ſiehet nur ein Paar ſchmale ſchlangenfoͤrmige weiſſe Linien auf den⸗ 
ſelben, davon die erſtere nur den Oberfluͤgeln eigen iſt, die ans 
dere aber uͤber die Ober und Unterflügel querüber Täufer, jedoch 
bey einigen mehr abgebrochen, bey andern aber in einem fortlaufen. 
Und fo find auch die Ränder dieſer Ober und Unterflügel weiß ges 
ſaͤumet oder eingefaſſet. 


Die Fuͤhlhoͤrner ſcheinen borſtenaͤhnlich, ſind aber in der That 
gekaͤmmet. Oben haben ſie eine gelbe, unten aber weiße Farbe, 


Dieſer Nachtfalter leget gelblich weiße, und mehr laͤnglich als 
kugelrunde, Eyer. Es hat mir aber nie gelingen wollen, aus den⸗ 
ſelben junge Brut zu erhalten. 


Unter welchem Namen und Beſchreibung dieſer Nachtfalter bey 
den Schriftſtellern vorkommt, iſt mit Zuverlaͤßigkeit ſchwer zu bes 
ſtimmen. Denn, wenn auch die eigene Beſchreibung eines Schrift⸗ 
ſtellers vollkommen paſſet, ſo zeiget doch die beygefuͤgte Berufung 
auf andere Schriftſteller offenbar einen verſchiedenen Nachtfalter an; 
und ſelbſt das Unterſcheidungsſtuck, von Tagfaltern hergenommen, 
ſtimmet nicht überein „ ſondern iſt offenbar falſch. 


Ich 


u 39 

Ich will alſo nur diejenigen Schriftſteller anführen , die mir 

noch die beſten und uͤbereinſtimmenſten zu ſeyn ſcheinen, ohne an 
ihren Citationen Theil zu nehmen. 


PHALAENA GEOMETRA Papilionaria pectinieornis, alis omni- 
bus viridibus ſubrepandis: ftriga ſesquialtera pallida. Linn. S. N. 
Tom. I. Pars II. p. 865. No. 225. 

PHALAENA GEOMETRA papilionaria peftinicornis, alis omni- 


bus viridibus: ftrigis duabus albidis vndatis ; pofticis repandis, 
antennis flauis. Faun. Suec. p. 326, No. 124r, 


Phalaena pectinicornis alis patentibus prima. Scheff. Icon. Infett. 
Tab. XVII. Fig. I. 


Der Tagling. Muller Naturſpſt. Linn. Th. V. p. 710. 
No. 225. 


Celatonengruͤner Nachtvogel. Röfel Inſectenbeluſt. Theil IV. 
p. 134, Tab. XXIII. Fig. 32. 


MN Erklaͤ⸗ 


99 


8 + 
Erklaͤrung der Kupfertafel. 


Fig. 1. Eine junge Raupe, wie ſie im Herabfallen am Geſpinnſte 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fip. 


Fig. 


feſt haͤnget, und einem knotigen Stückgen Holz ähnlich ſiehet. 


II. Die ausgewachſene Raupe, in einer ſeltſamen Stellung und 
Richtung. . 


II. Die größie Ruͤckenerhoͤhung der Raupe nach einer ſehr ſtar— 
ken Vergroͤßerung. 


IV. Einige zuſammengeſponnene Ellerblaͤtter, zur Verwande— 
lung der Raupe, und wie die Oeffnungen mit einem garnaͤhnlichen 
Geſpinnſte von weiten Maſchen vergittert ſind. 


V. Die Dattel, in natuͤrlicher Größe und Farbe. 


VI. Der vergrößerte Hintertheil der Dattel, wie ſolcher in lan— 
ge und am Ende krumm gebogene Haͤckgen auslaͤufet. 


VII. Der Nachltſalter ſitzend mit gaͤnzlich ausgebreiteten und offer 
nen Fluͤgeln. 


WI. 


VI. 
Die 
grüngelbe 


Geniſtetraupe. 


VVT 


Se Se S e e Se S e S e e e e eng SaSe De 
eee eee ee e e eee eee eee e 


Fee eee eee eee 
Die 
gruͤngelbe Geniſterraupe. 


er Tagfalter (*), welcher von der gruͤngelben Geniſter— 

raupe (55) zum Vorſcheine kommt, gehoͤret zu denenjenigen, 

die in unſern Gegenden ſehr haͤufig geſehen und gefangen 

werden. Ich will alſo auch mit Beſchreibung deſſelben ſogleich den 
Anfang machen. 


Bey den Schriftſtellern wird feiner nur unter folgenden Namen 
und Beſchreibungen gedacht. a 


PAPILIO PLEBEIVS rubi „ alis dentato - ſubeaudatis; fupra 
fufeis, ſubtus viridibus. Linn. S. N. Tom. I. Pars II. p. 791, 
No. 237. Faun. Suee. p. 234. No. 1077. 


Papilio hexapus alis caudatis ſecundus. Schaf. Icon. Inſed. Tab, 
XIX. Fig. V. VI. 


Der Himbeervogel. Muͤller Naturſpſt. Linn. p. 626. No. 236, 

Da dieſer Tagfalter ſechs Fuͤße hat und die Unterflügel hinten 
in eine, obgleich kleine, Spitze auslaufen; fo gehoͤret er zu der 
Claſſe der ſechsfuͤßigen geſchwaͤnzten Tagfalter. 


M 3 Et 
(*) Fig. IV. V. () Fig. IV. 


94 * ® | 

Er kraͤget, wie alle Tagfalter , feine Flügel ſenkrecht und aufs 
gerichtet, und zwar ſo, daß ſie feſte aneinanderſchließen. Und in 
dieſer Stellung giebt ihm das Grüne, womit alle vier Fluͤgel unten 
gefaͤrbet ſind, ein ungemein ſchoͤnes und praͤchtiges Anſehen. 


Die Fuͤhlhoͤrner ſind, wie gewoͤhnlich, kaͤulenfoͤrmig oder kol⸗ 
big. Die Kolbe ſelbſten iſt laͤnglich und faſt walzenartig, in der 
Mitten etwas gebogen und oben gerundet. Sie hat eine dunkel— 
braune Farbe, doch ſind die untern Ringe, welche dem Stiele auf— 
ſitzen, weißgeringelt. Der Stiel ſelbſt iſt lang, wird von oben 
nach unten zu immer ſchmaͤler, und wie er ebenfalls dunkelbraun 
gefaͤrbet, alſo ſind auch ſeine Ringe mit weißer Farbe abgeſetzet. 


Der Ropf und ganze Leib dieſes Tagfalters iſt dunkelbraun, 
und man beobachtet an ihm nichts vor Andern anmerkungswerthes; 
die Füße allein ausgenommen. 


Denn dieſe Füße find wie die Füͤhlhoͤrner ſchwarzbraun und 
weiß geſprengelt. 


Ich komme auf die Fluͤgel (*), als welche die ſchoͤnſte Zierde 
dieſes Tagfalters ausmachen. 


Der Farbe nach find ſowohl die Oberflügel, als die Unterflüͤgel, 
auf der obern Seite einander vollkommen gleich und ähnlich, fie find 
dunkel⸗ 


(*) Fig V. 


s 


2 = 95 
dunkelbraun. Doch gehen beyde dem Baue und der Geſtalt nach 
von einander ab. 


Die Oberfluͤgel ſtellen ein Dryeck von zwo langen Seiten und 
einer kleinen Grundfläche vor; welche leztere gefraͤnzet, oder weiß 
geſaͤumet iſt. N 


Die Unterflügel find an der aͤußern Seite gerundet, und ihre 
Grundflaͤche iſt zwar auch geſtaͤnzet oder weiß geſäumet, laͤuft aber 
nebſt dem in vier ſchwaͤrzliche Ecken aus, deren die leztere die groͤßte 
iſt und eine Art eines Schwanzes vorſtellet. 


Betrachtet man nun die naͤmlichen Ober und Unterflügel auf 
der untern Seite, fo haben ſolche die ſchoͤnſte grüne Farbe; doch fo, 
daß dieſe auf den Oberfluͤgeln etwas matter iſt und vom dunkelbrau— 
nen hin wieder unterbrochen wird; aber deſto prächtiger und glaͤn— 
zender find die Unterflügel damit gezeichnet. Bey welchen Unterfluͤ— 
geln inſonderheit noch ein weißer Punkt oben am innern Rande zu 
erkennen iſt. Jedoch mit der Bemerkung, daß dieſer Punkt bey 
einigen mehr, bey andern weniger ſichtbar iſt; ja ich habe bey einer 
Menge dieſer Tagfalter hierinnen eine ſolche Abweichung gefunden, 
daß dieſer weiße Punkt bald aanz und gar unſichtbar war, bald aufs 
ſer dieſem noch zwey und drey ganz kleinere geſehen wurden. 


Dieſer izt beſchriebene Tagfalter hat denn nun ſeinen Urſprung 
von einer kleinen gruͤngelblichen Raupe (*), die in unſern Gegen⸗ 
den vor Andern ſehr gemein und bekannt If, 

Sie 
(*) Fig. I. a. b. 


95 T 
Sie wird im Sommer auf denjenigen Pflanzen gefunden, die 
den Kraͤuterkennern unter dem Namen Eroͤpfriemen (*) bekannt iſt; 


als von deſſen Kraute, ſonderlich aber den gelben Blumenblaͤttern, 
ſie lebet. 


Die Kaupe ſelbſt gehoͤret zu den kleinern Raupenarten, und 
weil fie zuſammengezogen, eine ſchildartige Geſtalt annimmt, fü 
wird fie zu den Schildraupen gerechnet; ja, weil die Ringe wie ein⸗ 
gekerbet ſind, ſo koͤnnte man ſie auch unter die Schuppenraupen 
zählen. 


Wenn die Raupe ausgeſtrecket ift oder friſſet, fo ſiehet man an 
ihr einen hellbraunen Kopf; der Leib aber nimmt allerley veraͤnder— 
liche Geſtalten an. Bald iſt fie nach vorn zu am dickſten und hinten 
am fehmäleften (*); bald umgekehrt, vorn am ſchmaͤleſten und 
hinten am dickſten (**). 


Die Grundfarbe iſt am ganzen Leibe gruͤn, doch laufen auf bey- 
den Seiten des Rückens und des Bauches gelbe abgeſezte Streifen 
der Laͤnge nach über die ganze Raupe hin. 


Mehr weis ich, aus Mangel meiner ehemaligen Handſchrift, 


dieſer Raupe nicht zu ſagen. 
von dieſer Raupe nicht zu ſag es 


(*) Genifta fagittalis, ramis ancipitibus membranaceis articulatis, 
foliis ouato - lanceolatis. Linn. S. N. Tom. II. p. 475, No. 4. 
Geniſta humilis ſ. chamae - ſpartium. Erdpfrieme, Weinm, 
Tab, 532, (() Fig. E 2, () b. 


> 8 97 


Und auch von ihrer Derwandelung kann ich, aus erſtgedach⸗ 
ter Urſache, wenig und nur dieſes angeben. 


Wenn die Raupe ausgewachſen, und folglich die Zeit ihrer Ver— 
wandelung herbeygekommen iſt; ſo befeſtiget ſie mehr nach oben zu, 
als in der Mitte, einen zarten ſeidenartigen Faden um ſich herum, 
ſtreifet alsdenn nach einigen Tagen den Raupenbalg ab und unter 
dieſem Faden hinter ſich zuruck, und wird zur Dattel (*), 


Anfangs iſt dieſe Dattel zweyfaͤrbig. Der obere Theil iſt ſchoͤn 
grün, und der untere gelblich (**). Nach und nach aber verſchießet 
beyde das Gruͤne und Gelbe, und die Dattel wird endlich einfaͤrbig, 
nämlich dunkelbraun (*). Und über dem iſt auch die ganze Dat⸗ 
tel mit kleinen ſtumpfen Haͤrgen uͤberſaͤet, die ihr ein rauches Anſe⸗ 
hen geben. 


Und aus dieſer Dattel entwickelt ſich denn der gleich Anfangs 
beſchriebene braungrüne und geſchwaͤnzte ſechsfuͤßige Tagfalter. 


e / 7 
e 
= Ekklaͤ⸗ 


(*) Fig. II. III. (**) Fig. II. (***) Fig. III, 


98 8 ee © 
Erklaͤrung der Kupfertafel. 


Fig. I. Die Erdpfriemenpflanze mit ihrer gelben Bluͤthe „und auf 
welcher ſich drey Raupen von verſchiedenem Wuchſe und An) 
befinden, 

a. b. Zwey aus gewachſene Raupen, wie ſie freſſen. 


Fig. II. Die Dattel friſch und bald nach Ablegung des Raupen⸗ 
balges. 


ig. III. Die Dattel, nachdem fie den Raupenbalg 1 abgeſtreift, 
und dem Zerplatzen ſehr nahe iſt. 


F 


— 


F 


g. IV. Der Tagfalter ſitzend mit ſenkrecht aufgerichteten Fluͤ— 
geln. 


bi 


— 


g. V. Eben derſelbe fliegend und mit ausgebreiteten Flügeln, 


VII. 


VII. 
Der 


Geiferkaͤfet. 


* 


A e ame A Ie D De Se De i e A e e e Je S Ae 
3388680805 468088 88 06 805855805 
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7. a en Sn 

* 
Der 


Geiferkäfer. 


as ganze Jahr hindurch, vom erſten Tage des Frühlinges 

bis in die ſpaͤteſte Herbſtzeit hinein, ſiehet man ſowohl in 

Gaͤrten, ſonderlich wo Salat und Spinnat waͤchſet, als 
auch in Saataͤckern, ja auf allen Wegen neben den Feldern, und fo 
auch an Garten und Feldwaͤnden, ſchwarze Inſecten herumlaufen, 
die man, wenn man ſie obenhin anſieht, vor einerley halten wird, die 
aber in der That ſehr von einander verſchieden ſind. Denn die Ei— 
nen gehoͤren zu den Wuͤrmern (*); die andern aber zu den Kaͤ— 
fern (“*). Jedoch gehören fie in einer andern Betrachtung allers 
dings zuſammen; denn aus dieſen anfänglichen Würmern entſprin— 
get diejenige Art Kaͤfer, welchen ich den Namen, aus ſeiner Zeit zu 
meldenden Urſache, Geiferkaͤfer gegeben habe. 


Ich mache daher mit Beſchreibung diefer Geiferwuͤrmer den 
Anfang. Und weiles zwo Arten derſelben giebt, eine die ſchwarz (***) 
und eine die mehr und weniger hell oder dunkel braun iſt (7); 
fo will ich von der ſchwarzen Art zuerſt reden, 

Dieſer ſchwarzer Geiferwurm (IT) iſt in unſern Gegenden 
am haͤufigſten und gewoͤhnlichſten. Man findet ihn, erſtgedachter—⸗ 
maſſen, faſt in allen Gegenden und an allen Orten, wo Gras, Saat, 

N 3 Kraut 
(0) Fig. I. I (* Fig. V. () Fig. E; IH. (f) Fig. VI. VII. 
IX. (11) Fig. I. II. 


162 T == 


Kraut und Pflanzen find, als wovon er lebet, jedoch Salat, Spin⸗ 
nat und junge Pflanzen, vor andern zu ſeinem Fraße auswaͤhlet. 


Seine Geſtalt iſt jung (*) und ausgewachſen (**), im Gan⸗ 
zen genommen, ſpindelfoͤrmig. 


Der Ropf iſt rund, glaͤnzend ſchwarz, mit zwey verſchiedenen 
gegliederten Fuͤhlhoͤrnern, Augen, Zaͤhnen und Freßſpitzen. 


Der Bruſtſchild iſt beynahe doppelt ſo groß, als einer der 
darauf folgenden Ringe. Er iſt vorn und an den Seiten gerundet, 
oben gewoͤlbet, hinten gerad abgeſchnitten, und nebſt dieſem vorn und 


an den Seiten geſaͤumet; auch find ihm die erſten Paar Füße ange⸗ 
gliedert. 


Der Leib iſt oben und unten ſtark gewoͤlbet, fehön glänzend 
ſchwarz, und aus zwoͤlf Ringen zuſammengeſezt. Der dritte Ring 
iſt der groͤßte, die zween erſtern aber ſind unmerklich kleiner, und ſo 
nehmen die Übrigen vom vierten bis lezten nach und nach an Größe 
dergeſtalt ab, daß der lezte um vielmal kleiner iſt, als der dritte. 
Dieſe Ringe find ſaͤmtlich hornartig, und vom erften bis zehenden 
bemerkt man dieſes Sonderbare an ihnen, daß an jeder Seite ein 
geſaͤumter Anſatz iſt, welcher die ordentliche Geſtalt eines laͤnglichen 
Birn oder Apfelblattes hat. Dem eilften Ringe fehlt zwar dieſer 
blattaͤhnliche Anſatz, er hat aber ſtatt deſſen auf jeder Seite einen 
borſtenaͤhnlichen Fortgang. Der zwoͤlfte, als der lezte Ring, und der 
auch den Nachſchieber ausmacht, hat gar keinen Anſatz, und ſtellet 
ein vollkommenes Viereck vor. 


Die drey Paar Küße find dem Bruſtſchilde und zween erſten 
Ringen angegliedert, laufen in einen krummen Hacken aus, und ſind 
ſtark mit Haaren beſetzet. 


Von 
* ) Pig. I. <**) Fig. II. 
0 0 2 0 8 


* 103 


Von dieſen erſt beſchriebenen ſchwarzen Geiferwuͤrmern unters 
ſcheiden ſich nun diejenigen, welche eine bald gelbliche (*), bald 
hellbraune (**), bald dunkelbraue (***) Farbe haben. Dieſe 
Würmer find zwar auch oben und unten gewoͤlbet, aber der Anſatz 
iſt viel breiter und flacher, als bey den ſchwarzen, daher ſie auch dop— 
pelt fo breit ausſehen, als dieſe. In den Übrigen Stücken und Eis 
genſchaften aber kommen die gelb und braunfaͤrbigen den ſchwarzen 
vollkommen gleich. 


Wann der ſchwarze Geiferwurm ſeine gehoͤrige Groͤße erlan⸗ 
get hat, und ausgewachſen iſt; ſo ſchicket er ſich auf folgende Art zur 
Verwandelung an. 


Er enthaͤlt ſich des Fraßes, und entleeret ſich alles Unrathes. 
Hierauf begiebt er ſich unter die Erde, und verfertiget ſich unter und 
von derſelben ein laͤnglich rundes, von außen ungleiches und knop— 
periches, inwendig aber hohles, glattes und gleichſam mit Vernis 
überzogenes, Gehaͤuſe oder Gewölbe CH). 


In dieſem Gehaͤuſe oder unterirrdiſchen Gewoͤlbe bleibet er 
noch einige Tage in ſeiner-Wurmgeſtalt liegen; Kopf und Leib find 
gegen einander gebogen und, gekruͤmmet; und endlich zerſpringet die 
Wurmhaut, und es erſcheinet nunmehro in der Hoͤhle eine weiße 
gekrümmte Puppe oder Dattel (Tf). 


An dieſer Puppe kann man zwar ſo gleich auch mit dem bloßen 
Auge alle künftige aͤußere Theile des Kaͤfers bemerken und unterſchei— 
den; doch werden nicht nur alle dieſe Theile unter der Vergroͤßerung 
ſichtbarer und merklicher, ſondern man entdecket auch Eines und das 
Andere, welches dem bloßen Auge verborgen bleibet, auch zu dem 

kuͤnfti⸗ 
(* kig. v (9 Fig.VIL (5) pig. IX. (1) Fig. III. (.) 
big II. IV. 


10 r 


künftigen Kaͤfer nicht gehoͤret, ſondern mit dem Puppenbalge abgele⸗ 
get wird. 

Ich will alſo dieſe weiße Puppe ſo beſchreiben, wie ſie ſich ſo⸗ 
wohl dem bloßen Auge, als unter der Vergroͤßerung, zeiget. 


Leget man die Puppe auf den Bauch, und betrachtet ihren 
Mücken; fo ſiehet man vorn den ungleich breitern, als langen, Brufts 
ſchild, unter welchen der Kopf dergeſtalt an den Bauch gebogen iſt, 
daß man von ihm hier gar nichts gewahr wird. 


Auf den Bruſtſchild folget das Schildchen, fo hinter demſelben 
lieget, und eine ſolche Geſtalt hat, daß es ein vollkommenes gleichfeis 
tiges Dreyeck vorſtellet, deſſen Grundflaͤche dem Bruſtſchilde, die 
Spitze aber dem Hinterleibe zugekehret iſt. 

Unter dieſen Schildchen befindet ſich der erſte breite Ring 
des Hinterleibes, auf welchen hernach noch ſieben andere ſchmaͤlere 
Ringe folgen, fo daß dieſer Hinterleib, mit allen feinen Ringen zu⸗ 
ſammengenommen, einen umgekehrten Kegel vorſtelet. An jeder 
Seite des erſten breiten Ringes iſt ein geringer Theil der kuͤnftigen 
Fluͤgelſcheide, und an jeder Seite der zween folgenden Ringe das 
erſte Gelenke oder das Knie der leztern Paar Fuͤße ſichtbar. Am 
lezten Ringe ſiehet man endlich noch einen ringartigen zitzenfoͤrmigen 
Anſatz, welcher in ein braunrothes langes Haar auslaͤuft. Und eben 
ein ſolches braunrothes Haar ſtehet auf beyden Seiten jeden Ringes 
des Hinterleibes. 

Kehret man dieſe Puppe um, und leget fie auf den Rücken; fo 
beobachtet man Folgendes an ihr (*). 

Oben und in der Mitte ſiehet man den gebogenen Kopf mit den 
Augen, Freßſpitzen, Zaͤhnen und Fuͤhlhoͤrnern, welche leztere neben 
den Zaͤhnen und Freßſpitzen liegen, und unter denſelben hinlaufen, 


Auf 
(0 Fig. Iv. 


F 105 


Auf dieſen Kopf folgen die zweeg erſten Paar Füße mit ihren 
Gliedern und Gelenken. Sie ſind einwaͤrts gebogen, ſo daß das 
Schienbein dem Schenkel genau anſchlieſſet, der eigentliche Fuß 
aber ſchraͤg ausgeſtrecket iſt. 


Dieſer erſtgedachte Kopf und die zween erften Paar Füße liegen 
in dem hier hohlen und halbeirkelfoͤrmigen Bruſtſchilde mitten innen, 
deſſen Rand mit zarten und kurzen braunrothen Haaren beſetzet, und 
oben an beyden Seiten über dem Kopfe mit zwo kegelaͤhnlichen Er— 
hoͤhungen, wie mit einem Paar Hoͤrngen, die in ein ebenfalls brauns 
rothes Haar auslaufen, verſehen ſind. N 


Ueber dieſe erſtgemeldte zween Paar Vorderfüße und noch vor 
denſelben liegen einwaͤrts gebogen die eigentlichen Fluͤgel, und zwar 
fo, daß fie den Schenkel und das Schienbein des erſten Paars Füße 
völlig bedecken, und nur der Fuß und das Fußblatt mit feinen Gelen⸗ 
ken ſichtbar iſt. 


Nach dieſen Flügeln und den zween erſten Paar Fügen bemers 
ket man den Hintertheil der Flügeldecken, welche eben ſo ſchraͤg 
einwaͤrts gebogen find, daß ſich die Spitzen derſelben faſt berühren, 
Und endlich liegen dieſen Fluͤgeldecken der zuſammengelegte Schen— 
kel und Schienbein der Hinterfüße genau an, unter welchen der Hin— 
terleib mit dem obgedachten zitzenfoͤrmigen Anſatze und rothbraunen 
Hagren geſehen wird. 

Aus dieſer weißen Puppe erſcheinet zulezt ein ſchwarzer Kaͤ⸗ 
fer (*) mit hartſchaaligen Fluͤgeldecken. 

Ich habe dieſen Käfer Geiferkaͤfer genennt, weil ſolcher, wenn 
er berühret, oder in den Händen gehalten wird, einen garſtigen 
ſchwaͤrzlichbraunen Saft aus dem Munde laͤßt. 


9 Selne 
h Fig. V. 


106 Ss Er ®& 


Seine Geſtalt iſt, überhaupt genommen, laͤnglich rund; und 
hat, wie alle ſeines gleichen, drey Haupttheile: einen Kopf, einen 
Bruſtſchild, und den eigentlichen Leib. 


Der Kopf, mit feinen Zähnen, Freßſpitzen u. ſ. w. iſt, im Ver⸗ 
gleiche des ganzen Koͤrpers, ungewoͤhnlich klein; und, wenn man ihn 
derühret, ſo ziehet er denſelben ſtark unter den Bruſtſchild, oder beu⸗ 
get ihn unterwaͤrts. 


Die Fuͤhlhoͤrner ſind kolbenfoͤrmig; und die Kolbe dreymal 
durchſchnitten. 


Der Bruſtſchild iſt ſtark gewoͤlbet, glatt, vorn ausgeſchniten, 
und an den Seiten geſaͤumet; und nur unter einer ſtarken Vergroͤße— 
rung iſt er tief gedippelt. 


Das Schiloͤgen iſt ein kleines Dreyeck und geſaumet. 


Die Fluͤgeldecken find gewoͤlbet, an den Seiten geſaͤumet, jede 
mit drey erhabenen Strichen oder Rippen verſehen, und unter der Ver— 
groͤßerung tiefgedippelt. Sie bedecken den ganzen Leib, und darun⸗ 
ter liegen auch die eigentlichen Fluͤgel gebogen verborgen. 


Das erſte Paar Fuße iſt, wie gewoͤhnlich, dem Bruſtſchilde 
angegliedert. Das Schienbein iſt vorn mit einer Dornſpitze verſe⸗ 
hen; und der eigentliche Fuß hat vier herzfoͤrmige unten gefütterte 
Glieder, das fünfte Glied aber iſt kolbig, und lauft in zween krum— 
me Hacken aus. Das zweyte Paar Fuͤße, und welches ſo, wie das 
dritte Paar, dem Vorderleibe angegliedert iſt, gehet darinnen 
von dem erſten Paare ab, daß die vier herzfoͤrmigen Glieder ſchmaͤ— 
ler find. Das dritte Paar Fuße aber hat zwar auch fünf Glieder, 
deren keines aber herzfoͤrmig, ſondern mehr umgekehrt kegelig, und 
anbey jedes mit einem Paar Seitenſpitzen verſehen iſt. 


Ein 


9 #9 ror 
Ein Mehrers von dieſem Käfer zu ſagen, halte darum vor Über, 


flußig, weil er fo gemein und häufig iſt, daß Jeder von der Beſchaf— 
fenheit deſſelben ſich ſelbſt überzeugen kann. 


Bey den Schriftſtellern kommt er unter dieſen Namen und Un, 
ſchreibung vor: 

SIL PH A atrata, elytris ſubpunktatis, lineis eleuatis tribus, ely- 
peo antice integro. Linn. S. N. Tom. I. Pars II. p. 57 f. n. 12. 

Peltis nigra, elytris lineis tribus eleuatis, ſpatio interiecto pun- 
&ato thorace laeui. Geofr. T. I. p. 118. n. I. 

Peltis ſeptima. Schaeff. Icon. Inſect. Tab. XCIII. Fig. V. 

Der Seidentrauer. Muͤll. Naturſyſt. Linn. Th. V. p. 127. n. 12. 


Ich habe oben dreyer anderer Geiferwürmer von gelblicher, 
hell und dunkelblauer Farbe gedacht. Was werden wohl aus den» 
ſelben vor Kaͤfer ſich entwickeln? b 


Eine Frage, die ich, fo leid es mir auch iſt, unbeantwortet laſ⸗ 
ſen muß. Denn ob ich gleich, zu Entſcheidung dieſer Frage, eine 
Menge ſolcher Wuͤrmer in eigene Glaͤſer gethan; fo hat ſich doch kei⸗ 
ner derſelben verwandeln wollen, ſondern ich fand ſie, nachdem ich lang 
genug und vergeblich gewartet, alle unter der Erde verdorben. 


Außer dem gemeinen und hier beſchriebenen ſchwarzen Geifer— 
kaͤfer, befinden ſich in unſerer Gegend mehr andere Arten von ver» 
ſchiedener Groͤße, Baue und Farbe. 


Unter dieſen ſind diejenigen beyden die ſeltenſten unſerer Gegend, 
die in der achten und zehenden Figur abgebildet ſind. 


Der eine Geiferkaͤfer (*) iſt mit einem ſchoͤnen goldgelben oben 
ungleichen und gedippelten Bruſtſchilde gezieret; feine Flligeldecken aber 
O 2 haben 

() Fig. VII. 


109 r 83 
haben nur einen erhabenen laͤnglichen Strich oder Rippe, und ſind 
ſtark geſaͤumet. Er kommt bey den Schriftſtellern unter folgenden 
Namen vor: ö 
SILPHA tboracica , nigra, elytris obſcuris: linea eleuata vnica, 
elytro retuſo teſtaceo. Linn. S. N. Tom. I. P. II. p. 57 1. n. 13. 
Peltis tertia. Schaeff. Icon. Inſect. Tab. LXXV. Fig. V. 
Der Schildtraͤger. Muͤller Naturſyſt. Linn. Th. V. p. 128. n. 13. 


Der andere iſt ein grauer oder gruͤnlicher Geiferkaͤfer (*), 
der mir nur einmal zu Geſichte gekommen iſt. 


(* Fig. X. 
eee eee e. 


Erklaͤrung der Kupfertafel. 


Fig. I. Ein ſchwarzer Geiferwurm, noch unausgewachſen. 

rig. II. Ein ſchwarzer vollig aus gewachſener Geiferwurm. 

Fig. III. Die weiße puppe des Geiferwurmes in feinem erdigen Ge: 
haͤuſe oder Gewoͤlbe. 


Fig. IV. Die vorige Puppe außer ihrem Gehaͤuſe und auf den Nücfen 


liegend. 


rig. V. Ein ſchwarzer Geiferfäfer. 


Fig. VI. Ein gelblicher Geiferwurm. 
Fig. VII. Ein dergleichen hellbrauner. 
Fig. VIII. Ein Geiferkäfer mit goldgelbem Bruſtſchilde, 


Fig. IX. Ein dunkelbrauner Geiferwurm. 


Fig. X. Ein hellbrauner oder gruͤnlicher Geiferfäfer, 
le 
WIII. 


VIIL 
Die 


zannenfägfliege, 


ere es es le, ee les 
ee ee ee e SERIES eek ser 


8 8.— BE: EREHERE 88 REINE 


| Die 
Tannenſaͤgfliege. 


7s giebt eine Art Fliegen, welche mit einem bewundernswuͤr— 
(digen Werkzeuge (“) verſehen find, Dieſes Werkzeug bes 

uf I findet ſich in dem Leibe der Weibgen, und fie find vermoͤge 
deſſelben im Stande, das Oberhaͤutgen der Blaͤtter, und die zarte 
Oberrinde von Baͤumen, Stauden und Pflanzen dergeſtalt kuͤnſtlich 
aufzuſchneiden, daß ſie in dieſen Schnitt und Oefnung bequem ein 
Ey legen und daſelbſt verwahren koͤnnen. Da nun dieſes Werk— 
zeug, dem Baue und Dienſte nach, einer Säge gleich kommt, ſo ha⸗ 
ben dieſe Fliegen den Namen Saͤgfliegen erhalten. 

Diejenige Fliege, deren Geſchichte ich gegenwaͤrtig bekannt zu 
machen des Vorhabens bin, gehoͤret zu dieſen Saͤgfliegen. Und weil 
ihr Wurm von den Tannennadeln lebet und ſich naͤhret, ſo habe 
ich ſie mit dem Namen Tannenſaͤgfliege von andern ihres gleichen 
zu unterſcheiden geſucht. 

Der Wurm dieſer Fliege iſt eine Afterraupe, weil ſie ihrem 
ſonſtigen Baue nach zwar einer Raupe aͤhnlich ſiehet, aber mehr als, 
ſechzehen Füße hat, da die ordentlichen Raupen deren zwar e 
aber nie mehr als ſechzehen, haben dürfen, 

Gegen 


112 S 


Gegen Ende des Mayes, und ſo auch noch im Junius, findet 
man dieſe Afterraupen auf den Nadeln der Tanne von verſchiedener 
Groͤße, Wachsthum und Alter (*). 


Jede Afterraupe iſt lang und ſchmal. Der Kopf iſt rundlich 
und glaͤnzendſchwarz. Der Leib hat zwoͤlf Ringe, die aber voller 
Runzeln oder Einſchnitte find; die Grundfarbe iſt gruͤnlich und mit 
ſchwarzgedippelten, und die Laͤnge hinablaufenden, Streifen ge— 
zeichnet. An den erſten drey Ringen befinden ſich unten die drey ſpi⸗ 
tzigen Füße, von ſchwarzer Farbe. An dem vierten bis vor lezten, und 
an dem lezten Ringe, ſtehen die ſtumpfen fleiſchigen Füße, von gelb 
licher Farbe; ſo daß dieſer ſtumpfen Fuͤße in allen neun Paar ſind. 


Nie findet man dieſe Afterraupen einzeln, ſondern allezeit in 
mehrerer Anzahl bey einander, und gehoͤren alſo zu den Geſelligen. 
Sie find auch ſehr verträglich, und man findet oft zwey (**), 
drey (***) und mehrere an einer Nadel beyſammen, und ſolche 
gemeinſchaftlich benagen. 


Da es allen Afterraupen eigen iſt, um ihren Feinden, und 
denen, ſo ſie anrühren wollen, Schrecken zu verurſachen, und von 
ſich zu entfernen, die ſeltſamſten Stellungen anzunehmen; fo bemer⸗ 
ket man dieſes auch an dieſen Tannenafterraupen. Sie koͤnnen 
ſich nicht nur gerad ausſtrecken CT), fondern auch nach allen Ge— 
genden und auf unzählige Arten kruͤmmen und beugen. Bald ſitzen 
ſie mit dem Leibe feſt, und beugen den Kopf und die erſten Ringe, 
nebſt dem Hintertheile des Leibes in die Hoͤhe (T); bald faſſen fie 
mit den lezten Paar Fuͤßen das Aeußerſte einer Nadel, und haͤngen 
gerad oder gekruͤmmet frey in der Luft (Tr); bald halten fie ſich 

8 mit 


( rig. L a — i. (% b. (e. Chase () b. 


S 2 85 113 
mit einigen oder mehrern der Hinterfüße feſt, und geben dem Leibe 
dieſe und jene ungewoͤhnliche Richtung (*). Und es iſt bey nahe 
unmöglich , alle die Stellungen und Richtungen anzugeben, deren 
dieſe Afterraupen faͤhig ſind. 


Daß ſich dieſe Afterraupen mehrmalen haͤuten, iſt eine bes 
kannte Sache. Solche geſchiehet ganz im Freyen. Sie ſetzet ſich 
an eine Nadel feſt und ſtreifet den Balg nach und nach ab (*). 


Haben dieſe Tannenafterraupen ihr gehoͤriges Alter erreichet; 
ſo ſchicken ſie ſich zu ihrer Verwandelung an. Und hiezu erwaͤhlen 
ſie ſich den naͤmlichen Tannenzweig, von deſſen Nadeln ſie bisher 
gelebet haben. Und wie ſehr hat man hier die Zelle zu bewundern, 
welche fie ſich zu ihrem Verwandelungsorte ſelbſt erbauen! 


Die ihrer Verwandelung nahe Tannenafterraupe leimet an 
eine Nadel ein walzenaͤhnliches und pergamentartiges, halbdurch⸗ 
ſichtiges, Gehaͤuße feſt und weis die Kunſt, waͤhrend daß fie dies 
ſes Gehaͤuße aus ſich ſelbſt bauet, nicht nnr innerhalb demſelben ſich 
zu erhalten, ſondern auch dies Gehaͤuße zulezt mit einem Deckel 
oben zu verſchließen (**). 


In dieſem Gehaͤuße gehet denn ihre Verwandelung im Ver⸗ 
borgenen vor ſich, und iſt dabey vor allen Nachſtellungen ihrer Fein— 
de ſicher. Hat ſie denn nun aber ihren Puppenſtand ausgehalten; 
ſo kommt die Fliege innerhalb dem Gehaͤuße zum Vorſcheine. 


P Sie 
C*) Eigil. g k. (% „, (% un. 


114 SS T 8 

Sie hat ſich ihren nunmehrigen Ausgang und Ausflug zum 
voraus ſchon erleichtert. Denn den Deckel, womit fie ihr Ger 
haͤuße oben verſchloß, hat fie gleichwol nicht mit dem übrigen Ge⸗ 
haͤuße in eines fortgehen laſſen, ſondern ihn wirklich abgeſondert, 
und nur ganz leicht angeleimet. Es koſtet ihr alſo nunmehro gar 
nicht viel Mühe, ſolchen abzuſtoßen, und aus ihrem Gefaͤngniſſe 
ſich ſelbſt zu befreyen. 


Wobey ich dieſes noch anmerken muß. Da, wie ich gleich 
melden werde die Weibgen, wie insgemein, groͤßer und dickleibi— 
ger ſind, als die Maͤnngen; ſo findet ſich auch unter den Gehaͤußen 
der offenbare Unterſcheid, daß einige größer und dicker (*), ande— 
re kleiner und ſchmaͤler (*) ſind; und daß aus jenen allezeit ein 
Weibgen, aus dieſen aber ein Maͤnngen, zum Vorſcheine kommt. 
Wer hat aber der Afterraupe gelehret, daß aus ihr eine weibliche 
und maͤnnliche Fliege entſtehen werde, und daß ſie alſo auch nach 
dieſer Verſchiedenheit ihre Gehaͤuße verſchieden erbauen und einrich— 
ten muß? Ja, wer hat ihr die Kunſt gelehret, ihr duͤnnes Gehaͤuße 
mit einem vollkommen aufpaſſenden Deckel fo zu verſchließen, daß 
er ſeiner Zeit auch leicht wieder abzuheben iſt? N 


Man darf nur mehrere dieſer zum Vorſchein gekommmenen 
Tannenſaͤgfliegen haben und ſie mit einander vergleichen, ſo wird 
ihr verſchiedener Bau und Farbe uns ſogleich auf den Gedanken 
bringen, daß einige weiblichen und andere männlichen Geſchlechtes 

ſeyn 
(5) Fig. I. I. (**) m. 


= + 115 
ſeyn muͤſſen. Und ſo findet ſich es auch, wenn man den Hinterleib 
dieſer verſchiedenen Fliegen behutſam preſſet; indem da bey dem einen 
ganz andere Theile ſichtbar werden, als bey dem andern, und welches 
nichts anders, als ihre verſchiedene Zeugungs und Geburthsglieder 
find (5). 

Die Maͤnngen (*) haben einen merklich ſchmaͤlern Leib, als 
die Weibgen. Sie ſind durchaus ſchwarz, und nur der Hinterleib 
iſt unten gelblich. Die Füße find ebenfalls gelblich. Die Fluͤgel 
find ſehr durchſichtig, und wenn fie im Sitzen kreuzweis uͤbereinan— 
der geſchloſſen liegen, fo gehen fie über den Leib hinaus, und lezterer 
ſcheinet durch dieſelben hindurch ((**). Sind die Flügel ausgebreitet, 
fo bemerket man an dem Rande der Dberflügel einen undurchſichti— 
gen ſchwaͤrzlichen, in der That aber gelblichen Flecken (T). Dasjenis 
ge aber, was dieſen Maͤnngen ein vorzüglich ſchoͤnes Ausſehen giebt, 
find die gekuͤmmten Fuͤhlhoͤrner. Sie haben einen ſtarken Mittels 
ſtamm, und die Seitenaͤſte oder Kaͤmme find oben und unten am 
laͤngſten, und nehmen ſtufenweiſe, nach oben und unten zu, immer mehr 
und mehr und alſo ab, daß der lezte Seitenaſt oder Kamm nur 
eine kleine Spitze iſt. 


Das Weibgen (11) hat, außer den dickern Leib, eine 
ganzlich gelbe Farbe. An den Dberflügeln fehlet der dunkele Fle— 
cken, fo den Maͤnngen eigen iſt; und die Fuͤhlhoͤrner find ſichelaͤhn— 
lich und, ſtatt gekaͤmmet, vielmehr gezaͤhnet. Sie haben unten eine 
gelbliche, von da aber ſchwaͤrzlich und dunkelbraune Farbe. 

P 2 Das 
(*). Fig. IV. v. vi. () Fig. I. n. . () Fig. I. n. o. 
cr) Fig. II. III. (TT) Fig. I. e. III. 


116 3 * 

Das Vornehmſte aber, was nun noch bey den Weibgen in 
Betrachtung zu nehmen iſt, betrift dasjenige Werkzeug, womit ſie, 
wie mit einer Saͤge, die zarte Oberrinde des Tannenzweiges auf— 
ſchneidet und eines ihrer Eyer in ſolchen Schnitt einzulegen weis. 


Dieſe Säge (* ) find ein Paar gelbe Blätter, die den Saͤge⸗ 
blättern ziemlich gleichen. Das obere Blatt iſt dicker, oben ge— 
krümmet und läuft ſpitzig aus; vorn aber hat es eine Rinne, in 
welcher das untere Saͤgeblatt lieget und einſchließet, und beym Ge— 
brauche ſich auf und abbewegen kann. Das aͤußere Ende iſt mit 
zarten Zaͤhnen eingeſchnitten und eingekerbet, und man kann, wenn 
man mit dem Finger auf und abfaͤhret, das Scharfe derſelben deut 
lich empfinden. 


Will nun das Weibgen ihr Ey unter die zarte Rinde des Tan⸗ 
nenzweiges ſicher bringen; ſo ſetzt ſie die Spitze des obern Saͤg— 
plattes feſt auf, oder bohret ſich vielmehr mit derſelben eine kleine 
Oeffnung in die Oberrinde. Alsdenn ſetzet ſie das untere Saͤg⸗ 
blaͤttgen in Bewegung, und es iſt geſchwinder, als man denken ſoll⸗ 
te, der Schnitt geſchehen und das Ey hineingebracht. Hierauf bes 
giebet ſich das Weibgen ſogleich anderswohin, um ein gleiches und 
dieſes ſo lange zu verrichten und zu wiederholen, bis es ſich aller 
fruchtbaren Eyer entlediget hat. 


Gleichwie es mir aber nie glücfen wollen, die Begattung die— 

ſer Fliegen beobachten zu koͤnnen; alſo habe ich auch nie daruͤber 
8 g Bemer⸗ 
(* Fig VI. a 


* 


ur 8 15 


Bemerkungen machen koͤnnen, wie lange ein Ey unter der Rinde 
liegen bleibet, und wie die Afterraupe aus demſelben zum Vorſchei⸗ 
ne kommt. 


Bey den Schriftſtellern kommt dieſe Tannenſaͤgfliege unter fol⸗ 
genden Namen und Beſchreibungen vor. 


TENTHREDO Iuniperi, antennis pennatis obtuſis, thorace gla- 
bro. Linn. S. N. Tom. I. pars II. p. 923. No. 15. 


Thenthredo antennis pedtinatis ſeptima & o&taua, Scbae f. Icon. In- 
fe&t. Tab. CLIV. Fig. III. IV. V. VI. 


Der Wachholderfreſſer. Muͤller Naturſyſt. Linn, Th. V. 
p. 326, No. 15. 


2 
* 
— 
An 
— 
=» 
Ey 


118 W 
Erklaͤrung der Kupfertafel. 


Fig. I. Ein Tannenzweig. 
a. — i. Afterraupen von verſchieder Groͤße und Stellung. 
K. 5 Allee? wie fie ihren Wurmbalg eben abgeſtrei— 
et hat. 
1. Ein Gehaͤuße des Weibgens der kuͤnftigen Tannenſaͤgfliege; 
mit aufgehobenem Deckel. 
m. Ein Gehaͤuße des Maͤnngens der kuͤnftigen Tannenſaͤgflie⸗ 
ge, ebenfalls mit abgehobenem Deckel. 
n. Ein Männgen der Tannefägfliege im Sitzen. 
o. Ein Weibgen der Tannenſaͤgfliege im Sitzen. 
Fig. II. Ein Maͤnngen der Tannenſaͤgfliege im Fliegen. 
Fig. III. Ein Weibgen der Tannenſaͤgfliege im Fliegen. 
Fig. 920 Der lezte Ring eines Maͤnngen mit den ausgepreßten innern 
eilen. 
a. a. Die zween hornartigen Seitenblaͤtter. 
b. Das maͤnnliche Zeugungsglied oder die Ruthe. 
Fig. V. Der lezte Ring eines Weibgen, ohne daß die innern Theile 
heraus gepreſſet find, 
a. a. Ein Paar haarige, fleiſchige und kolbenaͤhnliche Anſaͤtze. 
Fig. VI. Der lezte Ring eines Weibgen mit den herausgepreßten ins 
nern Theilen. 
a. Die Saͤge. 
b. Der Maſtdarm. 
c. Ein haͤutiges Weſen. 
d. Die zween fleiſchige, haarige und kegelaͤhn liche Anſaͤtze. 


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Der 


Kropftrautseifelfäfer, 


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REISEN Ne 
EEE Bi r 


Der 
Kropfkrautsruͤſſelkaͤfer. 


Der Geſchichte des gegenwärtigen Ruͤſſelkaͤfers hat Reaumur 

59 Icon in feinen Werken gedacht (*); es hat mich aber dieß 
Vs gleichwohl, aus mehr als einer Urſache, nicht abgehalten, fie 
hiemit auch ſo bekannt zu machen, als, ſie kennen zu lernen, es mir 
gegluͤcket hat. 


Da ich die Wuͤrmer dieſes Ruͤſſelkaͤfers nie anders, als auf 
dem Kropf kraute (**) angetroffen; fo habe ich den Käfer von da» 
her den Kropf krautsruͤſſelkaͤfer zu nennen nicht uneben gefunden. 


Im Junius bis Auguſt wird man die Blaͤtter der Kropf— 
krautspflanze nicht ſelten durchfreſſen und wie ſkeletirt antreffen ***); 
und dies iſt ein ſichtbares Merkmaal, daß auf ſolcher Pflanze ſich 
Würmer und Käfer befunden haben, oder noch befinden. 


Es ſind aber dieſe Würmer im Anfange ſchwer zu erkennen, 
und man wird, ſtatt ihrer, insgemein einen braunen glaͤnzenden 


Q u Schleim 
(*) Mem. pour fervir à Phiftoire des Infeftes. Tom. III. Mem. I. 
p. 31 — 53. Planch. II. Fig, 9. 10. TI. 12. as erophularia 


maior vulgaris Kropfwurz, Braunwurz, 1755 einm. Tab. 903. a. 
(**) Figl 


122 S u 

Schleim auf den Blaͤttern oder Staͤngel der Pflanze antreffen. 
Denn mit eben einem ſolchen glänzenden Schleime uͤberdecket ſich alles 
zeit der Wurm, um ſich innerhalb ſolchen zu verbergen, und ſeine 
Feinde von ſich abzuhalten; eben ſo, wie man von dem Wurme des 
Lilienkaͤfers weis, daß er ſich unter ſeinem eigenen Unrathe zu verber— 
gen ſuchet. Und ſelbſt dieſen Schleim ziehet er mit ſich fort, wenn er 
von einem Orte zum andern ſich begiebt (*). 


Nimmt man aber den Wurm aus dieſem Schleime heraus, 
und reiniget ihn von ſolchem, ſo zeiget er ſich auf folgende 
Weiſe (**). 

Der Kopf iſt klein und ſchwarz; der Leib dicklich und walzen— 
ahnlich, voller Einſchnitte oder Runzeln; die Farbe hellbraun; und 
feine Fuße find mehr fleiſchige Warzen, als wirkliche und eigentliche 
Fuͤße. Doch kann er ſich durch das Ausdehnen und Zuſammenzie— 
hen, und mit Hülfe dieſer ſcheinbaren Füße, ziemlich geſchwind von 
einem Orte zum andern forthelfen. Auch bemerket man an den 
Wuͤrmern, in Anſehung der Größe, einen merklichen Unterſcheid, da 
einige faſt halb ſo klein ſind, als die andern, weil aus jenen Kaͤfer 
männlichen, und aus dieſen Käfer weiblichen Geſchlechtes entſtehen. 


Wenn der Wurm ausgewachſen, und ſich der Verwandelung 
nähert, fo waͤhlet er dazu die naͤmliche Pflanze, Blatt oder Staͤn⸗ 
gel, wo er bishero gelebet und ſich genaͤhret hat. Er weis den 
bisher um ſich herum gehabten Schleim an irgend einem Orte der 
Pflanze feſt zu leimen, macht daraus eine ordentliche pergamentaͤhn— 
liche und halbdurchſichtige Kugel (***); und gleich wie er ſich inner⸗ 
halb derſelben zu erhalten weis, alſo läßt er ſolchen, anfaͤnglich zaͤhen 
und weichen, Schleim, in Geſtalt einer Kugel, an der Luft hart 
werden; und wird darinnen zu feiner Zeit zur Dattel, 

f At 
(5) Fig. I. a. (* b. (ie. d. ki 


= ES 123 
An diefer Dattel (*) kann das bloße Auge wenig erkennen. 
Man ſiehet auf dem Rücken blos Bruſtſchild und Ringe; und auf dem 


Bauche einen langen Rüffel, mit eingebogenen Füßen und Ringen 
des Leibes. 


Bringet man aber eine ſolche Dattel unter die Vergrößerung, 
und leget fie auf den Ruͤcken, fo kann man folgende Theile ſehr deut⸗ 
lich unterſcheiden (**). 


Oben ſiehet man den Kopf mit den zwey Augen und dem lan» 
gen Ruͤſſel (**). Unter und neben dem Ruͤſſel liegen die geboge— 
nen Fuͤße (T); und neben denſelben, nach außen zu, die kuͤnftigen Fluͤ⸗ 
geldecken und eigentlichen Flügel CET). Und endlich find unten eis 
nige Ringe des Leibes ſichtbar (TT). 


Der Rüffelkäfer ſelbſt iſt, der Hauptfarbe nach, aſchen— 
grau (4). Der lange Xuͤſſel hat eine ſchwaͤrzliche Farbe; und die 
beyden ebenfalls ſchwarzen Augen ſind an dem hintern dicken Theile 
oder Grunde des Ruͤſſels, ſehr ſichtbar. Das Bruſtſchild ift kegel⸗ 
artig, ſtark gewoͤlbet und weißlich. Die Slügeldecken bedecken den 
ganzen Leib, ſind aſchgrau, mit erhabenen ſchwaͤrzlichen Streifen, 
welche aus abgeſezten erhabenen Knoͤpfgen beſtehen, gezeichnet; in— 
ſonderheit ſiehet man in der Mitten der geſchloſſenen Flügeldecken ein 
Paar groͤßere ſchwarze Flecken hintereinander. Welcher zweyte 
Flecken jedoch bey dem Weibgen oft ſo ſichtbar nicht iſt, und 
ihm bey nahe ganz und gar zu fehlen ſcheinet. 


Zwiſchen Maͤnngen und Weibgen iſt, außer dem Erſtgemelde— 
ten, kein merklicher Unterſcheid, nur daß, gewoͤhnlicher maſſen, das 
Weibgen allezeit merklich größer und dicker iſt, als das Maͤnngen. 


Q 2 Bey 


(0) Fig. . l. () Fig. IV. (Far) a. (t) e. e. (1) b, b. 
(It) d. d. (J) Fig. V. VI. 


124 S 


Bey den Schriſtſtellern fuͤhret dieſer Rüſſelkäfet folgende Be⸗ 
wennungen, 

evrcvııo ſcrophulariae longiroftris, ſubgloboſus, coleopteris 

maculis duabus atris dorſalibus. Linn. S. N. T. I. P. II. p. 

614. n. 61. 


Curculio ſubgloboſus niger, pu nctis duobus atris ſuturae longi- 
tudinalis coleopterorum, thorace exalbido. Gesffr. Hiſt. des 
Inſedt. T. I. p. 296. n. 44. 


Curculio femoribus aculeatis decimus. Schae f. Icon. Inſett. Tab. 
cx XXII. Fig. VIII. a. b. 


Der Braunwurzlecker. Muͤller. Naturſyſt. Linn. Th. V. Seite 
232, num. 61. 


Erklaͤrung der Kupfertafel. 


Fig. I. Kropf krautspflanze mit Wuͤrmern und Datteln in ih⸗ 
ren Gehaͤuſen. 5 
a. Ein Wurm, wie er mit uͤberdecktem Schleime zu krie⸗ 
chen pfleget. 
b. Ein Wurm, von ſeinem Schleime gereiniget. 
e. Ein groͤßeres Gehaͤuſe mit der darinn liegenden Dattel. 
d. Ein kleineres dergleichen Gehaͤuſe. 
Tig. II. Eine Dattel, auf dem Bauche liegend, in natürlicher Groͤße, 
Fig. III. Die nämliche Dattel, auf dem Rücken liegend. 
Fig. IV. Die vergrößerte Dattel. 
a. a. Der Kopf, Augen und Nuͤſſel. 
b. b. Die Fluͤgeldecken. 
e. c. Die Fuͤße. 
d. d. Die lezten Ringe des Leibes. 
Pig. V. Der Ruͤſſelkäfer, ein Weibgen. 
Fig. VI. Der Ruſſelkaͤfer, ein Maͤnngen. 


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Die 


Springfederbiene. 


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Die 
Springfederbiene. 


ieleicht wird es mir von Einigen übel genommen, daß ich von 

dieſer Biene etwas oͤffentlich zu melden mir vorgeſetzet habe, 

da ich zum voraus ſelbſt geſtehen muß, daß mir von ihrer eis 

gentlichen Geſchichte nicht das Mindeſte bekannt iſt. Vieleicht 

werde ich aber auch von Andern entſchuldiget, da ein außerordent— 

licher einzelner Theil an einem Inſecte, einer Anzeige nicht ganz une 
würdig iſt. 


Dieſe Biene (*) iſt, überhaupt betrachtet, von fehmärzlicher 
Farbe, hin und wieder mit Haaren beſetzet, und alſo von etwas rau— 
chem Anſehen und Gefuͤhle; und ihr Leib iſt allezeit krumm gebogen. 


Sie ſchlaͤft des Nachts in den Blumen, ſonderlich in ſolchen, die 
einblätterig find, als Glockenblumen und dergleichen. In dieſen 
Blumen findet man ſie allezeit gegen den Abend und des Morgens, 
wenn die Luft feucht iſt, oder wenn es regnet, mit dem Kopfe ſo tief 
in dem Blumenkranz verborgen, als ſie nur hinein Due koͤnnen, 
der Leib aber ſtehet allezeit hinten heraus. 


Dasje⸗ 


C*) Fig. I. II. II. 


128 5 


Dasjenige, was nun dieſe Biene vor andern auszeichnet und 
merkwuͤrdig macht, find ihre Fuͤhlhoͤrner. 


Sie ſtehen auf einem umgekehrt kegelichen Gliede, als deſſen 
Grunde; alsdenn werden ſie kaͤulenfoͤrmig, das iſt, ſie nehmen von 
unten nach oben im Durchmeſſer mehr zu, und ich habe dieſer 
Gelenke ſechs gezaͤhlet. Sodann werden die fuͤnf folgenden Ge— 
lenke (*) auf einmal ſchmaͤler, und dieſes gehet nach und nach fo 
fort, bis das lezte kaum halb ſo breit iſt, als das erſte von dieſen 
fünfen. Und was das Seltſamſte, ſo ſind dieſe fünf lezten Gelenke 
alle nach innen ſchraͤg abgeſchnitten, ſo, daß ſich der runde Theil des 
oͤlgenden ganz bequem in den Ausſchnitt des vorhergehenden einlegen 
kann. So findet man dieſe Fuͤhlhoͤrner, wenn ſie gerad ausgeſtreckt ſind. 


Allein im natürlichen Zuſtande trift man dieſe Fuͤhlhoͤrner nie 
ausgeſtreckt an, ſondern die fuͤnf erſten Glieder ſind allezeit in ein 
Dreyeck zuſammengebogen (**). Und wenn man fie auch mit Ge⸗ 
walt zum Theile, oder gänzlich (*), aus einander bringet; fo 
ſpringen ſie, nach Art einer geſpannten Feder, augenblicklich in ihre 
dreyeckige Lage wieder zurück; und welches mich eben bewogen, dieſer 
Biene den Namen der Springfederbiene beyzulegen. 


Außer dieſen ſonderbar gebauten Fuͤhlhoͤrnern, habe ich noch 
ein Paar andere ungewoͤhnliche Theile an dieſer Biene bemerket. 
Solche befinden ſich unten auf dem zweyten und dritten Ringe des 
Leibes. Es find ein Paar erhabene und ausgehöhlte hornartige Ins 
ſaͤtze (T); deren Gebrauch und Nutzen ich aber eben ſo wenig anges 


ben, und beſtimmen kann, als den Gebrauch und Nutzen der erſt— 
beſchriebenen Fuͤhlhoͤrner. 


Beh 


( rig. vl. e. e. () pig. I. II. III. V. c c. () Fig. IV. 
Ct) Fig. VII. a. a. b. b. 


ne 129 


Bey den Schriftſtellern findet man diefe Biene unter lcd 
Namen und Beſchreibung. er 


Ap IS florifomnis, abdomine ſubeylindrico incuruo, ano bidentato, 
tibiis poſticis apice ſpinoſis. Linn. S. N. Tom. I. Pars II. p. 
954. No. 13. ? 

Apis decima quarta. Schaeff. Icon. Inſect. Tab. XXXII. Fig IX. X. 

Der Blumenſchlaͤfer. Muͤll. Naturſyſt. Linn. Th. V. p. 994. 1. 13. 


N Nee Ne De ee ET 09 Ae 


Erklaͤrung der Kupfertafel. 


Fig. I. Die Springfederbiene, ſitzend. 
Fig. II. Ebendieſelbe, fliegend. 
Fig. III. Ebendieſelbe, auf dem Ruͤcken liegend. 
Fig. IV. Der vergrößerte Kopf mit auseinander gezogenen Fuͤhl⸗ 
hoͤrnern. 
a. Die groͤßern zuſammengeſezten Augen. 
b. Die kleinern einfachen Augen. 
c. Die Zunge, oder die Saugroͤhre verbergenden Halb— 
ſcheiden. 
pig. V. Der vergrößerte Kopf, mit Fuͤhlboͤrnern im naturlichen Zus 
ſtande. 
a. Die groͤßern zuſammengeſezten Augen. 
b. Die kleinen einfachen Augen. 
c. c. Die in keinem Dreyeck zuſammengelegten Fuͤhk⸗ 
hoͤrner. 
d. Die geſchloſſe nen Zaͤhne. 
e. e. Die größern Halbſcheiden. 
f. £ Die kleinen Halbſcheiden. 
g. Die Saugroͤhre. 
* R Fig. VI. 


130 S N 23 


Fig. VL Der vergrößerte Kopf mit ausgeſtreckten Fuͤhlhoͤrnern und 
® aus einander gelegter Zunge. 
a. Die groͤßern zuſammengeſezten Augen. 
b. Die Zähne. 
c. Die Fuͤhlhoͤrner. 
. d. Die größern Halbſcheiden. 
e Die kleinern Halbſcheiden. 
Die Saugroͤhre. 
Fig. VII. Der vergrößerte Leib auf dem Ruͤcken liezend. 
a. a. Die hornartigen ausgehölten Anſaͤtze auf dem zei) 
ten Ringe. 5 
= b. b. Die hornartigen ausgehöhlten Anſaͤtze auf dem drit⸗ 
ten Ringe. 
Fig. VIII. IX. Der lezte Ring im natuͤrlichen und ſtark gepreßten 
Zuſtande. i g 
Fig. X. Die ſtark auseinander gepreßten innern Theile des Leibes. 
a. a. Die zwey größern hornartigen Seitenblaͤttgen. 
b. b. Die zwey kleinern Seitenblaͤttgen. 
c. c. Ein Paar ſonderbare Theile, zwiſchen welchen das 
Zeugungsglied innen zu liegen ſcheinet. 


W Nn 


XI. 


XI. 


Die 


Afterweſpe. 


ENDEN END 


6! 
CCC 
nee 


ET a N ee 


Die 
Afterweſpe. 


’ chon viele Jahre vorher, ehe der zweyte Theil des Natur⸗ 

S for ſchers (*), und in demſelben die Beobachtungen und 

Gedanken des beruͤhmten Serrn Paſtoris Goͤtzens uͤber 

die vermeynte Siebbiene, an das Licht traten; war dieſe After⸗ 

weſpe ein Gegenſtand meiner Aufmerkſamkeit und Beobachtungen 

geweſen, und hatte von ihr, und noch einer andern, Abbildungen neh⸗ 
men und ſie in Kupfer ſtechen laſſen. 


Um ſo weniger hoffe ich alſo eine unnoͤthige Arbeit zu thun, 
wenn auch ich dieſe Biene ſo gut beſchreibe, als es mir ihre Bildung 
N 3 und 


(*) Der Naturforſcher zweytes Stuck. Halle bey Gebauern 
1774. No. III. p. 21. 


134 a u = 

und ihre beſondern Theile an die Hand geben, und wenn ich derſelben 
noch eine andere Afterweſpe beyfuͤge, die mit ihr eine gewiſſe Aehn— 
lichkeit hat. Ich will die erſtere die größere, und die andere die 
kleinere Afterweſpe nennen. 


Die größere Afterweſpe (*) iſt in unſern Gegenden nicht ſelten, 
und man findet ſie im Sommer auf den Blumen oft genug. Ihr 
breiter Kopf, und der Bau ihres Mundes machen, daß ſie nicht zu 
den Bienen gerechnet werden kann; aber die ungebogenen und nicht 
zuſammengelegten Flügel hindern es, daß man fie auch nicht zu den 
ordentlichen Weſpen zaͤhlen darf. Sie gehoͤret zu demjenigen eigenen 
Geſchlechte, das ich in meiner Einleitung in die Inſectenkennt⸗ 
niß mit dem Namen der Afterweſpen beleget habe ("*). 


Da Herr P. Böge behauptet, daß diejenige Afterweſpe, deren 
Vorderfüße mit einem beſondern Anſatze verſehen ſind, das Maͤnn⸗ 
gen ſey, indem dem Weibgen ſolcher Anſatz gaͤnzlich fehle; ſo ſetze 
ich dieſes, auch aus eigener Beobachtung und Ueberzeugung, als rich⸗ 
tig und der Warheit vollkommen gemaͤß, voraus; und werde mich 
alſo auch blos mit der Beſchreibung dieſes Maͤnngens beſchaͤftigen. 


Der Kopf () diefer groͤßern Afterweſpe iſt, wie bey allen 
ihres gleichen, ungewoͤhnlich breit, und gehet um ein Merkliches, auf 
beyden 


(*) Fig. I. II. III. () Spbex. Element. Entomol. Tab. CXV. 
(%) pig. IV. 


a 135 
beyden Seiten, über den Bruſtſchild hinaus. Er ift glänzend 
ſchwarz, in der Mitte herzfoͤrmig eingedrückt oder ausgeſchnitten, 
und nur unter einer ſtarken Vergroͤßerung bemerket man einige kleine 
Haͤrgen. Auf den Seiten des Kopfes ſiehet man die nezfoͤrmigen 
größern Augen (*), welche ungewoͤhnlich groß und ſtark gewoͤl— 
bet find; hinten aber ſtehen die drey kleinern Augen an ihrem ger 
woͤhnlichen Orte in einem Dreyecke. Die Zaͤhne ſind lang, ſchmal, 
krumm gebogen, und vorn einigemal eingeſchnitten (**). Das 
Maul beſtehet aus zwey großen (“**) und drey kleinen (T) Freß 
oder Fuͤhlſpitzen, und einer kurzen Zunge (I 7). 


Die Fuͤhlhoͤrner (11k) find bey dieſem Männgen von den 
gewoͤhnlichen, und auch dem Weibgen ihren, ſehr abweichend und 
verſchleden. Sie ſind ſchwarz, und, im Ganzen betrachtet, ſpindel— 
förmig ; ſcheinen gewunden und inwendig hohl zu ſeyn. Sie ſtehen 
auf einem kegelaͤhnlichen Grunde, auf welchem ein kleines Gelenke, 
und auf dieſes neun oder zehen andere folgen, die bis in die Mitte im 
Durchmeſſer zu, alsdann aber bis an die Spitze wieder abnehmen, 
und dem Fühlhorne die ſpindelfoͤrmige Geſtalt geben. 


Dem Kopfe iſt der Bruſtſchild durch einen unmerklichen Hals 
angegliedert. Es iſt ſolcher ebenfalls hornartig und ſchwarz, hat eis 


nen etwas breiten und vorn gerad abgeſchnittenen Anfang oder 
Grund, 


c ie e dee te) ee ch ae ct 
F d. 


136 u x 

Grund, und iſt ſtark geſaͤumet, dann lauft er umgekehrt kegelich 
nach hinten zu, und hat daſelbſt einen ſtarken Einſchnitt, welcher 
dieſen Bruſtſchild gleichſam in zween Theile abſondert. Und auf Diee 
ſem Bruſtſchilde ſind vier gelbe Flecken ſehr deutlich zu erkennen; zween 
groͤßere, mehr breite, als lange, ſtehen vorn, und ſind von einander 
abgeſondert; zween kleinere aber befinden ſich hinten, ſtehen ganz 
nahe aneinander, und ſehen wie zween gelbe Dippel aus. 


Dieſem Bruſtſchilde, und zwar dem groͤßern und vordern 
Theile, find die erſten und zweyten Paar Füße; dem hintern und klei⸗ 
nern Theile aber das dritte Paar Fuͤße unten angegliedert. 


Der Schenkel der Mittel und Hinterfuͤße iſt ſchwarz, die 
Schienbeine und der eigentliche Fuß aber gelb, welcher leztere fünf 
Glieder hat, und ſich in einen doppelten krummen Hacken oder 
Klaue endiget. * N 


Der Leib iſt ebenfalls ſpindelfoͤrmig, ſchwarz und gelb gezeich⸗ 
net. Er iſt mit dem Bruſtſchilde, wie mit einem ſtarken Stiel ver— 
bunden, alsdenn nimmt er bis gegen die Mitte im Durchſchnitte zu, 
von da nimmt er im Durchſchnitte wieder ab, bis er endlich ſtumpf 
ſpitzig auslaͤuft. Er beſtehet aus fieben Ringen; und eben fo viel find 
derſelben Flecken auf dem Ruͤcken. Der erſte Flecken iſt zuſammen⸗ 
baͤngend, und ein ſchlangenfoͤrmiger ſchmaler Strich. Die ſechs 

folgen, 


u Zu 137 
folgenden Flecken, ſtehen in der Mitte von einander ab, auf jeder 
Seite drey, und, wie der erſte der groͤßte und breiteſte, alſo iſt der 
lezte der ſchmaͤleſte. Alsdenn folgen noch drey gelbe zuſammenhaͤn⸗ 
gende Flecken oder vielmehr Striche. 


Siehet man den Leib von unten an, ſo iſt er, wie der Ruͤcken, 
glaͤnzend ſchwarz, doch bemerket man faſt in der Mitte ein Paar 
halbmondfoͤrmige blaßgelbe und ſchmale Zeichnungen. 


Das erſte Paar Süße (*), die ich oben mit Fleis übergan⸗ 
gen, iſt nun das Merkwüͤrdigſte, fo dieſe Afterweſpe vor andern ihs 
res gleichen unterſcheidet, und welche eben einer umſtaͤndlichen 
Beſchreibung beduͤrfen. 


Schon das bloße Auge bemerket, daß dieſe Fuͤße nicht, wie 
andere, geſtaltet ſind, ſondern ein ganz ſonderbares Ausſehen haben. 
Sie haben einen laͤnglichen und wie durchloͤcherten, Anſatz und mit 
fonftigen Füßen faſt gar keine Aehnlichkeit (**). 


Bringet man aber einen dieſer Vorderfuͤße unter die Pets 
groͤßerung, fo kann man ſich über die ſeltſame und aͤußerſt unge- 
wohnliche Beſchaffenheit deſſelben kaum genugſam wundern. 

S Er 
(*) Fig. J. a. II. a. a. V. (“) Fig. V. 


138 Sr ®& 
Er hat feine gewoͤhnlichen Haupttheile; einen Schenkel, ein 
Schienbein, und einen eigentlichen Fuß. 


Der Schenkel iſt ſchwarz, hat unten einen gegliederten brei— 
ten Anfang, wird alsdenn zweymal gebogen und ſiehet wie gewun— 
den aus, vornaͤmlich aber hat er unten einen langen zackigen nnd 
gleichſam gegliederten Fortſatz. ö 


Das Schienbein iſt kürzer, als der Schenkel und der eigent⸗ 
liche Fuß, aber ſchwarz und unten gelblich. An demſelben befindet 
fich nun derjenige ſonderbare Anhang oder Fortfag (*), der wie ein, 
durchloͤchertes Blaͤttgen oder Sieb ausſiehet, und aus dieſem Vor⸗ 
urtheile dieſe Aſterweſpe den Namen Siebbiene erworben hat. 


Dieſer Anhang iſt pergamentartig, duͤnn, außen gewoͤlbet und 
innen hohl, von dunkelbrauner Farbe und nur an dem Rande etz 
was hellbraun geſaͤumet. Der ganze Anhang iſt über und über 
weiß gedippelt, welche Dippel, weil ſie halbdurchſichtig ſind, wie 
vollkommene Löcher ausſehen, in der That aber keine find. 


Mit dem Schienbeine iſt der eigentliche Fuß (**) durch ein 
kleines Gelenke verbunden. Auch dieſer hat ein ungewoͤhnliches Aus— 


ſehen. Er iſt kegelartig, hat einen ſchmalen Anfang und wird im 
Fort⸗ 


is nn 


3 %* 139 
Fortgang immer breiter. Oben iſt er gewoͤlbet, unten aber ausge⸗ 
hoͤhlet und hier ſtark mit Haaren gefüttert. Er hat fünf Gelenke, 
davon aber die vier lezten ſchwer zu unterſcheiden ſind. Das erſte 
iſt das laͤngſte. Das zweyte ſcheinet durchſchnitten zu ſeyn und hat 
an der Seite eine Dornenſpitze. Das dritte iſt dem vorigen gleich, 
und hat auch an der Seite eine, jedoch ſehr kleine, Dornenſpitze. 
Das vierte hat ebenfalls an der Seite eine Dornenſpitze, die aber 
unter allen die groͤßte und umgebogen iſt, folglich einem Hacken 
gleichet. Das fuͤnſte und lezte Gelenke hat auf jeder Seine eine 
kleine Dornenſpitze und in der Mitten einen kegeligen Lappen. 


Was die Abſicht und Gebkauch dieſes ſeltſamen Vorderfußes, 
und ſonderlich deſſen Anhang betrift, ſo bin ich mit Herrn P. Goe— 
tzen der vollkommenen Meynung, daß er blos dem Maͤnngen zu 
deſto feſterm Anhalten bey der Begattung dienet; und kann davon 
dasjenige nachgeleſen werden, was in dem obgedachten zweyten 
Stücke des Naturforſchers davon hinlaͤnglich beygebracht und er⸗ 
wieſen worden iſt. 


Daß nun aber die izt beſchriebene größere Aſterweſpe nicht die 
einzige iſt, deren Vorderfüße ſo außerordentlich gebauet und mit 
einem ſo ſonderbaren Anhange verſehen iſt; ſondern daß es noch 
mehrere dergleichen geben mag, erweiſet eine kleinere Afterweſpe, 

2 die 


0 


340 | „ 
die ich der groͤßern auf der Kupfertafel beygefüget habe, und die 
ich noch kuͤrzlich beſchreiben will. 


Dieſe Aſterweſpe (*) iſt freylich kaum halb fo groß, als die 
vorhergehende. Und daher ſiehet das bloße Auge, weiter nichts an 
ihr, als daß ſie groͤßtentheils ſchwarz, der Hinterleib gelbgerin— 
gelt und geflecket, die Füße gelb, und daß ſonderlich die beyden 
Vorderfuͤße einen gelblichen Anhang haben. 


Bringet man aber dieſe kleine Aſterweſpe unter die Vergroͤße⸗ 
rung (**), fo. beobachtet man an ihr Folgendes. 


Der Kopf iſt mit den beyden groͤßern zuſammengeſezten ſtark 
gewoͤlbten Augen ſchwarz; die drey kleinen Augen ſtehen hinten im 
Dreyecke und haben vor ſich einen gelben Flecken. Die Suͤhlhoͤr⸗ 
ner (4 ) find ebenfalls ſchwarz, vielfach gegliedert, und ſcheinen 
fadenähnlich, das iſt, gleich dick zu ſeyn, find aber, genau genom⸗ 
men, nach oben zu etwas dicker, als unten am Grunde. Der 
Mund (1) ſieht einer doppelten hohlen Roͤhre gleich, davon die 
obere ſchwarz, die untere aber gelblich und mit Fuͤhlſpitzen verſe— 
hen iſt, und welche untere in die obere einſchließet, aus und einge— 
zogen werden kann. ü 


Der 
(*) Fig, VII. VIII. IX. () Fig. VL () b. b. (T) e. 


T 141 

Der Bruſtſchild iſt ſchwarz, oben und unten ſtark gewoͤlbet, 

ſcheinet doppelt zu ſeyn, und ihm find unten die drey Paar Fuͤbe 
angegliedert. 


Der Leib haͤnget mit dem Bruſtſchilde durch einen kurzen 
Stiel zuſammen, iſt ſchwarz und hat faſt die nämliche gelben Zeich 
nungen, wie es bey der groͤßern Afterweſpe angegeben worden iſt. 


Vornaͤmlich aber find die Vorderfüße einer eigenen Auf— 
merkſamkeit würdig. Sie ſind bey nahe ganz gelb, und nur an 
dem Schenkel befindet ſich ein gelber Flecken. An dem Schien— 
beine aber ſiehet man ebenfalls, einen ſonderbaren Anhang (, 
wie von der groͤßern Afterweſpe gemeldet worden; nur an der Far— 
be und Geſtalt iſt er verſchieden. Er gleicher einem Vierecke, iſt 
nicht gedippelt, dagegen aber unten doppelt eingefaſſet, und ich 
wüßte ihn mit nichts Beſſerm „ als mit dem Aufſchlage eines 
Mannsermels zu vergleichen. Ich zweifele auch nicht, daß ſich 
von der Abſicht und dem Gebrauche dieſes Anhanges eben das be— 
haupten laͤſſet, was von dem Anhange bey der groͤßern Afterweſpe 
iſt erwieſen worden. 


Warum aber der Schöpfer dieſen und jenen Inſecten zu einer⸗ 
ley Abſicht fo verſchieden gebauete und gebildete Huͤlfsmittel gegeben; 
n S 3 das 


(0 Fig. VI. 2. 


142 r 

das gehoͤret unter die große Menge derjenigen Dinge, davon wir 
nichts wiſſen, ſondern blos, und vieleicht immer falſch, muth⸗ 
maßen. 


Bey den Schriftſtellern findet man dieſer groͤßern und kleinern 
Weſpen unter mancherley Namen gedacht, von welchen ich nur 
folgende anführen will. 

Die größere After weſpe. 


SPHEX cribraria, nigra, abdowine faſciis flauis, tibis antieis ely- 
peis concauis cribriformibus. Linn. S. N. Tom. I. P. II. p. 945. 
No. 23. 


Sphex ſexta. Schaeff. Icon. Inſedt. Tab. CLX XVII. Fig. 
VI. VII. 


Das Siebbein. Muller Naturſyſt. Linn. p. 870. No. 23. 
Siebbiene. Naturforſcher. Stuͤck II. No. III. p. 2 I. Tab. II. Fig. I- b. 
Die kleinere Afterweſpe. 


SPHEX clypeata nigra, abdomine pundtis flauis , pedibus anticis 
concauo-clypeatis. Linn. S. N. Tom. I. P. II. p. 945. No. 24. 


Apis nigra, abdomine faſciis fex flauis : primis 2 interruptis tibiis 
anticis lamellisintegris. Schreber Inſett. Tab. CLXXVIL Fig. II. 


Shex feptima. Schaeff. Icon. Inſect. Tab. CLXXVIL Fig. VIII. 
2 b. 


Der Schildtrager. Muͤller Naturſyſt. Linn. Th. V. p. 871: No. 24. 


Erklaͤ⸗ 


S + = 143 
Erklaͤrung der Kupfertafel. 


Fig. I. Die größere Afterweſpe ſitzend und in natürlicher Größe, 


Fig. II. 


Fig, III. 


Eben dieſelbe fliegend. 


Eben dieſelbe mit ausgebreiteten Fluͤgeln auf dem Nuͤcken 


liegend. 


Fig. IV. 


Fig. V. 


Fig. VI. 


Ein vergrößerter Kopf dieſer Afterweſpe. 
a. 2. Die großen zuſammengeſetzten Augen. 
b. b. Die Fuͤhlhoͤrner. 

e. e. Die großen Fühl oder Freßſpitzen. 

d. d. Die kleinen Fuͤhl oder Freßſpitzen. 
e. e. Die Zähne, 

f. Die Zunge. 


Ein vergrößerter Vorderſuß. 

a. Der ſonderbare gedippelte und wie durchloͤcherte Fortſatz 
oder Anhang. 

b. Der eigentliche Fuß. 

Die kleine Afterweſpe nach einer ſtarken Vergrößerung. 


a. Der ſonderbare Anhang am Vorderfuße. 
b. b. die Fühlhörner, 


e. Der Mund. 
Fig. VIII. 


144 * © 
Fig. VII. Die kleinere Afterſweſpe, in natürlicher Größe und ſitzend, 


a. Der Vorderfuß. 
Fig. VIII. Eben dieſelbe fliegend. 
a. Der Vorderfuß. 


Fig. IX. Eben dieſelbe auf dem Ruͤcken liegend mit ausgebreiteten 
Fluͤgeln. 8 
Fig. X. Die aus dem Hinterleibe bey ſtarkem Druͤcken berandtretens 
den Zeugungstheile. 


XII. 


Rt, 


Der 
Sederfolfen 


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Der 


der e fen let er. 


55 iſt mir ſelbſt ſehr leid, daß, ſo genau ich die Geſchichte 
dieſes Federfalters anfänglich aufgezeichnet gehabt, anitzo, 


da meine Handſchrift verloren gegangen, ich eben von 
ihm das wenigſte ſagen kann; und daß ich mich bey nahe nur allein 
auf die Abbildungen berufen muß.) 


Die Raupe, aus welcher ſich dieſer Federfalter zulezt entwi— 
ckelt, gehoͤret zu der kleinern Art. Ich fand ſie das erſtemal auf 
einer Pflanze in den Weinbergen bey Schwäbelweiß , deren Nas 
men ich aber nicht angeben kann. Sie hatte nach Art anderer 
Raupen die Blätter dergeſtalt zuſammengezogen, daß ihre innere 
Wohnung voͤllig verſchloſſen war, und man, von einem darinnen > 
lebenden Geſchoͤpfe, nichts gewahr werden konnte. 


Die Raupe (*), hatte eine madenaͤhnliche Geſtalt; war von 
grüngelblicher Farbe „und auf dem Ruͤcken jeder Ringe befanden 
T 2 ſich 


(5 Fig. I. 


148 r =) 
ſich ein Paar braunrothe Flecken, die ihr ein ſchoͤnes Ausſehen 
gaben. g 


Ich brachte einen von den Vorderringen, und einen andern 
von den Mittelringen, an welchen die dicken ſtumpfen Süße ſich ber 
finden, unter die Vergroͤßerung. 


Der Vorderring (*) war an den Seiten und unten ſchoͤn 
grün , oben auf dem Rücken aber gelb und roth geſtreifet. Inſon— 
derheit ſahe ich auf jeder Seite des Ruͤckens ein Paar Dornen⸗ 
ſpitzen mit zwey langen Haaren, die auf einem gemeinſchaftlichen 
dicken Stamme ſtunden, krummgebogen waren, ſcharfſpitzig aus 
liefen, und eine braunrothe Farbe hatten. 


Der Mittelring (**), welchem unten die dicken Füße angeſetzt 
waren, hatte eine ſchmutzig gruͤngelbe Farbe, oben auf dem Rücken 
ein Paar laͤngliche braunrothe Flecken, welche in der Mitten ein 
grüner in die Länge hinuntergehender Strich von einander abſon— 
derte. Auch ſahe man oben und an den Seiten einzelne lange 


Haͤrgen. 


Nachdem das Raͤupgen ausgewachſen war und ſich zum lezten⸗ 
mal gehaͤutet hatte, ſo ſahe man eine ganz andere Zeichnung, als 
vorhero. Und ein Paar Tage vor der Verwandelung ſahe es wie ein 
langer Kegel aus (***), war groͤßtentheils ſchoͤn gruͤn und auf 

dem 


(5) Fig. II. (9 Fig. III. () Fig. IV. 


S 149 
dem Rücken die Länge hinunter mit braunrothen Flecken gezeichnet, 
zwiſchen welchen ein ſchmaler gelblicher Strich hinlief. 


Einige Tage darauf fand ich dieſes Raͤupgen in eine Dattel (*) 
derwandelt. Es hatte ſich hinten feſt angeſponnen, und lag, nach 
einer unten krummen Beugung, ſenkrecht aufgerichtet. Es hatte 
eine ſchoͤne grüne Farbe, und die Fluͤgeldecken liefen unten in eine 
ſcharfe Spitze aus. 


Endlich kam auch der Sederfalter (**) zum Vorſcheine. 


Die Hauptfarbe war dunkelbraun. Die Fuͤhlhoͤrner borſten⸗ 
artig, braun und weiß geringelt. Der Hinterleib ebenfalls braun 
und weiß geflecket. Die Fuße ungewoͤhnlich dünn, mit braun und 
weißen abwechſelnden Zeichnungen, nebſt verſchiedenen Dornen— 
ſpitzen. Die Fluͤgel trug er ſitzend offen und ausgebreitet, doch ſo, 
daß die ungleich groͤßern Oberflüͤgel die kleinen Unterflügel meiſt ber 
deckten. 


Die Oberflugel waren im Anfange ſchmal, wurden alsdeng 
breiter, und hatten am Rande drey Einſchnitte oder Kerben. Shs 
re Farbe war braun, mit einigen zarten weißen Strichelgen, 


Die Unterftuͤgel waren ſchwarzbrann und an dem Rande weiß 
geſaͤumet und gefranzet. f 
T 9 Die 
(5 Fig v. () Fig. VI. 


150 „ N 8 


Die Schriftſteller gedenken vieles Federfalters folgender⸗ 
maßen. 


PH AL AE NA Alueita didacty la alis patentibus fufeis , ftrigis al- 
bis : anticis bifidis, poſticis tripartitis. Linn. S. N. Tom. I. P. II. 
p. 899. No. 454. ; 
Pterophorus fuſcus. Geoffr. Tom. II. p. 92. 
Pterophorus fecundus. Schaeff. Icon. Infe&t. Tab. CLIX. Fig. V. 
Die Zweyfeder. Muͤller Naturſyſt. Linn. Th. V. p. 757 No. 454. 
Reaumur. Tom. I. Mem. VII. p. 342, P. XX. 


Erklaͤrung der Kupfertafel. 


Fig. I. Das Federraͤupgen in natürlicher Größe, 
Fig. II. Ein vergrößerter Vorderring. 
Fig. III. Ein vergroͤßerter Mittelring. 


Fig. IV. Das Naͤupgen nach der lezten Haͤutung und feiner Verwan⸗ 
delung zur Dattel nahe. 


Fig. V. Die Dattel. 
Fig. VI. Der Federfalter ſitzend. 


XIII. 


XIII. 


| Die 
Blattlausfreſſerfliege. 


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=: 25 . Beer SEELE 
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I 


Die 
Blattlausfreſſerfliege. 


$; giebt zweyerley madenaͤhnliche Wuͤrmer, die man überall 

da findet, wo es Blattlaͤuſe giebet. Beyde Arten ſehen 

dem bloßen Auge fo vollkommen aͤhnlich, daß man aus 

ihnen einerley Inſecten erwarten ſollte. Und gleichwol findet ſich 

bey genauerer Beſichtigung und unter der Vergroͤßerung, ſonderlich 

aber in Anſehung der daraus entſtehenden Inſecten, das gerade Ges 
gentheil. 


Aus einigen dieſer madenähnlichen Würmer entſtehen Kaͤfer, 
die ich in meiner Inſecteneinleitung (*) Blattlauskaͤfer genennet 
u habe; 


(*) Coccinella. Elementa entomologica Tab. XL VII. 


154 555 
habe; aus andern aber Fliegen, die ihrem Baue nach zu den Haus⸗ 
fliegen (*) müſſen gerechnet werden. 


Zu leztern gehören denn auch diejenigen Fliegenarten, von wel⸗ 
chen ich gegenwaͤrtig rede. Und weil Blattlaͤuſe ihr Fraß ſind, ſo 
habe ich ſie von daher Blattlausfreſſerfliegen genennet. 


Die Wuͤrmer dieſer Fliegen hat man alſo nirgends zu ſuchen, 
als wo man Blattlaͤuſe antriſt. Dieſe wiſſen fie mit ihrem Ruͤſ⸗ 
ſel ſo anzuſpießen und aufzufreſſen, daß ſichs ohne Verwunderung 
nicht anſehen laͤßt. 


Der Wurm derjenigen Fliege, von welcher ich hauptſaͤchlich 
handele (**), hat eine Tegelähnliche Geſtalt, und er kann ſei— 
nen Ruͤſſel und die erſten Ringe des Leibes ungemein lang und ſpitzig 
von ſich ausſtrecken. Seine Farbe iſt bey allen nicht einerley. Eis 
nige find hellgruͤn, und haben auf dem Mücken einen weißen 
Strich (***). Andere aber ſehen mattgrun aus, und haben, außer 
den weißen Mittelſtrich des Ruͤckens, auf beyden Seiten noch einen 
roͤthlichen Strich (T). Die Füße find, wie bey allen Würmern 
dieſer Art, mehr fleiſchige Warzen, als eigentliche Füße. 


Wenn 


£*) Muſca. Elem. Entem. Tab. LXXXV. (Ele U: 
() Fig. HM. (J) Fig. I. 


+ ; 155 

Wenn diefe Würmer ausgewachfen find und ſich der Ver⸗ 

wandelung nähern , ſo verfertigen fie ſich da, wo ſie zulezt ihren 

Fraß gehabt, es ſey das Blatt eines Baumes, einer Pflanze oder 

Krautes und dergleichen, ein ebenfalls kegelaͤhnliches und perga— 

mentartiges Gehaͤuße (*); aus welchem nach 2 oder 3 Wochen 
eine Fliege zum Vorſcheine kommt. 


Dieſe Fliege (**), wenn fie den Dattelbalg innerhalb dem 
Gehäuße abgeleget, und nur erſt aus demſelben herkommt, ſcheinet 
ungleich groͤßer zu ſeyn, als ſie es hernach und in vollkommenem 
Zuſtande iſt. Sonderlich find ihre Fluͤgel zu der Zeit ungemein 
klein und zuſammengeleget 


Hat ſie ſich aber vollkommen entwickelt und ihre natuͤrliche 
Geſtalt und Auswuchs erhalten (**), fo bemerket man Folgen⸗ 
des an ihr. 


Der Kopf (T) iſt etwas größer, als der Bruſtſchild. Vorn, 
wo der Ruͤſſel angegliedert, iſt er weiß. An den Seiten ſte— 
hen die zuſammengeſetzten (T) großen Augen, von brauner 
Farbe. Und die ebenfalls braunen Fuͤhlhoͤrner beſtehen aus eis 
nem laͤnglichen Spadel mit einem Seitenhaare (Tr). Der Mund 

u 2 iſt 
(*) Fig. III. (**) Fig. IV. (* *) Fig. V. VI. (T) Fig. VIII. 
(TT) Fig. b. b. (TTT) c. e. 


156 = h 
iſt der Ruͤſſel einer ordentlichen Hausfliege, doppelt gegſedert, und 
hat vorn zwo fleiſchige Lippen (*). 


Der Bruſtſchild iſt ſchwarzbraun, faſt viereckig, doch an den 
Seiten etwas gerundet und oben gewoͤlbet. „ 


Der Leib iſt ungemein dünn , oben etwas gewoͤlbet, unten 
aber bey nahe flach. Die Hauptfarbe iſt oben ſchwarzbraun, und 
mit ſechs halbmondſoͤrmigen Flecken gezeichnet; welche Flecken aber 
bey einigen mehr weiß, als gelb, ſind. 


Die Fuͤße ſind gelblich. Die Sluͤgel durchſichtig und zart 
geaͤdert; und die Wagſtange bald weiß, bald gelblich. 


Außer dieſer izt beſchriebenen Fliege habe ich einsmalen noch 
eine andere aus einer Dattel erhalten, ohne daß ich ihren Wurm 
kennen lernen. | 


Ich fand namlich auf einem Baumblatte ein kleines roͤthliches 
pergamentaͤhnliches Gehaͤuße (**); aus welchem nach einigen Ta⸗ 
gen eine braune Fliege (***) zum Vorſcheine kam, deren Leib oben 
mit zween gelben Flecken, und drey darauf folgenden breiten gelben 
Queerſtrichen, gezeichnet war, 

Irre 
(% Fig. IX. a, b. c. () Fig X. () Fig. VII. XI. xl. 


5 S r 8 157 
Irre ich nicht, ſo kommen dieſe beyde Fliegen bey dem Linne 


unter folgenden Namen vor. 


MVSCA Hhraſtri antennis ſetaciis nudiuſcula, thorace immaculato ; 
abdomine bis tribus lunulis flauis recuruatis. Linn. S. N. p. 98 7. 
No. 51. 

Mufea ſpathula antennarum oblonga prima, Schaeff. Icon, Inſe g. 
Tab, NN VII Pie IX, X. 

Die Birnſliege. Müller Naturſyſt. einn. Th. V. p. 963. 
No. 51, 8 

MV SCA ribefü antennis fetaciis nigra nudiuſeula, thorace im- 
maculato > abdomine eingulis quatuor flauis, primo interrupto. 
Linn. S. N. p. 987, No. 50. 

Mufca ſpathula antennarum rotunda fecunda. Schaeff, Icon. Infe, 
Tab. XXXVI Fig. XI. XII. 

Die Jobannisbeerfliege. Muͤller Naturſyſt. Linn, Th. V. p. 96g. 
No. 50, 


Erklaͤ⸗ 


15% > % 2 
Erklaͤrung der Kupfertafel. 


Fig. I. II. Der Blattlausfreſſerwurm. 
Fig. III. Gehaͤuße des vorigen Wurmes zur Berwandelung. 


Fig. IV. Die Blattlausfreſſerfliege, wie fie eben den a ab⸗ 
geleget hat. 


Fig. V. Die vorige vollig ausgewachſene Fliege fliegend nach der 
obern Seite. 

Fig. VI. Eben dieſelbe nach der untern Seite. 
Fig. VII. Eben dieſelbe ſitzend. 
Fip. VIII. Der vergrößerte Kopf dieſer Fliege. 

a. Der zuſammengelegte Nuͤſſel. 

b b. Die groͤßern zuſammengeſetzten Augen. 

o. c. Die ſpadelaͤhnlichen Fuͤhlhoͤrner mit ihren Seitenhaaren. 
Fig. IX. Der vergrößerte Nuͤſſel dieſer Fliege. 

a. Das erſte Glied deſſelben. 

b. Das zweyte Glied. 

c. Die fleiſchigen Lippen. 
Fig. X. Das Gehaͤuße einer andern Blattlausſreſſerfliege. 
Fig. XI. Dieſe Fliege fliegend. 
Fig. XII. Eben dieſelbe ſitzend. 

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